Univ.-Prof. Dr. Christian Koller Sommersemester 2016 Vorlesung Zivilverfahrensrecht II: Insolvenzrecht Gliederung I. Einführung und Grundlagen II. III. IV. Akteure Die Insolvenzmasse Die Gläubiger V. Überblick über den Gang des Verfahrens VI. Eröffnung des Insolvenzverfahrens VII. Wirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens VIII. Anmeldung und Feststellung von Insolvenzforderungen IX. Entscheidung über das Schicksal des Schuldnerunternehmens X. Verwertung der Masse XI. Rechnungslegung, Verteilung und Aufhebung des Insolvenzverfahrens XII. Sanierungsplan XIII. Insolvenz natürlicher Personen XIV. Internationales Insolvenzrecht
Literaturhinweise I. Lehrbücher Buchegger, Insolvenzrecht 2 (2013) Dellinger/Oberhammer/Koller, Insolvenzrecht 3 (2014) Fink, Insolvenzrecht 9 (2015) II. Kommentare (zur alten und neuen Rechtslage) Bartsch/Pollak, Konkurs-, Ausgleichs-, Anfechtungsordnung und Geschäftsaufsichtsgesetz 3 (1937) Bartsch/Pollak/Buchegger (Hrsg), Konkurs-, Ausgleichs-, Anfechtungsordnung, Einführungsverordnung und Geschäftsaufsichtsgesetz 4, I (2000), II/2 (2004), III (2002), IV (2006), Zusatzband (2009) Konecny (Hrsg), Kommentar zu den Insolvenzgesetzen (2010 ff; vormals [1997-2009] mitherausgegeben von Schubert) III. Gesetzesausgabe (inkl Judikatur- und Literatursammlung) Mohr, Die Insolvenzordnung 11 (2012) 2
I. Einführung und Grundlagen Frage 1: November 2015 ist in der Presse zu lesen: Großpleite: Handelskette Zielpunkt ist insolvent. Was bedeutet dies? Welche Fragen stellen sich in dieser Situation? A. Begriff und Zweck des Insolvenzverfahrens 1. Zweck des Insolvenzverfahrens Aus Sicht der Gläubiger: Haftungsverwirklichung, bestmögliche Befriedigung (Gesamt- statt Einzelvollstreckung) Aus Sicht des Schuldners: Sanierung Schuldenregulierung durch Restschuldbefreiung 2. Insolvenz aus der Sicht des Schuldners Juristische Person o Vollbeendigung o Sanierung Natürliche Person o Dauerhafte Verschuldung? o Restschuldbefreiung 3. Insolvenz aus der Sicht der Gläubiger Verwirklichung des Insolvenzrisikos o Geltendmachung der Forderung nur im Insolvenzverfahren ( 102 IO) o Beschränkung auf quotenmäßige Befriedigung Möglichkeiten der Sicherung o Vermeidung von Kreditgewährung o Einräumung von (anfechtungsfesten) Sicherheiten vor Insolvenzeröffnung, die im Verfahren ein Absonderungsrecht bilden (vgl 11, 48 IO) 3
4. Materielle Insolvenz Eröffnungstatbestände im Überblick Zahlungsunfähigkeit ( 66 IO) o Unfähigkeit, (alle) fällige (Geld-)Schulden zu bezahlen o Keine bloße Zahlungsstockung o Kein Andrängen der Gläubiger erforderlich o Nach der Rsp (s etwa 3 Ob 99/10w) liegt Zahlungsunfähigkeit vor, wenn mehr als 5 % der Forderungen nicht gezahlt werden und keine Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Liquidität in 3-5 Monaten wiederhergestellt werden kann. Überschuldung ( 67 IO) o Anwendungsbereich o Zweck o Elemente Rechnerische Überschuldung Negative Fortführungsprognose Drohende Zahlungsunfähigkeit ( 167 Abs 2 IO) 5. Potentieller Ausgang eines Insolvenzverfahrens Liquidierung Sanierung o des Schuldners (Unternehmensträgers) durch Schuldenregulierung (Sanierungsplan) o eines Unternehmens durch Verkauf ( übertragende Sanierung ) Schuldenregulierung o Durch Quotenzahlung und Restschuldbefreiung (Sanierungsplan) o Kann auch mit (Teil-)Liquidierung verbunden sein Instrumente der Sanierung / Schuldenregulierung o Sanierungsplan ( 140 ff IO) o Zahlungsplan ( 193 ff IO) o Abschöpfungsverfahren ( 199 ff IO) 4
B. Strukturen des einheitlichen Insolvenzverfahrens im Überblick 1. Konkursverfahren (insb 180 f IO) Sind die meisten Insolvenzverfahren Kann Liquidierung oder Sanierung zur Folge haben Wird bei natürlichen Personen ohne Unternehmen Schuldenregulierungsverfahren genannt ( 182 ff IO) 2. Sanierungsverfahren ( 166 ff IO) Setzt in beiden Varianten (mit/ohne Eigenverwaltung) Antrag des Schuldners und Vorlage eines zulässigen Sanierungsplans voraus Verfahrenseröffnung schon bei drohender Zahlungsunfähigkeit möglich Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung ( 166 bis 168 IO) o Sanierungsplantagsatzung zugleich mit Eröffnung im Edikt in der Regel auf 60 bis 90 Tage anzuorden ( 168 Abs 1 IO) o bis zum 90. Tag besteht ein absolutes Verwertungsverbot bezüglich des Unternehmens ( 168 Abs 2 IO) o im Fall des Scheiterns: Fortsetzung (und Bezeichnung) als Konkursverfahren Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung unter Aufsicht eines Verwalters ( 169 bis 179 IO) o Eigenverwaltung als Anreiz o Strenge Voraussetzungen (qualifizierter Sanierungsplan, vorzulegende Unterlagen: Vermögensverzeichnis, Finanzplan und Status) o Kontrolle und Unterstützung durch den Sanierungsverwalter o Entzug der Eigenverwaltung ( 170): Umbezeichnung des Verfahrens, Bestellung eines Masseverwalters 5
3. Abschöpfungsverfahren Nachverfahren : Dh eigenes Insolvenzverfahren im Anschluss an Konkursverfahren Zweck Schuldenregulierung / Restschuldbefreiung Insolvenzverfahren durchgeführt nach den Vorschriften für Sanierungsverfahren ordentliches Konkursverfahren oder Schuldenregulierungsverfahren Abschöpfungsverfahren 6