Eckpunkte zur inhaltlichen und strukturellen Organisation der Lehrerbildung in Bayern 0. Präambel: Lehrerbildung vom Lehrer (und damit vom Schüler) her denken Der AKS-Fachausschuss Lehrerbildung-Führungskultur-Qualitätssicherung stellt grundsätzlich fest: Um die bestmögliche Förderung aller Schülerinnen und Schüler innerhalb des vielfach differenzierten bayerischen Schulsystems zu gewährleisten, werden hervorragend ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer benötigt. Diese sollen idealerweise über hohe Ausprägungen berufsbezogener Kompetenzen (inhaltliche Kenntnisse, methodische Fähigkeiten/Fertigkeiten und motivationale Bereitschaften) verfügen 1. zum eigenständigen Erschließen und kritischen Hinterfragen verschiedenster thematischer Sachverhalte (Lehrkraft als Lerner); 2. zum Ermöglichen nachhaltigen Lernens der Jugendlichen, entsprechend ihrer jeweiligen Begabungen und Altersstufen in unterschiedlichen Schularten (Lehrkraft als Vermittler im Unterricht); 3. zur permanenten Selbst-Evaluierung und Weiterbildung innerhalb sämtlicher Anforderungsbereiche des Berufsfeldes Schule (Lehrkraft als im beruflichen Umfeld agierende Person). Im Sinne dieses grundsätzlichen Verständnisses sind sämtliche strukturellen Entscheidungen, die an den für die Organisation von Lehreraus- und -fortbildung verantwortlichen Institutionen (der 1., 2. und 3. Phase) getroffen werden, daraufhin zu überprüfen, inwiefern durch sie die genannten Kompetenzen der (angehenden) Lehrkräfte optimal gefördert und diagnostiziert werden können. 1
I. Ausgangslage 1. Die Lehrer(aus)bildung ist strukturiert durch vier Säulen: Fachwissenschaften Fachdidaktiken Bildungswissenschaften Berufsfeldorientierung Sie wird absolviert in drei nacheinander ablaufenden Phasen; deren Organisation liegt in der Verantwortung von zwei institutionellen Systemen (Hochschule und Schule, derzeit politisch vereint in einem Haus): a) 1. Phase der praxisorientierten Theorie an den Universitäten: Die Förderung/Diagnostik der Lehramtsstudierenden wird durch die Hochschulen organisiert, eine Einflussnahme des Schul-Systems findet über das 1. Staatsexamen statt (60% Anteil an der Gesamt-Note). Die sich ergebenden unterschiedlichen inhaltlichen und systemischen Schwerpunktsetzungen dieser Förderung/Diagnostik seitens der Universitäten (Freiheit von Forschung und Lehre) werden vom AKS-FA Lehrerbildung-Führungskultur-Qualitätssicherung als Chance für eine vielseitigen Ansprüchen genügende Ausbildung der Lehramtsstudierenden verstanden. b) 2. Phase der theorieorientierten Praxis an Seminar- und Einsatzschulen (Referendariat und Vorbereitungsdienst): Die Förderung/Diagnostik der Referendare/Lehramtsanwärter wird innerhalb der unterschiedlichen Schularten organisiert. c) 3. Phase der permanenten Fort-/Weiterbildung: Die Förderung/Diagnostik der (Jung-)Lehrer wird primär durch unterschiedliche Institutionen aus dem Schul- und Hochschulbereich organisiert. 2. Die Grundlagen für späteres erfolgreiches Unterrichten, Beurteilen, Beraten, Innovieren und Erziehen werden in der 1. Phase gelegt; an die hierbei erreichten Kompetenz-Ausprägungen der Lehramtsstudierenden knüpfen die Ausbildungsinhalte der 2. und 3. Phase direkt (und zum Teil in Kooperation mit der 1. Phase) an. 2
