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Transkript:

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Mit der Insolvenzordnung, (InsO) vom 1. Januar 1999 hat der Gesetzgeber die so genannte Restschuldbefreiung eingeführt, die für jeden redlichen Schuldner nach einer derzeit sechsjährigen Verfahrensdauer die Befreiung von den restlichen Verbindlichkeiten eröffnet. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten natürliche Personen keine Möglichkeit, sich von ihren Schulden zu befreien und mussten unter Umständen lebenslang für diese einstehen. Die Zeit bis zur Restschuldbefreiung wird von vielen Menschen als zu lang empfunden. Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Verschuldung der privaten Haushalte, die häufig auf nicht steuerbare Faktoren zurückzuführen ist (z. B. Arbeitslosigkeit, Krankheit, Scheidung), hat der Gesetzgeber die Notwendigkeit gesehen, diesen Menschen die Möglichkeit eines schnelleren Neustarts zu eröffnen. Im Gegenzug zu der schnelleren Restschuldbefreiung für den Schuldner wurden verschiedene Maßnahmen vorgesehen, um auch die Rechte der Gläubiger im Verfahren zu stärken und ihren Forderungsausfall zu verringern. So soll der Schuldner insbesondere durch ein Anreizsystem motiviert werden, für eine möglichst hohe Befriedigung seiner Gläubiger zu sorgen. Der Umsetzung dieses Ziels dient das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte, das am 18. Juli 2013 verkündet wurde und in seinen wesentlichen Teilen zum 1. Juli 2014 in Kraft treten wird. Was ist das Anreizsystem? Künftig kann bei Erfüllung einer Mindestbefriedigungsquote eine vorzeitige Restschuldbefreiung erteilt werden. Was heißt vorzeitig? Nach den derzeit geltenden Regelungen muss jeder Schuldner neben dem Insolvenzverfahren ein sechsjähriges Restschuldbefreiungsverfahren durchlaufen. Dies wird sich ab dem 1. Juli 2014 ändern: In allen nach dem 30. Juni 2014 beantragten Verfahren kann bereits nach Ablauf von drei Jahren, also nach der Hälfte der Verfahrenslaufzeit, Restschuldbefreiung erteilt werden. Was muss ich tun, damit ich nach drei Jahren Restschuldbefreiung erteilt bekomme? Für eine Erteilung der Restschuldbefreiung bereits nach drei Jahren Verfahrenslaufzeit ist Voraussetzung, dass der Schuldner innerhalb dieser drei Jahre sowohl die gesamten Verfahrenskosten bezahlt als auch mindestens einen Betrag in Höhe von 35 % seiner Schulden an seinen Insolvenzverwalter abgeführt hat. Für die Berechnung der Mindestquote werden dabei grundsätzlich nur die Forderungen der Gläubiger berücksichtigt, die in das Schlussverzeichnis aufgenommen wurden, d.h. die Forderungen, die im Insolvenzverfahren angemeldet und als bestehend vom Gericht festgestellt wurden. Die vorzeitige Restschuldbefreiung wird nicht automatisch erteilt, sondern jeder Schuldner muss sie beantragen. Dabei kann der Antrag vor oder nach Ablauf der drei Jahre gestellt werden. Beispiel: Schuldner S hat 50.000,00 EUR Schulden und beantragt am 1. Juli 2014 die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über sein Vermögen. Gleichzeitig beantragt er die Erteilung der Restschuldbefreiung. Das Verfahren wird am 1. August 2014 eröffnet. Mit Ablauf von drei Jahren am 1. August 2017 kann S nicht nur die Tilgung der Verfahrenskosten vorweisen, sondern er hat auch 17.500 EUR an seinen Insolvenzverwalter abgeführt. S stellt den Antrag auf vorzeitige Restschuldbefreiung. Nach der künftigen Regelung kann S vorzeitige Restschuldbefreiung erteilt werden, da er die Verfahrenskosten bezahlt und mindestens 35 % seiner Gläubigerforderungen an den Insolvenzverwalter abgeführt hat. Heißt das, dass ich im Insolvenzverfahren nur noch 35% meiner Schulden bezahlen muss? Nein, keineswegs. Wie bisher wird im Insolvenzverfahren das gesamte pfändbare Vermögen des Schuldners, das er bei Eröffnung des Verfahrens hat oder nachträglich im Verlauf des Verfahrens erwirbt, also die sogenannte Insolvenzmasse, zur Befriedigung der Gläubiger von dem Insolvenzverwalter eingezogen und verwertet. Die Dauer der Verwertung ist von der Erteilung der Restschuldbefreiung unabhängig. Auch Neuerwerb, der auf Tätigkeiten des Insolvenzverwalters beruht, wird in einem laufenden Insolvenzverfahren unabhängig von der Erteilung der Restschuldbefreiung an die Gläubiger verteilt. 2

