Geräuschquellen im Verkehr und ihre Bedeutung: Schienenverkehr Bahn-Umwelt-Zentrum Dr. Matthias Mather VUM 1 Köln, 16.11.2006
Gegebenheiten in bewohnten Gebieten Rollgeräusch ist für die schwere Eisenbahn und für leichtere Straßen- oder U - Bahnen die Hauptlärmquelle. An bestimmten Stellen (Hot Spots) können auch die anderen Betriebsgeräusche stark belästigen, z.b Anfahren, Abbremsen, sowie Aggregate wie Ventilatoren und Lüfter, Motoren, aber auch Lautsprecher usw. Störend wirkt nicht nur die Lautstärke, sondern auch der Klang, das Eintreten bzw. Aufhören des Lärmereignisses, Veränderungen und die darin enthaltene Information. Allerdings ist das Empfinden gegenüber dem Lärmereignis sehr unterschiedlich; der Fahrgast empfindet den Lärm eines sich annähernden Fahrzeugs anders als ein Anwohner. 2
Ausgangslage: gefühlte schwere Belästigungen durch Lärm (HSEA) % 3
Stadtgebiet Köln Streckennetz mit Emissionen nachts 4
Lärmminderung bei der Bahn Lärmminderungsmaßnahmen für die Bahn sind unbedingt notwendig; sie dürfen aber den Verkehr nicht von der besonders umweltfreundlichen Schiene auf die Straße vertreiben. Thesen zur Lärmminderung: Besonders effektiv und preisgünstig sind Maßnahmen, die den Lärm an der Quelle mindern. An Hot Spots ist eine Kombination von Maßnamen an der Quelle, im Ausbreitungsweg (Schallschutzwände) und der Schutz des Immissionsorts (Schallschutzfenster) nötig. Durch die Bauleitplanung kann die Entstehung neuer Hot Spots vermieden werden. Der Wert einer Maßnahme sollte sich monetär abschätzen lassen. 5
Das freiwilligen Lärmsanierungsprogramm der Bundesregierung 1999 startete das Freiwillige Lärmsanierungsprogramm (LSP) für die Schiene Seit 1978 gibt es ein solches Programm bereits für die Straße Das Sanierungsziel: Begrenzung des Lärms auf 60 db (A) nachts flächendeckend für die Betroffenen Bisher 51 Millionen pro Jahr für Lärmsanierungsmaßnahmen am Ausbreitungsweg Ab Sommer 2006: 76, ab 2007sogar 100 Mio pro Jahr Gesamtkonzept Lärmsanierung im Internet: www.bmvbw.de/verkehr/schiene-,1460/laermschutz.htm Die Bahn setzt das Lärmsanierungsprogramm der Bundesregierung um 6
Maßnahmen an der Quelle 7
Lärmquellen eines Zuges Quellhöhe: 0 m Schienenoberkante (Rollgeräusch, alle Quellen) 5 m 4 m 0 m Quellhöhe: 0 m Quellhöhe: 4 m Quellhöhe: 5 m Rollgeräusche [Rad- Schienenrauigkeit], Aerodynamische Geräusche [Drehgestell], Aggregatgeräusche [Ölkühlerlüfter (Druckseite), Fahrmotorlüfter], Antriebsgeräusche [Motor, Getriebe] Aerodynamische Geräusche [Stromabnehmerwippe (unten), Lüftergitter, Stromabnehmerfuß], Aggregatgeräusche [Ölkühlerlüfter (Saugseite), Fahrmotorlüfter (Saugseite), Klimaanlagen, Antriebsgeräusche [Motor, Getriebe], Rollgeräusche von Aufbauten [Kesselwagen] Stromabnehmerwippe (oben) 8
Die TSI Noise, europäische Richtlinien zur einheitlichen Minderung der Lärmemission von Schienenfahrzeugen DB Systemtechnik Bei der Zulassung von neuen konventionellen und Hochgeschwindigkeitsfahrzeugen anzuwenden verschiedene Fahrzeugklassen: Güterwagen, Reisezugwagen Elektrolokomotiven, Diesellokomotiven Elektrotriebzüge, Dieseltriebzüge unterschiedliche Betriebssituationen: Stillstand Anfahrt Vorbeifahrt mit konstanter Geschwindigkeit Innenraumpegel im Führerstand Klare Definition der Messbedingungen: Betriebszustand Referenzgleis 9
Schallemissionsgrenzwerte für Neufahrzeuge gemäß TSI Schallemissionsgrenzwerte für Neufahrzeuge nach TSI Hochgeschwindigkeitsverkehr: Geschwindigkeit Einzuhaltende Geräuschpegel Ist Stand 250 km/h 87 db(a) 87-94 db(a) 300 km/h 91 db(a) 91-95 db(a) 320 km/h 92 db(a) 92-96 db(a) Im HGV ist offenbar das Lärmsenkungspotenzial deutlich geringer als beim Güterverkehr. Schallemissionsgrenzwerte für Güterwagen nach TSI Noise: Achsen pro Länge Neu oder Güterwagen mit Rekonstruktion Emissionsgrenzwert, gemessen in 7,5m von Gleismitte, 1,2m Höhe, 80 km/h Ist - Stand bis 0,15 /m Neu oder Erneuert 82 db(a) oder 84 db(a) 92-94 db(a) von 0,15 bis 0,275 /m Neu oder Erneuert 83 db(a) oder 85 db(a) 93-96 db(a) ab 0,275/m Neu oder Erneuert 85 db(a) oder 87 db(a) 94-98 db(a) Güterwaggons werden ohne Maßnahmen zur Lärmminderung um 10 db(a) nicht mehr zugelassen. Eine weitere Absenkung um 5 db(a) wird demnächst geprüft. 10
