Subjekt und Subjektposition

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Transkript:

Prof. Dr. Peter Gallmann Jena, Winter 2016/17 U Subjekt und Subjektposition U 1 Subjekt: Kasus und semantische Rolle Wie in den vorangehenden Skripts ausgeführt, wird in der wissenschaftlichen Grammatik postuliert, dass Sätze universell als geschichtete Strukturen aus CP, IP und VP mit den zugehörigen Kernen C, I und V zu verstehen sind. Die Abkürzung I steht für englisch inflection (= Flexion, gemeint: Verbflexion bzw. Konjugation); in neueren Darstellungen findet sich auch die Etikettierung T (= tense, = Tempus). Verben sind bei diesem Ansatz nicht aus sich selbst heraus finit, sondern ihre Finitheit (oder auch Infinitheit) beruht auf einer Verkettung von V und I. Darüber hinaus wurde in Skript T 6 dargestellt, dass bei Subjekt NPs das Verb für die Semantik, die Kategorie I aber für den Kasus zuständig ist (Zuweisung des Nominativs an die Subjektposition SpecIP). In der Fachliteratur wird für diesen Zusammenhang die Metapher der Bewegung verwendet: Die Subjekt NP wird aus der VP in die Subjektposition bewegt. In der folgenden Grafik (und auch in allen nachstehenden Beispielen des vorliegenden Skripts) zeigen die Pfeile vom Regens auf das Dependens. Wenn man von der Strukturbedingung c Command ausginge, müsste man die Pfeilreichtung umkehren ( Skript T). Beim Checking Ansatz der neueren Theorievarianten wären Pfeile in beiden Reichtungen angemessen: (1) CP IP I Nom. VP Agens (SpecIP) NP NP x C V I ( ) weil das Kind t lachte [ ] x: Agens Erläuterung: Die Kategorie I bildet eine Phrase IP, die außer ihrem Kern I zwei Tochterphrasen enthält, nämlich die VP sowie eine besondere Position, die Subjektposition. Subjektposition = Spezifikatorposition von IP, abgekürzt SpecIP. Die Kategorie I weist sofern sie selbst das Merkmal finit aufweist der Subjektposition den Nominativ zu. Die Vergabe des Nominativs durch I erfolgt automatisch, das heißt quasi»blind«. Siehe dazu auch den Begriff der strukturellen Kasusvergabe, Skript T 8.1. Finite Verben kongruieren mit dem Subjekt in Person und Numerus ( Person Numerus Endungen), außerdem zeigen sie Tempus und Modus an.

U Subjekt und Subjektposition 2 Zur Semantik des Verbs lachen gehört, dass es einen Aktanten mit semantischer Rolle Agens erfordert. Der Valenzrahmen ist ganz knapp unter der betreffenden Verbform aufgeführt. In älteren Versionen der Generativen Grammatik wurde angenommen, dass die Subjekt NP direkt in die Subjektposition eingesetzt wird. Semantisch bestand bei diesem Konzept eine»fernbeziehung«zwischen Subjekt und Verb. In der Fachliteratur wurde das Subjekt daher auch als externer Aktant bzw. als externes Argument bezeichnet (Argument = Aktant; Skript T 4). Das folgende Beispiel zeigt ein Verb, in dessen Semantik drei Ergänzungen vorangelegt sind: zwei Aktanten (Agens und Patiens) sowie eine adverbiale Ergänzung. Der entsprechende Valenzrahmen ist unter der Verbform knapp aufgelistet: (2) CP IP VP (SpecIP) NP NP x NP y PP z C V I dass Otto t Kerzen auf den Tisch stellt [ ] x: Agens y: Patiens z: Adverbiale V I V Die Subjektphrase kann dann noch weiterbewegt werden, etwa ins Vorfeld (= SpecCP). Die Subjekts NP steht also nicht immer in der Subjektposition Subjektphrase (Subjekts NP) und Subjektposition sind also auseinanderzuhalten. Dies gilt auch für die weiter unten behandelten Konstruktionen ( Abschnitte U 3 und U 4). Das folgende Beispiel zeigt einen Verbzweitsatz, dabei ist nur die Vergabe des Nominativs an die Subjektposition eingezeichnet: nächste Seite

U Subjekt und Subjektposition 3 (3) CP C IP I VP 1 VP 2 V 2 (SpecIP) NP NP NP x NP y PP z C V 2 V 1 I Otto hat t t Kerzen auf gestellt t t den Tisch V 2 Die Grafik suggeriert, dass die Subjekts NP bei der Bewegung ins Vorfeld den Kasus»mitnimmt«(dasselbe gilt auch für die semantische Rolle). U 2 Noch einmal zur Subjektposition im Deutschen In der Grammatikschreibung hat die folgende Annahme eine lange Tradition: (4) Jeder Satz hat ein Subjekt. Im Modell mit Schichtung CP IP VP ist diese Annahme noch ausgebaut worden: (5) Jeder Satz enthält eine Subjektposition, nämlich die Spezifikatorposition der IP. Allerdings ist weder die eine noch die andere Annahme unbestritten geblieben. Zur Formulierung in der Generativen Grammatik: In der Variante des Prinzipien und Parameter Modells setzt man das folgende Prinzip an, das eigentlich nichts anderes leistet, als sicherzustellen, dass Satzglieder, die vom Verb lexikalisch vorgesehen sind (= Valenz), im Satz auch tatsächlich auftreten: (6) Projektionprinzip: Lexikalische Valenzinformationen haben ein»abbild«in der Syntax. Der etwas seltsame Name des Prinzips beruht auf einem Bild: Die lexikalische Information wird in die Syntax»projiziert«, das heißt»übertragen«. Diesem Prinzip wurde eine zusätzliche Klausel angehängt: (7) Jeder Satz enthält eine Subjektposition. Zusammen ergibt dies das sogenannte Erweiterte Projektionsprinzip (Extended Projection Principle, EPP).

