DAS RECHT DER LEHRLINGSBESCHÄFTIGUNG Teil 2 - Behaltezeit und Nachlehre Schwangerschaft und Lehre Dr. Andreas Gattinger April 2014
DAS RECHT DER LEHRLINGSBESCHÄFTIGUNG Teil 2 Behaltezeit und Nachlehre Schwangerschaft und Lehre
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INHALTSVERZEICHNIS A) Weiterverwendung des Lehrlings nach Ende des Lehrverhältnisses... 1 1. Fälle der Weiterverwendung des ausgelernten Lehrlings... 1 a) Lehrverhältnis endet durch Zeitablauf... 2 b) Positive Ablegung der Lehrabschlussprüfung... 2 2. Dauer der Behaltezeit... 2 a) Kollektivvertragliche Verlängerung der 3-monatigen Behaltezeit... 3 b) Reduzierung auf die halbe Behaltezeit... 3 c) Sonderfall Betriebsübergang... 5 3. Weiterverwendungspflicht Verzichtmöglichkeit?... 5 a) Lehrling besteht auf Weiterverwendung... 6 b) Lehrling verzichtet auf Weiterverwendung... 6 4. Konkretisierung der Weiterverwendungspflicht... 7 a) Angebot eines befristeten oder unbefristeten Arbeitsvertrages... 7 b) Weiterverwendung im erlernten Beruf... 9 c) Weiterverwendung im Vollzeitausmaß... 9 d) Weiterverwendung im Betrieb... 10 5. Ablaufhemmung der Behaltezeit... 10 a) Einberufung zum Präsenz- oder Zivildienst... 11 b) Bewerbung oder Bestellung zum Jugendvertrauensrat... 11 c) Eintritt einer Schwangerschaft... 11 6. Charakteristik der Behaltezeit... 12
a) Abgrenzung Lehrvertrag - Arbeitsvertrag... 12 b) Lehrvertrag Behaltezeit unmittelbar anschließend... 13 7. Entlohnung während der Behaltezeit... 13 8. Berufsschulbesuch während der Behaltezeit... 15 a) Pflicht zur Freistellung des Lehrlings... 15 b) Keine Pflicht zur Weiterzahlung des Entgelts... 16 c) Unterbliebene Arbeitsleistung wegen Berufsschulbesuch kein Entlassungsgrund... 16 9. Auflösung des Arbeitsvertrages während der Behaltezeit... 17 a) Vereinbarung einer Probezeit... 17 b) Kündigung während der Behaltezeit... 17 c) Entlassung während der Behaltezeit... 19 10. Auflösungsabgabe nach Ende der Behaltezeit... 19 11. Antrag auf Befreiung von der Weiterverwendungspflicht... 20 12. Exkurs: Lehrling tritt die Behaltezeit nicht an Was nun?... 22 a) Inkrafttreten des Arbeitsvertrages... 22 b) Vorliegen eines vertragslosen Zustands... 23 B) Pflicht zur Nachlehre bei nicht anrechenbaren Fehlzeiten... 25 1. Varianten fehlender Anrechnung... 25 2. Vom Lehrling zu vertretene Dienstverhinderungsgründe... 26 3. Pflicht zur Gewährung der Nachlehre... 27 a) Nachlehre Zeitablauf des ursprünglichen Lehrvertrages... 28
b) Kein Verlängerungsautomatismus... 28 c) Variante 1 Verlängerung des Lehrvertrages... 29 d) Variante 2 Abschluss eines Ergänzungslehrvertrages... 30 4. Verzicht auf die Nachlehre Auswirkungen auf die Behaltezeit... 31 C) Pflicht zur tatsächlichen Beschäftigung... 32 1. Anspruch des Lehrlings auf tatsächliche Beschäftigung... 32 2. Tätigkeiten mit dem Wesen der Ausbildung vereinbar... 33 a) Verwendung zu berufsfremden Tätigkeiten... 33 b) Verwendung für Hilfsverrichtungen... 33 c) Rechtsfolgen bei Beauftragung unzulässiger Tätigkeiten... 35 3. Tätigkeiten mit dem Kräften des Lehrlings vereinbar... 36 a) Besondere Fürsorgepflichten des Lehrberechtigten... 36 b) Verbot der Akkordarbeit... 36 4. Exkurs: behördliches Verbot der Beschäftigung Jugendlicher... 37 D) Schwangerschaft und Mutterschutz... 39 1. Mitteilungspflichten... 39 a) Für den Lehrling... 39 b) Für den Lehrberechtigten... 39 2. Auswirkungen der Schwangerschaft auf das Lehrverhältnis... 40 a) Fortbestand der Ausbildungs- und Beschäftigungspflicht... 40