Die Flüsterbremse senkt das Rollgeräusch von Güterwagen um bis zu 10 db(a) BACKUP Verbundstoff-Bremsklötze verhindern das Aufrauen der Laufflächen der Räder Es geht dabei nicht darum, Bremsgeräusche zu verhindern. Ziel ist es, dass der Wagen glatte Räder behält und damit leiser rollt Bereits seit 2001 schafft Railion neue Güterwagen ausschließlich mit der K-Sohle an. Über 3000 leiser Güterwagen sind bereits im Betrieb Um einen flächendeckenden Effekt zu erreichen, müssen auch alte Güterwagen umgerüstet werden. Die Umrüstung kostet jedoch etwa 4.000 Euro pro Wagen. Müssten dies die Güterwageneigner zahlen, würde dies die Wirtschaftlichkeit des Schienengüterverkehrs in Frage stellen Die DB AG setzt sich deshalb für eine Aufnahme der K-Sohlen- Förderung in das Lärmsanierungsprogramm ein 11
Die Schallpegelortung macht die deutliche Lärmminderung durch die K-Sohle sichtbar BACKUP 12
Leise Sohlen wirken auf dem gesamten deutschen Streckennetz Lärmsanierungsbedarf ohne und mit K-Sohle Die K-Sohle halbiert das Rollgeräusch der Güterwagen. Bonn Mit der K-Sohle würden auch die Anwohner geschützt, die nicht vom Lärmsanierungsprogramm profitieren. 13
Abnahme des Lärms bei Umrüstung auf Verbundstoffsohlen 10000 92 Annahmen: Anzahl der Fahrzeuge 9000 8000 7000 6000 5000 4000 3000 2000 1000 0 Cast Iron Blocks K -Blocks Noise Emission in 7,5 m 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 91 90 89 88 87 86 85 84 83 82 Lärmemission in 7,5 m [db(a)] Es wird eine Flotte von 10.000 Fahrzeugen umgerüstet. Die Lebensdauer eines Fahrzeugs beträgt 40 Jahre; jedes Jahr werden 2,5% der Fahrzeuge neu mit K Sohlen beschafft. 7 Jahre lang werden 10% der Fahrzeuge auf K Sohen umgerüstet. Nach 11 Jahren sind damit alle Fahrzeuge mit GG Sohlen eliminiert. Die Lärmminderung beträgt 10 db(a). Jahr 14
Ziel: Absenken des Bahnlärms durch Maßnahmen an der Quelle um 10 db(a) bis 2020 Im Rahmen von ERRAC hat sich die DB AG dazu bekannt, den Bahnlärm um 10 db(a) an der Quelle bis 2020 zu senken. Die Hälfte davon kann über die K Sohle erreicht werden; es müssen nun weitere Maßnahmen gefunden und einsatzreif gemacht werden. Diese Maßnahmen müssen in das Betriebs- und Instandhaltungsregime der Eisenbahn - Verkehrsunternehmen passen und dürfen die Wettbewerbsfähigkeit der Bahn nicht beschränken. Wegen der langen Lebensdauer von Fahrzeugen helfen neue Systemlösungen weniger weiter als Komponenten, die sich einfach und kostengünstig im Rahmen der Instandhaltung austauschen lassen und die Lärmentstehung mindern. 15
Nur durch eine Kombination von Maßnahmen an der Schiene und am Fahrzeug kann eine weitgehende Lärmsenkung erricht werden Anregung Verhindern: Glattes Rad auf glatter Schiene. Es werden Verfahren benötigt, um das Schienenschleifen preiswerter zu machen. Dazu gehört insbesondere die Entwicklung des Hochgeschwindigkeitsschleifens. Dämpfer/Absorber: Rad- und Schienendämpfer bzw. absorber bieten ein deutliches Lärmsenkungspotenzial von 3 bis 6 db(a). Es können besonders laute und unangenehm klingende Frequenzen bevorzugt eliminiert werden. Benötigt werden Verfahren, Dämpfer/Absorber für die jeweilige Betriebssituation zu entwickeln und auszulegen. Kontinuierliche Verbesserung: Jede Generation von Aggregaten muss leiser wie vorhergehende sein. Leisere Motoren, Lüfter, Ventilatoren, Klimaanlagen auf dem Markt anbieten leisere Räder entwickeln; Dröhnen leerer Güterwagen, insbesondere Kesselwagen mindern. Rahmenbedingungen des Betriebs: Abstellfähigkeit: Aggregate schnell und automatisch herunter und hochfahren Lärmarme Betriebsweisen bevorzugen lärmarmen Fahrzeugen auf dem Markt eine Chance geben (Bestellung Nahverkehrsleistungen) 16
