Methodologische Grundlagen der interpretativen Sozialforschung

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Transkript:

Forschungsgebiete der Soziologie Methodologische Grundlagen der interpretativen Sozialforschung Prof. Dr. Hella von Unger Di, 24.1.2017, 12-14 Uhr WiSe 2016/17, MA Vorlesung, Institut für Soziologie Übersicht Einführung: Qualitative Methoden der empirischen Sozialforschung Methodologische Grundlagen Video: Interview mit Heinz von Förster Vorbereitung zum 31.1. Evaluation der Lehre Hinweise zur Auffrischung qualitativer Methodenkenntnisse Literatur 2

Was ist qualitative Forschung? Qualitative Forschung hat den Anspruch, Lebenswelten von innen heraus aus der Sicht der handelnden Menschen zu beschreiben. Damit will sie zu einem besseren Verständnis sozialer Wirklichkeit(en) beitragen und auf Abläufe, Deutungsmuster und Strukturmerkmale aufmerksam machen. (Flick/Kardoff/Steinke 2009, S. 14) 3 In der qualitativen Sozialforschung im engeren Sinne geht es um eine Logik des Entdeckens, d.h. der Generierung von Hypothesen bis hin zu gegenstandsbezogenen Theorien im Forschungsprozess, und damit der Zurückstellung von Hypothesen zu Beginn der Untersuchung. Daraus leitet sich die Forderung zur Offenheit des Vorgehens ab, d.h. also nicht Standardisierung der Instrumente, sondern ein Vorgehen, das den Verlauf eines Gesprächs ( ) an den jeweiligen Relevanzen und den Besonderheiten der zu interviewenden oder beobachtenden Personen orientiert und ihnen dabei so viel Spielraum wie möglich in der Gestaltung der Situation lässt. (Rosenthal 2011, S. 13) 4

Qualitative research is a situated activity that locates the observer in the world. ( ) Qualitative research involves an interpretive, naturalistic approach to the world. This means that qualitative researchers study things in their natural settings, attempting to make sense of or interpret phenomena in terms of the meanings people bring to them. (Denzin / Lincoln 2011, S. 3) 5 Vielfalt innerhalb der qualitativen Forschung Theoretische Positionen: z.b. symbolischer Interaktionismus, Phänomenologie, Ethnomethodologie, Konstruktivismus, Strukturalismus, etc. Forschungsperspektiven: z.b. Zugänge zu subjektiven Sichtweisen; Beschreibung von Prozessen der Herstellung sozialer Situationen; Social Justice Research, etc. Methoden und Methodologien Diskurse und Wissenschaftssysteme: z. B. Unterschiede zwischen der deutschen und der angloamerikanischen Diskussion Anwendungsfelder und Disziplinen 6

So at the beginning of the second decade of the 21st century, it is time to move forward. ( ) A critical framework is central to this project. ( ) It speaks for and with those who are on the margins. As a liberationist philosophy it is committed to examining the consequences of racism, poverty, and sexism on the lives of interacting individuals. ( ) There is a pressing need to show how the practices of qualitative research can help change the world in positive ways. It is necessary to continue to engage the pedagogical, theoretical and practical promise of qualitative research as a form of radical democratic practice. (Denzin / Lincoln 2011, S. ix-x). 7 Die qualitative Forschung gibt es nicht Hinter der Bezeichnung qualitative Methoden verbergen sich ganz unterschiedliche grundlegende theoretische Positionen und konkrete Vorgehensweisen bei der Erhebung und Auswertung (Rosenthal 2011, S. 13) Schisma zwischen einem letztlich handlungstheoretisch-interpretativen Paradigma hie und einem strukturtheoretisch-objektivistischen Paradigma da (Hitzler 2007, Abs. 20) 8

Gemeinsamkeit: Prinzip der Offenheit Gemeinsam ist den so unterschiedlichen Richtungen innerhalb der qualitativen Sozialforschung, dass die Sozialforscher/innen sich der sozialen Realität, im Unterschied zur quantitativen Forschung, im unterschiedlichen Ausmaß mit Hilfe so genannter offener Verfahren annähern. ( ) Diese Verfahren verfolgen das Ziel, die Welt zunächst aus der Perspektive der Handelnden in der Alltagswelt und nicht aus jener der Wissenschaftler zu erfassen und die Praktiken sozialen Handelns in ihrer Komplexität im alltäglichen Kontext zu untersuchen. ( ) [Es geht darum] herauszufinden, wie Menschen ihre Welt interpretieren und wie sie diese Welt interaktiv herstellen. (Rosenthal 2011, S.15) 9 Kollektive Sinnsysteme und Wissensordnungen In den Sozialwissenschaften besteht ein Grundkonsens darüber, dass die Beziehungen der Menschen zur Welt durch kollektiv erzeugte symbolische Sinnsysteme oder Wissensordnungen vermittelt werden. Die verschiedenen Paradigmen unterscheiden sich nach dem theoretischen, methodischen und empirischen Stellenwert, den sie dieser Einschätzung einräumen. (Keller 2011, S.7) 10

