Staatliche Verteilungspolitik

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Transkript:

Ökonomische Theorie der Politik B.2.1 Staatliche Verteilungspolitik wesentlicher Grund für Staatseingriffe: distributives Marktversagen Primäre Einkommensverteilung folgt (im Wesentlichen) der marktlichen Verteilungslogik: Entlohnung der Produktionsfaktoren (Arbeit, Kapital, Boden) als Preissignale, d.h. als Ausdruck relativer Knappheit gilt i.d.r. als zu ungleich Staatliche Umverteilung durch Steuern und Abgaben sowie Sozialtransfers und Subventionen sekundäre Einkommensverteilung Mit der Erhebung von Steuern und Abgaben sind ebenso wie mit der staatlichen Gewährung von Sozialtransfers und Subventionen allokative Effizienzverluste (Wohlfahrtseinbußen) verbunden wohlfahrtsökonomisch optimale Verteilungspolitik muss den Trade-Off zwischen Effizienz und Verteilungsgleichmäßigkeit berücksichtigen Realität: Verteilungspolitik des Staates wird durch ein politisches System bestimmt, das in Demokratien auf einer Mehrheitswahl beruht

Polit-ökonomisches Grundmodell Ökonomische Theorie der Politik B.2.2 Meltzer, A. und S. Richard (1981): A Rational Theory of the Size of Government, Journal of Political Economy 89, S. 914-927 Modell einer Mehrheitswahl über einfachen Umverteilungsmechanismus: lineare Einkommensteuer, um Sozialtransfers zu finanzieren Alle Wirtschaftssubjekte: einheitlichen Einkommensteuertarif und gleicher Transferbetrag Wähler verhalten sich rein opportunistisch: treffen Wahlentscheidung nur auf Grundlage ihres Nettoeinkommens ohne jegliche politisch-ideologische Erwägung Ein polit-ökonomisches Gleichgewicht ergibt sich in 3 Schritten: Wirtschaftssubjekte maximieren ihren Nutzen für gegebene Finanzpolitik auf Basis seiner Nutzenmaximierung bestimmt jeder Akteur die von ihm gewünschte Finanzpolitik diese Präferenzen werden durch eine kollektive Entscheidungsregel (Mehrheitswahl) aggregiert zu einer kollektiv verbindlichen Finanzpolitik

Grundmodell: individuelle Wirtschaftspläne Ökonomische Theorie der Politik B.2.3 Wirtschaftssubjekte i unterscheiden sich in ihrer Arbeitsproduktivität: h i ; Verteilungsfunktion F(h) einzelnes Wirtschaftssubjekt wählt seine Arbeitszeit: l(h); Freizeit z = 1 l Einkommen vor Steuern: y(h) = hl(h) lineare Einkommensteuer mit Satz τ; pauschaler Transferbetrag s Nutzenfunktion eines Wirtschaftssubjekts: u(c, z) Budgetbeschränkung eines Wirtschaftssubjekts: c = (1 τ)lh + s Individuelle Nutzenmaximierung führt auf: Wirtschaftssubjekte mit Produktivität unterhalb eines bestimmten Schwellenwertes h 0 : kein Arbeitsangebot andere Wirtschaftssubjekte: nutzenmaximales Arbeitsangebot l i ; y i steigt monoton an mit h i

Ökonomische Theorie der Politik B.2.4 Grundmodell: staatliche Verteilungspolitik (1) Staatliche Finanzpolitik muss den öffentlichen Haushalt ausgleichen: τy = s, Durchschnittliches Pro-Kopf-Einkommen y = hl[(1 τ)h, s]df(h) : h 0 nimmt mit steigendem s ab (für Freizeit als normales Gut) nimmt mit steigendem τ ab Bürger sind rein egoistisch und haben kein Interesse an Umverteilung als solcher jeder Bürger bevorzugt den Steuersatz, der seinen persönlichen Nutzen u(c, 1 l) maximiert: τ (h) = max y(h) y dy /dτ, 0

Ökonomische Theorie der Politik B.2.5 Grundmodell: staatliche Verteilungspolitik (2) vom Bürger gewünschter Steuersatz (darf nicht negativ sein) ist umso höher, je niedriger sein Bruttoeinkommen Ein Bürger mit durchschnittlichem Bruttoeinkommen oder darüber wünscht sich einen Steuersatz von null und keine Sozialtransfers; er hat bei Umverteilung nichts zu gewinnen Bürger mit h i h 0 erhalten Einkommen nur aus staatlichen Transferzahlungen und bevorzugen daher den Steuersatz τ s, der s maximiert (die Elastizität von y in Bezug auf τ beträgt: -1) Da y mit h monoton ansteigt, können die individuelle gewünschten Steuersätze gemäß individueller Arbeitsproduktivität h i geordnet werden Demokratische Mehrheitswahl Medianwählertheorem der Steuersatz entspricht demjenigen, der mit der Produktivität bzw. dem Bruttoeinkommen des Medianwählers korrespondiert

Ökonomische Theorie der Politik B.2.6 Staatliche Verteilungspolitik: graphische Analyse τ τ s h 0 h h