Beispiel: Schuldner S beantragt am 1. Juli 2014 die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über sein Vermögen und die Erteilung der Restschuldbefreiung. Das Verfahren wird am 1. August 2014 eröffnet. Mit Ablauf von drei Jahren am 1. August 2017 kann S nicht nur die Tilgung der Verfahrenskosten vorweisen, sondern der Insolvenzverwalter kann aus der Verwertung des schuldnerischen Vermögens an die Gläubiger eine Quote von 40 % ausschütten. Der Insolvenzverwalter hat darüber hinaus noch weitere Außenstände des S eingeklagt, die im Falle ihrer Realisierung zu einer zusätzlichen Ausschüttungsquote für die Gläubiger von 5 % führen würden. Über diese Klage hat das zuständige Gericht zum 1. August 2017 aber noch nicht entschieden. S stellt den Antrag auf vorzeitige Restschuldbefreiung. Nach der künftigen Regelung kann S vorzeitige Restschuldbefreiung erteilt werden, da er die Verfahrenskosten bezahlt und mindestens 35 % seiner Gläubigerforderungen an den Insolvenzverwalter abgeführt hat. Die von dem Insolvenzverwalter eingeklagten Außenstände von S fallen unabhängig von der Restschuldbefreiung bei einem entsprechend positiven Urteil auch weiterhin dem Insolvenzverwalter zwecks Verteilung an die Gläubiger zu, da sie aufgrund seiner Tätigkeit, nämlich seiner Klage, verwirklicht wurden. Während S nach drei Jahren die Restschuldbefreiung erteilt wird, erhalten die Gläubiger insgesamt eine Quote von 45 % (40 % + 5%). Wenn ich die Mindestbefriedigungsquote von 35 % nicht erbringen kann, aber die Verfahrenskosten bezahlt habe, muss ich dennoch das Restschuldbefreiungsverfahren von sechs Jahren bis zu seinem Ende durchlaufen? Nein. Auch wenn der Schuldner die Mindestbefriedigungsquote innerhalb von drei Jahren nicht aufbringt, kann in einer weiteren Stufe nach fünf Jahren Restschuldbefreiung erteilt werden, wenn der Schuldner innerhalb dieser Zeit zumindest die Verfahrenskosten vollständig bezahlt hat. Sind die Verkürzung auf drei oder fünf Jahre die einzigen Möglichkeiten für eine schnellere Restschuldbefreiung? Nein, keineswegs. Der Gesetzgeber hat zwei weitere Möglichkeiten einer schnelleren Restschuldbefreiung vorgesehen: - Die Restschuldbefreiung wird künftig sofort erteilt, wenn entweder kein Gläubiger Forderungen angemeldet hat oder wenn alle angemeldeten Forderungen getilgt sind. Allerdings müssen auch die sogenannten Masseverbindlichkeiten und Verfahrenskosten bezahlt werden. - Zusätzlich gilt für alle am 1. Juli 2014 laufenden Insolvenzverfahren, dass auch Verbraucherschuldner einen Insolvenzplan vorlegen können, in dem flexibel eine Entschuldung möglich ist. Was ist ein Insolvenzplan? Während des Insolvenzverfahrens hat der Schuldner die Möglichkeit, mit der Mehrheit seiner Gläubiger einen Insolvenzplan zu vereinbaren. Mit dem Insolvenzplan kann zugeschnitten auf die Vermögenslage des Schuldners die Verwertung der Insolvenzmasse, deren Verteilung an die Beteiligten sowie die Verfahrensabwicklung und die Haftung des Schuldners nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens geregelt werden. Der Insolvenzplan kann von dem Schuldner bereits mit dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorgelegt werden. Verbraucherschuldner können sich künftig hierbei durch die ihnen aus dem vorgerichtlichen Verfahren bereits vertrauten Schuldnerberatungsstellen vertreten lassen. Inhaltlich gilt für den Insolvenzplan die Maxime: Die Beteiligten, also Schuldner