Das System der TZI das 3*4-Faktorenmodell

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Transkript:

ZEITSCHRIFTENARCHIV Philipp Rubner Das System der TZI das 3*4-Faktorenmodell Themenzentrierte Interaktion Macht und Hierarchie 22. Jahrgang, 2/2008, Seite 86 95 Psychosozial-Verlag 28075

Themenzentrierte Interaktion Zur Diskussion gestellt Philipp Rubner Das System der TZI das 3x4-Faktorenmodell Die Themenzentrierte Interaktion ist Modell, Methode und Haltung einer pädagogisch-therapeutischen Gruppenarbeit. Was diese drei Begriffe umfassen, wird im folgenden Beitrag konkretisiert. Die Bedingungen und Wechselwirkungen der verschiedenen Elemente der TZI werden durch eine systematische Darstellung veranschaulicht. Zum Autor Philipp Rubner, Jg. 1979, Dipl.- Sozialpädagoge (FH), selbstständiger Trainer & Berater im Bereich Persönlichkeits- und Teamentwicklung, Assistent der Geschäftsführung, key4you GmbH, key4you-coach, Outdoor- und Ropes-Course-Trainer, TZI-Zertifikat. Anschrift: Georg-Staber-Ring 6, 83022 Rosenheim, mail@ philipprubner.de Theme-Centered Interaction is the model, method and attitude for educational therapeutic group work. This article explores the meaning of these three concepts. The circumstances and mutual effects of the various elements of TCI are explained by virtue of a systematic presentation. Einführung Der folgende Artikel beschäftigt sich mit der Idee, das gesamte TZI-System (also die Haltung, die Methode und das 4-Faktorenmodell der TZI) umfassend in einer Darstellung abzubilden. Seit ich mich mit der TZI beschäftige, stellen sich mir immer wieder zwei Fragen: Was ist die TZI eigentlich? Und wie kann man sich das TZI-System in seiner Gesamtheit vorstellen? Beim Suchen nach Antworten auf diese Fragen bin ich auf verschiedene schematische Darstellungen der TZI gestoßen, die mich aber nicht befriedigen konnten, sondern eher Widerspruch in mir ausgelöst haben. Meine Kritik an diesen Modellen soll exemplarisch am TZI-Haus (in: Cohn/Terfurth, 1993, S. 339) dargestellt werden, denn dieses war der Ausgangspunkt für meine eigenen Überlegungen. Vielleicht sind diese dadurch auch besser nachzuvollziehen. Das Modell eines Hauses geht von einer hierarchischen und statischen Struktur von voneinander getrennten Ebenen, den Stockwerken aus. Diese bauen zwar aufeinander auf, zwischen ihnen besteht aber keine dynamische Beziehung. Außerdem kann das Haus-Symbol das Beziehungsgefüge innerhalb eines Stock 86

Rubner, Das System der TZI das 3x4-Faktorenmodell 22. Jahrgang Heft 2 Herbst 2008 werks nicht abbilden. Die wechselseitige Bedeutung, Bedingung und Durchdringung der verschiedenen Ebenen und Elemente des gesamten TZI-Systems, in dem Haltung, Methode und Modell vereint sind, geht aus dieser Darstellung nicht hervor. Um es mit anderen Worten auszudrücken und im Bild des Hauses zu bleiben: in einem Gebäude haben die Bewohner einer Etage nicht zwingend eine innere Verbindung zueinander oder zu denen eines anderen Stockwerks, auch dann nicht, wenn wie in dem Modell ein Baum vor dem Haus steht, der ein lebendiges Wachstum symbolisieren soll. Die Struktur des TZI-Hauses mit seinen vier Stockwerken impliziert, dass die 4 Stockwerke aufeinander aufbauen. Dies kann ich nur bezüglich der Verbindung zwischen dem Parterre und dem ersten Stock nachvollziehen, nicht aber bei dem Sprung von der II. in die III. Etage und schon gar nicht bei dem ins Dachgeschoss. Warum die Postulate, deren Einhaltung die Hilfsregeln erleichtern sollen, im TZI-Haus durch die Interaktionsmethoden getrennt sind, hat sich mir nicht erschlossen. Auch dass die Hilfsregeln, die wie schon der Name sagt weiter nichts als Instrumente zur Erfüllung der Postulate sein sollen, an oberster, prominentester Stelle des gesamten Modells rangieren, erscheint mir nicht adäquat. Weiterhin kann ich nicht nachvollziehen, warum in diesem Haus der partizipative Leitungsstil, das 4-Faktorenmodell und das Dreieck Struktur-Prozess-Vertrauen unter dem Oberbegriff Interaktionsmethoden zusammengefasst sind: Das 4-Faktorenmodell beschreibt meines Erachtens nach die Faktoren, die jedes Gruppengeschehen bestimmen. Es ist zunächst einmal ein Strukturmodell und keine Methode. Das Dreieck Struktur- Prozess-Vertrauen ist auch keine Interaktionsmethode, sondern benennt Merkmale, welche die Gruppenarbeit bestimmen und beschreibt deren Wechselwirkungen. Am ehesten ist noch der partizipative Leitungsstil als Interaktionsmethode zu bezeichnen, doch ist dieser nur ein Aspekt des gesamten Leitungsverständnisses der TZI. In den mir bekannten veränderten Darstellungen des TZI- Hauses sind manche, nicht aber die wesentlichen dieser Schwächen aufgegriffen, dafür kommen andere Aspekte hinzu, die ich kritisch sehe, die ich in anbetracht des hier gegebenen Rahmens aber nicht weiter ausführen kann. Aus meiner Unzufriedenheit mit den gängigen schematischen Darstellungen des TZI-Systems heraus, habe ich versucht, ein Schaubild zu entwickeln, das den Zusammenhang und die Dynamik zwischen dem Menschenbild, der Theorie und der Praxis der TZI zur Darstellung bringt. Im Folgenden stelle ich das aufgrund dieser Überlegungen 87

