Galaxien als Gravitationslinsen Gravitationslinseneffekt Teil II

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Transkript:

Galaxien als Gravitationslinsen Gravitationslinseneffekt Teil II Singuläre isotherme Sphäre (SIS) Beispiele von Galaxie-Linsensystemen Massenbestimmung von Galaxie-Linsen Einführung in die extragalaktische Astronomie Prof. Peter Schneider & Dr. Patrick Simon

Singuläre Isotherme Sphäre Diskussion des Gravitationslinseneffekts an Sternen ergab, dass typischer Abstand der Mehrfachbilder durch 2θE gegeben ist: E / M 1/2 D 1/2 d (D ds /D s ) 1/2 M: Masse Linse Dd: Abstand Linse; Ds: Abstand Quelle; Dds: Abstand Linse-Quelle Bei M ~ Sternmasse ist Bildaufspaltung zu klein, um beobachtbar zu sein, obwohl Lichtverstärkung messbar ist (Mikrolensing). Masse von Galaxien ist aber deutlich größer als Sternmasse... Bildverzerrung einer Hintergrundgalaxie durch eine Galaxien-Linse könnte also beobachtbar sein (Zwicky). Bildabstand ist Möglichkeit, eine Galaxie zu wiegen. Fritz Zwicky

Singuläre Isotherme Sphäre Wie groß ist θe bei einer Galaxie als Linse? Problem: Masse einer Galaxie nicht bestimmt, weil nicht klar ist, wo der Dunkle Halo endet: M(<r) r. Alternativ kann aus der Linsengleichung mit einem Modell für das Massendichteprofil -- anders als eine Punktmasse -- die Lichtablenkung berechnet werden. Parameter des Profils nicht notwendigerweise die Masse der Linse. Ein einfaches radialsymmetrisches Profil mit M(<r) r heißt Singuläre Isotherme Sphäre (SIS). SIS bildet formal den Gleichgewichtszustand einer selbstgravitierenden Wolke mit homogener Geschwindigkeitsdispersion (Temperatur). Parameter des SIS ist die Geschwindigkeitsdispersion σv [km/s].

Singuläre Isotherme Sphäre Aus der Linsengleichung folgt der Einsteinwinkel einer SIS: E =1.15 v 200km/s 2 D ds D s σv ist bei Spiralen vergleichbar mit Rotationsgeschwindigkeit der Scheibe; für massive Galaxien ist der Einsteinwinkel also etwa eine Bogensekunde. Beobachtbar! ~ 2

Realistischere Modelle SIS ist starke Idealisierung: Es werden keine radialsymmetrischen Profile erwartet. Abweichungen von Radialsymmetrie oder äußere Scherungskräfte (z.b. Linsen-Nachbargalaxien) stören Symmetrie. Linseneigenschaft ändert sich, z.b. können mehr als zwei Bilder entstehen Aber: 2θE ist immer noch guter Richtwert! kritische Kurve Kaustik Rückabbildung 1 5 3 Linsenebene Quellebene Linsenebene Quellebene

Erstes entdecktes Linsensystem QSO 0957+561 Twin quasar wurde 1979 entdeckt. Optische Identifikation von Radioquelle zeigte zwei Quasare A und B bei gleichem zs = 1.41 und mit sehr ähnlichem Spektrum. Quasar B ist sehr nahe bei der elliptischen Galaxie G1 mit zd = 0.36. Aber: Bildaufspaltung ist Δθ ~ 6.1, einiges größer als zu erwarten; G1 ist Teil eines Galaxienhaufens, der die Bildaufspaltung vergrößert. A G1 Elliptische Galaxie B CASTLEs/HST/NASA Bernstein et al. (1997), ApJ, 483, L79

Erstes entdecktes Linsensystem QSO 0957+561 Radiobeobachtung Twin Quasar VLA 6cm VLBI Interferometrie Hochaufgelöst sind beide Quasare A und B im Radiobereich sehr ähnlich.

Erstes entdecktes Linsensystem QSO 0957+561 A Spektren der Quasarbilder mit Wellenlängen im Ruhesystem des Quasars (UV). B Die große Ähnlichkeit der Spektren und ihre identische Rotverschiebung ist klarer Hinweis auf gemeinsame Quelle der Bilder. Die breite Lyα-Linie, mit NV-Linie im Flügel ist praktisch immer die stärkste Emissionslinie bei Quasaren. Quelle: Faint Object Camera/HST

Gravitationslinsen-Surveys Zur Zeit sind hunderte von Gravitationslinsensysteme bekannt. Einige wurden zufällig entdeckt, doch die meisten wurden in systematischen Suchen gefunden. Die wichtigsten Surveys sind: HST Snapshot Survey: Untersuchung der ~ 500 leuchtkräftigsten Quasare, 6 Linsensysteme gefunden; JVAS: etwa 2000 Radioquellen mit flachem Radiospektrum mit dem VLA untersucht: 6 Linsen; CLASS: wie JVAS aber mit kleinerem Flußlimit, 15.000 Quellen, 21 Linsen; SLACS: HST Nachbeobachtung von SDSS Kandidaten: über 60 Linsen MUSCLES, COCLES

Einstein-Ringe SLACS Linsen Quellen sind ausgedehnt und werden von der Linse zu Bögen und Ringen verzerrt.

Einstein-Ringe zd = 0.45 zs = 2.38 Hufeisen-Galaxie LRG 3-757; ESA/Hubble & NASA

Massenbestimmung der Linse Für axialsymmetrische Linsen mit beliebigem Profil(!) ist die Masse innerhalb des Einstein-Radius 2 E = 4GM(< E) c 2 D ds D d D s gegeben durch M(< E )= (D d E ) 2 area crit, wobei die kritische Flächenmassendichte definiert ist als: crit = c2 4 G D s D d D ds mittlere Flächenmassendichte der Linse innerhalb θe ist also gleich der kritischen Dichte Σcrit!

Massenbestimmung der Linse Vierfach abgebildeter Quasar, ein sogenanntes Einstein-Kreuz. Die Quelle ist praktisch punktförmig, Bildkonfiguration ist so wie von einer elliptischen Linse erwartet. 1.6 Der Abstand θe ist relativ genau durch Abstand der Bilder gegeben und damit auch die Masse M( < θe). Genauere Bestimmung mit Linsenmodellen; in 4fach-Systemen kann damit die Linsen-Masse auf wenige Prozent genau gemessen werden. Die präziseste Massenbestimmung der (extragalaktischen) Astronomie! Einstein-Kreuz G2237+0305; HST/NASA

Massenbestimmung der Linse Massenbestimmung Durch extragalaktische Entfernungsbestimmung mit Hubble-Gesetz hängt Σcrit von h -1 ab, H0=100h km/s/mpc. Massenbestimmungen skalieren mit h -1, z.b. 10 10 Msunh -1. Meisten Linsengalaxien sind Ellipsen: Messungen ergeben, dass auch Ellipsen Dunkle Materie enthalten.