Der Entwurf zu einem Beschäftigtendatenschutz



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Der Entwurf zu einem Beschäftigtendatenschutz Erweiterung oder Begrenzung der Arbeitnehmerkontrolle per Gesetz?

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Telekommunikation, EDV und Telekommunikation Internet Elektronische Verarbeitung von Informationen als Daten = EDV Schreckensbilder wie Orwells Fiktion des Überwachungsstaats 1984. Heute: Nach Erfindung des Internet allgegenwärtige Datenspuren

Der Datenschutz wird geboren Hessens Ministerpräsident Albert Osswald leitete 1970 weltweit die erste Gesetzesinitiative zum Datenschutz ein: Das Hessische Datenschutzgesetz vom 7. Oktober 1970. Am 27. Januar 1977 folgte der Bund mit dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), das am 1. Januar 1978 in Kraft trat.

BVerfG 15.12.1983-1 BvR 209/83 Das Volkszählungsurteil vom 15. Dezember 1983 war Meilenstein auf dem Weg zum Beschäftigtendatenschutz. Es formulierte das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Menschenwürde. Danach gab es kein belangloses Datum mehr.

Schlussfolgerungen Beschränkungen des informationellen Selbstbestimmungsrechts bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht. Die Erfüllung dieser Voraussetzungen erfordert eine bereichsspezifische Regelung für den Schutz der personenbezogenen Daten der Beschäftigten.

Langer steiniger Weg Von den Parteien im Deutschen Bundestag seit 1992 immer wieder versprochen 1997: Initiative der DPG für ein ANDS-G 1998: Zusage Minister Blüm an DGB Vorsitzenden Sommer 2000: Erneute Zusage in der D 21-Initiative der Regierung Schröder 2001: Aufnahme von Verweisen auf ein ANDS-G im BDSG und im Koalitionsvertrag von Rot/Grün vereinbart. 2005: im Koalitionsvertrag von Schwarz/Rot keine Nennung 2009: Disk- Entwurf des BMAS und 32 BDSG

Schritte zu einer bereichsspezifischen Lösung Mit der Änderung des BDSG vom 29. Juli 2009 erster Schritt in Form der Neufassung des 32 BDSG: erstmalig besondere Regeln für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Daten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses. In einem zweiten Schritt mit weiterem Änderungsgesetz vom 14. August 2009: in 4f Abs. 3 BDSG die die Unabhängigkeit des betrieblichen Datenschutzbeauftragten durch die gestärkt. Endlich gleicher Kündigungsschutz wie er schon lange der betriebliche Abfallbeauftragten.

Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes Nach zwei heftig umstrittenen Referentenentwürfen hat das für das BDSG zuständige BMI am 25. August 2010 den Beschluss der Bundesregierung herbei geführt. Entwurf am 3. September 2010 in den Bundesrat eingebracht. BR-Drucks 535/10

Rechtsprechung der Gerichte für Arbeitssachen In der langen Zeit der Vertröstung auf eine alsbald anstehende gesetzliche Regelung haben die Gerichte für Arbeitssachen nicht warten können. Sie haben auf die ihnen von den Prozessparteien unterbreiteten Fragen zum AN - Datenschutz Antworten finden müssen.

PAISY Fall BAG 22.10.1986-5 AZR 660/85 1. Das BDSG (af) regelt zwar nicht die Erhebung personenbezogener Daten. Jedoch ist die Speicherung unzulässig erhobener Daten verboten. 2. Das Speichern in zulässiger Weise erhobener Daten ist im Rahmen der Zweckbestimmung des Arbeitsverhältnisses - mit den Einschränkungen durch das informationelle Selbstbestimmungsrecht - erlaubt ( 3, 23 BDSG af).