Kennzeichen qualitativer Forschung Methodisches Spektrum Gegenstandsangemessenheit von Methoden Orientierung an Alltagsgeschehen, Alltagswissen, Perspektiven der Beteiligten Kontextualität als Leitgedanke Einzelfall / Fallanalyse als Ausgangspunkt Prinzip der Offenheit Verstehen als Erkenntnisprinzip Entdeckung und Theoriebildung als Ziel Reflexivität der Forschenden (vgl. Flick/Kardorff/Steinke 2009: 24ff) 11 Theoretische Vorannahmen Konstruktivismus: Der Mensch hat keinen direkten, unmittelbaren Zugriff auf die Realität Das Verständnis von Wirklichkeit ist sprachlich (über Zeichen) vermittelt und basiert auf der gemeinsamen Herstellung und Zuschreibung von Bedeutung Durch den kommunikativen Charakter der sozialen Wirklichkeit wird die Rekonstruktion von Konstruktionen zum Ausgangspunkt der qualitativen Forschung (vgl. Flick/Kardorff/Steinke 2009) 12

Konstruktivismus Theoretische Perspektive, die das Verhältnis zur Wirklichkeit problematisiert und die sozialen, kommunikativen und gesellschaftlichen Beiträge zur Herstellung einer objektiv gegebenen Wirklichkeit betont; Erkenntnistheoretische Position, die davon ausgeht, dass Erkenntnisprozesse nicht die Wirklichkeit in sich aufnehmen und wie in einem Spiegel realistisch abbilden ( ), sondern vielmehr vermittelt durch ihre eigene Organisation aktiv erzeugen (Hirschauer 2011: 103). 13 Methodisch kontrolliertes Fremdverstehen (Przyborski/Wohlrab-Sahr 2014: 17) 14

Was ist Verstehen? Verstehen können wir jenen Vorgang nennen, der einer Erfahrung Sinn verleiht. (Soeffner 2004: 165) Praktizierte Alltagsroutinen: Selbstverstehen & Fremdverstehen Fremdverstehen: diskontinuierlich, partiell, prinzipiell zweifelhaft Wenn Verstehen auf einem allgemeinen, alltäglichen Vermögen basiert, was zeichnet dann sozialwissenschaftliches Verstehen aus? 15 Wilhelm Dilthey (1833-1911) Theologe und Philosoph führte den Begriff des Verstehens (in Abgrenzung zum Erklären ) ein, um wissenschaftstheoretisch ein eigenständiges Vorgehen in den (Sozial- und) Geisteswissenschaften gegenüber den Naturwissenschaften zu begründen Die Natur erklären wir, das Seelenleben verstehen wir. (zitiert nach Koller 2011: 83) 16

Hatte Dilthey die methodische Eigenständigkeit der Geisteswissenschaften damit begründet, dass diese es mit Phänomenen des Seelenlebens bzw. mit Äußerungen zu tun hätten, die auf ein Inneres zurückgeführt werden können, haben sich in der Qualitativen Sozialforschung mittlerweile andere Begründungen einer verstehenden bzw. interpretativen Vorgehensweise durchgesetzt. Die Besonderheit der sozialwissenschaftlichen Erkenntnis wird dabei meist darin gesehen, dass diese anders als die Naturwissenschaften keine strikte Trennung zwischen Subjekt und Objekt vornehmen kann und es nicht mit objektiv gegebenen und deshalb messbaren Größen zu tun hat, sondern mit sozialen Konstrukten, deren Bedeutung erst durch interaktive Zuschreibungsprozesse zustande kommt und deshalb auch nur interpretativ erschlossen werden kann. (Koller 2011: 84-85) 17 Konstruktionen erster Ordnung (Schütz) Jeder Sozialwissenschaftler hat es, bevor er sich an Prognosen wagt, zunächst mit der Beschreibung und Analyse jener Konstruktionen zu tun, auf die sich das Handeln und Planen von Gesellschaftsmitgliedern in alltäglicher, pragmatischer Perspektive beziehen: der Konstruktionen erster Ordnung (Schütz 1971, S. 3-54) der alltäglichen, soziohistorisch verankerten Typen, Modelle, Routinen, Plausibilitäten, Wissensformen, Wissensbestände und (oft impliziten) Schlussverfahren. (Soeffner 2004:167) 18