b) Fortzahlung der Lehrlingsentschädigung... 40 c) Besuch der Berufsschule... 41 d) Beginn und Dauer des absoluten Beschäftigungsverbotes.. 41 e) Anrechnung auf die Lehrzeit... 41 f) Auswirkungen auf den Lehrvertrag... 42 3. Auswirkungen der Schwangerschaft auf den Beginn der Behaltezeit... 43 a) Fehlzeit vor Ende der Lehrzeit < 4 Monate... 43 b) Fehlzeit vor Ende der Lehrzeit > 4 Monate... 44 4. Auswirkungen der Schwangerschaft auf die Behaltezeit... 45 a) Auf die Dauer der Behaltezeit befristetes Arbeitsverhältnis... 45 b) Unbefristetes Arbeitsverhältnis während der Behaltezeit.. 46 5. Anspruch auf Elternteilzeit?... 46
A) Weiterverwendung des Lehrlings nach Ende des Lehrverhältnisses Zur Vervollständigung seiner in der Lehrzeit erworbenen Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen hat der Lehrberechtigte nach Ende des Lehrverhältnisses den Lehrling für eine bestimmte Zeitdauer weiterzuverwenden. Die Dauer der Weiterverwendung des ausgelernten Lehrlings wird als Behalte- oder Weiterverwendungszeit oder als Behaltefrist bezeichnet. 1. Fälle der Weiterverwendung des ausgelernten Lehrlings Die Pflicht des Lehrberechtigten zur Weiterverwendung seines ausgelernten Lehrlings entsteht nur dann, wenn das Lehrverhältnis entweder durch Zeitablauf oder erfolgreiche Ablegung der Lehrabschlussprüfung endet. In allen anderen Fällen der Beendigung (z.b. einvernehmliche Auflösung, Ausbildungsübertritt, Austritt, Entlassung) schließt sich keine Behaltezeit an. ACHTUNG: Obwohl das Lehrverhältnis durch Zeitablauf endet, tritt die Behaltepflicht nicht ein, wenn der Lehrling Abwesenheitszeiten hat, die nicht auf das Lehrverhältnis angerechnet werden. Wenn der Lehrling länger als 4 Monaten verhindert ist, seinen Lehrberuf zu erlernen, ist die 4 Monate übersteigende Zeit nicht auf das Lehrverhältnis anzurechnen (siehe Kapitel B.1.). Die Behaltezeit beginnt erst dann, wenn der Lehrling seine volle Lehrzeit im Rahmen eines eigens abzuschließenden Ergänzungslehrvertrages erfüllt. Erst dann handelt es sich um einen ausgelernten Lehrling. 1
a) Lehrverhältnis endet durch Zeitablauf Da das Lehrverhältnis ein von Beginn an auf die Dauer der Lehrzeit befristetes Beschäftigungsverhältnis ist, stellt die Beendigung durch Ablauf der im Lehrvertrag festgehaltenen Lehrzeit den Hauptfall aller Beendigungsmöglichkeiten eines Lehrverhältnisses dar. Beispiel: Die Lehrzeit für den Lehrberuf Koch/Köchin beträgt laut Ausbildungsordnung 3 Jahre. Beginnt das Lehrverhältnis am 15.1.2014, endet das Lehrverhältnis am 14.1.2017, 24 Uhr. Am 15.1.2017, 0 Uhr, beginnt grundsätzlich die Behaltezeit. Dies gilt nur dann nicht, wenn während des Lehrverhältnisses nicht anzurechnende Fehlzeiten vorliegen. b) Positive Ablegung der Lehrabschlussprüfung Der Lehrling kann frühestens 6 Monate vor dem Ende der Lehrzeit die Zulassung zur Lehrabschlussprüfung beantragen. Tritt der Lehrling während des Lehrverhältnisses erfolgreich zur Lehrabschlussprüfung an, endet das Lehrverhältnis vorzeitig mit Ablauf jener Kalenderwoche (Sonntag, 24 Uhr), in der die Lehrabschlussprüfung abgelegt wurde. Die Behaltezeit beginnt am unmittelbar daran anschließenden Montag um 0 Uhr. Tipp: Merken Sie sich das Ende der Lehrzeit unbedingt vor, um den Beginn der Behaltezeit nicht zu übersehen, da damit wichtige rechtliche Änderungen (siehe insbesondere Kapitel A.6.a.) verbunden sind. 2. Dauer der Behaltezeit Das Berufsausbildungsgesetz legt die Dauer der Behaltezeit grundsätzlich mit 3 Monaten fest. Ausnahmen davon kann der jeweilige Kollektivvertrag vorsehen. 2