Themenzentrierte Interaktion Zur Diskussion gestellt entwickelte Schaubild Das System der TZI bzw. das 3x4- Faktorenmodell, vor und erläutere die grafisch abgebildeten Zusammenhänge. Die zwangsläufig knappen Ausführungen dazu beschränken sich auf die Erklärung der Begrifflichkeit, des Aufbaus und der Anordnung der Darstellung. Sie setzen die grundlegenden Kenntnisse der TZI voraus. Die Gliederung dieses Beitrags folgt der Struktur des 3x4- Faktorenmodells von innen nach außen. Außerdem schreitet sie von oben entgegen dem Uhrzeigersinn voran. Das 3x4-Faktorenmodell Abbildung 1 3x4-Faktorenmodell Dieser Darstellung des TZI-Systems (in drei 4-Faktorenmodellen) liegen folgende Überlegungen zugrunde: Das 3x4-Faktorenmodell greift eine dem TZI-System immanente Gestalt (das 4- Faktorenmodell) auf, erweitert diese um die Ebenen Methode und Haltung und setzt die so entstandenen drei Ebenen bzw. konzentrischen Kreise in ein Beziehungsgeflecht zueinander. Die Vorteile dieser Darstellung, welche dem gesamten TZI- System eine Struktur geben will, liegen m. E. darin, dass die Ebenen Haltung und Methode dynamisch mit der Ebene des Modells verbunden und in ihrer wechselseitigen Durchdringung abgebildet sind. Die Konstellation der vier Faktoren ES-ICH-WIR-GLOBE, ihre interaktionelle Beziehung und ihre Gleichwertigkeit hat 88

Rubner, Das System der TZI das 3x4-Faktorenmodell 22. Jahrgang Heft 2 Herbst 2008 Ruth Cohn im Struktur-Modell der TZI, dem Dreieck in der Kugel, grafisch dargestellt (in der hier abgebildeten Grafik auf der Ebene des Modells angesiedelt und um das TZI-Thema erweitert). Das originäre 4-Faktorenmodell der TZI kann in seinen Grundaussagen für die Ebenen Methode und Haltung übernommen werden. Die Anordnung der jeweils vier Faktoren auf den Ebenen Methode und Haltung soll deren Entsprechung zu den ursprünglichen 4-Faktoren verdeutlichen. Erklärt wird diese Zuordnung in den jeweiligen Abschnitten bzw. Ebenen. Auch die Besonderheiten des Faktors GLOBE, nämlich seine alles durchdringende Vielschichtigkeit vergleichbar einer Zwiebelschale spiegeln sich im 3x4-Faktorenmodell wider. Das Modell Die innere Ebene der Darstellung des TZI-Systems umfasst das 4-Faktorenmodell unter Einbeziehung des TZI-Themas und dessen Bedeutung für die Dynamische Balance. Die ist das formulierte Anliegen (das Thema) des TZI- Systems Das bezeichnet die aufeinander und auf das ES bezogenen einzelnen Individuen einer Gruppe. Das bezeichnet die gemeinsame Sache, die Aufgabe, das die Gruppenmitglieder verbindende Anliegen. Der bezeichnet das gesamte die Gruppe bedingende und durchdringende Umfeld. Das bezeichnet die Gesamtheit der Gruppe, die auf die einzelnen ICHs und das ESbezogen ist. Abbildung 2 Modell-Ebene TZI-Thema ImTZI-Systembedeutet das formulierte Anliegen. In einer Gruppe ist es der zentrierte, meist verbal formulierte Focus der Aufmerksamkeit. Im TZI-System bedeutet Thema das formulierte Anliegen. In einer Gruppe ist es der zentrierte, meist verbal formulierte Focus der Aufmerksamkeit (Cohn/Farau, 1984, S. 365). Entsprechend seiner Bedeutung steht das TZI-Thema im Mittelpunkt der gra 89