U Subjekt und Subjektposition 4 U 2.1 Problem I: Subjektlose Sätze Ein Problem für die Annahmen (4) und (5) sind deutsche Sätze wie: (8) a. Mich ekelt vor Spinnen. b. Den Kindern war kalt. c. Mir graut vor dem heutigen Abend. d. (Die Kinder freuen sich, ) weil schulfrei ist. e. Heute wird nicht gearbeitet. Bei einigen dieser Konstruktionen gibt es immerhin Varianten mit dem unpersönlichen Subjekt es: (9) b. Den Kindern war [es] kalt. c. Mir graut [es] vor dem heutigen Abend. U 2.2 Problem II: Linksversetzung im Mittelfeld Deutsch kennt Linksversetzungen im Mittelfeld; Zweck ist das Anzeigen einer besonderen Informationsstruktur. Solche Bewegungen sind der Grund, dass der Ansatz einer besonderen Subjektposition gar nicht so offensichtlich ist wie im Englischen: (10) a. dass [im Saal] [drei Paare] tanzen. b. weil [dieses Buch] [niemand] [auf den Tisch] gelegt hat. c. weil [solche E Mails] [nur Idioten] öffnen. Nach links versetzt ist das jeweils erste Satzglied; es steht hier vor der kursiv gesetzten Subjektphrase. Nun könnte man vermuten, dass Linksversetzung in solchen Fällen bedeutet, dass die betreffende Phrase an eine Position vor der Subjektposition bewegt wird. Aber es könnte auch sein, dass die Subjekt NP gar nicht an der Subjektposition steht, sondern in der VP. In der Fachliteratur wird für Linksversetzungen im Mittelfeld oft der Ausdruck Scrambling verwendet. U 2.3 Problem III: Wackernagel Bewegung Schwache betonte Personal und Reflexivpronomen tendieren zu einer Position unmittelbar nach der linken Satzklammer C, genannt Wackernagel Position (nach dem Indogermanisten Jacob Wackernagel, 1853 1938). Das einzige Satzglied, das zwischen C und der Wackernagel Position stehen kann (aber nicht muss), ist die Subjekt NP. Das könnte dafür sprechen, dass das Deutsche tatsächlich eine besondere Subjektposition aufweist, und zwar genau dort, wo man nach dem allgemeinen Bauplan die Subjektposition (SpecIP) erwarten kann. Die Besonderheit des Deutschen besteht dann darin, dass die Subjektposition im Gegensatz zum Englischen vom Subjekt nur optional besetzt wird. Wenn die Subjektposition leer ist, kann man annehmen, dass sie mit Subjekt verdeckt verkettet ist. (Mehr zum Konzept der»verdeckten Verkettung«siehe Abschnitt U 3.3; Vertiefendes zur Wackernagel Bewegung Skript W 4.) Subjekt vor und nach dem Pronomen in Wackernagel Position: (11) a. dass [ _ ] i [es] [ Nom der Kommissar] i sofort entdeckte b. dass [ Nom der Kommissar] [es] sofort entdeckte

