Aus dem Zentrum für Innere Medizin der Universität zu Köln Klinik I für Innere Medizin Direktor: Universitätsprofessor Dr. med. M.

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Transkript:

Aus dem Zentrum für Innere Medizin der Universität zu Köln Klinik I für Innere Medizin Direktor: Universitätsprofessor Dr. med. M. Hallek Klinik und Diagnostik der Syphilis - Eine Untersuchung bei Patienten der Infektionsambulanz der Universität zu Köln 2004 bis 2008 Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Hohen Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln vorgelegt von Saskia Dominique Brengelmann aus Bonn Promoviert am 11.Januar 2012

Gedruckt mit Genehmigung der Medizinischen Fakultät zu Köln (2012) Papyrus-Poster Print Cologne (Köln)

Dekan: Universitätsprofessor Dr. med. Dr. h.c. Th. Krieg 1. Berichterstatter: Universitätsprofessor Dr. med. G. Fätkenheuer 2. Berichterstatter: Professor Dr. med. N. Hunzelmann Erklärung Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Dissertationsschrift ohne unzulässige Hilfe Dritter und ohne Benutzung anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe; die aus fremden Quellen direkt oder indirekt übernommenen Gedanken sind als solche kenntlich gemacht. Die Konzeption der vorliegenden Untersuchung sowie die statistische Berechung der Daten wurden von mir selbstständig erarbeitet. Die statistischen Berechnungen wurden von Frau M. Sc. Hildegard Christ kontrolliert. Bei der Erstellung des Manuskriptes habe ich keine Unterstützungsleistungen von anderen Personen erhalten. Insbesondere habe ich nicht die Hilfe eines Promotionsberaters in Anspruch genommen. Dritte haben von mir werden unmittelbar noch mittelbar geldwerte Leistungen für Arbeiten erhalten, die im Zusammenhang mit dem Inhalt der vorgelegten Dissertation stehen. Die Dissertationsschrift wurde von mir bisher weder im Inland noch im Ausland in gleicher oder ähnlicher Form einer anderen Prüfungsbehörde vorgelegt. Köln, den 13.Juni 2011 Saskia Dominique Brengelmann

Die dieser Arbeit zugrunde liegenden Daten wurden ohne meine Mitarbeit in der Klinik I für Innere Medizin der Universität zu Köln ermittelt. Auch die Messergebnisse wurden ohne meine Mitarbeit im Labor der Universität zu Köln ermittelt. Die Konzeption der vorliegenden Untersuchung, das Recherchieren der entsprechenden Informationen aus Krankenakten sowie die statistische Zusammenfassung und Berechung der Daten wurden von mir selbstständig erarbeitet. Die statistischen Berechnungen wurden von Frau M. Sc. Hildegard Christ kontrolliert. Bei der Erstellung des Manuskriptes habe ich keine Unterstützungsleistungen von anderen Personen erhalten.

Danksagung Für die Überlassung des Dissertationsthemas und die Unterstützung bedanke ich mich herzlich bei Universitätsprofessor Dr. med. Gerd Fätkenheuer. Bei Frau M. Sc. Hildegard Christ bedanke ich mich für die geduldige Kontrolle der statistischen Berechnungen.

Für meine Familie

Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung...3 2 Die Syphilis...4 2.1 Epidemiologie...4 2.2 Erreger...6 2.3 Pathogenese...7 2.4 Klinik...7 2.4.1 Primärstadium...7 2.4.2 Sekundärstadium...8 2.4.3 Tertiärstadium...8 2.4.4 Neurosyphilis...9 2.4.5 Latenz...9 2.5 Diagnostik...10 2.5.1 Direktnachweis des Erregers...10 2.5.2 Antikörpernachweis -Serologie...10 2.5.3 Diagnostik der Neurosyphilis...12 2.5.4 Serologische Verlaufskontrolle nach Therapie...13 2.6 Therapie...14 2.6.1 Grundlagen...14 2.6.2 Frühsyphilis...14 2.6.3 Spätsyphilis...15 2.6.4 Neurosyphilis...15 2.6.5 Komplikationen der Therapie...16 2.7 Syphilis und HIV-Infektion...16 2.7.1 Besonderheiten in Klinik und Verlauf...16 2.7.2 Therapiebesonderheiten...17 3 Material und Methoden...19 3.1 Patienten...19 3.1.1 Einschlusskriterien...19 3.1.2 Ausschlusskriterien...19 3.2 Statistische Auswertung...20 I

3.2.1 Programm... 20 4 Ergebnisse... 21 4.1 Allgemeine Ergebnisse... 21 4.2 HIV Parameter... 22 4.3 Syphilis Parameter... 27 4.4 Entzündungsparameter und Leberwerte... 29 5 Diskussion... 33 5.1 Soziodemographische Daten... 33 5.1.1 Geschlechterverhältnis... 33 5.1.2 Altersverteilung... 34 5.2 HIV Parameter... 35 5.2.1 Syphilis und HIV-Koinfektion... 35 5.2.2 Zeitpunkte der Infektionen... 38 5.2.3 CD4-Zellzahl und HI-Viruslast... 38 5.3 Syphilis Parameter... 43 5.3.1 Syphilis Symptome und Stadium... 44 5.3.2 Syphilis Rezidiv... 46 5.3.3 Syphilis Therapie, Therapieerfolg und Nebenwirkungen... 46 5.3.4 Infektionsmodus... 48 5.4 Leberbeteiligung... 49 6 Ausblick... 53 7 Zusammenfassung... 54 8 Literaturverzeichnis... 56 9 Anhang... 63 9.1 Abbildungsverzeichnis... 63 9.2 Tabellenverzeichnis... 63 II

1 Einleitung Die Syphilis ist eine weltweit verbreitete Infektionskrankheit. Die WHO schätzt die Zahl der Neuerkrankungen auf etwa 12 Millionen Fälle jährlich [59]. Mit Erfindung des Penicillins als Therapeutikum der ersten Wahl gingen die Erkrankungszahlen im 20.Jahrhundert deutlich zurück. Seit den 1990er Jahren ist nun aber wieder ein weltweiter Anstieg der Prävalenz zu verzeichnen. Ein Großteil der Infektionen betrifft dabei Entwicklungsländer und vor allem Osteuropa. Durch starke Migrationsbewegungen von Osten in den Westen ist auch Westeuropa stark betroffen. Zu den Betroffenen in Nicht-Entwicklungsländern zählen vor allem homosexuelle Männer. Weltweit kann man einen Anstieg der Fälle bei MSM bemerken. Gleichzeitig mit der Syphilis-Infektion findet man eine hohe Inzidenz von HIV- Erkrankungen weltweit und Koinfektionen werden immer häufiger. Daher ist es wichtig, die gegenseitige Beeinflussung dieser beiden Erkrankungen aufeinander weiter zu erforschen und eine ausreichende Prävention durchzuführen, damit die Wachstumstendenz dieser beiden Infektionskrankheiten nachhaltig gestoppt werden kann. Ziel dieser Arbeit ist es, die reziproken Einwirkungen von Syphilis und HIV bei Patienten der Infektiologieambulanz der Universität zu Köln, aus den Jahren 2004 bis 2008, anhand der zur Verfügung stehenden Daten zu beschreiben. 3