Ökonomische Theorie der Politik B.2.7 Grundmodell: Implikationen Solange das Bruttoeinkommen des Medianwählers oberhalb des durchschnittlichen liegt: gibt es keine Umverteilung, egal wie ungleich die Einkommen verteilt sind Änderungen der Einkommensverteilung haben keinen Einfluss auf den Umfang staatlicher Umverteilung, solange die Änderung nicht das Medianeinkommen unter das durchschnittliche drückt Wenn das Bruttoeinkommen des Medianwählers allerdings unterhalb des durchschnittlichen liegt: kommt es zu staatlicher Umverteilung von oben nach unten Änderungen der Einkommensverteilung, die den Zentral- relativ zum Durchschnittswert absenken (was einer Zunahme von Ungleichheit gleichkommt), erzeugen einen höheren Steuersatz und umfangreichere staatliche Umverteilung In der Realität: Einkommens- und Vermögensverteilungen in allen Ländern rechtsschief (linkssteil), sodass das Medianeinkommen bzw. -vermögen geringer ist als der entsprechende Durchschnittswert

Ökonomische Theorie der Politik B.2.8 Analytische Robustheit (1): horizontale Umverteilung eine zentrale Restriktion des Grundmodells: Annahme, alle Bürger seien einem einheitlichen, allgemeingültigen Steuertarif unterworfen, der Einkommen vertikal umverteilt Realität: zahlreiche Transfers, Steuervergünstigungen und Subventionen verteilen überwiegend horizontal um Olsons (1965) Theorie der Interessengruppen, Rent-Seeking : eine Umverteilung von großen Gruppen mit latenten Interessen hin zu kleinen Gruppen mit eng definierten gemeinsamen Interessen zu erwarten nicht deckungsgleich mit vertikaler Umverteilung Dixit und Londregan (1996): zwei ideologisch unterschiedlich orientierte Parteien Wettbewerb um Gruppen von Wählern, die ihre Wahlentscheidung sowohl vom Standpunkt einer Partei zu Sachfragen als auch von der Höhe empfangener Transfers abhängig machen die Gruppen von Wählern, die die höchsten Transferzahlungen erhalten, sind diejenigen, die relativ viele Mitglieder besitzen die zwischen den zur Wahl stehenden Parteien vergleichsweise indifferent sind oder deren Mitglieder in ihrer Wahlentscheidung besonders stark auf gewährte Transfers reagieren Alles in allem: Wenn die Annahme eines für alle Bürger einheitlichen Steuer- und Transfertarifs aufgegeben wird, wird die im Medianwählermodell abgebildete vertikale Umverteilung zunehmend von horizontalen Umverteilungseffekten überlagert kein einfacher Mechanismus, der (exogene) Änderungen der relativen Einkommens- oder Vermögensposition einzelner Bürger systematisch in ein Mehr oder Weniger an vertikaler staatlicher Umverteilung übersetzt.

Ökonomische Theorie der Politik B.2.9 Analytische Robustheit (2): nichtlineare Instrumente der Umverteilung eine weitere zentrale Restriktion des Grundmodells: Annahme eines linearen Steuertarifs (eindimensional) Realität: Ausgestaltung sowohl einer einzelnen Steuer als auch des Steuersystems als Ganzem inhärent multidimensional Gültigkeit des Medianwählertheorems nicht mehr sichergestellt Probibalistische Abstimmungstheorie (Hettich und Winer (1984; 1997; 1999)): Kandidaten bzw. Parteien können für jeden einzelnen Wähler nur eine von ihren jeweiligen politischen Positionen abhängige Wahrscheinlichkeit ableiten, dass dieser sie wählen wird versuchen, den Erwartungswert ihrer Stimmen zu maximieren Die Steuerzahler, die die größte Steuerlast tragen müssen, sind diejenigen, deren Wahlverhalten am wenigsten durch die Steuerpolitik beeinflusst wird (unelastische Reaktion auf Steuerpolitik) Die relative Einkommens- oder Vermögensposition beeinflusst daher die eigene Steuerlast nur insoweit, wie sie auf die steuerpolitische Elastizität des Wählers einwirkt Eine Zunahme der Ungleichheit führt nur dann zu mehr Umverteilung, wenn sie die steuerpolitische Elastizität der Wahlentscheidung ärmerer Bürger im Vergleich zur Elastizität reicherer Bürger signifikant verstärkt. Dies mag im Einzelfall so sein, ein systematischer Zusammenhang gemäß der einfachen Aussage: größere Ungleichheit führt zu höherer Umverteilung lässt sich daraus aber nicht ableiten.

