Historie und Bedeutung des 52a UrhG für die Wissenschaft Ass. Jur. Susanne Thinius, LL.M. Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht, Lehrstuhl Prof. Dr. Hoeren 58. DFN-Betriebstagung, 12.03.2013 Forschungsstelle Recht im Deutschen Forschungsnetz
Überblick 52a UrhG- Historie Die Bedeutung des 52a UrhG für Forschung und Lehre Einzelne Voraussetzungen von 52a UrhG 52a UrhG und die Gerichte 2
Historie 52a UrhG einer der umstrittensten Vorschriften des UrhG Seit Einführung 2003 Ringen um Reichweite Verfallklausel (Sunset Provision) Entschärfung der Kontroverse im Gesetzgebungsverfahren Befürchtungen wissenschaftlicher Verleger vor unzumutbaren Beeinträchtigungen 3
Historie Befristung: Erstmalig Befristung bis 31.12.2006 Verlängerung um 2 Jahre dann um 4 weitere Jahre (bis Ende 2012) (vorerst) letzte t Verlängerung bis 31.12. 12 2014 durch CDU/CSU- Bundestagsfraktion 4
Historie Gründe für Verlängerung: Auswirkungen auf Praxis bis heute nicht abschließend beurteilt VG Wort und Hochschulen keine Einigung auf Vergütung für Nutzung von E-Learning Materialien (Rechtsstreit* vor OLG München: VG Wort gegen Bundesländer vom 24.03.2011- nicht rechtskräftig) Weiterhin Ermöglichung netzgestützter Lehr- und Forschungsstrukturen (elektr. Semesterapparate) 5
Historie Fortsetzung nach Verlängerung : Bundesgerichtshof (BGH) muss nun entscheiden (u.a. über Revision des OLG München und OLG Stuttgart*) Vergütungsstreit ein Ende setzen Sowie Reichweite des 52a UrhG klären * Denn: hohe Rechtsunsicherheit bei Wissenschaftseinrichtungen Interessen der Verlage, Urheber & Wissenschaftseinrichtungen gegeneinander abzuwägen 6
Wortlaut der Norm 52a Öffentliche Zugänglichmachung für Unterricht und Forschung (1) Zulässig ist, 1. veröffentlichte kleine Teile eines Werkes, Werke geringen Umfangs sowie einzelne Beiträge aus Zeitungen oder Zeitschriften zur Veranschaulichung im Unterricht an Schulen, Hochschulen, nichtgewerblichen Einrichtungen der Aus- und Weiterbildung sowie an Einrichtungen der Berufsbildung ausschließlich für den bestimmt abgegrenzten Kreis von Unterrichtsteilnehmern oder 2. veröffentlichte Teile eines Werkes, Werke geringen Umfangs sowie einzelne Beiträge aus Zeitungen oder Zeitschriften ausschließlich für einen bestimmt abgegrenzten Kreis von Personen für deren eigene wissenschaftliche Forschung 7
Wortlaut der Norm 52a Öffentliche Zugänglichmachung für Unterricht und Forschung öffentlich zugänglich zu machen, soweit dies zu dem jeweiligen Zweck geboten und zur Verfolgung nicht kommerzieller Zwecke gerechtfertigt ist. (2) Die öffentliche Zugänglichmachung eines für den Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmten Werkes [ ]. (3) Zulässig sind in den Fällen des Absatzes 1 auch die zur öffentlichen Zugänglichmachung g g erforderlichen Vervielfältigungen.* g (4) Für die öffentliche Zugänglichmachung nach Absatz 1 ist eine angemessene Vergütung zu zahlen. Der Anspruch kann nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden. 8
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Die Bedeutung des 52a UrhG für Forschung und Lehre 52a UrhG= Erlaubnisnorm, Beschränkung der Verwertungsrechte des Urhebers * Zweck : Ermöglichung moderner/digitaler Kommunikation in Unterricht & Lehre Steigende Bedeutung elektronischer Semesterapparate & E- Learning-Plattformen an Hochschulen, steigende Nutzerzahlen Mittlerweile fast Standard, zumindest an Hochschulen Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der Hochschulen auch im internationalen Bereich 10
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Einzelne Voraussetzungen von 52a UrhG kleine Teile eines Werkes Werke geringen Umfangs Beiträge aus Zeitungen oder Zeitschriften Gebotenheit der Bereitstellung Zur Veranschaulichung im Unterricht zur Verfolgung g nicht kommerzieller Zwecke gerechtfertigt 52a I Nr. 1 UrhG bestimmt abgegrenzter Kreis von Unterrichts- teilnehmern Öffentliche Zugänglichmachung 12
