Was Familien zusammenhält!
Die Bindungstypen nach John Bowlby und Mary Ainsworth Sichere Bindung: Solche Kinder können Nähe und Distanz der Bezugspersonen angemessen regulieren. Verhalten in Testsituationen: Die Kinder sind kurzfristig irritiert und weinen ggf. wenn die Bezugsperson den Raum verläßt, lassen sich jedoch von der Testerin trösten und beruhigen sich schnell wieder; sie spielen im Raum auch mit der Testerin; laufen der Bezugsperson bei deren Wiederkehr entgegen und begrüßen diese freudig.
Die Bindungstypen Unsichere vermeidende Bindung: Solche Kinder zeigen eine Pseudounabhängigkeit von der Bezugsperson. Sie zeigen auffälliges Kontakt- Vermeidungsverhalten und beschäftigen sich primär mit Spielzeug im Sinne einer Streßkompensationsstrategie. Verhalten in Testsituationen: Sie wirken bei der Trennung der Bezugsperson unbeeindruckt; sie spielen auffallend oft für sich allein; bei der Wiederkehr der Bezugsperson bemerken sie sie kaum oder lehnen sie mittels ignorantem Verhalten ab.
Die Bindungstypen Unsicher ambivalente Bindung: Die Kinder verhalten sich widersprüchlich anhänglich an die Bezugsperson. Verhalten in Testsituationen: Sie wirken bei der Trennung massiv verunsichert, weinen, laufen zur Tür, schlagen gegen diese und sind durch die Testerin kaum zu beruhigen. Bei der Wiederkehr der Bezugsperson zeigen sie abwechselnd anklammerndes und aggressiv-abweisendes Verhalten und sind nur schwer zu beruhigen.
Die Bindungstypen Desorganisierte Bindung: Die Kinder zeigen deutlich desorganisiertes und nicht auf eine Bezugsperson bezogenes Verhalten. Verhalten in Testsituationen: Hauptmerkmal solcher Kinder sind bizarre Verhaltensweisen wie Erstarren, im Kreisdrehen, Schaukeln und andere stereotype Bewegungen; daneben treten seltener Mischformen der anderen Bindungsmuster wie beispielsweise gleichzeitiges intensives Suchen nach Nähe und deren Ablehnung auf.
Hanus und Mechthild Papousek Die Papouseks haben auf Grund ihrer Forschungsarbeiten einen Ansatz für Beratung und Psychotherapie entwickelt bei frühen Störungen in der Verhaltensregulation, bei Störungen der vorsprachlichen Verständigung zwischen Kind und Eltern. Die Behandlungsmethode erfasst die Problembereiche chronische Unruhe und exzessives Schreien, Schlaf- Fütter und Gedeihstörungen, Störungen von Bindung und Erkundung der Umwelt, von Abhängigkeit und Eigenständigkeit, Klammern und Trotzverhalten. Weiterhin geht es um Beziehungsstörungen im Zusammenhang mit psychischen Belastungen der Eltern, die sich schon in der Schwangerschaft zeigen können, indem die Mutter das Kind ablehnt.
Hanus und Mechthild Papousek Die Sichtweise der Papouseks erfordert neue methodische Ansätze in Beratung und Therapie, die die Verständigung und Beziehung zwischen Eltern und Kind in den Mittelpunkt der therapeutischen Arbeit stellen. Das heißt: Der Patient ist nicht mehr wie bisher das Kind oder die Mutter bzw. der Vater, sondern der Patient ist die Zweier- oder Dreierbeziehung zwischen Eltern und Kind im Hinblick auf das gesamte soziale Umfeld.
Hanus und Mechthild Papousek Die biologischen Bedürfnisse des Säuglings beschränken sich nicht wie lange Zeit angenommen auf Pflege, Ernährung, Schutz und emotionale Sicherheit, sondern schließen von Anfang an soziale Bedürfnisse mit ein: Nämlich das Bedürfnis nach dem vertraut werden mit dem Unbekannten, d.h. nach Erkundung seiner Umwelt, nach Selbstwirksamkeit, nach ungestörter Verarbeitung seiner Erfahrung mit seiner Umwelt und nach Verständigung mit seinen vertrauten Bezugspersonen.
Der kompetente Säugling Der Säugling ist zur Befriedigung seiner angeborenen Bedürfnisse mit einem erstaunlichen Repertoire an angeborenen Fähigkeiten, Vorlieben und Motivationen ausgestattet. Zur störungsfreien Entfaltung, Ausreifung, Einübung und Differenzierung seiner unreifen und noch eingeschränkten Kompetenzen ist der Säugling aber auf die komplementäre Hilfe seiner Umwelt angewiesen. Das auf den Säugling abgestimmte Verhalten von Eltern und Bezugspersonen- dazu gehören auch schon die Kinder im Vorschulalter- wird in der Forschung als intuitives Elternverhalten bezeichnet.