Interessenabwägung und Grundsatz der Verhältnismäßigkeit a. Maßgebend für die im Rahmen der Zweckbestimmung vorzunehmende Interessenabwägung ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. b. Unter Berücksichtigung der beiderseitigen Belange dürfen aus einem Personalfragebogen folgende Arbeitnehmerdaten gespeichert werden: Geschlecht, Familienstand, Schule, Ausbildung in Lehrund anderen Berufen, Fachschulausbildung/Fachrichtung/ Abschluss, Sprachkenntnisse. c. Die weitere Kenntnis dieser Daten kann auch im Verlauf des Arbeitsverhältnisses im Rahmen seiner Zweckbestimmung erforderlich sein.

BDSG 2001 Am 18.05.2001ist in 28 Abs.1 BDSG das Erheben, Speichern, Verändern oder Übermitteln personenbezogener Daten oder ihre Nutzung als Mittel für die Erfüllung eigener Geschäftszwecke für zulässig erklärt worden, wenn 1. wenn es der Zweckbestimmung eines Vertragsverhältnisses oder vertragsähnlichen Vertrauensverhältnisses mit dem Betroffenen dient, 2001 erfolgte somit nur eine generelle Regelung für alle Arten von Schuldverhältnissen. Gesetz zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes und anderer Gesetze BGBl I 2001, 904

1. September 2009 Die an sich nötige bereichspezifische Regelung für Arbeitsverhältnisse wurde erst zum 1. September 2009 durch die Neufassung des 32 BDSG geschaffen: (1) Personenbezogene Daten eines Beschäftigten dürfen für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist.

Bescheidener Fortschritt Nach dem Wortlaut genügt nicht mehr die Zweckdienlichkeit sondern es muss die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung erforderlich sein. Das hatte das BAG in der PAISY Entscheidung bereits 1986 erkannt zur Erfüllung des konkreten Vertragszwecks erforderlich sind. BAG 22.10.1986-5 AZR 660/85- Rn. 30 unter Bezug auf Simitis/Dammann/Mallmann/Reh, BDSG 23 Rz 25, 29; Ordemann/Schomerus, BDSG 23 Anm. 1.1

Unzureichender 32 BDSG 2009 Diese gesetzliche Regelung entspricht noch nicht dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit. Danach müssen in einer für den Betroffenen nachvollziehbaren Weise der Ablauf des Verarbeitungsprozesses und die Voraussetzungen sowie der Umfang der Einschränkung seines informationellen Entscheidungsvorrechts zu erkennen sein. BAG 03.06.2003-1 ABR 19/02 Rn 37, AP Nr 1 zu 89 BetrVG 1972 unter Bezug auf Simitis in Simitis BDSG 5. Aufl. 1 Rn. 99

Licht am Ende des Tunnels seit 3. September 2010 Der am 3. September 2010 eingebrachte Gesetzentwurf geht in die richtige Richtung. Es wird für Beschäftigungsverhältnisse eine bereichsspezifische Regelung entwickelt, die für sämtliche Phasen von Begründung bis Abwicklung des Beschäftigungsverhältnisses ausdifferenzierte Lösungen vorsieht. ABER: Leider nicht in einem gesonderten Gesetz, das auch für Arbeitnehmer lesbar ist!

Jetzt geht los! Seit dem Volkszählungsurteil des BVerfG 1983 ist eine bereichsspezifische Regelung des Schutzes der personenbezogenen Daten der Arbeitnehmer und anderer Beschäftigter fällig. Die Gesetzgebung hat in der Folgezeit auf Zeit gespielt. Einige Anstöße zu notwendigen Schaffung von Rechtsgrundlagen gingen von der Rechtsprechung der Gerichte für Arbeitssachen aus. Eine gesetzliche Regelung ist jetzt greifbar!

Jhering: Kämpfe um das Recht! Jetzt muss der Kampf um das richtige Recht ausgetragen und im Parlament entschieden werden. Es gilt das Strucksche Gesetz: Es ist noch kein Gesetz als Entwurf so reingegangen, wie es raus gekommen ist.