2 Die Syphilis Die Syphilis ist eine in Schüben verlaufende Infektionskrankheit. Verursacht wird sie durch den Erreger Treponema pallidum. Der Übertragungsweg ist sexuell. Der Erreger dringt dabei durch Mikroläsionen der Schleimhaut oder Haut in den Organismus ein. Einziger Wirt für Treponema pallidum ist der Mensch. 2.1 Epidemiologie Die Syphilis kommt weltweit vor. Nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) unterliegt der direkte und indirekte Nachweis von Treponema pallidum in Deutschland einer nicht- namentlichen Meldepflicht nach 7 Abs.3 IfSG an das Robert Koch-Institut (RKI). Nach Einführung des Gesetzes im Jahre 2001 stieg die Zahl der gemeldeten Infektionen zunächst von 1.697 im Jahr 2001 auf 3.352 im Jahr 2004 an. Seit 2004 stabilisieren sich die jährlichen Zahlen für Syphilis-Infektionen bundesweit auf einem Niveau zwischen 3.000 und 3.500 [39]. Im Jahr 2007 wurden dem RKI 3.258 Syphilis-Fälle gemeldet. Es finden sich große regionale Unterschiede in der Zahl der Infektionen als auch Unterschiede zwischen Heterosexuellen und Homosexuellen sowie Männern und Frauen. In Großstädten sind die Infektionszahlen deutlich höher als im Bundesdurchschnitt. In Berlin wurde eine Syphilis-Inzidenz von 13,2 pro 100.000 Einwohnern registriert (Deutschland durchschnittlich 4,0 Fälle pro 100.000 Einwohner). Auch Hamburg (8,4/100.000) sowie Köln liegen über dem Durchschnitt [39]. Bezüglich der Verteilung des Infektionsrisikos zeigt sich, dass die Syphilismeldungen in Deutschland aus zwei unterschiedlichen Epidemien gespeist werden: einer Epidemie bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), und einer Epidemie geringeren Ausmaßes bei Heterosexuellen, wobei diese zum Teil mit der der MSM verzahnt ist. Im Jahr 2007 stieg der Anteil der 4

Fälle bei MSM mit 79,5% auf einen neuen Höchstwert. Der Anteil der bei Heterosexuellen diagnostizierten Fälle fiel auf 20,5%. Die Zahl der Syphilis-Meldungen bei Frauen lag im Vergleich mit dem Jahr 2006 (n = 328) im Jahr 2007 (n = 267) deutlich niedriger und erreichte sogar den niedrigsten Wert seit Einführung des neuen Meldeverfahrens 2001. Als Ursachen für die Syphilis-Epidemie bei MSM werden unterschiedliche Mechanismen diskutiert. Es ist von einer Vielzahl Sexualkontakte innerhalb von sexuellen Netzwerken in Großstädten auszugehen, welche aufgrund bestehender HIV-Infektionen mit oder ohne Absprache der Beteiligten ungeschützt ablaufen. Zudem wird von HIV-negativen MSM zur Verhinderung von HIV-Infektionen auf Sexualpraktiken ausgewichen, welche zwar hinsichtlich HIV weniger kontagiös, aber bezüglich der Syphilis ein hohes Übertragungsrisiko aufweisen (z.b. Oralverkehr) [19]. Man schätzt, dass mindestens 80% aller in Deutschland gemeldeten Syphilis- Fälle über sexuelle Kontakte zwischen Männern übertragen werden. Grafik 1: Verlauf des der Syphilis nach Infektionsmodus 2001 bis 2008 (Quelle: Epidemiologisches Bulletin Nr.49,2009 RKI, [40]) 5

2.2 Erreger Das Genus Treponema umfasst pathogene und apathogene Spezies. Die so genannten Treponematosen umfassen neben der venerischen Syphilis noch die Gruppe der nichtvenerischen Infektionen: Endemische Syphilis, Frambösie sowie Pinta [28]. Tabelle 1: Treponematose-Arten Treponematose Erreger Ausbreitungsgebiet Übertragungsmodus Venerische Syphilis T.pallidum ssp.pallidum Weltweit Sexuell Konnatal Hautkontakt (sehr selten) Endemische Syphilis (Bejel) T.palidum ssp.endemicum Mittlerer Osten, Afrika Hautkontakte Trinkgefäße Konnatal (selten) Frambösie (Yaws) T.pallidum Afrika, Pazifik Hautkontakte ssp.pertenue Pinta (Carate) T.carateum Zentral- und Südamerika Hautkontakte Nichtpathogene Treponemen sind im Oral-, Anogenital- und Intestinaltrakt als Teil der physiologischen mikrobiellen Flora zu finden. Die Erreger der Syphilis sind 6-16 µm lange geschraubte mikroaerophile Spirochäten mit 6-14 Windungen und einem Durchmesser von ca. 0,15 µm. Sie sind in vitro nicht anzüchtbar [28]. Treponemen färben sich mit den üblichen Methoden nicht an, daher bedarf es zum direkten Nachweis der Erreger Spezialtechniken wie der Dunkelfeld- oder Phasenkontrastmikroskopie. Im Dunkelfeld zeigt das gramnegative Bakterium typische Rotationen um die Längsachse sowie Beugebewegungen. 6

2.3 Pathogenese T.pallidum durchdringt die natürlichen Schutzbarrieren der Haut und Schleimhaut meist durch Mikroverletzungen. Es kommt zur lokalen Vermehrung des Erregers an der Eintrittspforte und zur Ausbreitung auf dem Blut- und Lymphweg. Die generalisierte Infektion kann alle Organe betreffen [16]. 2.4 Klinik Es sind 5 Stadien der Syphilis beschrieben: Primär-, Sekundär-, Tertiär-, Neurosyphilis sowie Latenz. 2.4.1 Primärstadium Das Primärstadium tritt nach einer mittleren Inkubationszeit von 21 (5-90) Tagen auf. Der Ort des Auftretens der ersten Symptome ist abhängig von der Eintrittspforte (10% extragenital). Es bildet sich ein roter Fleck oder ein Knötchen, das schnell erodiert (Primäraffekt). Dies geht über in ein Ulcus durum, ein schmerzfreies scharf begrenztes flaches Geschwür mit ödematös derb infiltriertem Randwall. Gleichzeitig kommt es zu einer schmerzlosen regionalen Lymphadenitis (Bubo). Das langsame Anschwellen der Lymphknoten ist eines der Charakteristika des Primärstadiums. Als Primärkomplex wird das Duo aus Primäraffekt und Bubo genannt. Er heilt nach 4-6 Wochen meist spontan ab. Bei 60-80% der Erkrankten bleibt der Primäraffekt die einzige Krankheitserscheinung der Syphilis [48]. Als wichtige Differentialdiagnosen sind das Ulcus molle, Lymphogranuloma venereum, Herpes simplex genitalis sowie Granuloma inguinale in Betracht zu ziehen. 7

2.4.2 Sekundärstadium In der Regel folgt nach ca. 4-15 Wochen nach Infektion das Sekundärstadium. Es kommt zu einer hämatogenen und lymphogenen Aussaat wobei alle Organsysteme betroffen sein können. Allgemeinsymptome wie Fieber, Abgeschlagenheit, Arthralgien und Müdigkeit können auftreten. Das Charakteristikum des Sekundärstadiums ist ein nicht-juckendes symmetrisch angeordnetes Exanthem (Syphilide). Die makulösen (Roseolen), papulösen oder papulosquamösen Effloreszenzen finden sich vorwiegend an Rumpf und Extremitäten, aber auch an den Handinnenflächen und Fußsohlen. In der Mundschleimhaut imponieren die Effloreszenzen als Plaques muqueuses, im Anogenitalbereich als nässende Condylomata lata. Allen gemeinsam ist, dass sie reich an Erregern und somit hochinfektiös sind. Meist findet sich eine generalisierte Lymphknotenschwellung (Polylymphadenopathie). Sie ist meist schmerzlos und kann über Monate anhalten. Im Kopfbereich kann mottenfraßartiger Haarausfall (Alopecia specifica areolaris) auftreten. Die Symptome des Sekundärstadiums können bis zu 2 Jahre dauern und klingen spontan ab. Wichtige Differentialdiagnosen des Sekundärstadiums sind Virus- und Arzneimittelexantheme, Pityriasis rosea und Psoriasis. 2.4.3 Tertiärstadium Das Tertiärstadium tritt meist ein bis mehrere Jahre nach Infektion auf. Es ist gekennzeichnet durch tuberöse, granulomatöse oder kardiovaskuläre Veränderungen. Bei der Lues tuberosa findet man gruppiert liegende, plane, flach erhabene oder tuberöse Effloreszenzen mit bogenförmigem, zentrifugalem Wachstum und zentraler Atrophie oder Ulzeration. 8