Themenzentrierte Interaktion Zur Diskussion gestellt fischen Darstellung des TZI-Systems. Es bewegt sich dynamisch im Dreieck in der Kugel und setzt damit jeweils unterschiedliche Akzente bei den vier Faktoren. Dynamische Balance Die Dynamische Balance im 4-Faktorenmodell ist das zentrale Prinzip der TZI, sozusagen das immanente Thema der TZI. Es ist daher als das formulierte Anliegen ebenfalls in der Mitte der Darstellung zu finden. Durch die gemeinsame Abbildung von Thema und Dynamischer Balance im Zentrum des TZI-Systems soll deren enge Verbindung verdeutlicht werden. Das TZI-Thema ist das zentrale Instrument, mit dem die dynamische Balance immer wieder herzustellen ist. In Anerkennung der Gleichgewichtigkeit der vier Faktoren ICH, WIR, ES und GLOBE sieht Ruth Cohn die Erfüllung der Grundprinzipien jeder humanistisch-holistischen Ethik (vgl. Cohn/Matzdorf, in: Löhmer/Standhardt, 1992, S. 74). Damit spannt sie zugleich den Bogen zur Ebene der TZI-Haltung. Die Methode Die mittlere Ebene des 3x4-Faktorenmodells stellt die TZI- Methode dar. Sie umfasst die die Gruppenarbeit bestimmenden Merkmale: Struktur, Prozess, Vertrauen, den Leitungsstil, die Leitungsfunktionen und als grundlegende und umfassende Prinzipien die Postulate. Leitungsfunktionen Die Leitungsfunktionen, die durch den Leitungsstil umgesetzt werden sollen, beschreiben die Aufgaben, die eine TZI-Gruppenleitung zu erfüllen hat. Sie sind allerdings nicht nur von der Leitung, von dieser allerdings in besonderer Verantwortung, sondern auch von der gesamten Gruppe wahrzunehmen. Die aufgeführten Funktionen ergeben und bedingen sich aus den die Gruppenarbeit bestimmenden Merkmalen, aus der Forderung nach Dynamischer Balance und aus den Postulaten. Die Funktionen beschreiben die Aufgaben der Leitung und sind deshalb dem ES entsprechend angeordnet. 90

Rubner, Das System der TZI das 3x4-Faktorenmodell 22. Jahrgang Heft 2 Herbst 2008 Kommunikationsregeln auf der Basis Ziele vereinbaren der Axiome und Postulate vereinbaren Themen finden, setzen, Strukturen und Methodenauswählen formulieren und einführen Gruppenprozesse ermöglichen, erleben, EntwicklungdesEinzelnen fördern beachten, begleiten und steuern Dynamische Balance achten und wahren Chairpersonpostulat Störungspostulat PartizipierendeLeitung Struktur Modellpartizipant Vertrauen Selektive Authentizität Prozess Abbildung 3 Methode-Ebene Leitungsstil Die TZI-Leitung soll teilnehmende Leitung und zugleich leitender Teilnehmer sein. Dieses Leitungsverständnis beinhaltet einen ganz speziellen Leitungsstil, der durch die Forderung nach partizipierender Leitung, nach Modell-Partizipantentum und nach selektiver Authentizität gekennzeichnet ist. Das ICH der Leitung soll diesen Stil leben, deshalb ist der Leitungsstil dem ICH entsprechend angeordnet. Gruppenarbeit bestimmende Merkmale Struktur, Prozess und Vertrauen sind die Merkmale, die jede Gruppenarbeit bestimmen. Der gewählte Oberbegriff Gruppenarbeit bestimmende Merkmale soll diese Bedeutung unterstreichen, wertneutral sein und zugleich den Schatten integrieren, den dieses Dreieck birgt. (vgl. Stollberg, in: Löhmer/Standhardt, 1992, S. 207ff) Eine vertrauensvolle, von gegenseitiger Unterstützung und Wertschätzung getragene Gruppenatmosphäre ist für Ruth Cohn die Voraussetzung für die Freude an der Arbeit, für eine positive Motivation und damit letztlich auch für die sachliche und effiziente Auseinandersetzung mit der Aufgabe und die Entwicklung von Lösungen. Das bedeutet, dass es Teil der TZI-Methode ist, Strukturen zu setzen, die dem Gruppenprozess angemessen sind, die dadurch angstreduzierend und somit vertrauensbildend wirken. Deshalb werden die Gruppenarbeit bestimmenden Merkmale dem WIR entsprechend angesiedelt. 91