und Gläubiger, sollen durch den Insolvenzplan mindestens so gut gestellt werden, wie sie ohne ihn stünden. Stimmt die Mehrheit der Gläubiger dem Insolvenzplan zu, kann er durch das Insolvenzgericht bestätigt werden, so dass seine Wirkungen für und gegen alle Verfahrensbeteiligte eintreten. Der Insolvenzplan gilt dann auch für Insolvenzgläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet oder dem Insolvenzplan widersprochen haben, jedoch überstimmt wurden. Ein Insolvenzplan kann nicht nur in allen ab dem 1. Juli 2014 beantragten Verfahren vereinbart werden, sondern auch in zu diesem Zeitpunkt laufenden Verfahren. 3

Beispiel: Das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen von Schuldner S wird am 1. Mai 2014 eröffnet. S kann bei einer für ihn nach bisherigem Recht geltenden Verfahrensdauer bis zur Restschuldbefreiung von 6 Jahren voraussichtlich insgesamt 15 % der Gläubigerforderungen befriedigen. Nach der künftigen Regelung kann S ab dem 1. Juli 2014 im laufenden Insolvenzverfahren einen Insolvenzplan vorlegen, in dem er seinen Gläubigern diese voraussichtliche Befriedigungsquote von 15 % sofort anbietet. Nimmt die Mehrheit der Gläubiger dieses Angebot an und wird der Plan daraufhin gerichtlich festgestellt, ist S sofort entschuldet, ohne das sechsjährige Restschuldbefreiungsverfahren durchlaufen zu müssen. Schutz vor Verlust der Genossenschaftswohnung Was hat sich geändert? In der Insolvenz ist jeder Mieter vor dem Verlust seiner Wohnung geschützt. So will es die Insolvenzordnung. Bisher konnte es aber beim genossenschaftlichen Wohnen zu Problemen kommen. Warum? Wer eine Genossenschaftswohnung nutzen möchte, muss in der Regel auch Mitglied der Genossenschaft werden und in einem bestimmten Umfang Geschäftsanteile erwerben (Pflichtbeteiligung). Das Problem war nun, dass in der Insolvenz des Nutzers einer Genossenschaftswohnung der Insolvenzverwalter zwar nicht den Nutzungsvertrag über die Wohnung, wohl aber den Genossenschaftsanteil des Mitglieds kündigen konnte: Ohne Mitgliedschaft drohte dann aber meist auch die Beendigung des Nutzungsverhältnisses durch die Genossenschaft und damit der Verlust der Wohnung. Was hat sich geändert? Seit dem 19. Juli 2013 besteht zum Schutz der Mitglieder von Wohnungsgenossenschaften ein Verbot für den Insolvenzverwalter, den Genossenschaftsanteil zu kündigen. das Geschäftsguthaben des Mitglieds höchstens das Vierfache des monatlichen Nettonutzungsentgelts oder höchstens 2.000 EUR beträgt. Warum diese Grenzwerte? Einerseits werden Nutzer von Genossenschaftswohnungen angemessen geschützt, weil in der Mehrzahl der Nutzungsverhältnisse die für eine Mitgliedschaft in der Genossenschaft notwendigen Pflichtanteile unterhalb dieser Obergrenzen liegen dürften. Andererseits müssen auch die Interessen der Gläubiger berücksichtigt werden, etwa wenn Genossenschaften ihren Mitgliedern gestatten, über die Pflichtanteile hinaus Vermögen in freiwilligen Anteilen anzulegen: Nutzer von Genossenschaftswohnungen sollen nicht durch hohe Beteiligungen an der Genossenschaft ihr Vermögen dem Zugriff ihrer Gläubiger entziehen können. Der neue Kündigungsschutz gilt aber auch, wenn das Geschäftsguthaben durch Kündigung einzelner freiwilliger Geschäftsanteile noch unter die Grenzen herabgesetzt werden kann. Dann kann der Insolvenzverwalter den Differenzbetrag verwerten, aber die Mitgliedschaft bleibt bestehen. Beispiel: Genossenschaftsmitglied G wohnt in einer Wohnung seiner Genossenschaft. Das monatliche Nettonutzungsentgelt beträgt 400,00 EUR. Er hat sich, um die Wohnung nutzen zu dürfen, wie in der Genossenschaftssatzung vorgesehen, mit einem Pflichtanteil in Höhe von 500,00 EUR an der Genossenschaft beteiligt. G hat freiwillig weitere Geschäftsanteile im Wert von 2.500,00 EUR erworben, weil die Satzung der Genossenschaft eine attraktive Verzinsung vorsieht. Bislang hätte