Yoga ab 50. Maximilian Klausner Yoga-Lehrer. Yoga ab 50, also Yoga für älter gewordene Menschen.

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Transkript:

gm-vortrag, 17.03.2012: Yoga ab 50, also Yoga für älter gewordene Menschen. Was man unter älter werden versteht, darüber habe ich schon im Zusammenhang mit meinem Einführungsvortrag zum Jahresthema gesprochen. Ich werde auch heute noch einige Male darauf zurückkommen. Diesmal geht es aber konkret um Yoga, also um den ganzheitlichen Aspekt, der unter Yoga zu verstehen ist: um gesund bleiben sowohl an Körper, wie auch an Geist und Seele. Anna Trökes, eine der profiliertesten innen und Yoga-Autorinnen, schreibt in ihrem Buch Yoga ab 40 in der Einleitung unter der Überschrift ganzheitliches Anti-Aging : Die Yogapraxis ermöglicht es uns, jedes Lebensalter in die besten Jahre zu verwandeln. So geht es hier eigentlich um Pro-Aging : das Älterwerden so angenehm und bereichernd wie möglich zu gestalten, ganzheitlich fit zu bleiben, achtsam für Körper, Geist und Psyche zu sorgen. Selbstverständlich verändern sich durch die alterungsbedingten körperlichen Veränderungen auch die Übungen, die wir im Rahmen von Yoga praktizieren können und sollen. So wie sich auch unsere Bedürfnisse und Möglichkeiten im Laufe der Jahre verändern. Ich werde immer wieder gefragt: Kann ich in meinem Alter eigentlich noch Yoga machen? Die Antwort ist immer die gleiche: Für Yoga gibt es keine Altersgrenze. Ob Kinder- oder Senioren-Yoga: es kommt immer darauf an, dass ich mir als Yoga-Übender achtsam meine Möglichkeiten und Grenzen bewusst mache. Als Grundsatz und Ziel für meinen heutigen Beitrag sollte gelten, was Anna Trökes so beschreibt: Lasst uns schauen, was der Yoga bereit hält, damit wir voller Spannkraft, Freude und Gelassenheit von Jahr zu Jahr schreiten. Eines ist sicher: Der Yogaweg hält viel für uns bereit! Yoga ab 50 März 2012 Seite 1/7

Die erste Aufforderung lautet: BLEIB IN BEWEGUNG! Es ist allgemein bekannt, dass der menschliche Körper entwicklungsgeschichtlich auf Bewegung angelegt ist. Weniger bekannt ist, dass auch unser Gehirn Bewegung braucht, um optimal zu funktionieren. Wir regen nicht nur Kreislauf, die Verdauung, den ganzen Stoffwechsel und damit die Versorgung des Gehirns an, wenn wir uns bewegen. Wir aktivieren dadurch auch das Gehirn selbst, da es umfassender und komplexer arbeiten muss. Das gilt vor allem für schnelle Bewegungen, die eine gute Koordination erfordern, wie etwa Tanzen oder eben auch Yoga-Übungen. Bewegung, die uns körperlich fordert, vor allem aber unsere ganze Aufmerksamkeit braucht, hilft spürbar, innere Unruhe und Reizbarkeit abzubauen. Und sie lässt uns hinterher besser zur Ruhe kommen, da der Körper nach solch einem Workout, verbunden mit intensiver Atmung dieses Ruhen selbst einfordert. Yoga ab 50 soll auch dazu beitragen, dass wir kraftvoll und beweglich bis ins hohe Alter bleiben. Es ist ja tatsächlich so, dass unsere Muskelfasern im Laufe des Lebens an Elastizität einbüßen. Und sie verlieren auch nach und nach die Fähigkeit, sich so kraftvoll zusammen zu ziehen, wie wir es gewohnt sind das spüren wir dann als Kraftverlust. Yogaübungen, die als kraftvolle Yogaübungen bezeichnet werden wie etwa die kleine Krafthaltung aus dem Vierfüßlerstand (Seite 79) oder die Kraftvolle Haltung - Utkatasana (Seite 82) stärken Muskeln und Knochen. Wesentlich dabei ist nicht die Menge der Bewegung also die Dauer und Intensität -, sondern vor allem die Regelmäßigkeit. Bereits 15 Minuten täglich reichen aus, um uns wirklich ein Bewegungskapital anlegen zu können. Einen großen Teil der Kraft und Beweglichkeit, die man sich frühzeitig erarbeitet, kann man mit ins Alter nehmen, sodass die Körperarbeit, die man jetzt leistet, die wertvollste Investition in die Zukunft ist, denn sie hilft, dass man gesünder bleibt und voller Lebensfreude. Yoga ab 50 März 2012 Seite 2/7

