Situation der Krankenhäuser für chronisch psychisch Kranke in Rumänien 1/2005

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Transkript:

Situation der Krankenhäuser für chronisch psychisch Kranke in Rumänien 1/2005 Einleitung P.O. Schmidt-Michel R.-P. Gebhardt Anfang des Jahres 2004 starben in der psychiatrischen und forensischen Klinik Poiana Mare im Südwesten Rumäniens (an der Grenze zu Bulgarien) 18 Patienten an Unterernährung und Unterkühlung. Eine breite Presseöffentlichkeit berichtete und Amnesty International legte dem Gesundheitsministerium und der Öffentlichkeit im Mai 2004 ein Memorandum über weitere 6 psychiatrische Langzeitkliniken vor, in dem insbesondere auf den entrechteten Status psychiatrischer Patienten in diesen Kliniken hingewiesen wurde (neben katastrophalen hygienischen Bedingungen, Mangelernährung, nicht vorhandene medizinische und psychiatrische Betreuung, Fehlen von Nachsorgeeinrichtungen und ambulanter aufsuchender Behandlung etc.). Das Gesundheitsministerium reagierte auf dieses Memorandum mit der Einberufung einer Fachkommission im Juni 2004, bestehend aus 6 Lehrstuhlinhabern unter der Leitung von Prof. Boisteanu (Jasi). Gleichzeitig veröffentlichte das Gesundheitsministerium ebenfalls ein Memorandum (Subject: Measures for the Rehabilitation of the Mental Health Care System in Romania), in dem hauptsächlich folgende Veränderungen geplant werden: - Sanitäre und bauliche Verbesserung der 6 psychiatrischen Kliniken, die in Trägerschaft des Gesundheitsministeriums sind (2427 Plätze, von denen 807 forensische Betten sind). - Erhöhung der Essenspauschale von derzeit 53.000 Lei auf 70.000 Lei pro Tag - Erhöhung der Gehälter des Personals, welches in der Psychiatrie arbeitet, um 75 % (realisiert zum 1. Dezember 2004). Zu der o. g. Arbeitsgruppe der rumänischen Psychiater erhielten die Autoren Kontakt über die Vermittlung des Europareferats des Sozialministeriums Baden-Württemberg. Die weiteren Ausführungen wurden in Ausschnitten dem Leiter der Arbeitsgruppe, Prof. Boisteanu zugesandt. Die folgenden Überlegungen zur rumänischen Psychiatrie basieren auf unseren systematischen Besichtigungen der Kliniken Zam/Kreis Hunedoara, Baia de Aries/Kreis Alba, Galda de Jos/Kreis Alba, Tarnaveni/Kreis Mures, Borsa/Kreis Cluj, 1