Analytische Robustheit (3): Rolle politischer Vorstellungen Ökonomische Theorie der Politik B.2.10 eine weitere zentrale Restriktion des Grundmodells: politischer Verteilungskonflikt als Widerstreit verschiedener, aber jeweils wohlinformierter, d.h. in genauer Kenntnis der ökonomischen Interdependenzstrukturen formulierter Interessen Realität: Großteil der politischen Konflikte entstehen aus unterschiedlichen Auffassungen und Theorien darüber, welche Wirkungszusammenhänge in einer Volkswirtschaft existieren und in welcher Weise diese interagieren Piketty (1995): Rationale Wirtschaftssubjekte mit a priori identischen Verteilungszielen lernen aus ihrer eigenen Einkommensentwicklung die Mobilitätsmatrix der Gesellschaft und die Anreizkosten staatlicher Umverteilungspolitik Rationaler Weise bleibt ein gewisses Maß an Ungewissheit über die tatsächlichen ökonomischen Zusammenhänge bestehen Vor dem Hintergrund unterschiedlicher Mobilitätserfahrungen bildet sich langfristig aus: linke Bürger: vorwiegend in der Unterschicht, befürworten ein relativ hohes Maß an Umverteilung rechte Bürger: vorwiegend in der Mittel- und Oberschicht; befürworten politisch ein relativ geringeres Maß an Umverteilung im Ergebnis gleiche Schlussfolgerungen wie im polit-ökonomischen Grundmodell: Wenn auch nunmehr vermittelt über politische Meinungen und Positionen, werden Ärmere eine höhere Umverteilung unterstützen, während die Reicheren einer solchen ablehnend gegenüber stehen

Analytische Robustheit (4): politische Partizipation Ökonomische Theorie der Politik B.2.11 Annahme im polit-ökonomischen Grundmodell: jeder Wahlberechtigte wählt und hat den gleichen Einfluss auf staatliche Politik Realität: politische Partizipation und Einflussmöglichkeiten interagieren (stark) mit der Einkommens- und Vermögensverteilung In vielen Ländern ist die Wahlbeteiligung positiv mit dem Einkommen verknüpft Medianwähler hat ein Einkommen oberhalb des Zentralwertes der Einkommensverteilung Medianwähler kann bei steigender Ungleichheit relativ zum Durchschnitt reicher wird weniger Umverteilung Niedrige Einkommen sind allgemein mit geringeren Einflussmöglichkeiten auf die staatliche Politik verbunden: gerade die Armen besitzen am wenigsten materielle Mittel, aber auch nichtmaterielle Ressourcen, um demokratische Entscheidungen durch Wahlen oder Lobbyarbeit zu beeinflussen so dass ihre spezifischen Interessen im laufenden politischen Prozess typischerweise unterrepräsentiert sein werden

Ökonomische Theorie der Politik B.2.12 Analytische Robustheit (5): Delegation, Prinzipal-Agent-Problem und Interessengruppen im polit-ökonomischen Grundmodell: Medianwählertheorem verknüpft die politischen Zielvorstellungen der Bürger in Bezug auf Umverteilung unmittelbar mit der tatsächlich vollzogenen staatlichen Verteilungspolitik (Regierung als perfekter Agent ihres Prinzipals, des Wahlvolkes) Realität: Notwendigkeit der Delegation in einer repräsentativen Demokratie fundamentales Prinzipal-Agent-Problem diskretionäre Handlungsspielräume für politische Entscheidungsträger Bemühen von Interessengruppen, die staatliche Politik zu beeinflussen Modelle des Wettbewerbs unter Interessengruppen um Umverteilungsgewinne, z.b. Peltzman (1980): Verhandlungsmacht der potentiellen Wähler einem Kandidaten gegenüber umso stärker, je gleichmäßiger die Verteilung der Einkommen unter ihnen ist bei relativ hoher Verhandlungsmacht der Wähler muss ein Kandidat für ihre Unterstützung eine entsprechend umfangreiche Umverteilung zusagen Umverteilung umso höher ist, je gleichmäßiger (!) die Einkommen unter den Wählern verteilt sind

Ökonomische Theorie der Politik B.2.13 Analytische Robustheit (6): politische Willensbildung polit-ökonomisches Grundmodell: Wähler bestimmten den von ihnen jeweils gewünschten Umfang staatlicher Umverteilung ausschließlich in Abhängigkeit von ihrer persönlichen gegenwärtigen Einkommensposition Realität: verteilungspolitische Zielvorstellungen sowohl der Armen als auch der Reichen differenzierter Grenzen der Vorliebe für Umverteilung bei relativ Armen: negative Anreizwirkungen (im Grundmodell enthalten) POUM-Hypothese (Prospect of Upward Mobility): auch Bürger mit gegenwärtig unterdurchschnittlichem Einkommen unterstützen politisch keine hohen Steuersätze, wenn sie erwarten, in der Zukunft in der Hierarchie der Einkommensverteilung nach oben aufsteigen zu können Befürwortung der Umverteilung durch relativ Reiche: Versicherungslogik: Umverteilung ex post durch den Wunsch motiviert, ex ante Einkommensrisiken abzusichern Positive Nutzenexternalität vom Konsum Armer für Reiche ( Altruismus ), Gerechtigkeitsvorstellungen verbesserter Schutz von Eigentumsrechten verringerte Defensivausgaben zum Schutz des Eigentums Erhöhung der Produktivität bei Armen (Humankapital, Sozialkapital)