Themenzentrierte Interaktion Zur Diskussion gestellt Postulate Die methodischen Prinzipien in der TZI sind die Postulate. Sie wirken nach Ruth Cohn weil sie existentielle Phänomene und keine auswechselbaren Spielregeln sind. Die Postulate sprechen in ihrer Forderung aus, die Realität und nicht Dogmen als Autorität anzuerkennen (Cohn, 1975, S.123). Den Zusammenhang zwischen dem Chairperson- und dem Störungspostulat formuliert Ruth Cohn wie folgt: Gib dir überall einen Augenblick lang Zeit, dich auf deinen Körper und deine Gefühle einzulassen sieh, wie, wann, wo und warum du dich nicht auf deine Aufgaben oder das Thema einlassen kannst oder willst, akzeptiere es zunächst selbst als Störung oder Betroffenheit. Dann entscheide, ob und wie du es den anderen sagen willst (Cohn/Farau, 1984, S.361). Die Postulate stellen das Umfeld dar, in dem die TZI-Methode stattfindet. Darüber hinaus sind sie die im Gruppengeschehen offenbar werdende Essenz der TZI-Haltung. Aus diesen Gründen umfassen die Postulate die TZI-Methode und bilden gleichzeitig die Schwelle zur humanistischen Wertaxiomatik der TZI und zur TZI-Haltung. Deshalb stehen sie in der Grafik an der dem GLOBE entsprechenden Stelle. Die Haltung Die äußere Ebene (bzw. der äußerste konzentrische Kreis), die der TZI-Haltung, bildet die Basis, auf der das gesamte System der TZI aufbaut. Sie umfasst die drei Axiome und die universelle Interdependenz. Pragmatisch-politisches Axiom Das pragmatisch-politische Axiom hebt hervor, dass die Freiheit der Entscheidung die Bewusstwerdung der inneren und äußeren Grenzen voraussetzt. Die Wahrnehmung dieser Grenzen wiederum ist die Voraussetzung für deren Erweiterung. Aufgabe und Anliegen der TZI-Gruppenarbeit sind die Wahrnehmung, Analyse und Erweiterung der inneren und äußeren Grenzen, weshalb dieses Axiom dem ES entsprechend angeordnet ist. Existentiell-anthropologisches Axiom Das existentiell-anthropologische Axiom betont die Autonomie des Einzelnen, die umso größer ist, je mehr er sich seiner Interdependenz mit allen und allem bewusst wird. 92