Nucet/Kreis Bihor, Siret/Kreis Suceava, Vedea/Kreis Arges, Schitu Greci/Kreis Olt, Balaci/Kreis Teleorman, Turceni/Kreis Gorj und Balaceanca/Kreis Ilfov. Ausgangslage der Kliniken für chronisch psychisch Kranke Über 25 der ca. 40 psychiatrischen Kliniken für chronisch psychisch Kranke in Rumänien liegen an isolierten Orten und weisen strukturelle Mängel auf: hohe Stigmatisierung der Klinik im jeweiligen Kreis, schlechter baulicher Zustand, keine ausreichende ärztlich-somatische Versorgung, kein ausreichend qualifiziertes Personal etc. Die Patienten werden in der Regel nach ca. 25 Tagen (DRG) Akutbehandlung bei anhaltenden Störungen in diese Kliniken verlegt. In Deutschland hatte Mitte des 19. Jahrhunderts eine intensive Diskussion in allen psychiatrischen Fachgremien stattgefunden, ob Kliniken für akut psychisch Kranke und für chronisch psychische Kranke getrennt oder verbunden entwickelt werden. Für die weitere Entwicklung der deutschen Psychiatrie war die Entscheidung für relativ verbundene Heil- und Pflegeanstalten ein historisch positives und richtungsweisendes Zeichen und es konnten zumindest bis zur Weimarer Zeit mit dieser Struktur Verbesserungen erzielt werden. Nach dem zweiten Weltkrieg konnte wieder an die Vorteile der Verbundenheit von Akut- und Langzeitklinik angeknüpft werden und von dort aus eine gemeindenahe Psychiatrie aufgebaut werden. Unseres Erachtens stellt die Entscheidung des rumänischen Staates in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts, Akutpsychiatrie in den Großstädten anzusiedeln und chronisch Kranke an entfernten Orten zu verstecken, das derzeit größte Problem in der stationären rumänischen Psychiatrie dar. Die Aufhebung dieser Trennung erscheint uns eine der dringlichsten derzeitigen Fragen in der rumänischen Psychiatrie. Sollten Renovationsmaßnahmen für diese Kliniken vorgesehen werden, wie dies zum Teil im Memorandum des Gesundheitsministeriums in Aussicht gestellt wird, so wird in der Regel die Renovation der bestehenden Kliniken teurer, als wenn an die Allgemeinkrankenhäuser der umliegenden größeren Städte psychiatrische Abteilungen angegliedert werden. Dies wäre insbesondere dann die empfehlenswertere Alternative, wenn bereits akutpsychiatrische Kliniken in den größeren Städten der Kreise bestehen. Forensische Psychiatrie Auch die geplante Neustrukturierung der forensischen Psychiatrie ist vor diesem Hintergrund zu überdenken. Es ist geplant, die derzeit sieben forensischen Kliniken auf vier Standorte in Rumänien zu reduzieren. Je mehr forensisch psychisch Kranke an einem Ort sind, desto höher ist jedoch die Stigmatisierung dieser Klinik und desto 2

entwickelter müssen die Sicherungsmaßnahmen sein (d.h. umso teurer). Des Weiteren ergibt sich bei größeren dezentral gelegenen forensischen Kliniken wiederum die Problematik der Personalgewinnung. Schließlich bewährt sich historisch die Anbindung forensischer Kliniken an die allgemeine klinische Psychiatrie, da viele Patienten nur über die allgemeine Psychiatrie und gemeindebezogene psychiatrische Dienste auch wieder rehabilitiert werden können. Daher wird die jetzt geplante Entwicklung zu einer längeren Hospitalisierung der Patienten führen und zudem letztlich teurer werden. Medizinisches und soziales Versorgungssystem für chronisch psychisch Kranke Direkt an diese Überlegungen knüpft die Frage des geplanten Aufbaus so genannter "medizinisch-sozialer Zentren - Typ - Psychiatrie" an. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob für die stationäre Betreuung psychisch Kranker ausschließlich die Krankenkasse bezahlt oder ob auch der Kreis mitfinanziert (Arbeitsbehörde, Sozialbehörde und zum Teil die Krankenkasse). Diese Frage ist für geistig Behinderte und behinderte alte Menschen leicht zu beantworten, jedoch nicht für chronisch psychisch Kranke, da insbesondere bei schizophrenen Patienten - diese Diagnose haben fast 80 % der Patienten in den Kliniken für chronisch psychisch Kranke in Rumänien die Behandlungsbedürftigkeit häufig wechselt. In Deutschland und zum Teil in anderen europäischen Ländern existieren zwei getrennte Versorgungssysteme: 1) Behandlungssystem 2) Betreuungssystem" (Finanzierung durch die Krankenkasse): (Finanzierung durch Sozialbehörden und Akut und chronisch psychisch Kranke in Arbeitsbehörden): Krankenhäusern (0,6 Betten pro Wohnheim 1000 Einwohner) Werkstätten Tageskliniken Tagesstätten Ambulanzen betreutes Wohnen Sozialpsychiatrische Dienste psychiatrische Familienpflege Viele Patienten wechseln je nach Behandlungsbedürftigkeit die beiden Systeme regelmäßig und häufig. Der "Bettenschlüssel" von ca. 0,6 auf 1000 Einwohner hat sich europaweit nur dann als einigermaßen angemessen herausgestellt, wenn das Betreuungssystem (System 2) ausreichend implementiert ist. Die Größenordnung im System 2 ist z.b. in Deutschland bei ca. 1,0 Plätzen für 1000 Einwohner (nur für die Psychiatrie) für Wohnheime und andere betreute Wohnformen. Ob dieses deutsche System für die rumänischen Verhältnisse richtungsweisend sein könnte, sei zunächst 3