U Subjekt und Subjektposition 5 Dativobjekt vor und nach dem Pronomen in Wackernagel Position: (12) a. dass [es] [ Dativ dem Kommissar] sofort auffiel b.??? dass [ Dativ dem Kommissar] [es] sofort auffiel U 2.4 Fazit: Subjektphrase vs. Subjektposition Fazit aus den vorangehenden Abschnitten: Im Deutschen ist zwischen Subjektphrase (= Subjekt NP; = Aktant im Nominativ) und Subjektposition (= SpecIP) zu unterscheiden. Auch wenn die Evidenz für eine Subjektposition im Deutschen nicht eben offensichtlich ist, so ist sie auch nicht null. Die Subjektposition kann im Deutschen leer bleiben; das gilt nicht nur für Sätze mit einer Subjektphrase in anderer Position, sondern auch für subjektlose Sätze. U 3 U 3.1 Subjekt und Passivkonstruktionen Fragestellung Bei transitiven Verben unterscheiden sich Subjektphrase und Akkusativobjekt nicht nur im Kasus, sondern auch in einer Reihe weiterer Eigenschaften. Man spricht hier auch von Subjekt Objekt Asymmetrien. Vor dem Hintergrund solcher Asymmetrien fällt es auf, dass sich die Subjekt NP bestimmter Konstruktionen in vielerlei Hinsicht so verhält, wie man es vom Akkusativobjekt transitiver Verben kennt. Vereinfacht gesagt: Das Satzglied weist typische Objekteigenschaften auf außer dass es im Nominativ steht; es handelt sich quasi um ein»nominativobjekt«. Wie ist das zu erklären? U 3.2 Eine grundlegende Gesetzmäßigkeit: Burzios Generalisierung Die folgende, auf den ersten Blick etwas seltame Beschränkung erfasst einen Zusammenhang zwischen formaler Valenz (Vergabe des Akkusativ an das Objekt) und semantischer Valenz (Zuweisung einer semantischen Rolle an das Subjekt): (13) Burzios Generalisierung (vereinfachte Version): Ein Verb kann einem Objekt nur dann den Akkusativ zuweisen, wenn es der Subjektphrase eine semantische Rolle zuweist. In der wissenschaftlichen Grammatik ist diese Generalisierung mit den folgenden Annahmen vernetzt: (i) Kasusfilter ( Skript T): Jede NP muss ein Kasusmerkmal aufweisen. (ii) Theta Kriterium (ebenfalls Skript T): Jede semantische Rolle wird nur einmal vergeben. Und: Eine Phrase kann nur eine einzige semantische Rolle tragen. (iii) Das EPP ( oben, Abschnitt U 2): Jeder Satz enthält eine Subjektposition. U 3.3 Die Besonderheiten des Passivs Voraussetzung für das Passiv: Das zugrunde liegende aktive Verb weist der Subjekt NP die semantische Rolle Agens zu. Verben, deren Subjekt NPs andere Rolle tragen, sind nicht passivierbar. Dass zumindest im Aktiv der Aktant mit der semantischen Rolle Agens höheren Rang hat als der Aktant mit der Rolle Patiens, wird in der wissenschaftlichen Grammatik als universell angeommen. Eine bekann

U Subjekt und Subjektposition 6 te Ausformulierung ist die Uniform Theta Assignment Hypothesis (UTAH), deutsch: Hypothese der einheitlichen Theta Rollen Zuordnung. Mit Passiv; (16): (14) a. weil [ Agens die Polizei] [ Patiens den Mörder] sucht. b. weil [ Agens man] [ Patiens den Mörder] sucht. Ohne Passiv; (17): (15) a. weil [ Possessor Otto] [ Patiens drei Computer] besitzt. b. weil [ Eigenschaftsträger diese Brücke] [ Richtung über den Fluss] führt Merkmale des Passivs: A. Valenz: Im Passiv wird die Agens Rolle zurückgestuft. Insbesondere wird sie nicht mehr der Subjektphrase zugewiesen, sondern entweder einer Präpositionalphrase (mit von oder durch) oder an gar keine Phrase. Auch in der letztgenannten Variante ist die Agensrolle aber semantisch noch implizit vorhanden, und zwar mit der vagen Bedeutung des Indefinitpronomens man. Fachsprachliche Bezeichnung: Theta Absorption. Passivkonstruktionen zu (14): (16) a. weil [ Patiens der Mörder] [ Agens von der Polizei] gesucht wird. b. weil [ Patiens der Mörder] gesucht wird. Aber nicht zu Ohne Passiv; (17): (15): (17) a. * weil [ Possessor von Otto] [ Patiens drei Computer] besessen werden. b. * weil [ Eig träger von dieser Brücke] [ Richtung über den Fluss] geführt wird. B. Morphologie des Verbs (Konjugation): Die Rückstufung der Agens Rolle wird morphologisch sichtbar, in manchen Sprachen an einfachen Verbformen (so Latein, Schwedisch), in anderen Sprachen (so Deutsch, Englisch, romanische Sprachen) an einer Kombination von Hilfsverb und infiniter Verbform, im Deutschen werden + Partizip II. (18) a. [ Agens Magistratus publicus] [ Patiens homicidam] investigat. b. [ Patiens Homicida] investigatur. C. Kasus: Die Rückstufung der Agens Rolle führt in Übereinstimmung mit Burzios Generalisierung (13) dazu, dass das Verb die Fähigkeit verliert, dem Objekt den Akkusativ zuzuweisen. Fachsprachliche Bezeichnung: Kasus Absorption. Damit ergibt sich ein Problem: Kasuslose NPs sind nach dem Kasusfilter ( Skript T) ungrammatisch. (19) * weil [ NP Akk den Mörder] gesucht wird. Passivverben verlieren die Fähigkeit, andere Kasus zu vergeben, nicht. Dativ, Genitivund Präpositionalobjekte bleiben daher im Passiv unverändert: (20) a. weil [ NP Dat den Verkehrsopfern] zu wenig geholfen wird. b. weil [ NP Gen der Verkehrsopfer] zu wenig gedacht wird ( gedenken).