II. Aktuelle Herausforderungen für die Organisation der Lehreraus- und -fortbildung 1. Herausforderung: Sicherstellung einer vergleichbaren Wertigkeit zwischen allen vier Säulen der Lehrerbildung Für eine qualitätsvolle Lehrerbildung müssen alle vier für Aus- und Fortbildung verantwortliche Säulen im Blick behalten werden: Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich der Ausstattung der entsprechenden Professuren/Lehrstühle für Lehre UND Forschung. 2. Herausforderung: (Weiter-)Entwicklung von Instrumenten zur Sicherstellung einer kontinuierlich reflektierten Berufsentscheidung Angehende wie auch ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer müssen ihre Aus- und Fortbildung stärker unter Berücksichtigung der folgenden zwei Fragestellungen gestalten können: Ist der Lehrberuf die richtige Wahl für mich? Bin ich den zahlreichen Anforderungen dieses Berufs gewachsen? Die Palette der hierfür zu entwickelnden bzw. zu optimierenden Instrumente reicht von Eingangstests (zu Beginn des Lehramtsstudiums) über Beratungs-/Unterstützungsmaßnahmen (während der gesamten Ausbildung) bis hin zu kontinuierlichen und bedarfsorientierten Fortbildungs-/Reflexionsangeboten (während des gesamten Berufslebens). 3. Herausforderung: Benennung transparenter Anrechnungskriterien für alle studentischen Leistungen Lehramtsstudierende, die Studiengang oder Hochschulstandort wechseln wollen, brauchen klare Kriterien hinsichtlich der Anrechnung ihrer bereits erbrachten Leistungen. 4. Herausforderung: Ermöglichung von Polyvalenzen in den Lehramtsstudiengängen Polyvalent gestaltete Studiengänge halten den Lehramtsstudierenden möglichst lange die Chance offen, sich auf Basis ihrer Reflexionen innerhalb der schulartspezifischen Lehramtsstudiengänge oder auch in Richtung außerschulische Studiengänge umorientieren zu können. Hierbei stellt der gleichzeitig anzustrebende schulartspezifische Praxisbezug eine besondere inhaltliche und organisatorische Herausforderung für die Universitäten dar. 5. Herausforderung: Schaffung neuer Chancen für arbeitslose Junglehrer und erfahrene Lehrkräfte Hoch motivierte Junglehrer, die nach dem absolvierten 2. Staatsexamen kurzfristig keine Aussicht auf ein Beschäftigungsangebot vom Staat haben, brauchen genauso wie erfahrene Lehrkräfte, die auf der Suche nach neuen Herausforderungen sind, Perspektiven für eine berufliche Um-, Weiter- oder Neu-Orientierung. 3
III. Konkrete Forderungen des AKS-FA Lehrerbildung-Führungskultur-Qualitätssicherung 1. Wir fordern ein institutionalisiertes Dialogforum zur Ausweitung und Verbesserung der Kommunikation zwischen allen inhaltlich und politisch Verantwortlichen im Kontext der Lehrerausbildung. Der so in Gang gehaltene Kommunikationsprozess muss sich stets an der Frage orientieren, wie die Förderung und Diagnostik von Kompetenzen künftiger Lehrerinnen/Lehrer während ihrer Ausbildung bestmöglich zu gewährleisten ist. 2. Die Gestaltung der Förderung von Lehramtsstudierenden an den Universitäten, die in den Phasen 2 und 3 fortgesetzt wird, ist im Sinne der Bedeutung von Lehrer-Bildung ernst zu nehmen: a) Die Entwicklung des eigenen schulartspezifischen Lehrer-Seins muss durch modular gestaltete Veranstaltungsformen gefördert werden, durch die Studierende die gelernten fach-, erziehungs- und lehr-lernwissenschaftlichen Inhalte hinsichtlich ihrer schulischen Anwendbarkeit