Positive Gegenseitigkeit Die komplementären und ergänzenden elterlichen Verhaltensbereitschaften sind teils angeborene, teils erworbene Fähigkeiten. Sie werden meistens ohne bewusste Kontrolle intuitiv gesteuert und durch Signale des Säuglings ausgelöst. Das auf den Säugling abgestimmte Verhalten unterstützt die Reifungs- und Anpassungsprozesse an die neuen Lebensbedingungen nach der Geburt, z.b. einen ausgewogenen Schlaf- Wachrhythmus zu finden. Sie erleichtern den Übergang zum Schlaf und zu befriedigenden Wachphasen, in denen der Säugling erfolgreichen Kontakt mit den Eltern aufnehmen und ruhige Kommunikation einüben kann. In den Wachphasen lernt er seine Erfahrungen mit sich selbst und der Umwelt zu verknüpfen und zu ordnen, d.h. seine innere Welt zu organisieren und zu strukturieren. Wenn dieses aufeinander abgestimmte Miteinander gelingt, kommt es zu einer positiven Gegenseitigkeit zwischen Eltern und Kind. Das ist die wichtigste Voraussetzung für das Gedeihen einer befriedigenden Eltern-Kind-Beziehung.
Teufelskreis negativer Wechselseitigkeit Ungünstige organische, psychische, psychosoziale, kulturell oder gesellschaftliche Störfaktoren und Belastungen, die das Kind, die Eltern oder sogar beide beeinträchtigen, können das Familiensystem zum Entgleisen bringen und in einen Teufelskreis negativer Wechselseitigkeit hineintreiben. Das dynamische Gleichgewicht verschiebt sich: Frustrierende Interaktionen beginnen auf Kosten von wechselseitig befriedigenden Beziehungserfahrungen zu überwiegen. Die Beziehung wird mehr und mehr belastet. Auf dem Boden einer anfänglichen Kommunikationsstörung erwächst allmählich eine Störung der Beziehung, die sich nach und nach chronifiziert.
Teufelskreis negativer Wechselseitigkeit Zum Beispiel kann ein schwieriges oder nicht den Erwartungen der Eltern entsprechendes Temperament des Kindes zu einem ungünstigen Zusammenwirken von Temperaments- und Umweltfaktoren und damit zu Kommunikationsstörungen führen. Organische Erkrankungen oder Behinderungen, die die Fähigkeit des Kindes, sich selbst ins Gleichgewicht zu stellen, beeinträchtigen, bringen erhöhte Anforderungen an die intuitiven elterlichen Kompetenzen. Postnatale Unreife, chronische Unruhe, unstillbares Schreien, ein instabiler Schlaf- Wachrhythmus, Probleme beim Stillen und Füttern können bei den Eltern zu dauerhaftem Schlafmangel, Erschöpfung, Versagens- und Ohnmachtgefühlen führen; ebenso zu Verunsicherung und Kränkung des Selbstwertgefühls, zu Antriebslosigkeit und Depressivität, zu ohnmächtiger Wut, Ablehnung, Selbstvorwürfen und Ängsten.
Gespenster im Kinderzimmer Die problematischen Verhaltensweisen des Säuglings bewirken nicht selten das Auftauchen verborgener negativer Kindheitserfahrungen der Eltern. Das ist oft ein Vorgang, der den Eltern nicht bewusst ist. Die eigenen vergessenen schmerzlichen Erfahrungen fließen unbemerkt in die Beziehung zum Kind mit ein. Sie hemmen die elterlichen Verhaltensbereitschaften und verzerren die Wahrnehmung von realen Gegebenheiten. In diesem Zusammenhang sprechen wir von Gespenstern im Kinderzimmer. Unsichtbar und lautlos stellen sich diese Gespenster wie dichter Nebel zwischen Eltern und Kind. Hier bedarf es der guten Geister, die die Verstrickungen beleuchten und die Nebelschwaden wieder auflösen.
Nicht nur der schwierige Säugling Elterliche Kompetenzen können von vorneherein vorübergehend oder grundsätzlich durch organische oder psychosoziale Belastungen geschwächt oder verschüttet sein. Dazu gehören unter anderem physische oder psychische Krankheiten, wie Psychosen, affektive Störungen oder Persönlichkeitsstörungen, dramatische Biographien, problematische Beziehungen der Eltern, Trennungen, Arbeitslosigkeit, schlechte Wohnverhältnisse, Alkohol- und Drogenabhängigkeit usw
Das Wechselspiel der komplementären Verhaltensweisen Das Wechselspiel zwischen Eltern und Kind wird in den alltäglichen Eltern- Kind- Interaktionen wie Beruhigen, Füttern, Schlafen legen, Anziehen, Ausziehen, Spazierengehen, Zwiegespräche und Abgrenzungen wirksam. Hier ereignen sich die meisten Missverständnisse.