U Subjekt und Subjektposition 7 c. weil [ PP an die Verkehrsopfer] zu wenig gedacht wird ( denken). D. Verkettung: Der Kopf I kann, sofern finit, auch im Passiv der Subjektposition (SpecIP) den Nominativ zuweisen. Dadurch kann das Problem mit der kasuslosen Objekt NP im Passiv umgangen werden, und zwar durch Verkettung des Objekts mit der Subjektposition. Möglichkeit I: Das kasuslose Objekt bewegt sich zur unbesetzten Subjektposition und erhält dort den Nominativ. (21) a. weil [ NP Nom die Polizei] noch immer [ NP Akk den Mörder] sucht. b. weil [ NP Nom der Mörder] i noch immer [t] i gesucht wird. Möglichkeit II: Im Deutschen und in vielen anderen Sprachen aber zum Beispiel nicht im Englischen! kann der Bezug auf die Subjektposition auch»verdeckt«erfolgen, nämlich über Verkettung mit der leeren Subjektposition ohne sichtbare Bewegung (Bezeichnung: verdeckte Verkettung, verdeckte Bewegung oder abstrakte Bewegung). Dies gilt vor allem, wenn das Subjekt indefinit ist. Zur Notation: Im folgenden Beispiel bezeichnet [ ] oder [e] die leere Subjektposition (so oft auch sonst in der Fachliteratur; e = empty = leer). Auch verdeckte Verkettung wird mit einem Index deutlich gemacht. (22) a. weil [ NP Nom die Polizei] noch immer [ NP Akk den Mörder] sucht. b. weil [ NP Nom e] i noch immer [ NP Nom der Mörder] i gesucht wird. (23) a. weil [die Firma] [heute] [jedem Kunden] [einen Gutschein] gab. b. weil [e] i [heute] [jedem Kunden] [ein Gutschein] i gegeben wurde. Fachtermini für die Verkettung mit der Subjektposition (man beachte die allzu bunte Vielfalt): Anhebung, Raising, A Bewegung, NP Bewegung. U 3.4 Fazit für das Passiv Das Subjekt erhält seinen Kasus an der Subjektposition oder über die Subjektposition. Gewöhnliche Subjekte erhalten ihre semantische Rolle an der SpecVP Position. In älteren Theorievarianten: direkt an der SpecIP Position; Abschnitt U 1. Die Subjekte von Passivkonstruktionen erhalten ihre semantische Rolle an der Objektposition des Verbs. In Passivkonstruktionen kann der Objektposition der Akkusativ nicht zugewiesen werden; (13), Burzios Generalisierung. Beim Subjekt von Passivkonstruktionen wirken also zwei syntaktische Positionen zusammen. Die Objektposition ist für die Semantik, die Subjektposition für den Kasus verantwortlich. Die beiden Positionen werden miteinander verkettet: entweder über sichtbare Bewegung oder verdeckt. Das ist der Grund, warum die Subjektphrase von Passivkonstruktionen Objekteigenschaften haben kann.

U Subjekt und Subjektposition 8 U 4 U 4.1 Subjekt und nichtakkusativische Verben Verben ohne ranghohen Aktanten Prototypische transitive Verben verlangen zwei Aktanten: einen ranghohen mit semantischer Rolle Agens ( Subjekt) und einen rangniedrigen mit semantischer Rolle Patiens ( Objekt); siehe auch U 3.3. Beispiele: (24) a. [ Agens Otto] malt [ Patiens ein Bild]. b. [ Agens Otto] zerbrach [ Patiens den Krug]. Neben solchen transitiven Verben besteht oft noch ein formal identisches oder ähnliches Verb mit nur einem Aktanten. Im folgenden Beispiel fehlt der Aktant mit der Patiensrolle (= intransitiv im engen Sinn): (25) [ Agens Otto] malt. (Gemeint: Otto betätigt sich als Maler.) Es gibt aber auch die Möglichkeit, dass der ranghöhere Aktant fehlt. Burzios Generalisierung (13) sagt voraus, dass solche Verben dem einzig noch vorhandenen Aktanten nicht den Akkusativ zuweisen können. Man bezeichnet sie daher als nichtakkusativische Verben: (26) * [ Patiens Den Krug] zerbrach. Tatsächlich wird der Aktant an Objektposition wie beim Passiv mit der Subjektposition verkettet: entweder über offene Bewegung oder mit verdeckter Verkettung. Der Aktant steht daher im Nominativ: (27) [ Patiens Der Krug] zerbrach. Im Gegensatz zum Passiv wird bei nichtakkusativischen Verben der ranghöhere Aktant des entsprechenden transitiven Verbs nicht zurückgestuft er fehlt»von Haus aus«und ist daher auch nicht als impliziter Aktant hinzuzudenken. Im vorangehenden Beispiel kann man sich beispielsweise denken, dass der Krug aus einem inneren Grund zerbrach (etwa weil er schon einen Riss hatte). Zur Terminologie: (i) nichtakkusativisch = unakkusativisch (engl. unaccusative) = ergativisch (engl. ergative); (ii) intransitiv im engen Sinn = nichtergativisch = unergativ (engl. unergative). Die Termini ergativisch und nichtergativisch sind etablierte Fehlbenennungen: In den Sprachen, die einen Kasus Ergativ haben, tritt dieser bei den»ergativischen«verben gerade nicht auf ) U 4.2 Die Besonderheiten der nichtakkusativischen Verben Nichtakkusativische Verben erscheinen nicht nur als Varianten zu transitiven Verben, sondern auch lexikalisch eigenständig: (28) a. Die Bohnen wachsen schnell. b. Der Ballon stieg immer höher. c. Die Kinder kletterten auf den Baum. Ebenso gibt es lexikalisch eigenständige Verben nur mit einem ranghohen Aktanten: (29) a. Die Zuschauer lachten. b. Otto gähnte. c. Anna arbeitet in Jena.