Die zweite Aufforderung lautet: SCHAFF DIR EINEN JUNGBRUNNEN IM KOPF! Auch das Gehirn und das Nervensystem haben großen Anteil daran, wie wir durch die Jahre unseres Lebens gehen. Beide können lebenslang trainiert und konditioniert werden, und zwar hinsichtlich unseres Wohlbefindens wie auch unseres Unwohlseins. Yoga kann dazu beitragen, das Selbstvertrauen zu stärken. Man entdeckt durch bestimmte Yogaübungen Fähigkeiten, die man sich zunächst nicht zutrauen würde. Vielfach sind es Umkehrhaltungen wie der Schulterstand, der Kopfstand oder der Handstand. Dabei geht es gar nicht so sehr um Kraft oder Körperbeherrschung, sondern um den Mut, so etwas wie den Schulterstand (Seite 66) oder den Kopfstand an der Wand (Seite 71) zu wagen. Oft wird einem schon bei der Vorstellung mulmig, sich in eine dieser Haltungen zu begeben, und man findet viele Einwände, die dagegen sprechen, es auch nur zu versuchen. Wenn man es aber (mit einer sicheren Technik und mit guter Anleitung) angeht und es (sehr wahrscheinlich) gelingt, steigt das Selbstbewusstsein enorm und das Glücksgefühl natürlich auch. Den Geist auch im Alter noch fit zu halten, wird stark dadurch unterstützt, dass wir uns Herausforderungen suchen. Dies kann in einem Sprachkurs bestehen oder in einer Kunstform wie Malen; auch von der Beschäftigung mit Computern habe ich schon gesprochen. Es kann aber auch eine Bewegungsform sein, Yoga eben, von der man dachte, das sei zu schwer oder dafür sei man nicht talentiert oder beweglich genug oder einfach schon zu alt, um noch damit anzufangen. Man sollte sich die Erfahrung gönnen, was noch alles möglich ist und welche Potenziale noch in einem schlummern. Drehübungen wie das Krokodil (Seite 74) oder Drehsitz (Seite 76 f.) beinhalten solche Möglichkeiten. Oft ist das Leben so angefüllt mit all dem, was uns fordert, mit all dem, was geplant, bedacht und erledigt werden muss, dass wir zwar mehr oder weniger reibungslos im Alltag funktionieren, aber den Bezug zu unserem Körper und so zu uns selbst verlieren. Der Geist ist an solchen Tagen überall unterwegs: bei seinen Planungen, Tätigkeiten und Überlegungen. In dieser Zeit ist er nicht mit seinem Körper. Er ist zerstreut und lässt den Körper im wahrsten Sinne des Wortes geistesabwesend zurück. Wenn wir nun nicht daran denken oder meinen, keine Zeit dafür zu haben -, Geist und Körper wieder zueinander finden zu lassen, dann werden wir uns auf Dauer selbst fremd und merken gar nicht mehr, was im Körper und Gemüt vor sich geht. Wir verlieren unsere eigene Mitte. Yoga ab 50 März 2012 Seite 3/7

Um wieder in die eigene Mitte zu kommen, dafür gibt es im Yoga vor allem die Entspannungs- und Konzentrationsübungen. Dazu gehören die Atemübungen, bei denen wir uns nur auf die Atmung konzentrieren und uns bewusst werden, dass die Atmung Lebenskraft bedeutet. Dazu gehören vor allem auch die Totenhaltung (Seite 86) oder die Yogamudra (Seite 65). Die Bedeutung dieser Übungen liegt auch darin, dass man sich auf das Hier und Jetzt konzentriert, dass man sich dadurch seiner selbst bewusst wird und wieder in seiner Mitte ist. Yoga ab 50 März 2012 Seite 4/7

Die dritte Aufforderung lautet: LERNE DICH SELBST WIEDER KENNEN! Die meisten Teilnehmer meiner Kurse antworten mir auf die Frage, warum sie gerade einen Yogakurs gewählt haben, dass sie sich erhoffen, dadurch zu sich selbst zu kommen, sich bessere entspannen zu können und etwas gegen bestimmte Beschwerden (zum Beispiel Rückenschmerzen oder Nackenverspannungen) zu unternehmen. Viele sagen auch, dass sie einen ganzheitlichen Ansatz suchen, der Körper, Geist und Seele gerecht wird, und dass sie sich etwas Gutes tun wollen. Das Erste und Wichtigste beim Yoga ist, sich vermittels der Bewegungen und Haltungen selbst zu erfahren. Dabei stellen sich folgende Fragen: Was kann ich gut? Wo erfahre ich mich in meiner Kraft und Beweglichkeit? Was macht Spaß? Wo bin ich etwas unbewusst oder unbeweglich geworden und sollte mich öfters dehnen oder kräftigen? Wo sitzen meine Stresszonen? Was macht der Stress mit meinem Körper, meinem Atem, meinem Nervensystem? Wo sitzen Verspannungen? Warum verspanne ich mich gerade immer dort? Viele weitere Fragen begleiten denn Yogaunterricht und führen die Teilnehmer durch einen Prozess, der im Yoga svadhyaya sich selbst nahe kommen genannt wird. Oft verlangt unser Berufs- und Familienleben, dass wir einfach nur gut funktionieren, und weder Chef noch die Kollegen noch die Kinder fragen, was denn unsere eigenen Bedürfnisse und vor allem unser eigener Rhythmus wären. So arbeiten wir fremdbestimmt und ganz oft gegen unsere eigenen Bedürfnisse und nicht in unserem Rhythmus- und können diese im Laufe der Zeit sogar völlig vergessen. Yoga ab 50 März 2012 Seite 5/7