Die Lues gummosa zeichnet sich durch Gummata, Ansammlungen nekrotisierender Granulome, aus. Sie kommen in allen Geweben und Organen vor, aber bevorzugt in Haut und Knochen. Die kardiovaskulären Veränderungen treten vor allem als Mesaortitis luetica in Erscheinung. Am häufigsten ist die Aorta ascendens betroffen, selten aber auch andere Abschnitte der Hauptschlagader. Durch Stenosierung des Lumens der Vasa vasorum kommt es zur Nekrose der elastischen Lamellen und somit der Media der Aorta. Folge sind Aneurysmen sowie Rupturen, Aorteninsuffizienz und Stenose der Koronararterien. 2.4.4 Neurosyphilis 4-40 Jahre nach Infektion kann es zu neurologisch-psychiatrischen Symptomen kommen. Bei der Neurosyphilis unterscheidet man vor allem zwei Arten: Die meningovaskuläre Form und die parenchymatöse Form. Ursache der meningovaskulären Form sind Thromben und Infarkte im Versorgungsgebiet der mittelgroßen Hirngefäße, wodurch es zu fokalen Ausfallserscheinungen kommt. Die parenchymatöse Form der Neurosyphilis, Tabes dorsalis und progressive Paralyse, sind heute sehr selten geworden. Bei der Tabes dorsalis kommt es zu einer Degeneration der Hinterstränge des Rückenmarks. Die Patienten berichten über plötzlich einschießende Schmerzen in Unterbauch und Beine sowie Sensibilitätsverluste. 2.4.5 Latenz Bei der Lues latens unterscheidet man die früh latente Syphilis von der spät latenten. Bis zu einem Jahr nach Infektion liegt bei fehlenden klinischen Befunden, aber serologischen Hinweisen eine früh latente Syphilis, danach eine spät latente Syphilis vor. 9

2.5 Diagnostik Der Labordiagnose der Syphilis kommt entscheidende Bedeutung zu, da das klinische Bild der Syphilis einerseits sehr vielfältig sein kann und andererseits klinische Symptome auch fehlen können. 2.5.1 Direktnachweis des Erregers Der direkte Erregernachweis gelingt allgemein nur im Frühstadium der Syphilis. Dies geschieht durch eine dunkelfeldmikroskopische Untersuchung des Reizsekrets aus Primärläsion oder den nässenden Effloreszenzen des Sekundärstadiums. Die Untersuchung muss direkt nach Probeentnahme erfolgen. Die Differenzierung pathogener von nichtpathogenen Treponemen ist oft unmöglich, weshalb der Erregernachweis mittels direkter Immunfluoreszenz (DFA) empfohlen wird [28]. 2.5.2 Antikörpernachweis Serologie In der Regel erfolgt die Diagnose der Syphilis serologisch. Bei der Serodiagnostik sind grundsätzlich zwei unterschiedliche Antikörpergruppen zu unterscheiden: Antikörper gegen ein unspezifisches Antigen und spezifisch gegen Treponemen gerichtete Antikörper. Sinnvoll ist das Konzept der Stufendiagnostik der Syphilis (Hagedorn 2001), bestehend aus Such- und Bestätigungstests sowie Tests zur Beurteilung der Aktivität und Behandlungsbedürftigkeit. Die Tests zum Nachweis spezifischer Antikörper sollten als Such- und Bestätigungstests eingesetzt werden, wobei der Nachweis unspezifischer Antikörper der Beurteilung der Aktivität und ggf. der Behandlungsbedürftigkeit dienen [1]. Suchtests sind der Treponema-pallidum-Hämagglutinations-Test (TPHA) oder der Treponema-pallidum-Partikelagglutinationstest (TPPA). Der TPHA-Test verwendet Schaf-Erythrozyten als Antigenträger wobei der TPPA-Test 10

Gelatinepartikel benutzt. Diese Tests zeigen 2-3 Wochen nach der Infektion ein positives Ergebnis, das in der Regel lebenslang bestehen bleibt [23,42]. Die Ergebnisse werden als positiv gewertet, wenn in einer Serumverdünnung von 1:80 (nach Reagenzienzugabe) eine Agglutination auftritt. Die Spezifität wird mit 96-99% angegeben. Alternativ können als Suchtest vergleichbar sensitive und spezifische Testverfahren, z.b. der polyvalente Enzymimmunoassay (EIA) angewendet werden, der simultan IgG- und IgM-Antikörper nachweist [42]. Bei negativem Resultat des Suchtest kann davon ausgegangen werden, dass zum Zeitpunkt der Probenentnahme entweder keine Treponemeninfektion vorgelegen hat oder diese sich noch im nichtseroreaktiven Frühstadium befunden hat. Ist der Suchtest negativ, entfallen weitere Untersuchungen. Bei weiter bestehendem Verdacht auf eine Frühsyphilis sollte der Test wiederholt werden. Bei fraglichem oder positivem Resultat folgt dann der Bestätigungstest zur Absicherung der Spezifität des Befundes. International gebräuchlich ist hierfür der Treponema pallidum-antikörper-absorptions-test (FTA-ABS-Test). Hierbei handelt es sich um einen indirekten Immunfluoreszenztest der simultan IgGund IgM-Antikörper erfasst. Alternativ können der IgG-Immunoblot, der polyvalente oder IgG-spezifische ELISA angewendet werden. Sind Such- und Bestätigungstest positiv, gilt eine Treponemeninfektion als serologisch gesichert. Für die Therapieentscheidung sind dann die Bestimmung der Treponemen-spezifischen IgM-Antikörper sowie des nicht erregerspezifischen Lipoidantikörpers entscheidend. Referenztest für die T.-pallidum-spezifische IgM-Antikörperdiagnostik ist eine Modifikation des FTA-ABS-Tests, der 19S-IgM-FTA-ABS-Test. Alternativ können auch IgM-ELISA oder IgM-Immunoblot verwendet werden. Für den Lipoidantikörper-Nachweis wird international der VDRL- Test (Venereal Disease Research Laboratories-Test) und seine Varianten, wie z.b. der RPR- Test (Rapid plasma reagin card Test) empfohlen. Die Cardiolipin-KBR ist ebenfalls in Deutschland gebräuchlich. Die wesentliche Antigenkomponente ist neben Lezithin und Cholesterin das Cardiolipin. Dieses Antigen findet sich nicht nur in der Zellwand der 11

Treponemen, sondern auch in der Mitochondrienmembran menschlicher, tierischer sowie pflanzlicher Zellen. Ein positiver Cardiolipin-Antikörperbefund ist daher nicht beweisend für eine Treponemeninfektion, sondern ein Hinweis auf einen gewebedestruierenden Prozess. Nichtsdestotrotz gilt er bei der Syphilisdiagnostik als wichtiger Marker der Entzündungsaktivität. Lipoidantikörper finden sich etwa 4 bis 6 Wochen nach der Infektion im Serum, erreichen ihr Maximum im Sekundärstadium und sinken dann im Latenzstadium wieder ab. Nach erfolgreicher Therapie wird der Cardiolipin-Antikörperbefund in der Regel negativ. 2.5.3 Diagnostik der Neurosyphilis Die Diagnose der Neurosyphilis basiert auf klinischen Befunden, serologischen Testergebnissen und der Liquoranalyse. Entscheidend ist aber die Bewertung des Antikörperbefundes im Liquor cerebrospinalis unter Berücksichtigung der funktionalen Beziehung zwischen Serum und Liquor. Die Titer-Höhe der Antikörper im Liquor ist abhängig von der Höhe der Antikörper im Serum, dem Funktionszustand der Blut-Liquor-Schranke und einer möglichen Antikörpersynthese im ZNS. Die Möglichkeit der intrathekalen Treponemen- Antikörperproduktion wird mittels des ITpA-Index berechnet: TPPA-Titer(Liquor) x Gesamt-IgG (Serum) ITpA-Index: --------------------------------------------------------- TPPA-Titer (Serum) x Gesamt-IgG (Liquor) Der Normalbereich für diesen Quotient ist 0,5-2,0. Werte > 3,0 gelten als Hinweis auf eine lokale Treponemen-Antikörpersynthese im ZNS [42]. Der Nachweis einer spezifischen intrathekalen Antikörpersynthese ist jedoch nicht gleichbedeutend mit einer aktiven Neurosyphilis, da dieses Phänomen auch nach ausreichender Therapie über Jahre persistieren kann. 12