Einzelne Voraussetzungen von 52a UrhG Teile eines Werkes Werke geringen Umfangs Beiträge aus Zeitungen oder Zeitschriften Gebotenheit der Bereitstellung Für eigene wissenschaftliche Forschung 52a I Nr. 2 UrhG bestimmt abgegrenzter Kreis von Personen zur Verfolgung nicht kommerzieller Zwecke gerechtfertigt Öffentliche Zugänglichmachung g g 13
Einzelne Voraussetzungen von 52a UrhG,veröffentlichte (kleine) Teile eines Werkes Heftig umstritten! Verhältnis sämtlicher vervielfältigter Teile zum gesamten Werk weniger als 10% (+) Werke geringen Umfangs Gedichte, kurze Artikel & Erzählungen, kürzere wissenschaftliche Aufsätze, Lieder, Liedtexte, etc. 14
Einzelne Voraussetzungen von 52a UrhG zur Veranschaulichung im Unterricht (Nr. 1) Für eigene wissenschaftliche Forschung g( (Nr. 2) Unterricht: Benutzung zu Lehrzwecken,,zur Veranschaulichung : Lehrstoff dadurch leichter erfassbar/ kein Ersatz des Unterrichts! Akademisches Streben nach Erkenntnis und Schreiben wissensch. Arbeiten während Studium/ eigene Forschung 15
Einzelne Voraussetzungen von 52a UrhG bestimmt abgegrenzter Kreis von Unterrichtsteilnehmern (Nr. 1) Personenkreis, der jeweiliger Unterrichtseinheit angehört (einschließlich h Lehrer/Hochschullehrer) h h h Technisch geeignete Zugriffskontrollen notwendig, die Berechtigung sicherstellen bestimmt abgegrenzter Kreis von Personen (Nr. 2) Am konkreten Forschungsvorhaben Beteiligte 16
Einzelne Voraussetzungen von 52a UrhG Öffentliche Zugänglichmachung ( 19a UrhG) Drahtgebundene oder drahtlose Zugänglichmachung so, dass Werk Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten & Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist Gebotenheit der Bereitstellung Gebotenheit (-), wenn Informationen mit demselben Effekt auf andere Weise vermittelt werden können Einzelfallbetrachtung! 17
Einzelne Voraussetzungen von 52a UrhG zur Verfolgung nicht kommerzieller Zwecke gerechtfertigt Zweck: Zugänglichmachung, nicht: Gewinnerzielung (bezahlter Unterricht/ bezahlte Auftragsforschung nicht privilegiert) Unkostenerstattung/ Aufwandsentschädigung hingegen unschädlich 18
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52a UrhG und die Gerichte VG Wort gegen die 16 Bundesländer - OLG München (24.03.2011 Az. 6 WG 12/09) VG Wort & dt. Bundesländer d : Anspruch auf Abschluss Gesamtvertrag ( 52a IV UrhG) für Hochschulen (Vergütungsansprüche) OLG : kleine Teile max. 10%, insges. <100 Seiten des Werkes (nur für diesen Vertrag) Teile eines Werkes i.s.d. 52 a I Nr. 2 UrhG max. 33 % Werke geringen Umfangs Druckwerk mit max. 25 Seiten sowie enthaltene Bilder, Fotos und Ablichtungen Abrechnung 52a UrhG: nutzungsbezogen & nicht pauschal (Schätzung und Eingabemaske, keine Orientierung an Höhe der Primärvergütung) 20
52a UrhG und die Gerichte Vorrang vertraglicher Angebote nicht zu unangemessener Behandlung des Lizenznehmers führen* Nutzung muss für konkreten Zweck (Forschung und Lehre) geboten bleiben Nur wenn Werk nicht in digitaler Form im Netz zu angemessenen Bedingungen angeboten öffentliche Zugänglichmachung geboten (enge Auslegung, anders OLG Stuttgart ) Urteil nicht rechtskräftig 21
52a UrhG und die Gerichte Kröner Verlag gegen Fernuniversität Hagen - LG Stuttgart (27.09.2011, Az. 17 O 671/10) Sachverhalt: h Kröner Verlag (533 Seiten, 476 Seiten reiner Text) vs. FU Hagen FU veröffentlichte im Intranet auf elektr. Lernplattform knapp 1/5 des Werkes (= 91 Seiten) : Download, Abruf & Ausdruck 4000 Studenten/ Modul (Pflichtstoff) Zugang nur über BN & PW Nach Abmahnung: nur Ausdruck und Abruf möglich Frage: Verletzung Vervielfältigungsrecht & Recht d öffentlichen Zugänglichmachung: durch 52a I Nr.1 UrhG gerechtfertigt? ( kleine Teile eines Werkes?) 22