Konstruktionen zweiter Ordnung Das bedeutet vor allem, dass die Daten des Sozialwissenschaftlers, anders als die Daten des Naturwissenschaftlers, vorinterpretiert sind, dass seine Konstruktionen eben Konstruktionen von Konstruktionen sind. Der Sozialwissenschaftler entwirft Konstruktionen zweiter Ordnung. Das sind kontrollierte, methodisch überprüfte und überprüfbare, verstehende Rekonstruktionen der Konstruktionen erster Ordnung. (Soeffner 2004, S. 167) 19 Sozialwissenschaftliches Verstehen Der wissenschaftliche Interpret macht zwar nichts prinzipiell anderes als das, was Menschen im Alltag auch tun: Er deutet Wahrnehmungen als Verweise auf einen ihnen zugrunde liegenden Sinn hin. Aber anders als der Alltagsmensch versucht der wissenschaftliche Interpret, sich über die Voraussetzungen und die Methoden seines Verstehens Klarheit zu verschaffen. Denn dadurch und nur dadurch wird Verstehen zu einer wissenschaftlichen Methode. (Soeffner 2004:167) 20

Zweifel an Selbstverständlichkeiten Das Verstehen des Sozialwissenschaftler geschieht also in einer besonderen, eben nicht alltäglichen Einstellung, die Schütz als theoretische Subsinnwelt bezeichnet. Dies ist eine Einstellung des prinzipiellen Zweifels an sozialen Selbstverständlichkeiten. ( ) Dieses Verstehen ist anders als das alltägliche nicht bezogen auf pragmatische Bedürfnisse des Lebensvollzugs, sondern auf das Relevanzsystem eines pragmatisch desinteressierten Beobachters. (Soeffner 2004:168) 21 Qualitative als rekonstruktive Sozialforschung (Przyborski/Wohlrab-Sahr 2014: 13) 22

Interview mit Heinz von Förster Heinz von Förster (1911-2002), Professor der Biophysik, Kybernetiker, Neurophysiker, Vertreter des radikalen Konstruktivismus http://www.youtube.com/watch?v=2knpbg-tane 23 Zum 31.1. vorbereiten Kosny, Agnieszka, MacEachen, Ellen; Lifshen, Marni; Smith, Peter (2014): Another person in the room: Using interpreters during interviews with immigrant workers. Qualitative Health Research, 24 (6), 837-845. Kruse, Jan; Bethmann, Stephanie; Eckart, Judith; Niermann, Deborah; Schmieder, Christian (2012): In und mit fremden Sprachen forschen. Eine empirische Bestandsaufnahme zu Erfahrungs- und Handlungswissen von Forschenden. In Kruse, J.; Bethmann, S.; et al. (Hg.): Qualitative Interviewforschung in und mit fremden Sprachen. Eine Einführung in Theorie und Praxis. Weinheim, Basel: Beltz Juventa, S. 27-68. Sowie Flick et al. (2009) und Rosenthal (2011), falls noch nicht bekannt à Download: http://www.soziologie.uni-muenchen.de/studium-undlehre/lehre/vl_forschungsgebiete/index.html 24

Auffrischung qualitativer Methodenkenntnisse Infos zur Vorlesung auf Webseite des Lehrbereichs für Qualitative Methoden: http://www.qualitative-sozialforschung.soziologie.uni-muenchen.de Folien, Ablaufplan und Audio-Podcasts unter der Rubrik à Studium & Lehre Passwort: QF1617 25 www.qualitativesozialforschung.soziologie. uni-muenchen.de 5

27 28

Grundlagen-Literatur Flick, Uwe (2007): Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung. Rowohlt. Przyborski, Aglaja; Wohlrab-Sahr, Monika (2014): Qualitative Sozialfroschung. Ein Arbeitsbuch. 4.Auflage. München: Oldenbourg Verlag. Rosenthal, Gabriele (2011): Interpretative Sozialforschung. Eine Einführung, Weinheim: Juventa. Strübing, Jörg (2013): Qualitative Sozialforschung. Eine komprimierte Einführung für Studierende. München: Oldenbourg Verlag. 29 Einzelne Methodologien (Springerlink) Einführungen in einzelne Methodologien (ca. 150 S. für Sie frei zugänglich über Springerlink), z.b. Breuer, Franz (2009): Reflexive Grounded Theory. Eine Einführung für die Forschungspraxis, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Dellwing, Michael; Prus, Robert (2012): Einführung in die interaktionistische Ethnografie. Soziologie im Außendienst. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Keller, Reiner (2011): Diskursforschung. Eine Einführung für SozialwissenschaftlerInnen, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. von Unger, Hella (2014): Partizipative Forschung. Einführung in die Forschungspraxis, Wiesbaden: Springer VS Verlag. 30

