Zur Diskriminierung im Wohnungsmarkt

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Transkript:

Zur Diskriminierung im Wohnungsmarkt Integrations- und Ausgrenzungsprozesse bei türkischen Migranten der zweiten Generation Dr. Norbert Gestring Carl von Ossietzky Universität Oldenburg Freiwillige Selbstverpflichtungen in der Wohnungswirtschaft im Sinne des Nationalen Integrationsplans Experten-Workshop des Planerladens, Dortmund, 19.04.2013

Die Studie Fragestellung: An welchen subjektiven und gesellschaftlichen Faktoren entscheiden sich Prozesse der Integration resp. Ausgrenzung? Integration: Ein zweiseitiger Prozess in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen: Arbeit, soziale Netzwerke, Wohnen Methoden: Qualitative Interviews (Hannover) 60 Interviews mit Migranten türkischer Herkunft (2. Generation, Hauptschulabschluss) 40 Interviews mit Gatekeepern des Arbeitsund Wohnungsmarkts 2

Zur Wohnsituation türkischer Migranten 1. Nach den gängigen Indikatoren (Ausstattung, Wohnfläche, Eigentümeranteil, Mietpreise) hat sich die Wohnsituation von Migrantinnen und Migranten seit den 1990er Jahren verbessert. 2. Allerdings gibt es nach wie vor Probleme der Unterversorgung und Benachteiligung (Wohnfläche, Mieten pro m 2 ). 3. Bei den interviewten türkischen Migranten dominierte eine Integration auf niedrigem Niveau. 3

Zur Wohnsituation türkischer Migranten Einige Thesen zur Erklärung 1. Eine Integration im Sinne einer vollständigen Angleichung von Migranten an die nicht-migrantische Bevölkerung ist nicht zu erwarten. 2. Der Prozess der Integration im Bereich Wohnen hängt in hohem Maße von der sozioökonomischen Lage der Migranten ab. 3. Migranten haben eine andere Altersstruktur als Herkunftsdeutsche und eine andere regionale Verteilung: Sie sind jünger und wohnen häufiger in Großstädten. 4. Der Prozess der Integration wird beeinträchtigt durch eine Verknappung des Angebots im Segment der preiswerten Mietwohnungen, und. 5. durch Diskriminierung. 4

Zur Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt Diskriminierung Definition: Die Benachteiligung von Individuen aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Diskriminierung verläuft für Betroffene weitgehend unsichtbar. Das Sample der Gatekeeper des Wohnungsmarkts 19 Interviews in 13 Wohnungsunternehmen: (zwei Interviews im Wohnungsamt, zwei in Wohnungsverwaltungen, acht Interviews in Wohnungsgenossenschaften und sieben in Wohnungsgesellschaften) Wohnungsgenossenschaften mit 200 bis 8.500 Wohnungen, Wohnungsgesellschaften mit 1.500 bis 17.500 Wohnungen. Insgesamt vermieten /verwalten die Unternehmen mind. 23 Prozent der Mietwohnungen Hannovers und 70 Prozent der Belegrechtswohnungen. 5

Zur Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt Kriterien der Mieterauswahl 1. Geregeltes Einkommen und Arbeitsverhältnis. 2. Bevorzugung von Herkunftsdeutschen bei qualitativ hochwertigen Wohnungsbeständen. 3. Quotierung der Mietshäuser nach ethnischer Zugehörigkeit, d.h. der Anteil von Migrantenhaushalten soll einen bestimmten Wert nicht überschreiten. Ein häufiger Wert ist eine Quotierung von 1/3 Migranten- zu 2/3 deutschen Haushalten. Die Chance, die Quoten durchzusetzen sind abhängig von der Attraktivität der Bestände und der konjunkturellen Lage auf dem Wohnungsmarkt. Ausweitung der Quotierung auf ganze Stadtviertel ist ein Sonderfall. 6

Zur Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt Begründungen der Gatekeeper 1. Begründungen aus eigener Überzeugung: persönliche Aversionen 2. Ökonomische Folgewirkungen: Da will kein Deutscher mehr hin. Probleme der Vermietbarkeit Deutsche Mieter meiden Wohnhäuser mit hohem Migrantenanteil und ethnisch gemischte Viertel. 3. Soziale Folgewirkungen: Konfliktschlichtung ist unheimlich schwierig Die Zusammensetzung in den Häusern muss passen. Minimierung von Konflikten, d.h. Minimierung von Beschwerden deutscher Mieter und Mieterinnen über türkische / ausländische Nachbarn. 7

Zur Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt Folgen der Diskriminierung für Migranten und Migrantinnen Qualitative Verschlechterung der zugänglichen Wohnungen. Willkürliche Verengung des für Migranten zugänglichen Wohnungsmarktsegments. Ausschluss aus bestimmten Standorten verhindert freiwillige Segregation (bspw. Wohnen in der Nähe der Eltern) und kann die Leistungsfähigkeit sozialer Nertzwerke schwächen. Quotierungen erhöhen die Abhängigkeit von der Konjunktur des Wohnungsmarkts: In Zeiten angespannter Wohnungsmärkte sind sie leichter durchzusetzen. 8

Zur Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt Argumente gegen die Diskriminierung durch Quotierungen Negative Folgen für Integration von Migranten und Migrantinnen. Gatekeeper nehmen ethnische Hierarchisierungen vor. Gatekeeper definieren ethnische Zugehörigkeit (wer ist ein Türke?) Migrantische Familien sind oft die stabilsten in sozial benachteiligten Quartieren: gute ausländische Familien und deutsche Alkoholiker (Zitat eines Gatekeepers). Es gibt keine sozialwissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse über die Zusammensetzung guter Stadtviertel nach nationalen / ethnischen Kriterien. 9

Zur Diskriminierung im Wohnungsmarkt Integrations- und Ausgrenzungsprozesse bei türkischen Migranten der zweiten Generation Dr. Norbert Gestring Carl von Ossietzky Universität Oldenburg Freiwillige Selbstverpflichtungen in der Wohnungswirtschaft im Sinne des Nationalen Integrationsplans Experten-Workshop des Planerladens, Dortmund, 19.04.2013