52a UrhG und die Gerichte Argumentation des LG Stuttgarts Bis zu 10 % unterrichtsrelevanter Text kleiner Teil Zugangsbeschränkung daher abgegrenzter Personenkreis Veranschaulichung hilfreich für besseres Verständnis(+), nicht notwendig während Unterrichts Kein Vorrang vertragl. Angebote vor Anwendung des 52a UrhG (anders: OLG München!) Gebotensein (+) weiter Begriff 23
52a UrhG und die Gerichte Argumentation des LG Stuttgarts LG untersagt t öffentl. Zugänglichmachung h von Werkteilen zum Download (& dauerhaftem Speichern) von > 3 Seiten sowie Abruf /Ausdruck > 48 Seiten (10%)* Relation zum Gesamtwerk & Einzelfallbetrachtung Bedeutung von Art. 5 III GG Schutzwürdige Primärmarktinteressen des Urhebers nicht beeinträchtigt (Verkauf des Werkes) Unterrichtsrelevant = ausschließlich Textseiten 24
52a UrhG und die Gerichte Kröner Verlag gegen Fernuniversität Hagen - OLG Stuttgart (04.04.2012, Az. 4 U 171/11) Berufung gegen LG Stuttgart-Urteil durch FU Hagen URTEILSBEGRÜNDUNG (KERNAUSSAGEN): bereitgestellte 9 Kapitel des Werkes: kleine Teile (-) Keine feste Prozentgröße für 52a UrhG, aber Obergrenze bei ca. 100 Seiten Keine Begrenzung auf unterrichtsrelevante Textpassagen (auch Inhaltsverzeichnis, Stichwortregister, Literaturverzeichnis) 25
52a UrhG und die Gerichte Kröner Verlag gegen Fernuniversität Hagen - OLG Stuttgart (04.04.2012, Az. 4 U 171/11) Einzelfallabwägung, da kleine Teile nicht zahlenmäßig bestimmbar (Verhinderung der Verwendung von Kernteilen) auch nicht Werke geringen Umfangs da einzelne Kapitel = Teil eines Gesamtkonzepts anders als LG: Vorrang (weitergehender) vertraglicher Angebote seitens der Rechteinhaber, sofern angemessenes digitales Angebot vorliegt* 26
52a UrhG und die Gerichte Zur Veranschaulichung im Unterricht Bestimmt abgegrenzter Kreis von Teilnehmern Veranschaulichung (-), Unterrichtseinheit angehörig vielmehr Vertiefung und Ergänzung (statt Erklärung, Verdeutlichung) Höhere Zahl der Teilnehmer (wie bei FU) sowie fehlende geografische Beschränkung Eigentlicher Unterricht darf dennoch begrenzter sich eigene Darstellungen Personenkreis (+) dadurch nicht sparen Grds. Verwendung im Unterricht nicht zwingend erforderlich Aber: Sicherstellung abgegrenzter Nutzung durch Zugangskontrollsysteme (nur Unterrichtsteilnehmer!) 27
52a UrhG und die Gerichte Gebotenheit der Bereitstellung t Öffentliche Zugänglichmachung h Gebotenheit grds. (+), auch wenn Werk in digitaler/analoger Form ohne Aufwand beschaffbar Gesamtabwägung Einzelfall: ll Bedürfnis der Zugänglichmachung g g Grad der Beeinträchtigung des Rechteinhabers; hier Beeinträchtigung (+) Revision zum BGH zugelassen Keine Anfertigung von digitalen Kopien, kein Ausdruck der Materialien 52a I Nr. 1 UrhG legitimiert lediglich Lesen am Bildschirm ( read only ) öffentliche Zugänglichmachung (unkörperlich) i.s.d. 52 a I Nr. 1 UrhG beinhaltet keine anderweitigen Verwertungsmöglichkeiten! 28
52a UrhG und die Gerichte FAZIT Literaturzusammenstellung & Veröffentlichung : voroder nachbereitende Ergänzung zum Unterrichtsstoff Kein Ersetzen des Unterrichtsstoffes Auswahl eines Formats, welches ledigl. Ansicht am Bildschirm zulässt Grenze 52a UrhG dort, wo Verwertungsinteressen des Verlags unverhältnismäßig äßi beeinträchtigt* t* 29
52a UrhG und die Gerichte FAZIT Leidtragende = Studierende (immer teurer werdende Unterrichtsmaterialien ) Aber auch Hochschulen (Erwerb mehrerer Nutzungsrechte) Darunter wird Lehre zwangsläufig leiden 30
52a UrhG und die Gerichte FAZIT OHNE 52a Abs. 1 Nr. 1 UrhG wird Lehre allerdings noch mehr Schwierigkeiten bekommen Verlängerung der Norm durch Gesetzgeber also nötig gewesen nun nur noch Beseitigung der Rechtsunsicherheit durch oberste Gerichte 31
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