Kindliche Signale Auch bei stabilen Eltern kann es vorübergehend zu Krisen in den Interaktionen zwischen Eltern und Kind kommen. Eine zunächst normale und alltägliche Schwierigkeit für Eltern liegt darin, dass sie die Befindlichkeit und Bedürfnisse des Kindes nicht erfragen können, sondern sie dem Kind einfühlend anmerken müssen. Anhaltspunkte für angemessenes elterliches Verhalten sind die kindlichen Signale. Bei der Interpretation der kindlichen Signale orientieren sich die Eltern nicht nur an dem, was der Säugling tatsächlich tut, sondern sie verleihen seinem sichtbaren Verhalten meistens auch eine subjektive Bedeutung.
Fehlinterpretationen Eine Vielzahl persönlichkeitsbedingter und sozialer Faktoren und die unsichtbaren Gespenster, die sich in jedem Kinderzimmer tummeln, können bei dem Bemühen, das Kind zu verstehen zu Fehlinterpretationen des kindlichen Verhaltens führen. Dadurch kommt es zu gegenseitigen Frustrationen, Unzufriedenheit und Missverständnissen. Das Kind kann sein Unwohlsein nicht anders zum Ausdruck bringen als durch Schreien, Quengeln, unruhigen Schlaf, Verweigerung von Essen, Wutanfälle usw. Der Teufelskreis beginnt. Bei den Eltern entstehen Hilflosigkeit, Versagens- und Schuldgefühle.
Es ist Hilfe angesagt Der Teufelskreis soll durchbrochen werden. Leider ist oft die Hemmschwelle sehr groß, sich professionelle Hilfe zu holen. Es ist dann unsere Arbeit primär die elterlichen Fähigkeiten wieder aufleben zu lassen und sekundär an den dyadischen und triadischen Beziehungen zu arbeiten.
Dialog ohne bzw. mit bewusst ausgewählten Worten Die Grundlage für das Gelingen einer sicheren Eltern-Kind-Beziehung ist der hinreichend befriedigende Dialog zwischen Eltern und Kind. Im Mittelpunkt der vorsprachlichen Zeit des Kindes steht der nicht primär sprachlich ausgerichtete Dialog. Zur Regulierung einer Beziehungsstörung kann auf eine vorsprachliche Phase zurückgegriffen werden, um ideale Beziehungsmomente zu entwickeln.
Das Herzstück der Therapie Das Herzstück der Therapie ist der gedanklich emotionale Dialog, der teilweise ohne Worte sich zwischen zwei oder mehreren Personen entwickelt. Der Dialog gewinnt Gestalt in der durch den Therapeuten bestimmten vokalischen, konsonantischen und musikalischen Ausrichtung. Dabei können auch Momente der freien Improvisation entstehen.
Das Herzstück der Therapie Das Medium zur Kommunikation ist das Umgehen mit verschiedenen Elementen im Sinne von Ausdruck und Eindruck, Kontaktund Beziehungsaufnahme. Ziel ist es, die emotionale Schwingungsfähigkeit sowie das Einfühlungs- und Ausdrucksvermögen zu fördern, innere Freiräume und schöpferische Kräfte (Ressourcen) zu aktivieren, erstarrte Beziehungsmuster aufzuweichen und neue Handlungsspielräume zu erproben.
Das Herzstück der Therapie Das aufmerksame, teilweise spontane spielerische Miteinander ist wesentlicher Bestandteil im Dialog zwischen Mutter/Vater und Kind und auch zwischen Therapeut und Kind. Der Dialog lebt von der Dynamik der zwischenmenschlichen Begegnung. Diese ist optimalerweise durch Merkmale gekennzeichnet wie Gemeinsamkeit, Gegenseitigkeit, Gleichzeitigkeit, intuitives Handeln, das Mitteilen innerer Zustände und Gefühle, Sich- Gegenseitig- Anstecken, Aus- dem- Augenblick- Herausschöpfen, Sich- Einstimmen- Können, Sich- Aufeinander- Beziehen, das In- Beziehung- Sein und die Freude am gemeinsamen Werk.
Indikation Die Indikation ist bei allen Eltern- Kind- Beziehungen gegeben, in denen die Dialog- und Beziehungsfähigkeit vorübergehend oder grundsätzlich gestört ist. Das therapeutische Arbeiten macht es möglich, den Teufelskreis negativer Gegenseitigkeit zwischen Mutter/Vater und Kind aufzubrechen und das Erlebnis positiver Gegenseitigkeit zu fördern. An Stelle der Eltern kann der Therapeut das Kind darin unterstützen, seine angeborenen Kompetenzen zu entwickeln, indem er mit dialogischen Qualitäten agiert und reagiert. Vorübergehend wird der Therapeut die Rolle eines hilfreichen Dritten übernehmen. Auch wenn er hauptsächlich nur mit dem Kind arbeitet, ist er gleichzeitig Therapeut für das Kind und die Eltern-Kind- Beziehung.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!