a) Kollektivvertragliche Verlängerung der 3-monatigen Behaltezeit Es ist stets der auf das Arbeitsverhältnis anzuwendende Kollektivvertrag zu beachten, der eine längere als die gesetzlich vorgesehene 3-monatige Behaltezeit vorsehen kann. Manche Kollektivverträge sehen darüber hinaus die Verlängerung der Behaltezeit bis zum Monatsende vor, sollte diese während eines Monats ablaufen (z.b. KV Handelsangestellte, KV Angestellte Metallgewerbe, KV Arbeiter für die eisen- und metallerzeugende Industrie). Beispiel: Folgende Kollektivverträge sehen längere Behaltezeiten vor (Achtung: keine vollständige Aufzählung): KV Handelsangestellte 5 Monate, Ende am Letzten des Kalendermonats KV Arbeiter Metallindustrie 6 Monate, Ende am Letzten des Kalendermonats KV Angestellte Metallgewerbe 6 Monate, Ende am Letzten des Kalendermonats KV Arbeiter Metallgewerbe 6 Monate (ohne Verlängerung zum Monatsletzten) b) Reduzierung auf die halbe Behaltezeit Hat der Lehrling nicht mehr als maximal die Hälfte der für seinen Lehrberuf festgesetzten Lehrzeit bei seinem Lehrberechtigten zugebracht, so ist der ausgelernte Lehrling mindestens für die halbe Behaltezeit im Lehrbetrieb weiter zu verwenden. Die Behaltezeit beträgt demnach 1 ½ Monate. 3
Sieht der Kollektivvertrag eine längere Behaltezeit vor, ist die reduzierte Behaltezeit von der kollektivvertraglich verlängerten Behaltezeit zu berechnen. Beispiel: Der Lehrling hat im Handelsbetrieb seines Lehrberechtigten von den 3 Lehrjahren nur 1 Jahr und 4 Monate verbracht. Nach dem KV Handel beträgt die Behaltezeit 5 Monate, die sich auf 2 1 / 2 Monate reduziert, wenn maximal die Hälfte der Lehrzeit beim letzten Lehrberechtigten verbracht wurde. Hat das Lehrverhältnis länger als die Hälfte der festgesetzten Lehrzeit gedauert, so ist die Behaltezeit in vollem Ausmaß zu gewähren. Bei Berechnung der Dauer, die der Lehrling im Lehrbetrieb verbracht hat, ist stets auf das Ende des Lehrverhältnisses durch Zeitablauf abzustellen. Der Lehrling soll durch einen früheren Antritt zur Lehrabschlussprüfung, der zu einem vorzeitigen Ende des Lehrvertrages führt, in Bezug auf die daran anschließende Dauer der Behaltezeit nicht schlechter gestellt werden. Beispiel: Die Lehrzeit beträgt 3 Jahre. Davon verbrachte der Lehrling im Betrieb A 17 Monate (1.1.2013 31.5.2014). Im Lehrbetrieb B begann der Lehrling unmittelbar anschließend am 1.6.2014. Variante 1: Das Lehrverhältnis endet mit Zeitablauf nach 19 Monaten am 31.12.2015. Da der Lehrling mehr als die Hälfte der Lehrzeit im Lehrbetrieb B verbracht hat, ist die gesamte Behaltezeit zu gewähren. Variante 2: Durch vorzeitige Ablegung der Lehrabschlussprüfung dauert das Lehrverhältnis im Lehrbetrieb B weniger als 18 Monate. Dennoch hat der Lehrbetrieb B die gesamte Behaltezeit zu gewähren, da durch das vorzeitige Ende des Lehrverhältnisses der Lehrling in seinem Recht auf Weiterbeschäftigung nicht geschmälert werden darf. 4