Bei den untersuchten Patienten unserer Studie waren klinische neurologische Symptome der Grund für weitergehende Diagnostik. 2.5.4 Serologische Verlaufskontrolle nach Therapie Da es unter der Therapie zu signifikanten Titeränderungen kommen kann, sollte der serologische Befund 3-4 Wochen nach Abschluss der Antibiotikatherapie als Ausgangswert für nachfolgende Verlaufsuntersuchungen kontrolliert werden. Weitere Verlaufskontrollen werden danach in 3-monatigen Abständen über ein Jahr empfohlen. Geeignet für die Verlaufsbeurteilung der Antikörperkinetik sind nur quantitative Testverfahren wie der VDRL-Test, der TPHA-/TPPA-Test, die Cardiolipin-KBR, der 19S-IgM-FTA-ABS-Test oder der IgM-ELISA. Bestätigungstests sind nicht mehr nötig. Nach Erstinfektion gilt ein Abfall des Lipoidantikörpertiters um drei bis vier Titerstufen innerhalb eines Jahres als Hinweis auf eine effektive Therapie. Zu beachten ist jedoch, dass die Antikörperkinetik sehr variabel verlaufen kann. Je größer das Zeitintervall zwischen Infektion und Therapiebeginn ist, desto langsamer erfolgt der Abfall der Antikörper [50]. Während nach Therapie einer Syphilis im Primär- oder Sekundärstadium die Lipoid- und spezifischen IgM-Antikörper innerhalb weniger Monate unter die Nachweisgrenze der jeweiligen Methoden absinken können, ist nach Behandlung einer Syphilis in der Spätlatenz, im Tertiärstadium oder nach Reinfektion eine Persistenz positiver Befunde über Jahre möglich. Kommt es bei der Verlaufsbeobachtung zum erneuten Lipoid- und/oder IgM-Titerabstieg, ist eine Reaktivierung oder Reinfektion anzunehmen. Es besteht daher eine Behandlungsindikation. 13

2.6 Therapie 2.6.1 Grundlagen Treponema pallidum ist auch nach 60 Jahren Behandlung mit Penicillin sensibel gegenüber diesem Antibiotikum. Nur bei Penicillinallergie ist ein Ausweichen auf andere Antibiotika (Cephalosporine, Makrolide, Tetrazykline) erforderlich. Der seltene Nachweis eines Penicillinase-produzierenden und eines Erythromycin-resistenten T. pallidum-stammes spielte in den vergangenen 2 Jahrzehnten keine Rolle mehr [30, 52]. Wegen der langen Generationszeit der Treponemen ist eine Mindestbehandlungsdauer von 10 Tagen erforderlich. In vitro wird die Antibiotikakonzentration bestimmt, die zu einer 50%igen Immobilisation der Treponemen führt. Zum Einsatz in vivo sollten die hierfür ermittelten Konzentrationen (für Penicillin G 0,002 µg/ml, für Amoxicillin 0,07 µg/ml und für Ceftriaxon 0,01 µg/ml) um den Faktor 10 überschritten werden [22]. Bei der Neurosyphilis ist zu beachten, dass mit der intramuskulären Injektion keine ausreichenden Wirkspiegel im ZNS erreicht werden können. Daher ist eine regelmäßige, hochdosierte intravenöse Gabe über 14-21 Tage erforderlich 2.6.2 Frühsyphilis Bei der Frühsyphilis handelt es sich entweder um eine Primärsyphilis, Sekundärsyphilis oder eine latente Syphilis bis 1 Jahr post infectionem. Empfehlung: Benzathin-Benzylpenicillin (Pendysin, Tardocillin ) 2,4 Mio. I.E. i.m. (gluteal li/re je 1,2 Mio. I.E.) Bei Penicillinallergie: Doxycyclin 2x100mg/Tag p.o.; 14 Tage oder Erythromycin 4x0,5g /Tag p.o., 14 Tage (Quelle: AWMF online, Diagnostik und Therapie der Syphilis [2].) 14

2.6.3 Spätsyphilis Bei der Spätsyphilis handelt es sich um alle Krankheitsstadien, die später als 1 Jahr post infectionem diagnostiziert werden (latente Syphilis, Tertiärsyphilis) oder um eine Syphilis unbekannter Dauer. Empfehlung: Benzathin-Benzylpenicillin (Pendysin, Tardocillin ) 2,4 Mio. I.E. i.m. (gluteal li/re je 1,2 Mio.I.E.) Tag 1, 8, 15 Bei Penicillinallergie: Doxycyclin 2x100mg/Tag p.o.; 28 Tage Erythromycin 4x500mg/Tag i.v. 28 Tage (Quelle: AWMF online, Diagnostik und Therapie der Syphilis [2].) 2.6.4 Neurosyphilis Aussage über die Behandlungsbedürftigkeit geben die Lipoidantikörperreaktion und/oder der Nachweis treponemenspezifischer IgM-Antikörper im Serum sowie der Liquorbefund und die klinischen Progredienzzeichen. Empfehlung (1. Wahl): Penicillin G kristalloide Lsg. 6x 3-4 Mio. IE/Tag i.v., mindest. 14 Tage oder (gleichwertig) 3x 10 oder 5x5 Mio IE/Tag i.v., mindestens 14 Tage oder Ceftriaxon 1x 2g/Tag i.v. über 10-14 Tage (initial 4g) Alternative (3. Wahl): Doxycyclin 4x 200mg/Tag über 28 Tage (Kontraindikation: Kinder, Schwangere) (Quelle: AWMF online, Diagnostik und Therapie der Syphilis [2].) 15

2.6.5 Komplikationen der Therapie Die wichtigste Komplikation bei der Therapie der Syphilis ist die Jarisch- Herxheimer-Reaktion. Sie ist vor allem häufig bei erregerreicher Sekundärsyphilis. Es handelt sich hierbei um eine kutane und allgemeine Reaktion auf Toxine zerfallener Treponemen. Die Reaktion setzt in der Regel 2-8 Stunden nach Therapieeinleitung ein und zeigt sich mit einer Zunahme, Intensivierung oder Neuauftreten eines Exanthems sowie Fieber, Schüttelfrost und Kopfschmerzen. Behandelt werden sollte sie durch eine einmalige Gabe von 1mg Prednisolonäquivalent/ kg Körpergewicht per os. Ebenfalls kann eine Prophylaxe erfolgen, die nicht nur bei positiver Anamnese zu empfehlen ist. Sie besteht aus einem Glukokortikosteroid, das 30-60 Minuten vor der ersten Antibiotikagabe per os verabreicht wird [2]. 2.7 Syphilis und HIV-Infektion 2.7.1 Besonderheiten in Klinik und Verlauf Die Manifestationen der Syphilis sind vielfältig. Ihr stadienhafter Verlauf unterscheidet sich bei HIV-positiven Patienten im Wesentlichen nicht von dem HIV-negativer Patienten [44]. Bei HIV-Koinfektion kommt es aber häufiger zu atypischen und schwereren Verläufen. Andererseits erhöhen genitale Läsionen, wie sie auch bei der Syphilis vorkommen, die Gefahr der Ansteckung mit HIV, so dass gegenseitige Wechselwirkungen bestehen. Bei oralen und analen Ulzera, sowie bei einer Pharyngitis muss immer an Syphilis gedacht werden. Der Primäraffekt besteht häufig aus mehreren Ulzera (Abklatschphänomen) [44]. Allgemeinsymptome wie Abgeschlagenheit, Fieber und Kopfschmerzen werden bei HIV-Patienten häufiger beobachtet. Weitere Symptome sind generalisierte 16