U Subjekt und Subjektposition 9 Es fragt sich daher, wie man im Zweifelsfall nichtakkusativische Verben von intransitiven Verben im engen Sinn unterscheidet. Der Schlüssel sind die Unterschiede zwischen Subjekt und Objekt der transitiven Verben. In einer Reihe von Konstruktionen lässt sich feststellen: Was bei Subjektphrasen möglich ist, ist bei Objektphrasen ausgeschlossen (oder umgekehrt). Die Subjektphrase nichtakkusativischer Verben und von Passivkonstruktionen verhält sich nun in vielerlei Hinsicht wie das Objekt transitiver Verben, es kommt in diesem Vergleich einem»nominativobjekt«nahe. Es gibt aber noch weitere Unterschiede zwischen den beiden Verbklassen. Siehe dazu die folgende Tabelle; um Subjekt Objekt Asymmetrien handelt es sich bei B bis E: (30) a. intransitiv i.e.s. A. Hilfsverb sein B. Partizip II als Attribut C. Dativ vor Nominativ D. Infinite Verbform + Nominativ NP im Vorfeld E. Spaltung einer Nominativ NP F. Ableitung eines Passivs möglich G. Akk. + resultatives Prädikativ nein nein nein nein nein ja (ja) b. transitiv nein nein ( ) nein nein nein ja (ja) c. Passiv zu trans. Verb ja ja ja ja ja nein nein d. nichtakk. ja (ja) ja ja ja nein nein Zu Zeile a in (30): Gemeint ist intransitiv im engen Sinn, vgl oben, (25). Zu Zeile c in (30): Gemeint ist das Passiv zu einem transitiven Verb. (Nur hier erscheint ein Subjekt. Das Passiv sonstiger Verben ist subjektlos.) U 4.3 Die Unterschiede im Einzelnen A. Hilfsverb sein im Perfekt: (31) a. Intransitiv: Die Zuschauer haben gelacht. b. Transitiv: Der Techniker hat den Apparat repariert. c. Passiv: Der Apparat ist repariert worden. d. Nichtakk.: Das Geld ist verschwunden. Problem: Einige Verben, die sich sonst wie nichtakkusativische Verben verhalten, bilden das Perfekt mit haben (vgl. aber Italienisch): (32) a. Deutsch: Mir hat die Zeit gefehlt. b. Italienisch: Mi è mancato il tempo.

U Subjekt und Subjektposition 10 B. Attributives Partizip II. (Bei transitiven Verben hat das Partizip II passivische Bedeutung Probe: Umformung in einen Relativsatz.) (33) a. Intransitiv: * die gelachten Zuschauer die Zuschauer, die gelacht haben b. Transitiv: * der den Apparat reparierte Techniker der Techniker, der den Apparat repariert hat c. Passiv: der (von den Technikern) reparierte Apparat der Apparat, der (von den Technikern) repariert wurde d. Nichtakk.: das verschwundene Geld das Geld, das verschwunden ist Einschränkung: Bei einigen nichtakkusativischen Verben kann das Partizip II nur dann attributiv gebraucht werden, wenn es ein Adverbiale (Richtung, Herkunft) bei sich hat: (34) a.? das geflatterte Papier b. das [auf den Tisch] geflatterte Papier (35) a.? die gekommenen Studentinnen b. die [aus der Mensa] gekommenen Studentinnen C. Dativ vor Nominativ: Bei nichtakkusativischen Verben und im Passiv ist Dativ NP vor Nominativ NP die Grundabfolge. (Diese Beobachtung betrifft natürlich nur diejenigen Verben, die überhaupt ein Dativobjekt bei sich haben.) (36) a. Intransitiv: weil die Pillen dem Patienten halfen. b. Transitiv: weil der Arzt dem Patienten die Pillen aushändigte. c. Passiv: weil dem Patienten die Pillen ausgehändigt wurden. d. Nichtakk.: weil dem Patienten die Pillen fehlten. Der Beweis, dass (36) tatsächlich die jeweiligen Grundabfolgen zeigt, ist allerdings nicht einfach zu führen, da Deutsch Linksversetzungen im Mittelfeld kennt. Vielleicht leuchtet der folgende Test ein: Kontrastbetonung und Linksversetzung können schlecht auf ein und dieselbe Phrase angewandt werden. (37) a. weil die Pillen sogar DIESEM Patienten halfen. b. weil sogar DIESE Pillen dem Patienten halfen. c. weil dem Patienten sogar DIESE Pillen halfen. d.? weil sogar DIESEM Patienten die Pillen halfen. (38) a. weil die Pillen sogar DIESEM Patienten auffielen. b.? weil sogar DIESE Pillen dem Patienten auffielen. c. weil dem Patienten sogar DIESE Pillen auffielen. d. weil sogar DIESEM Patienten die Pillen auffielen. Satz (37 d) fällt ab, weil hier die Dativ NP offenbar nach links versetzt und zugleich kontrastiv betont ist. Die entsprechende Abfolge in (38 d) ist hingegen akzeptabel es liegt die Grundabfolge vor. (Ein empirisches Problem: Wenn man solche Sätze eine Zeitlang angeschaut hat, geht einem jegliche Intuition verloren )