der Insolvenzverwalter das Mitgliedschaftsverhältnis von G kündigen müssen, um an das gesamte Geschäftsguthaben zu gelangen. Nach der neuen Regelung kann der Insolvenzverwalter nur den freiwillig von G erworbenen Anteil über 2.500,00 EUR durch Kündigung für die Gläubiger verwerten, jedoch nicht den Pflichtanteil von 500,00 EUR. G bleibt deshalb Mitglied der Genossenschaft und wird nicht der Gefahr ausgesetzt, die von ihm bewohnte Wohnung zu verlieren. Dieses Kündigungsverbot greift ein, wenn die Mitgliedschaft in der Genossenschaft Voraussetzung für die Nutzung der Wohnung des Mitglieds ist und 4

Wie werden die Gläubigerrechte abgesehen von dem Anreizsystem verbessert? Verschiedene Regelungen im Insolvenzrecht und im Restschuldbefreiungsverfahren haben sich als beschwerlich oder nachteilig für die Gläubiger herausgestellt. Ein Kritikpunkt ist, dass ein Gläubiger derzeit die Versagung der Restschuldbefreiung nur im Schlusstermin beantragen kann. Wird das Verfahren mündlich durchgeführt, muss der Gläubiger zum Termin anreisen, wenn er einen Versagungsantrag stellen möchte. Scheut ein Gläubiger den Aufwand, zum Termin anzureisen, kann es dazu kommen, dass auch einem unredlichen Schuldner Restschuldbefreiung erteilt wird, nur weil kein Gläubiger einen Versagungsantrag gestellt hat. Hinzu kommt, dass Versagungsgründe, die erst nach dem Schlusstermin bekannt werden, später nicht mehr geltend gemacht werden können. Diese Situation wird von Gläubigern als ungerecht empfunden, weil der Schuldner Restschuldbefreiung erhalten kann, nur weil der Versagungsgrund zu spät bekannt wurde. Darüber hinaus ist es derzeit so, dass der Schuldner, wenn er Restschuldbefreiung beantragt, zwar eine Erwerbsobliegenheit hat, allerdings nur während der so genannten Wohlverhaltensphase nach Abschluss des Insolvenzverfahrens. Erwerbsobliegenheit bedeutet, der Schuldner muss durch eine angemessene Erwerbstätigkeit aktiv einen Beitrag zur Befriedigung seiner Gläubiger leisten. Ist er arbeitslos, hat er sich intensiv um eine Arbeitsstelle zu bemühen. Tut er dies nicht, kann dies ein Grund für die Versagung der Restschuldbefreiung sein. Was wird sich bezüglich der angesprochenen Punkte ändern? Zukünftig können Versagungsanträge bis zum Schlusstermin jederzeit schriftlich gestellt werden. Ein Gläubiger kann einen Versagungsgrund geltend machen, ohne zum Termin anreisen zu müssen. Unverändert ist, dass über den Versagungsantrag erst nach dem Schlusstermin entschieden wird. Versagungsgründe, die erst nach dem Schlusstermin bekannt werden, können nachträglich bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung geltend gemacht werden. Der Gläubiger muss seinen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung allerdings innerhalb von sechs Monaten, seit er den Versagungsgrund kennt, stellen. Die Erwerbsobliegenheit beginnt mit der Verfahrenseröffnung. Der Schuldner ist während der gesamten Zeit verpflichtet, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben oder sich um eine solche zu bemühen, wenn er ohne Beschäftigung ist. Ab wann gelten die Änderungen? Das Gesetz tritt in seinen wesentlichen Teilen am 1. Juli 2014 in Kraft. Für Verfahren, die vor dem 1. Juli 2014 beantragt wurden und noch nicht beendet sind, finden die Neuregelungen in der Insolvenzordnung grundsätzlich keine Anwendung. Lediglich die Zulassung des Insolvenzplanverfahrens wirkt sich auch auf schon laufende Verfahren aus. Die zum Schutz von Nutzern von Genossenschaftswohnungen vorgenommenen Änderungen des Genossenschaftsgesetzes sind unmittelbar nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft getreten und gelten für alle Insolvenzverfahren, also auch für die am 19. Juli 2013 bereits laufenden. Herausgeber Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Mohrenstraße 37 10117 Berlin Tel.: 030-18 580 0 Fax: 030-18 580 9046 bmjv.de 5