Lymphknotenschwellung und Splenomegalie. Im Serum finden sich gehäuft Transaminasenerhöhungen [2]. Bei HIV-Infizierten kann es zu einer schnelleren Progression der Syphilis in das Tertiär- oder Neurosyphilisstadium kommen. So ist die Latenzperiode zwischen Stadium 2 und der Tertiärsyphilis häufig stark verkürzt. Es wird ein gehäuftes Auftreten der Neurosyphilis bei HIV-Patienten beobachtet. Dabei spielt auch die Immunsuppression eine entscheidende Rolle. So kommt es bei einer geringeren Anzahl von CD4-Zellen häufiger zu einer Beteiligung des ZNS. Man fand 3,1-mal häufiger eine Neurosyphilis bei HIV-Infizierten mit weniger als 350 Helferzellen/ µl als bei Nichtinfizierten [27]. Außerdem kann eine früher durchgemachte Syphilis bei HIV-Patienten leichter reaktiviert werden. 2.7.2 Therapiebesonderheiten HIV-Patienten, insbesondere unter suffizienter antiretroviraler Therapie (HAART) und mit weitgehend erhaltener oder wieder hergestellter zellulärer Immunfunktion (CD4 > 400/µl), werden nach dem Standardtherapiekonzept stadiengerecht mit Penicillin behandelt (s.o.). Allerdings ist die einmalige Gabe von 2,4 Mio. i.e. i.m. Benzathin- Benzylpenicillin aufgrund des häufigeren Therapieversagens unsicher. Daher sollte bei HIV-Patienten eine dreimalige Gabe von 2,4 Mio. i.e. i.m. im Abstand von je einer Woche erfolgen. Bei klinischen Symptomen, die mit einer Neurosyphilis vereinbar sind, sollte immer wie bei einer manifesten Neurosyphilis behandelt werden, ggf. trotz negativen Liquorbefundes [17]. Insgesamt müssen klinische Verlaufsbeobachtung und die regelmäßigen Therapiekontrollen bei HIV-Patienten mit besonders großer Sorgfalt durchgeführt werden [14]. Dabei ist zu beachten, dass der Rückgang der Cardiolipinantikörper (VDRL-Test) bei HIV-Infizierten deutlich langsamer einsetzt als bei HIV negativen Patienten [49]. 17

Empfehlung: Prinzipiell wie bei immunkompetenten Patienten stadiengerecht mit Penicillin. Ab Sekundärsyphilis erhöhtes Risiko für Neurosyphilis: Benzathin-Penicillin G nur nach möglichst sicherem Ausschluss einer neurologischen Beteiligung (Klinik und Lumbalpunktion!) Alternativ Ceftriaxon 2g über 10-14 Tage i.v. Im Zweifelsfall (keine Liquordiagnostik): Therapie wie Neurosyphilis (Quelle: AWMF online, Diagnostik und Therapie der Syphilis [2].) 18

3 Material und Methoden 3.1 Patienten In der vorliegenden Arbeit werden die HIV-positiven Patienten mit Neudiagnose einer Syphilis in den Jahren 2004 bis 2008 charakterisiert, und hinsichtlich der Diagnostik der Syphilis, des Therapieansprechens und des klinischen Verlaufs beschrieben. Die Patienten befinden sich zum Zeitpunkt der Luesdiagnose in Behandlung in der Infektionsambulanz der Medizinischen Klinik I des Klinikums der Universität zu Köln. Grundlage dieser retrospektiven Analyse waren die Aufzeichnungen in den Ambulanzakten der Infektionsambulanz sowie die HIV-Datenbank der Infektionsambulanz der Medizinischen Klinik I des Klinikums der Universität zu Köln. 3.1.1 Einschlusskriterien Alle Patienten wurden in diese Analyse eingeschlossen, die folgende Kriterien erfüllen: - Vorliegen einer Ambulanzakte: Name, Geschlecht, Alter, Syphilis- Diagnosedatum, Symptome und Therapie - Diagnosedatum einer Syphilis zwischen dem 01.01.2004 und dem 31.12.2008 3.1.2 Ausschlusskriterien - Syphilis-Diagnosedatum vor dem 01.01.2004 oder nach dem 31.12.2008 19

3.2 Statistische Auswertung 3.2.1 Programm Die auf Papier erhobenen Daten wurden tabellarisch in Datenblätter des Programms Excel (Version 2007) eingetragen und danach in Datenblätter des Programms SPSS Satistics 17.0 überführt. SPSS Statistic 17.0 ist ein Datenverarbeitungs- und Statistikprogramm und eingetragenes Warenzeichen der Firma SPSS Inc., 233 S. Wacker Drive, Chicago Illinois 60606. Die Arbeit wurde mit Hilfe des Programms Word (Version 2007) verfasst. In das Dokument wurden verschiedene Grafiken und Tabellen aus SPSS Statistics 17.0 und mit Hilfe des AdobeReaders 9, aus verschiedenen Publikationen aufgenommen. Excel und Word sind eingetragenen Warenzeichen der Microsoft Corporation. AdobeReader 9.0 ist ein eingetragenes Warenzeichen der Adobe Systems, Inc. Als statistische Tests wurden der Friedman-Test verwandt sowie bei statistischen Auffälligkeiten der Wilcoxon-Test. Die bestimmten p-werte sind als rein deskriptiv zu erachten, und als statistisch auffällig wurden p-werte < 0,05 angenommen. 20

4 Ergebnisse In die Analyse konnten 103 HIV-Patienten eingeschlossen werden, die von 2004 bis 2008 von der Infektionsambulanz der Universität zu Köln wegen einer Syphilis behandelt wurden. 4.1 Allgemeine Ergebnisse Unter den 103 Patienten befanden sich ausschließlich Männer. Hinsichtlich des Erkrankungsalters bei Syphilisdiagnose ergab sich folgendes: Tabelle 2 : Erkrankungsalter in Jahren n 103 Mittelwert 38,3 Standardabweichung 8,8 Minimum 16 Maximum 65 Betrachtet man die Altersklassen ergibt sich folgende Verteilung: Tabelle 3: Altersklassen Altersgruppe Häufigkeit (n) Prozent (%) < 20 1 1 20-29 14 13 30-39 44 43 40-49 40 39 >/= 60 4 4 Gesamt 103 100,0 21

4.2 HIV-Parameter Bei allen Patienten lagen ein Datum der HIV-Erstdiagnose, sowie des Erstkontaktes in der infektiologischen Ambulanz und das Datum der Syphilis- Diagnose vor. Im Median wurde die Diagnose der Syphilis 33 Monate nach der HIV- Erstdiagnose gestellt (Minimum -1, Maximum 308 Monate). Der Mittelwert (± Standardabweichung) lag bei 55,0 Monaten ± 65,4. Eine Simultandiagnose von HIV-Erstinfektion und Syphilis (+/- 1 Monat) wurde bei 24 Patienten beobachtet (23%). Bei 79 Patienten (77%) bestand ein Zeitunterschied zwischen beiden Diagnosen. Im Mittel bestand die HIV-Erstdiagnose 18,1 Monate ± 45 vor Erstkontakt in der infektiologischen Ambulanz. Der Median lag bei 0 Monaten. Der Abstand zwischen der Syphilis-Diagnose und des Erstkontaktes war im Mittel 36,6 Monate ± 43,2. Der Median betrug hier 18 Monate. Bei fast allen Patienten wurde das HIV-Stadium erhoben: Tabelle 4: HIV-Stadium Häufigkeit Prozent A1 9 9 A2 36 35 A3 12 12 B2 12 12 B3 7 7 C2 4 4 C3 22 21 Gesamt 102 53 Patienten (52%) bekamen zum Zeitpunkt der Syphilis-Diagnose eine antiretrovirale Therapie. 37 Patienten (36%) bekamen keine Therapie und 13 Patienten (13%) waren in Therapiepause. Im Mittel bekamen die Patienten, die 22

keine Therapie erhielten nach 8,8 Monaten ± 8,9 nach Syphilis-Diagnose eine antiretrovirale Therapie. Der Median lag bei 6 Monaten. Bezieht man die Patienten mit ein, die sich in einer Therapiepause befanden, so sind es im Mittel 11,9 Monate ±12,6. Der Median lag hier bei 7 Monaten. Die CD4-Zellzahl wurde in einem Zeitraum bis 6 Monate vor Syphilis- Diagnosestellung, bei Diagnosestellung und bis 6 Monate nach Diagnose bestimmt. In dem Zeitraum bis 6 Monate vor Diagnose gab es zu 66 Patienten Angaben und der Mittelwert lag bei 505 Zellen ± 279 pro Mikroliter Blut, der Median bei 460 Zellen pro µ Blut. Bei Diagnosestellung lag der Mittelwert bei 452 Zellen ± 238 pro Mikroliter Blut und der Median bei 420 Zellen pro Mikroliter Blut (n=101). Der Mittelwert im Zeitraum bis zu 6 Monaten nach Diagnosestellung lag bei 491 ± 224 und der Median bei 490 Zellen pro Mikroliter Blut (n=95). Es kam zu einem signifikanten Anstieg der CD4-Zellzahl nach Syphilis-Therapie (p=0,003). Bei der Aufteilung in Klassen ergab sich folgendes Bild: Grafik 2 : CD4-Zellen pro µl Blut bis 6 Monate vor Diagnose 23