U Subjekt und Subjektposition 11 D. [Nominativ NP + Partizip] im Vorfeld: Bei nichtakkusativischen Verben und beim Passiv transitiver Verben kann das Partizip zusammen mit der Nominativ NP ins Vorfeld gestellt werden, sofern diese indefinit ist. Bei transitiven Verben ist so etwas nur mit dem Akkusativobjekt möglich, siehe Beispiel (39 b ): (39) a. Intransitiv:? [ [Studenten] gegähnt] haben hier schon oft. b. Transitiv: * [ [Studenten] gestohlen] haben Bücher hier schon oft. b. Transitiv: [ [Bücher] gestohlen] haben diese Studenten schon oft. c. Passiv: [ [Bücher] gestohlen] wurden hier schon oft. d. Nichtakk.: [ [Bücher] verschwunden] sind hier schon oft. E. Aufspaltung von Nominativ NPs: Bei nichtakkusativischen Verben und bei Passivkonstruktionen lassen sich Nominativ NPs aufspalten, sofern sie indefinit sind. Bei transitiven Verben ist so etwas nur beim Akkusativobjekt erlaubt, siehe Beispiel (40 b ): (40) a. Intransitiv:? [Studenten] haben hier [nur fröhliche _ ] getanzt. b. Transitiv: * [Techniker] können den Apparat [nur erfahrene _] reparieren. b. Transitiv: [Apparate] können diese Techniker [nur neuere _ ] reparieren. c. Passiv: [Apparate] wurden [nur neuere _ ] repariert. d. Nichtakk.: [Ziegel] sind hier [nur leichte _ ] heruntergefallen. (41) a. Intransitiv:? [Was] haben denn hier [ _ für Studenten] getanzt? b. Transitiv: * [Was] haben [ _ für Techniker] den Apparat repariert? b. Transitiv: [Was] haben diese Techniker [ _ für Apparate] repariert? c. Passiv: [Was] wurden denn [ _ für Apparate] repariert? d. Nichtakk.: [Was] sind denn hier [ _ für Ziegel] heruntergefallen? F. Ableitung eines Passivs: (42) a. Intransitiv: In dieser Vorlesung wird oft gegähnt. b. Transitiv: Der Apparat wird repariert. d. Nichtakk.:? Auf dieser Treppe wird oft umgefallen. Problem: Manche Verben, die sich sonst wie nichtakkusativische Verben verhalten, haben ein eher agentivisches Subjekt. Solche Verben sind dann auch passivfähig. Dies gilt insbesondere für viele Bewegungsverben: (43) a. In den Turnstunden wurde ständig herumgerannt. b. Von dieser Schanze kann im Sommer nicht gesprungen werden. Aber wohl kaum: (44) a.??? Von diesem Aussichtsturm kann leicht heruntergefallen werden. b.??? In dieser Klimazone wird auch im Winter gewachsen. Nur scherzhaft: (45) Otto wurde gegangen. Außerdem umgangssprachlich in Aufforderungssätzen: (46) Jetzt wird aufgestanden!

U Subjekt und Subjektposition 12 G. Akkusativ + resultatives Prädikativ: Nichtakkusativische Verben haben nicht die Möglichkeit, eine Verbindung aus Akkusativ NP und resultativem Prädikativ bei sich zu haben: (47) a. Intransitiv: Der Hund bellte [die Kinder wach]. b. Transitiv: Otto trank [seine Kollegen flach]. d. Nichtakk.: * Der Pegel stieg [die Behörden unruhig]. U 4.4 Fazit Es gibt zwei Typen von Verben ohne ranghohen Aktanten: Nichtakkusativische Verben haben von Haus aus keinen solchen Aktanten. In Passivkonstruktionen ist der ursprüngliche ranghohe Aktant zurückgestuft worden. In beiden Fällen kann dem rangniedrigen Aktanten an Objektposition kein Kasus zugewiesen werden; Burzios Generalisierung (13). Damit droht eine Verletzung des Kasusfilters ( Skript T). Die Lösung besteht in der Verkettung mit der Subjektposition. Die Verkettung ist der Grund, warum sich die Nominativphrase von Passivkonstruktionen und von nichtakkusativischen Verben teilweise wie das Objekt transitiver Verben verhält. Typische Konfigurationen: (48) rang ranghoher niedriger Aktant Aktant a. Intransitives [Agens] [ ] Verb: [Nominativ] [ ] b. Transitives [Agens] [Patiens] Verb: [Nominativ] [Akkusativ] c. Passiv zu [Agens] [Patiens] Ru ckstufung des Agens trans. Verb: [Nominativ] [Akkusativ] Burzios Generalisierung verkettet d. Nichtakk. [ ] [Patiens] Verb: [Nominativ] [Akkusativ] Burzios Generalisierung verkettet Die folgende Baumgrafik zeigt ein nichtakkusativisches Verb, dessen einziger Aktant mit der Subjektposition verdeckt verkettet ist: nächste Seite

U Subjekt und Subjektposition 13 (49) weil hier noch nie Geld verschwunden ist. CP C IP VP VP V V V (SpecIP) NP AdvP AdvP NP C V V I weil [] hier noch Geld ver ist [] nie schwunden I V