Nachschlage-Werke Bohnsack, Ralf / Marotzki, Winfried / Meuser, Michael (2011) (Hrsg.). Hauptbegriffe Qualitativer Sozialforschung, Opladen; Farmington Hills: Barbara Budrich, S.70 75. Flick, Uwe / von Kardorff, Ernst / Steinke, Ines (2009) (Hrsg.). Qualitative Forschung. Ein Handbuch, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch. 31 Link: Open Access Journal (FQS) Forum Qualitative Sozialforschung (FQS) http://www.qualitativeresearch.net/index.php/fqs 32

Literatur Denzin, Norman K. / Lincoln, Yvonna S. (2011): Introduction. The Discipline and Practice of Qualitative Research. In: Diess. (Hrsg.): The Sage Handbook of Qualitative Research. Thousand Oaks: Sage Publications, S.1 19. Flick, Uwe / von Kardorff, Ernst / Steinke, Ines (2009): Was ist qualitative Forschung? Einleitung und Überblick, In: Diess. (Hrsg.): Qualitative Forschung. Ein Handbuch, 7.Auflage, Reinbeck: Rowohlt, S. 13-29. Hirschauer, Stefan (2011): Konstruktivismus. In: M. Bonsack, W. Marotzki & M. Meuser (Hrsg.). Hauptbegriffe Qualitativer Sozialforschung, 3. Aufl., Opladen etc.: Barbara Budrich/UTB, S.102-104. Hitzler, Roland (2007): Wohin des Wegs? Ein Kommentar zu neueren Entwicklungen in der deutschsprachigen "qualitativen" Sozialforschung. In: Forum Qualitative Sozialforschung 8(3), Online verfügbar unter http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs/article/view/284/623 (Zugriff: 11.10.2013). Kalthoff, Herbert (2008): Einleitung: zur Dialektik von qualitativer Forschung und soziologischer Empiriebildung. In: H. Kalthoff, S. Hirschauier, G. Lindemann (Hg.): Theoretische Empirie. Frankfurt a.m.: Suhrkamp, S. 8-32. Keller, Reiner (2013): Zur Praxis der Wissenssoziologischen Diskursanalyse, in: R. Keller / I. Truschkat (Hrsg.), Methodologie und Praxis der wissenssoziologischen Diskursanalyse 1: Interdisziplinäre Perspektiven, Wiesbaden: Springer VS, S. 27-68. 33 Kosny, Agnieszka, MacEachen, Ellen; Lifshen, Marni; Smith, Peter (2014): Another person in the room: Using interpreters during interviews with immigrant workers. Qualitative Health Research, 24 (6), 837-845. Kruse, Jan; Bethmann, Stephanie; Eckart, Judith; Niermann, Deborah; Schmieder, Christian (2012): In und mit fremden Sprachen forschen. Eine empirische Bestandsaufnahme zu Erfahrungs- und Handlungswissen von Forschenden. In Kruse, J.; Bethmann, S.; et al. (Hg.): Qualitative Interviewforschung in und mit fremden Sprachen. Eine Einführung in Theorie und Praxis. Weinheim, Basel: Beltz Juventa, S. 27-68. Przyborski, Aglaja; Wohlrab-Sahr, Monika (2014): Qualitative Sozialforschung. Ein Arbeitsbuch, 4.Auflage. München: Oldenbourg Verlag. Rosenthal, Gabriele (2011): Interpretative Sozialforschung. Eine Einführung. Weinheim: Juventa. (zu lesen Kap 5) Schütz, Alfred (1971): Zur Methodologie der Sozialwissenschaften. In: Ders.: Gesammelte Aufsätze: 1. Das Problem der sozialen Wirklichkeit. Den Haag: Martinus Nijhoff, S. 1-110. Soeffner, Hans-Georg (2004): Sozialwissenschaftliche Hermeneutik. in: Flick, Uwe / Kardorff, Ernst von / Steinke, Ines (Hrsg.). Qualitative Forschung. Ein Handbuch, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch, S.164 175. Strübing, Jörg (2013): Qualitative Sozialforschung. Eine komprimierte Einführung für Studierende. München: Oldenbourg Verlag. (fett: Klausurrelevante Texte) 34