Grafik 3: CD4-Zellen pro µl Blut bei Diagnosestellung Grafik 4: CD4-Zellen pro µl Blut bis 6 Monate nach Diagnose Die HI-Viruslast wurde ebenfalls in den gleichen Zeiträumen bestimmt (bis 6 Monate vor Syphilis-Diagnose, zu Beginn der Erkrankung und bis zu 6 Monate nachher). Der Median bei 65 Patienten, deren HI-Viruslast bis zu 6 Monate vor der Diagnose bestimmt werden konnte, lag unter 50 RNA-Kopien/ml mit einem Minimum von kleiner 50 RNA-Kopien/ml und einem Maximum von 618783 RNA-Kopien/ml. 24

Zum Zeitpunkt der Diagnosestellung konnte bei 97 Patienten die HI-Viruslast bestimmt werden. Der Median lag bei 279 RNA-Kopien/ml (Minimum kleiner 50 Kopien/ml, Maximum 544275). Bis zu 6 Monate nachher konnte bei 94 Patienten die HI-Viruslast bestimmt werden. Es fand sich ein Abfall der Viruslast auf einen Median von 157 RNA- Kopien/ml (Minimum kleiner 50, Maximum 500000) (p<0,001). Zum Zeitpunkt der Syphilis-Diagnosestellungen waren 57 Patienten (59%) potentiell infektiös (HI-Viruslast > 50 RNA-Kopien/ml). Teilt man die HI-Viruslast in Klassen ergibt sich folgendes Bild: Tabelle 5 : HI-Viruslast-Klassen (RNA-Kopien/ml) bis 6 Monate vor Diagnose Syphilis Häufigkeit Prozente </= 50 35 53,8 50-200 5 7,7 201-1000 6 9,2 1001-50.000 13 20,0 > 100.000 6 9,2 Gesamt 65 100,0 Fehlend Keine Messung 38 Gesamt 103 25

Tabelle 6: HI-Viruslast-Klassen (RNA-Kopien/ml) zum Zeitpunkt der Diagnose Syphilis Häufigkeit Prozente </= 50 40 41,2 50-200 7 7,2 201-1000 4 4,1 1001-50.000 23 23,7 50.001-100.000 8 8,2 > 100.000 15 15,5 Gesamt 97 100,0 Fehlend Keine Messung 6 Gesamt 103 Tabelle 7: HI-Viruslast-Klassen (RNA-Kopien/ml) bis 6 Monate nach Diagnose Syphilis Häufigkeit Prozente Gültig </= 50 40 42,6 50-200 7 7,4 201-1000 6 6,4 1001-50.000 26 27,7 50.001-100.000 10 10,6 > 100.000 5 5,3 Gesamt 94 100,0 Fehlend Keine Messung 9 Gesamt 103 26

4.3 Syphilis-Parameter Von den 103 Patienten konnte bei 92 ein Syphilis-Stadium bestimmt werden. Tabelle 8: Syphilis-Stadium Häufigkeit Prozente Primärstadium 13 14 Sekundärstadium 39 42 Latenz 34 37 Neurosyphilis 6 7 Gesamt 92 100 Bei 62 Patienten (64%) handelte es sich um die Erstmanifestation einer Syphilis. Bei 29 Patienten (30%) war es das erste Rezidiv, bei 6 Patienten (6%) das zweite Rezidiv. Eine Neurosyphilis konnte bei 6 Patienten diagnostiziert werden. Häufig konnte kein erstes Symptom der Syphilis zugeordnet werden oder war bei Diagnosestellung schon wieder abgeklungen. Grafik 5: Symptome der Syphilis 27

Als Syphilis-Therapie wurde die dreimalige Gabe von 2,4 M Penicillin bei 86 Patienten (88%) bevorzugt. Eine intravenöse Penicillin-Gabe erhielten vier der Patienten, Doxycyclin erhielten drei Patienten. Der Rest erhielt andere Medikamente oder keine Therapie. Elf der Patienten erhielten außerdem Decortin. Eine erfolgreiche Therapie (VDRL-Titerabfall mehr oder gleich 3) hatten 73 Patienten (71%). Bei 25 Patienten (24%) war keine Aussage über den Erfolg der Therapie zu treffen, da Kontrolluntersuchungen nicht verfügbar waren. Bei 4 Patienten (4%) war kein weiterer Titerabfall möglich, bei einem Patienten (1%) war die Therapie nicht erfolgreich. Nebenwirkungen der Syphilis-Therapie berichteten nur 4 Patienten (4%). Bei ihnen kam es zu einer Jarisch-Herxheimer-Reaktion. Bei der Auswertung des Infektionsmodus ergab sich folgendes Verhältnis: Grafik 6: Infektionsmodus 28

4.4 Entzündungsparameter und Leberwerte Der Entzündungsparameter CRP (C-reaktives Protein) wurde bis 6 Monate vor der Syphilis-Diagnose, zu Beginn der Erkrankung und bis 6 Monate nach der Diagnose erhoben. Sechs Monate vor Diagnose wurde das CRP bei 58 Patienten bestimmt. Davon hatten 27 Patienten (47%) eine CRP-Erhöhung (CRP > 6 mg/l) und bei 31 Patienten (53%) fand man keine CRP-Erhöhung. Bei 45 Patienten fand sich kein Wert in den Akten, da sie entweder vor der Syphilis-Diagnose noch nicht in der Infektionsambulanz vorstellig waren oder keine Messung stattgefunden hatte. Zum Diagnosezeitpunkt hatten 51 Patienten (56%) von 91 Patienten, bei denen das CRP gemessen wurde, eine CRP-Erhöhung und 40 Patienten (44%) hatten normale CRP-Werte. Bei 12 Patienten fehlte auch hier die Messung. Nach der Syphilis-Erkrankung wurde bei insgesamt 85 Patienten das CRP bestimmt. Es zeigten nur 14 Patienten (17%) eine CRP-Erhöhung und 71 (84%) hatten normale Werte. Hier fehlten 18 Laborwerte. Bei 31 Patienten fand man zu Beginn der Diagnose eine CRP-Erhöhung und eine Normalisierung innerhalb von 6 Monaten. Bei 37 Patienten fand man entweder 6 Monate vor oder zu Beginn der Diagnose eine Erhöhung ihrer Werte und einen Abfall auf die Norm nach 6 Monaten. Betrachtet man die Mittelwerte des CRP-Wertes zu den 3 Zeitpunkten so kann man sehen, dass er zum Diagnosezeitpunkt im Gegensatz zur Messung 6 Monate vor der Diagnose erhöht ist (p=0,04) und nach Therapie wieder abfällt (p<0,001): 29