Rubner, Das System der TZI das 3x4-Faktorenmodell 22. Jahrgang Heft 2 Herbst 2008 Bewusstsein unserer ist die Grundlage humaner Verantwortung Er ist darum gleicherweise autonomund interdependent. Die Autonomie des Einzelnen ist umso größer, je mehr er sich seiner Interdependenz mit allen und allem bewusst wird. Respekt davor bedingt bewertende Entscheidungen. Das Humane ist wertvoll, Inhumanes ist wertbedrohend. Abbildung 4 Haltungs-Ebene Da es hier um den Einzelnen und dessen Bewusstwerdung seiner individuellen Abhängigkeiten und Freiheiten geht, ist dieses Axiom dem ICH entsprechend angeordnet. Philosophisch-ethisches Axiom Die zentrale Aussage des philosophisch-ethischen Axioms liegt darin, dass Respekt vor dem Wachstum und vor dem Vergehen (Der Zusatz: und vor dem Vergehen soll auf den notwendigen Schatten in unserem Dasein und in diesem Axiom verweisen.) bewertende Entscheidungen bedingt. Ruth Cohn legt der Arbeit in TZI-Gruppen den Wert des Humanen zugrunde. Respekt vor Werden und Vergehen und vor dem Wert des Humanen wurzelt in der Pluralität menschlichen Daseins, sie geben unserem Zusammenleben und -arbeiten eine Ethik. Das philosophisch-ethische Axiom ist daher dem WIR entsprechend angeordnet. Universelle Interdependenz TZI-Axiome sind der Boden, auf dem die TZI-Methodik verstanden werden muss, und die entscheidende Voraussetzung für die gruppentherapeutische und -pädagogische Intention der TZI. ( ) Ohne die Anerkennung dieser Grundsätze wird TZI zur sich selbst verneinenden Technologie (Cohn/Farau, 1984, S. 357). Ruth Cohn verbindet die drei Axiome mit der Aussage: Bewusstsein unserer universellen Interdependenz ist die Grundlage 93

Themenzentrierte Interaktion Zur Diskussion gestellt humaner Verantwortung (Cohn/Matzdorf, in: Löhmer/Standhardt, 1992, S. 63). Ihre gemeinsame Verbindung leitet Ruth Cohn aus dem pragmatisch-politischen Axiom ab: Dieses pragmatisch-politische Axiom weist auf die Verzahnung des Innen und Außen hin. In diesem Sinn sind die drei Axiome untrennbar miteinander verbunden (Cohn/Farau, 1984, S. 358). Diese untrennbare Verbindung der drei Axiome wird grafisch durch den Kreis dargestellt, der die drei Axiome umfasst und mit universeller Interdependenz bezeichnet ist. Die universelle Interdependenz ist aber mehr als nur die Verbindung der drei Axiome, sie ist auch deren Ausgangspunkt. Im Bewusstsein unserer Allverbundenheit werden die wechselseitigen Abhängigkeiten und Einflussmöglichkeiten unseres Daseins offenbar. Die universelle Interdependenz weist weit über das TZI-System und das 3x4-Faktorenmodell hinaus und auf das Sein des Menschen in dieser Welt hin. Zusammenfassung Der vorliegende Beitrag versucht, die verschiedenen Elemente der TZI in einer schematischen Darstellung zusammenzufassen. Das entstandene 3x4-Faktorenmodell will einen Überblick sowohl über die strukturellen Zusammenhänge als auch über die wechselseitigen Bedingungen und Durchdringungen der Elemente des gesamten TZI-Systems geben. Ob es imstande ist, eine Antwort zu geben auf meine eingangs gestellte Frage danach, was die TZI eigentlich ist, sei dahingestellt. Es versucht, sich einer Antwort anzunähern, zumindest will es die Komplexität des TZI-Systems, das Modell, Haltung und Methode in einem ist, überblicksartig und anschaulich darstellen. Oder anders ausgedrückt: Vielleicht dient das 3x4-Faktorenmodell auch als eine Art Landkarte bei der Navigation im System TZI. Literatur Cohn, Ruth C.: Von der Psychoanalyse zur Themenzentrierten Interaktion. Von der Behandlung einzelner zu einer Pädagogik für alle, Stuttgart 1975 Cohn, Ruth C./Farau, Alfred: Gelebte Geschichte der Psychotherapie. Zwei Perspektiven, Stuttgart 1984 Cohn, Ruth C./Matzdorf, Paul: Das Konzept der Themenzentrierten Interaktion, in: Löhmer, Cornelia/Standhardt, Rüdiger (Hrg.), TZI Pädagogisch-therapeutische Gruppenarbeit nach Ruth C. Cohn, Stuttgart 1992 Matzdorf, Paul: Das TZI-Haus zur praxisnahen Grundlegung eines pädagogischen Handlungssystems, in: Cohn, Ruth C./Terfurth, Christine (Hg.), TZI macht Schule: Lebendiges Lehren und Lernen, Stuttgart 1993 94

Rubner, Das System der TZI das 3x4-Faktorenmodell 22. Jahrgang Heft 2 Herbst 2008 Stollberg, Dietrich: Wo viel Licht ist, ist viel Schatten. Zum Begriff des Schattens in der TZI in: Löhmer, Cornelia/Standhardt, Rüdiger (Hg.), TZI Pädagogisch-therapeutische Gruppenarbeit nach Ruth C. Cohn, Stuttgart 1992 95