Organisatorische und rechtliche Probleme Die Rahmenbedingungen für die rasche Einführung leiser Technologien bei der Bahn sind nicht günstig: Die Umrüstung der Güterwagenflotte auf K Sohle ist für Eisenbahnverkehrsunternehmen so teuer, dass sie die Existenz der Unternehmen gefährden könnte oder zumindest Verkehr von der Schiene auf die Straße verlagert. Das freiwillige Lärmsanierungsprogramm der Bundesregierung fördert bis jetzt nur Maßnahmen der Infrastruktur, obwohl eine Kombination mit Maßnahmen an den Fahrzeugen schneller, effektiver und zusätzlich kostensparend wäre. Selbst wenn eine Förderung von leisen Fahrzeugen ermöglicht werden sollte, gehen EU Beamte von Beschränkungen der Förderhöhe aus, die z.b. für eine Umrüstung auf K Sohlen nicht ausreichen. Zumindest für die Umrüstung auf K Sohlen ist der Trassenpreis kein geeignetes Mittel zum Anreiz: extrem komplizierte Regelungen sowie Erfassungstechnologie und Organisation nötig kein neues Geld wird in das System gespeist Diskriminierungsfreitheit schwierig, wenn nationale Regelungen umgesetzt werden sollen. 17
Forschungs- und Entwicklungsbedarf Umsetzung des freiwilligen Lärmsanierungsprogramms der Bundesregierung: Reduktion des Lärms durch aktive und passive Maßnahmen auf 60 db(a) analog zur Straße Ausbreitungsweg Maßnahmen an der Quelle Glatte Radlaufflächen mindern Rollgeräusch: Förderung des Einsatzes von Verbundstoffbremsklötzen (K-Sohle); Anschaffung neuer Güterwagen mit der K-Sohle seit 2001 Weitergehende Maßnahmen Da keine weitergehenden, systemkompatiblen und wirtschaftlich einsetzbaren technischen Lösungen zur Verfügung stehen, sollen diese in einem Vorhaben des FV Leiser Verkehr entwickelt werden 18
Leiser Zug auf realem Gleis (LZarG): Dieses nationale Vorhaben zwischen Industrie (VDB), Hochschulen und DB im Rahmen des FV Leiser Verkehr hat folgende Ziele: Erforschen und zur Marktreife bringen von technischen Lösungen, die den Bahnlärm an der Quelle um 5 bis 7 db(a) über die Möglichkeiten der Verbundstoffsohle hinaus senken (ERRAC - Vorgabe). Lärmwirkung: Einfluss des Bahnlärms auf Schlafverhalten (autonome körperliche Reaktionen) untersuchen, um Grundlagen für technische Möglichkeiten des Lärmdesigns einschätzen zu können Hintergründe: Die DB beteiligt sich nicht direkt an der Entwicklung von marktgängigen technischen Lösungen - dies macht die Industrie mit Hochschulen. DB ist aber bereit, zu prüfen, ob eine Entwicklung zum technischen System der DB kompatibel ist und damit hohe Marktchancen hat. Lärmwirkung: es gibt Hinweise darauf, das Bahnlärm subjektiv als weniger störend wahrgenommen wird, jedoch das autonome System des Körpers (Erholung während des Schlafs) eher heftiger reagiert.. Vorhaben soll zur Stärkung der nationalen Bahnindustrie beitragen. 19
Konzept des Vorhabens A - Systemintegration und Implementierung B Rollgeräuschminderung auf realem Gleis B1 Rad/Schiene- Kontakt B2 Radschwingungen und - abstrahlung B3 Oberbauschwg. und - abstrahlung C Modellbildung und Bewertung C1 Lärmwirkungsforschung C2 Modellierung und Simulation C3 Messung und Maßnahmenvalidierung 20
Kosten-Nutzen-Analyse: Wert einer Maßnahme feststellen Die Lärmkosten für die Gesellschaft werden über den Ansatz der externen Kosten dargestellt (z.b. über Gesundheitskosten, hedonische Kosten uä). Für den Vergleich verschiedener Maßnahmen ist es nötig, deren Effektivität und Effizienz zu bewerten und darzustellen, wie sie zum Abbau der externen Kosten beitragen. Hierfür fehlen zur Zeit noch allgemein anerkannte und einfach verfügbare Methoden bzw. Werte. 21