Tabelle 9: Mittelwert von CRP zu 3 Zeitpunkten CRP bis 6 Mon. vor Diagnose CRP bei Diagnosestellung CRP bis 6 Mon. nach Diagnose n 58 91 85 Mittelwert 9,4 16,4 5,2 Median 5,0 7,0 2,9 Standardabweichung 10,2 21,2 6,9 Die Leberwerte y-gt (Gamma-Glutamyl-Transferase), GPT (ALT, Glutamat- Pyruvat-Transaminase) und GOT (AST, Glutamat-Oxalacetat-Transaminase) wurden in den gleichen Intervallen kontrolliert (6 Monate vor Diagnose, zu Beginn und 6 Monate nach Diagnose). Vor der Diagnose fanden sich bei 12 Patienten von 61 Patienten mit vorhandenen Laborwerten (20%) einen y-gt-erhöhung (y-gt >/= 66 U/l) und bei 49 Patienten (80%) normale Werte. Bei 42 Patienten fehlte die Messung aus den oben genannten Gründen. Zum Zeitpunkt der Syphilis-Diagnose waren von 94 Patienten Werte von y-gt gemessen. Davon hatten 29 Patienten (31%) erhöhte Werte und 65 (69%) normale Werte. Hier fehlte die Messung bei 9 Patienten. 6 Monate später hatten 11 Patienten von 92 Patienten (12%) erhöhte y-gt-werte und 81 Patienten (88%) hatten keine erhöhten Werte. Die Messungen fehlten hier bei 11 Patienten. Bei 17 Patienten waren die y-gt Werte bei Diagnosestellung erhöht und 6 Monate später normalisiert. Auch hier viel auf, dass der Mittelwert des y-gt-wertes zum Diagnosezeitpunkt erhöht war und nach Therapie wieder abfiel (p<0,001): 30

Tabelle 10: Mittelwert von y-gt zu 3 Zeitpunkten y-gt bis 6 Mon. vor Diagnose y-gt bei Diagnosestellung y-gt bis 6 Mon. nach Diagnose n 61 94 92 Mittelwert 59,0 78,1 41,2 Median 31,0 42,0 33,5 Standardabweichung 72,5 140,0 29,2 Eine GPT- bzw. GOT-Erhöhung (>/= 50 U/l) hatten 6 Monate vor der Syphilis- Diagnose 11 (17%) bzw. 4 Patienten (6%) von 64 Patienten, deren Werte vorhanden waren. Bei 53 Patienten (83%) fanden wir keine GPT- und 60 Patienten (94%) hatten keine GOT-Erhöhung. Hier fehlten jeweils 39 Patienten- Daten. Zum Diagnosezeitpunkt bestanden bei 98 Patienten Daten zu Laborwerten. Davon fand man bei 19 Patienten (19%) eine GPT-Erhöhung und bei 11 Patienten (11%) eine GOT-Erhöhung. Bei 79 bzw. 87 Patienten waren diese Werte normal. Bei dieser Messung, fehlten Werte von jeweils 5 Patienten. Sechs Monate nach der Diagnose hatten 10 Patienten (11%) eine GPT- Erhöhung und 9 Patienten (9%) eine GOT-Erhöhung von insgesamt 94 bzw. 97 Patienten. Zu diesem Zeitpunkt waren die GPT-Werte bei 84 Patienten (90%) normal und die GOT-Werte bei 88 Patienten (91%). Bei 9 bzw. 6 Patienten wurde der Werte im Zeitraum bis 6 Monate nach der Diagnose nicht bestimmt. Vierzehn Patienten hatten zu Beginn der Syphilis-Erkrankung eine GPT- Erhöhung, die sich innerhalb von 6 Monaten wieder normalisiert hat. Bei 18 Patienten bestand 6 Monate vor der Syphilis-Erkrankung oder zu Beginn der Erkrankung eine GPT-Erhöhung, die sich im Zeitraum bis zu 6 Monate nachher wieder normalisierte. Eine GOT-Erhöhung mit anschließender Normalisierung fand man bei 7 Patienten. 31

Bei Betrachtung der Mittelwerte von GPT zu den 3 Zeitpunkten fällt auf, dass es zu einem leichten Anstieg während der Infektion kommt, der nach der Diagnose nicht mehr festzustellen war (p=0,015). Tabelle 11: Mittelwert von GPT zu 3 Zeitpunkten GPT bis 6 Mon. vor Diagnose GPT bei Diagnosestellung GPT bis 6 Mon. nach Diagnose n 64 98 94 Mittelwert 34,0 41,0 29,6 Median 25,0 27,0 23,0 Standardabweichung 21,9 53,9 22,6 Tabelle 12: Mittelwert von GOT zu 3 Zeitpunkten GOT bis 6 Mon. vor Diagnose GOT bei Diagnosestellung GOT bis 6 Mon. nach Diagnose n 64 98 97 Mittelwert 32,2 35,8 33,2 Median 30,0 32,5 29,0 Standardabweichung 12,6 22,6 19,5 32

5 Diskussion 5.1 Soziodemographische Daten Die vorliegende Studie untersuchte 103 Patienten, die im Zeitraum vom 01.01.2004 bis zum 31.12.2008 wegen einer Syphilis in der Infektionsambulanz der Universität zu Köln behandelt wurden. 5.1.1 Geschlechterverhältnis In unserer Patientenkohorte befanden sich ausschließlich Männer (100%). Vergleicht man dieses mit den Ergebnissen des Robert-Koch-Institutes über das Geschlechterverhältnis bei Syphilis in Deutschland, so findet man zwar eine kontinuierliche Zunahme der Syphilis bei Männern; dennoch beschreibt das RKI auch Syphilis-Fälle bei Frauen. Lag der Anteil von Syphilis-Fällen bei Frauen im Jahre 2001 noch bei 16%, so sank er kontinuierlich auf 10% (2004), 8% (2007) und schließlich 7% (2008) ab [37,38,39,40,41]. Das deutliche Überwiegen von Männern bei Syphilis-Erkrankungen kann auch in anderen weltweiten Studien beobachtet werden. So untersuchten Palacios et al. 2006 in Spanien 118 Patienten mit Syphilis, von denen 95,8% Männer waren, Pialoux et al. fanden bei 100 Patienten in Frankreich 98% Männer und auch Weintrob et al. fanden in Amerika bei 205 Patienten 99% Männer [32,36,58]. Interessant ist, dass es in mehreren Studien Unterschiede im Geschlechterverhältnis gibt bei Syphilis-Patienten mit einer HIV-Erkrankung und bei Patienten ohne HIV-Erkrankung. Fahri et al. untersuchte 279 Patienten mit Syphilis, von denen 139 HIV-negativ und 140 HIV-positiv waren. Bei den HIVnegativen Patienten waren es 91,4 % Männer, wohingegen es bei den HIVpositiven Patienten 100% Männer waren [8]. Zu etwa gleichen Ergebnissen kamen Julia et al., die in Spanien Patienten mit Syphilis untersuchten. Bei ihnen waren von 347 untersuchten Patienten 163 33

HIV-negativ und184 HIV-positiv. Bei den HIV-negativen waren 70,6% Männer, bei den HIV-positiven 99,5% [12]. Da sich in unserer Kohorte ausschließlich HIV-positive Männer befanden, konnten wir keine Aussage zu dem Unterschied im Geschlechterverhältnis bei HIV-Positiven und -Negativen treffen. Der Grund für den Ausschluss von Frauen in unserer Kohorte war der, dass in unserer infektiologischen Ambulanz vor allem HIV-Positive behandelt werden, diese Infektion zu einem Großteil Männer betrifft und diese dann auch mit einer zusätzlichen Syphilis-Infektion die Ambulanz aufsuchen, anstatt ihren Hausarzt zu konsultieren. 5.1.2 Altersverteilung Im Mittel wurde die Diagnose Syphilis bei den Patienten der Kölner infektiologischen Ambulanz mit 38,3 Jahren gestellt. Der Median lag bei 38 Jahren. Aus den Daten des Robert-Koch-Instituts sind gleiche Ergebnisse ersichtlich. So lag auch hier 2005 der Altersmittelwerte bei 38 Jahren. Bei Männern mit homosexuellen Kontakten lag der Mittelwert bei 37 Jahren und bei heterosexuellen Kontakten bei 40 Jahren [37]. Betrachtet man die Altersklassen, in denen Syphilis-Erkrankungen am häufigsten auftreten, so zeigte sich in unserer Studie, dass vor allem die Altersklasse der 30- bis 39-jährigen betroffen ist (43%). Als zweithäufigste Altersklasse sind die 40- bis 49-jährigen (39%) betroffen, gefolgt von der Klasse der 20- bis 29-Jährigen (14%). Diese Ergebnisse lassen sich auch mit anderen Daten beziehungsweise Studien vergleichen. So gibt auch das Robert-Koch- Institut die Altersklasse der 30- bis 39-Jährigen als häufigste Erkrankungs- Klasse an gefolgt von den 40- bis 49-Jährigen als zweithäufigste Klasse und den 20- bis 29-Jährigen als dritthäufigste Klasse in Deutschland [40]. Die Kölner Patienten liegen somit genau im bundesweiten Durchschnitt des Alters bei Syphilis-Erkrankungen in Deutschland. 34