Der erste Schritt in der Yogapraxis sollte daher sein, sich wieder mit sich selbst vertraut zu machen. Wichtig ist dabei, sich Zeit auch für die kleinen, unscheinbar wirkenden Übungen und Zeit für Nachspürpausen zwischen den Übungen zu nehmen. Dazu gehört auch, langsamer zu werden als im Alltag, denn der eigene innere Rhythmus ist sicher nicht so schnell wie der, nach dem wir üblicherweise richten. Langsamer übend kann man sich besser weil differenzierter spüren. Und aus dieser neu entdeckten Langsamkeit kann sich allmählich auch der ganz eigene persönliche Rhythmus wieder herauskristallisieren. Dass man ihn gefunden hat, merkt man daran, dass eine Übung plötzlich ganz leicht fällt und man den Eindruck hat, sie ewig fortsetzen zu können. Ebenso verhält es sich, wenn man gemäß den eigenen Bedürfnissen übt. Es wird Tage geben, das braucht man kraftvolle Übungen, die man lange halten will, um den Körper und damit wieder sich selbst zu spüren, weil man vielleicht stundenlang am Computer gesessen oder eine andere hochkonzentrierte Kopfarbeit geleistet hat. Und es wird Tage geben, da braucht man sanfte, kleine Übungen, um zur Ruhe zu kommen und sich von der Erschöpfung zu erholen. Die Yogaübungen sollten im Hier und Jetzt erfolgen. Jeder Tag ist neu und wir sind auch an jedem Tag neu. Die Yogazeit kann dazu genutzt werden, sich immer wieder zu erforschen und zu erkunden. Wir sollten uns immer bewusst machen, was wir gerade heute und vor allem jetzt brauchen. Wenn man wirklich den Bedürfnissen des Körpers nachgibt, dann folgt man der inneren Stimme und das ist die eigene innere Weisheit. Wenn man beginnt, ehrlich und liebevoll auf sich selbst einzugehen, dann beginnt man wirklich, Yoga zu üben! Ich habe schon darüber gesprochen, dass wir uns immer wieder im Tagesablauf verlieren, dass wir uns immer mehr von uns selbst abwenden und nur noch funktionieren. Um dem entgegenzuwirken, ist es hilfreich, sich eine Instanz zu schaffen, die einem beim Denken, Fühlen und Handeln zusieht. Ich nenne das meinen inneren Beobachter. Er begleitet mich den ganzen Tag und beobachtet mich ganz genau und objektiv. Und er bleibt immer etwas auf Distanz, da er ja neben mir steht, und nicht durch meine Augen schaut. Er beobachtet, nimmt wahr, aber einem Zeugen gleich mischt er sich nicht ein. Er teilt meinem Gehirn aber ständig mit, was er aus der Distanz heraus beobachtet. Das Gehirn kann dann die entsprechenden Schlüsse ziehen. Es kann dann entscheiden, sofort etwas gegen die Gereiztheit in meiner Stimme zu tun, die hörbar war, weil mir ein Anruf ungelegen kam. Es kann entscheiden, dass ich jetzt aufstehen und einmal ums Haus laufen sollte, weil der Beobachter herausfand, dass Erschöpfung mein Tun zu überdecken begann. Es entscheidet, dass ich die Bemerkung, die mir gerade auf der Zunge liegt und die weder nötig noch freundlich ist einfach bleiben lasse. Yoga ab 50 März 2012 Seite 6/7

Indem mein Beobachter also immer zwischengeschaltet ist, ermöglicht er mir, wahrzunehmen, was ich tue, wie ich es tue und wie ich mich dabei fühle. Diese winzige Verzögerung erlaubt es mir, mehr zu agieren und nicht zur zu reagieren. Vor allem aber erlaubt er mir, bei mir zu bleiben. Ich fasse zusammen: Eine gute, unserem Alter und unserer Befindlichkeit angepasste Yogapraxis hält uns jung jenseits falscher Jugendlichkeit: Sie lehrt uns, Verantwortung für unseren Körper zu übernehmen, so wie er sich jetzt zeigt, mit all seinen Stärken, seinen ruhenden Potenzialen und den Bereichen, in denen wir uns nicht ausreichend oder nicht angemessen um ihn gekümmert haben. Der geistige Yogaweg hilft uns, eine positive, konstruktive Weltsicht zu entwickeln, um dem Alltag und seinen Anforderungen mit mehr Ruhe und Gelassenheit zu begegnen, besser entspannen zu lernen und einen ruhigen, tiefen Schlaf zu finden. Und all das geschieht mit oft ganz kleinen Übungen, die jedoch hochwirksam und vor allem seit Jahrhunderten erprobt und bewährt sind. Ich wünsche Euch viel Freude mit den wundervollen Techniken des Yoga! Vielen Dank fürs Zuhören und Mitmachen. Yoga ab 50 März 2012 Seite 7/7