U Subjekt und Subjektposition 14 U 5 Anhang I: Passivvarianten Es gibt im Deutschen noch weitere passivartige Konstruktionen. Man spricht hier auch von»passivvarianten«. (Theoretisches Problem: Wie kommen die typisch passivischen Eigenschaften zustande?) In der jüngeren Grammatikforschung hat vor allem das bekommen Passiv Aufmerksamkeit gefunden. Hier wirkt eine Variante von Burzios Generalisierung, die die Vergabe des Dativs (aber nicht des Akkusativs) beschränkt. Beschreibung Aktiv werden + Partizip II»Gewöhnliches«Passiv. Zur Abgrenzung von den folgenden Passivvarianten wird es auch als Vorgangspassiv oder werden Passiv bezeichnet. sein + Partizip II Sogenanntes Zustands oder sein Passiv. Es drückt vor allem Zustände aus, die als das Ergebnis eines Vorgangs angesehen werden können. bekommen + Partizip II kriegen + Partizip II (umgangssprachlich) Das Subjekt dieser Passivvariante entspricht dem Dativobjekt (!) der entsprechenden aktiven Fügungen. gehören + Partizip II Diese Passivvariante drückt eine Pflicht oder Notwendigkeit aus. sein + Infinitiv mit zu Diese Passivvariante drückt ein Müssen, Können oder (verneint) ein Nichtdürfen aus. sich lassen + Infinitiv, oft kombiniert mit einem Adjektiv wie leicht, schwer. kommen / gelangen + Verbalnomen (= von einem Verb abgeleitetes Nomen) Man spricht hier auch von einem Funktionsverbgefüge. Beispiele Ich verschicke das Paket. Der Hund zerriss dem Einbrecher die Hose. Das Licht hat den Hasen geblendet. Der Mechaniker hat die defekten Teile ersetzt. Man führte die Veranstaltung dennoch durch. Wir rechnen mit einem Sieg des FC. Die Polizei brummte Alice eine Strafe auf. Das Paket wird verschickt. Dem Einbrecher wurde vom Hund die Hose zerrissen. Der Hase ist vom Licht geblendet worden. Die defekten Teile sind vom Mechaniker ersetzt worden. Die Veranstaltung wurde dennoch durchgeführt. Mit dem Sieg des FC wird gerechnet. Alice wurde eine Strafe aufgebrummt. Das Paket ist verschickt. Die Hose ist zerrissen. Der Hase ist geblendet. Die defekten Teile sind ersetzt. Die Veranstaltung ist durchgeführt. Ich bekam ein Paket zugeschickt. Wir bekamen die defekten Teile vom Mechaniker ersetzt. Alice kriegte eine Strafe aufgebrummt. Dieses Paket gehört weggeschickt. Diese Teile gehören ersetzt. Alice gehört eine Strafe aufgebrummt. Das Paket ist wegzuschicken. Die defekten Teile waren vom Mechaniker zu ersetzen. Andreas ist nicht leicht zu erschrecken. Die Veranstaltung ist durchzuführen. Mit dem Sieg des FC ist zu rechnen. Die Teile ließen sich leicht ersetzen. Die Veranstaltung ließ sich nicht mehr absagen. Das Paket kommt zum Versand. Die Veranstaltung gelangte zur Durchführung.

U Subjekt und Subjektposition 15 U 6 Anhang II: Andere Valenzklassen Die Unterscheidung von transitiven, intransitiven und nichtakkusativischen Verben ist keine geschlossene Auflistung es gibt daneben noch weitere Verbklassen, die hier nicht weiter behandelt werden. Erwähnt sei immerhin die wichtige Klasse der reflexiven Verben: (50) a. Ich begebe mich ins Zimmer. b. Wir befinden uns in Hörsaal 24. c. Otto kümmerte sich um die Pflanzen. d. Ich nahm mir diesmal etwas Realistisches vor. Auch reflexive Verben stehen oft neben einem formal gleichen oder ähnlichen Verb mit anderer Verteilung der semantischen Rollen: (51) a. Ich öffnete die Tür. b. Die Tür öffnete sich. (52) a. Der Lärm ärgert mich. b. Ich ärgere mich über den Lärm. (53) a. Anna setzte das Kind auf den Stuhl. b. Das Kind setzte sich auf den Stuhl. In den oben gezeigten Beispielen trägt das Reflexivpronomen keine echte semantische Rolle; das Reflexivpronomen kommt einem Expletiv nahe ( Skript J). Man spricht dann auch von»echt reflexiven«verben. Das Reflexivpronomen kann hier nicht mit selbst verstärkt werden (wenn doch, verändert sich der Sinn des Verbs) und nicht erfragt werden. Im Gegensatz dazu stehen die»unecht reflexiven«verben, zum Beispiel: (54) a. Im Traum sah sie sich auf einer weiten Wiese. b. Im Traum sah sie sich selbst auf einer weiten Wiese. c. Wen sah sie im Traum auf einer weiten Wiese? Sich (selbst)! U 7 Anhang III Im Folgenden geht es um Begrifflichkeiten und Zusammenhänge in der Fachliteratur (für Interessierte). U 7.1 Bewegung zur Subjektposition als A Bewegung Zur Erinnerung ( Skript P): D Struktur = diejenige Struktur, in der die Aktanten an den lexikalisch zu erwartenden Positionen stehen. S Struktur = Struktur nach Durchführung der notwendigen Bewegungen (das können auch null Bewegungen sein). Die offene Bewegung zur Subjektposition (= Anhebung, Raising, NP Bewegung) und ihre verdeckte Alternative unterliegen strukturellen Beschränkungen, und zwar auffallenderweise denselben wie die Verkettung von Reflexivpronomen und Bezugsphrase ( Skript X). Da dort Aktantenpositionen (= Argumentpositionen oder kurz A Positionen) eine wichtige Rolle spielen, spricht man auch von A Bewegung, im Gegensatz etwa zur Bewegung ins Vorfeld, bei der es sich um eine Non A Bewegung (A Bewegung) handelt. Mit den für A Bewegung geltenden Regeln kann man beispielsweise erklären, warum der folgende Satz ungrammatisch ist: (55) * [Otto] i wurde mir versprochen, t i auch eingeladen zu werden. (Gemeint: Mir wurde versprochen, dass Otto auch eingeladen wird. ) Wir verzichten hier auf Einzelheiten.