Unsere Daten zum Alter lassen sich aber auch mit verschiedenen weltweiten Studien vergleichen. So fanden Palacios et al. 2007 in Spanien heraus, dass der Alters-Mittelwert bei 113 Syphilis-Patienten in Spanien bei 38,2 Jahren liegt [32]. Aber auch in Frankreich untersuchte Farhi et al. 2000 bis 2007 279 Syphilis- Patienten mit oder ohne HIV-Infektion. Sie stellten fest, dass das mediane Alter bei Patienten mit HIV-Infektion etwas höher lag (Median 36 Jahre), als bei Patienten ohne HIV-Infektion (Median 35 Jahre) [8]. In den USA untersuchten Ghanem et al. die Unterschiede im Alter bei Syphilis-Patienten mit und ohne HIV-Infektion. Sie stellten 2007 fest, dass das bei insgesamt 297 Fällen das mediane Alter bei zusätzlicher HIV-Infektion bei 34 Jahren lag im Gegensatz zu 33 Jahren bei Nicht-HIV-Infizierten [11]. Da es sich bei unseren Patienten ausschließlich um HIV-Patienten handelte, konnten wir das mittlere Alter nicht weiter differenzieren. Weltweit gesehen liegt das mittlere Alter der Kölner Patienten etwas höher, in den Altersklassen sind jedoch keine Unterschiede zu finden. 5.2 HIV-Parameter 5.2.1 Syphilis und HIV-Koinfektion Bei unseren Patienten, die wir erhielten durch eine Suche in unserer Datenbank nach Syphilis-Diagnosen in den Jahren 2004 bis 2008, waren ausschließlich Patienten, die gleichzeitig auch eine HIV-Infektion aufwiesen. HIV und Syphilis werden durch die gleichen Wege übertragen und teilen sich dieselben Risikofaktoren wie MSM, Prostitution, Drogenmissbrauch und Promiskuität. Den engen Zusammenhang zwischen der Syphilis- und HIV-Prävalenz untersuchten auch das Robert-Koch-Institut sowie viele Studien. 35

Das Robert-Koch-Institut beschreibt in ihrem epidemiologischen Bulletin, dass bei 25% der HIV-Serokonvertern aus den Jahren 1997 bis 2007 ebenfalls eine Syphilis-Infektion vorlag. Darüber hinaus steigt der Anteil von 10% im Jahre 2001 kontinuierlich auf 36% im Jahre 2005 an [37,40]. Genaue zeitliche Einordnungen der beiden Infektionen kann das Robert-Koch-Institut aufgrund mangelnder Informationen nicht treffen. Aus dem Antikörpermuster leitet das Robert-Koch-Institut jedoch ab, dass etwa ein Drittel der Syphilis-Infektionen zeitgleich mit einer HIV-Infektion erfolgten. Diese Daten sind aber nicht genau mit Zahlen belegbar [37,40]. Als Grund für die Häufung der beiden Infektionen gibt das Robert-Koch-Institut vor allem an, dass es bei einer Syphilis-Infektion zu einer höheren Wahrscheinlichkeit der HIV-Übertragung kommt, im Sinne einer synergistischen Wechselwirkung zwischen beiden Erkrankungen [40]. Das RKI beschreibt weiterhin, dass es durch eine Syphilis zu einer 3- bis 10-fachen Steigerung der HIV-Übertragungswahrscheinlichkeit kommt [40]. In einer Studie von Gonzalez-Lopez et al. fanden man bei 49% aller Syphilis Patienten (412 Patienten) in Spanien eine HIV-Diagnose [12]. Marcus et al. fanden 2005 heraus, dass in Deutschland in den Jahren 2001 bis 2004 bei insgesamt 6518 Syphilis-Fällen bei MSM, bei 1472 Patienten gleichzeitig eine HIV-Infektion bestand. Die gemeinsamen Fälle repräsentieren damit 23% aller Syphilis-Fälle bei MSM. Bei insgesamt 3319 HIV-Diagnosen gab es 1253 übereinstimmende Fälle. Die unterschiedlichen Zahlen resultieren aus Syphilis-Reinfektionen bei HIV-Positiven [26]. Ein Review aus den USA von 30 Studien zeigt, dass die mediane HIV- Prävalenz aus allen Studien bei Syphilis-Patienten bei 15,7% lag (27,5% bei Männern, 12,4% bei Frauen). Das Risiko (Odds Ratio) bei Syphilis-Patienten eine HIV-Infektion zu haben, lag bei Männern im Vergleich zu Patienten ohne Syphilis bei 8,8 (Frauen 3,3) [60]. Pialoux et al. untersuchten 2008 die Interaktionen zwischen HIV und Syphilis. Als Grund für den dramatischen Anstieg von Syphilis bei HIV-positiven MSM gaben sie an, dass es durch eine HIV-Infektion zu einem verminderten 36

Gebrauch von Safer-Sex-Praktiken kommt [36]. Außerdem sei der vermehrte Gebrauch von Drogen und Internet-Dating in Verbindung mit Serosorting ein wichtiger Grund: HIV-Positive verabreden sich mit ebenfalls HIV-Positiven im Internet und sehen damit den Gebrauch von Safer-Sex-Praktiken als hinfällig an. Durch den ungeschützten Geschlechtsverkehr wird die Ausbreitung von anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen( STD, sexually transmitted disease) gefördert [55]. Des Weiteren wird Oralverkehr bei HIV-Positiven MSM als sichere Praktik häufig bevorzugt, was aber ein hohes Risiko für die Syphilis- Übertragung aufweist [36]. In vielen Studien konnte nachgewiesen werden, dass durch genitale Ulzera, wie sie bei einer Syphilis vorkommen, die Wahrscheinlichkeit einer HIV- Übertragung erhöht wurde [13,29,45,51]. Außerdem wird durch den Erfolg der antiretroviralen Therapie, die Angst vor AIDS oder dem Tod vermindert, was wiederum zu einem Anstieg von ungeschütztem Geschlechtsverkehr in Risikogruppen wie MSM, führt [60]. Theus et. al untersuchten 1998 den Einfluss von treponemen-spezifischen Lipoproteinen, wie zum Beispiel NTp47, die die Replikation des HI-Virus erhöhen [54]. Durch Erhöhung der Viruslast steigt die Ansteckungsgefahr einer HIV-Infektion für Sexualpartner. Aus den unterschiedlichen Studien geht hervor, dass es viele unterschiedliche Gründe dafür gibt, warum HIV und Syphilis häufig gemeinsam auftreten. Dass sich unter unseren Syphilis-Patienten ausschließlich HIV-Infizierte befanden, liegt daran, dass wir als infektiologische Ambulanz vor allem HIV- Patienten behandeln, die dann mit ihren zusätzlichen Infektionen auch zur Behandlung in unsere Ambulanz kommen. Nicht HIV-Infizierte konsultieren mit den Symptomen einer Syphilis auch häufig nur ihren Hausarzt und werden dort behandelt, ohne dass sie in die infektiologische Ambulanz weiter überwiesen werden. 37