dahingestellt gerade zur Versorgung chronisch psychisch Kranker könnte der englische oder der französische oder ein dritter Weg besser sein. Da jedoch auf der Ebene der Krankenkassenfinanzierung bereits ein Stück des deutschen Weges initiiert wurde, wird ein Richtungswechsel schwierig sein. Nun existiert das System 2 in Rumänien so gut wie nicht (Ansätze bilden sich in Oradea mit der Unterstützung der Stiftung Alsterdorf/Hamburg). Wenn nun ein relevanter Teil der "Kliniken für chronisch Kranke" in medizinisch-soziale Zentren umgewandelt wird, hat dies folgende Konsequenzen: 1. Es ändert sich ausschließlich der Kostenträger (Kreisverantwortlichkeit) 2. Die negative Infrastruktur dieser Einrichtungen bleibt erhalten bzw. aufgrund der Isolation der meisten dieser Einrichtungen ist eine Rehabilitation kaum möglich. 3. Die Zahl der psychiatrischen Betten fällt deutlich unter den europäischen Vergleich (Halbierung) ohne dass ambulante Strukturen aufgebaut werden. 4. Die dann verantwortlichen Arbeitsbehörden und Sozialbehörden übernehmen ein "Krankenhaussystem". Es liegt also nahe, den Status "Krankenhaus für chronisch psychisch Kranke" a) zunächst krankenkassenfinanziert zu belassen b) diese Einrichtungen dort wo sie isoliert gelegen sind und wo es möglich ist als "psychiatrische Krankenhäuser bzw. Abteilungen" in eine städtische Infrastruktur, möglichst nahe den somatischen Krankenhäusern zu überführen, in denen dann rehabilitative Maßnahmen greifen können und c) die dann entlassungsfähigen Patienten in wirklich medizinisch-soziale Zentren zu entlassen (wohn- und arbeitsrehabilitative Angebote). Im Kreis Cluj und in vielen anderen Kliniken wird der "Sozialfall" in den "Kliniken für chronisch psychisch Kranke" meist über folgende drei Kriterien definiert: keine Angehörigen, keine Wohnung, außer einer minimalen Rente keine finanziellen Mittel. Diese soziale Situation ist jedoch in vielen Fällen gerade das Ergebnis der Verbringung dieser Patienten an die abgelegenen Standorte der Kliniken für chronisch psychisch Kranke. Der entscheidende Ansatz wäre daher aus unserer Sicht, dass es eine gesetzliche Grundlage gibt, dass die Kreissozialbehörden verpflichtet sind, diesen behinderten psychisch Kranken betreuten Wohnraum zur Verfügung zu stellen (Wohnheime, betreutes Wohnen, Betreuung zu Hause). Diese Weichenstellung könnte das rumänisch-psychiatrische Versorgungssystem zukunftsfähiger machen - auch das forensische System könnte rehabilitativ davon profitieren. 4

Eine solide Äußerung zu der hier aufgeworfenen Frage des psychiatrischen Versorgungsbedarfs eines Landes ist auch im Vergleich zu anderen europäischen Ländern schwer verbindlich bzw. empirisch festzulegen. Es ist deshalb vor allem eine Frage der politischen Überzeugungskraft, welche Wege zur Entstigmatisierung und Enthospitalisierung psychisch Kranker eingeschlagen werden. Für den Bezirk Cluj im rumänischen Siebenbürgen haben wir gemeinsam mit der DSP und den Krankenkassen versucht, ausgehend von den existierenden Versorgungsstrukturen eine Bedarfsplanung zu ermitteln. Dieses Beispiel sei abschließend dargestellt. 5