U Subjekt und Subjektposition 16 U 7.2 Burzios Generalisierung und die»kleine vp«in neueren Arbeiten im Kontext von Chomskys Minimalist Program wird für die Effekte von Burzios Generalisierung eine Kategorie»klein vp«verantwortlich gemacht, die zwischen IP und VP steht. Für vp wird oft νp geschrieben (mit einem kleinen griechischen Ny), und zwar zur Unterscheidung von anderen Ansätzen mit mehrfach geschichteter VP. Für IP steht in diesem Rahmen meist TP (= Tempusphrase); im Folgenden wird aus Kompatibilitätsgründen an der traditionellen Notation IP festgehalten. Die»kleine vp«soll zum einen für die semantische Rolle des Subjekts verantwortlich sein (typischerweise Agens), zum andern für den Kasus Akkusativ des Objekts, und zwar nach dem Motto»Doppelt oder nichts«(agens + Akkusativ keine semantische Rolle + kein Kasus). Fachliteratur: Radford (2004). Beispiel mit transitivem Verb: (56) CP C IP 1 I vp vp v 2 3 VP V 4 NP NP x NP NP y C V v I als der t den t versenkte [ ] [ ] Pirat Kahn Legende: 1 = Kasus Nominativ (von I) 2 = thematische Rolle AGENS (von klein v) 3 = Kasus Akkusativ (von klein v) 4 = thematische Rolle PATIENS (von V) Das transitive Verb versenken wird auf zwei Komponenten zurückgeführt: Klein v ist Träger der Semantik BEWIRK und vergibt an seinen Aktanten x die Rolle AGENS; groß V ist Träger der Semantik UNTERGEH und vergibt an seinen Aktanten y die Rolle PATIENS: (57) a. Transitiv: Als der Pirat den Kahn versenkte versenk = BEWIRK (x, UNTERGEH(y)) b. Nichtakkusativisch: Als der Kahn versank versink = UNTERGEH(y)

U Subjekt und Subjektposition 17 Das transitive versenken kann übrigens historisch damit erklärt werden, dass der Stamm von versinken mit einem (Ablaut und Umlaut bewirkenden) Suffix verbunden wurde; dieses Suffix kann mit klein v identifiziert werden. (58) a. V = versinkb. v = Ø Ablaut+Umlaut c. T = te d. [ T [ v [ V versink] Ø Ablaut+Umlaut ] te] = versenkte Die folgende Grafik zeigt das intransitive versinken: (59) CP C IP 1 I vp (vp) V 2 NP NP C V v I als der t versank [ ] [ ] Kahn v VP 1 = Kasus Nominativ (von I) 2 = thematische Rolle PATIENS (von V) Die Analyse mit»klein v«hat Vorgänger im Modell der»generativen Semantik«, einem Seitenzweig der Generativen Grammatik der 1960er und 1970er Jahre. Wesentlicher Bestandteil dieses Modells war die Annahme, dass die Valenzeigenschaften der Verben auf syntaktisch semantische»atome«zurückgeführt werden können (= semantische Dekomposition).

U Subjekt und Subjektposition 18 U 7.3 Hinweise auf Fachliteratur Baker, Mark C. (1988): Incorporation. A Theory of Grammatical Function Changing. Chicago / London: The University of Chicago Press. [Zu UTAH] Burzio, Luigi (1986): Italian Syntax. A Government Binding Approach. Dordrecht: Reidel. Primus, Beate (2012): Semantische Rollen. Heidelberg: Winter (= Kurze Einführungen in die germanistische Linguistik (KEGLI), 12). Radford, Andrew (2004): Minimalist Syntax. Exploring the structure of English. Cambridge: Cambridge University Press (= Cambridge Textbooks in Linguistics). [Spezifisch zur kleinen vp: Kapitel 9, vor allem 9.4 bis 9.8, Seiten 336 367] Wunderlich, Dieter (2003): German and Icelandic compared. In: Hanson, Kristin / Inkelas, Sharon (eds.) (2003): The Nature of the Word: essays in honor of Paul Kiparsky. MIT Press.