erproben können! b) Die Anforderungen an Lehrkräfte werden immer vielfältiger und anspruchsvoller: Entsprechend muss die Aus-Bildung der Lehramtsstudierenden innerhalb aller vier Säulen der Lehrerbildung auf Basis des jeweils aktuellen wissenschaftlichen Forschungsstandes zu gegenwärtigen Frage- und Problemstellungen aus dem Berufsfeld gestaltet und organisiert werden! Hierzu bedarf es einerseits der intra-, extra- und inter-universitären Vernetzung aller vier Säulen der Lehrerbildung an den verschiedenen Hochschulstandorten; andererseits können nur institutionalisierte Kooperationen aller drei Phasen der Lehreraus- und -fortbildung ein kontinuierliches Förderangebot innerhalb aller vier Säulen gewährleisten. 3. Entsprechend müssen die Angebote an Diagnostikverfahren (zur Selbstreflexion und für Fremdbewertungen) in allen drei Phasen ausgeweitet bzw. optimiert werden, damit (angehende) Lehrerinnen und Lehrer zu jedem Zeitpunkt ihrer Aus-/Fortbildung (zunächst von der Einschreibung bis zum 1. Staatsexamen, danach aber auch weitergehend über die Phasen 2 und 3) Rückmeldung über den aktuellen Stand ihrer Kompetenzentwicklungen erhalten. In diesem Zusammenhang (und zur Aufwertung des Lehramtsstudiums) erscheint es sinnvoll, über die Einführung einer Zugangsbeschränkung zum Referendariat nachzudenken. 4. Den Lehramtsstudierenden müssen im Sinne der Polyvalenz immer wieder inhaltliche und systemische Möglichkeiten zur beruflichen Um-/Weiter- oder Neu-Orientierung gegeben werden, unterstützt durch einen möglichst reibungslosen Wechsel a) innerhalb der Lehramtsstudiengänge, b) aus den Lehramtsstudiengängen heraus in andere außerschulische Studienrichtungen (auch bei einem Wechsel zwischen einzelnen Hochschulstandorten). Ebenso benötigen ausgebildete Junglehrer ohne kurzfristige Aussicht auf ein Stellangebot vom Staat bzw. erfahrene Lehrkräfte mit dem Willen zur beruflichen Um-/Weiter- oder Neu-Orientierung Möglichkeiten, um sich an den Universitäten durch die Teilnahme an Forschung/Lehre bzw. durch deren aktive Gestaltung weiterqualifizieren zu können! 4
IV. Zu erwartende positive Auswirkungen einer Umsetzung der konkreten Forderungen 1. Das Gesamt-Paket der genannten Forderungen stellt eine grundsätzliche Optimierung aller drei Phasen der Lehrerbildung dar: Die Förderung und Diagnostik kommender Lehrkräfte in all ihren Kompetenzen, die zur Ermöglichung nachhaltigen Lernens einer immer heterogener werdenden Schülerschaft nötig sind, werden dadurch verbessert. 2. Der Prozess einer grundsätzlichen Bewusstwerdung von Lehramts-Studierenden hinsichtlich ihrer Eignung für den Lehrberuf (und dadurch die Steigerung bzw. spätere Aufrechterhaltung ihrer beruflichen Motivation) wird von Studienbeginn an verstärkt unterstützt (siehe II.2. und III.3.): Damit darf eine Reduktion der Zahl an Burn-Out-Fällen innerhalb der Lehrerschaft erwartet werden. 3. Der notwendige Kommunikationsprozess aller inhaltlich und politisch Verantwortlichen aus den Bereichen Schule, Hochschule und Politik zur permanenten Weiterentwicklung der Lehreraus- und -fortbildung nach klaren Qualitäts-Kriterien wird verbessert. München, 4. Dezember 2014, für den Arbeitskreis Schule/Bildung/Sport der CSU (AKS) im Namen des Fachausschusses Lehrerbildung-Führungskultur-Qualitätssicherung Florian Basel, FA-Vorsitzender 5