I. Pythagoras - der Weise von Samos Im Allgemeinen ist über das Leben von Pythagoras, dem Weisen von Samos nicht viel bekannt. Pythagoras wurde etwa um 570 v.chr. in Samos geboren und ist wahrscheinlich 496 v.chr. in Metapont gestorben. Er lebte zur gleichen Zeit wie andere bedeutende griechische Mathematiker, wie z.b. Thales und Anaximander, die stets seine Vorbilder waren. Er unternahm viele Reisen und gründete in Kroton (Süditalien) eine Schule, aus der Menschen hoher Sittlichkeit und Geisteskraft hervorgingen. Man unterschied in dieser Schule zwischen den Uneingeweihten, die wissenschaftlichen Elementarunterricht erhielten und den Eingeweihten, die ein akademisches Studium vollzogen. Während dieses Studiums standen sie in persönlichen Verkehr und ständigen Ideenaustausch mit ihrem Meister. Diese Schule wurde aber auch als Geheimbund der Pythagoreer mit philosophisch - ethischen Charakter bezeichnet, da Pythagoras die Seelenwanderung lehrte. In dieser Schule wurden die Gesetze der harmonischen Schwingungen von Saiten untersucht und der heute noch gültige pythagoreische Lehrsatz formuliert. Zum einen galt Pythagoras als Mathematiker, der die Mathematik als die eigentliche Wissenschaft - Mathesis - würdigte und als drittes und höchstes Prinzip hinstellte und übte. Pythagoras selbst galt als mathematisches Genie, der nicht nur die Fähigkeit besaß mathematische Kenntnisse der Ägypter und Babylonier leicht in sich aufzunehmen. Er verstand es auch, das übernommene Material originell zu gestalten, - aus der kaufmännischen Rechenkunst eine Theorie der Zahlen, aus der zünftigen Messkunst eine geometrische Wissenschaft zu konstruieren. Die Mathematik war für ihn nicht nur ein Teil der Philosophie, sondern die Logik selbst und die Mutter aller Spezialwissenschaft. Zum anderen war Pythagoras auch Philosoph, der Zahlen neben der mathematischen Bedeutung noch eine weitere symbolische Bedeutung verlieh. Für ihn sind Zahlen Bilder von Wesen, Hieroglyphen für Götter und deren Eigenschaften. So hat für ihn jede Zahl von eins bis zehn seine spezifische Bedeutung, wie im Folgenden deutlich wird. Bei Pythagoras selbst bedeutet: 1. Monas, der Geist, der Äther, das Einfache aus dem Alles entsteht, die Aktivität. 2. Dhas, der Stoff, die Zweiheit, weil aus der Erde und Wasser bestehend, die Passivität. 3. Trias, die Zeit, männlich gedacht als der Zeitgott, der dreifaltige (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft) Allmächtige. 4. Tetras, der Raum, weiblich gedacht, passiv, die Weltordnung. 5. Pentas, die fünf Elemente der Welt. 6. Heras, die Sechsheit, nämlich die sechs Gattungen beseelter (belebter) Wesen: Götter, Dämonen, Heronen, Menschen, Tiere, Pflanzen. 7. Heptas, die sieben Planeten (die bekannten fünfe mit Einschluß von Sonne und Mond). 8. Oktas, die acht Firmamente oder Sphären, die Oktave nach Intervallen der Tonleiter geordnet, nämlich die sieben durchsichtigen Planeten = Sphären, und die undurchsichtige Fix 1
sternsphäre (die Sphärenharmonie ist daher ein mathematisch - kosmischer Begriff, nicht ein akkustischer). 9. Enneas, die neun kosmischen Räume, in welche das All durch die acht Sphären geschieden wird. 10. Dekas, das All. Weiter als zur Zehnheit geht nach Aristoteles ausdrücklicher Angabe die pythagoreische Zahlensymbolik nicht. II. Der Satz des Pythagoras Satz des Pythagoras: Im rechtwinkligen Dreieck ist das Quadrat über der Hypothenuse gleich der Summe der Quadrate über den beiden Katheten. Der Satz des Pythagoras ist einer der bekanntesten Lehrsätze der Elementargeometrie, wenn nicht der bekannteste überhaupt. Wie wäre es sonst zu erklären, dass dieser Satz schon für die verschiedensten Zwecke eingesetzt wurde. 1. Werbezwecke 2
2. Briefmarken 3. Logo für ein Schuljubiläum Man muss allerdings erwähnen, dass dieser Lehrsatz lange vor der Zeit von Pythagoras bekannt war. Nun wird sich der ein oder andere fragen, warum er dann ausgerechnet nach Pythagoras benannt ist. Hierzu kann man zwei Dinge sagen: Zum Einen, dass es in der Geschichte der Mathematik wohl so ist, dass die Tatsache, dass ein Lehrsatz nach einer bestimmten Person benannt ist, wohl eher ein sicheres Indiz dafür ist, dass diese Person nichts damit zu tun hatte. Zum anderen kann man sagen, dass diese Aussage wohl hier nur zum Teil zutrifft. Den anfangs erwähnten Pythagoreern (Mitglieder der Schule des Pythagoras) wird nämlich der erste Beweis dieses Lehrsatzes zugeschrieben. Allerdings ist dieser Beweis nicht näher überliefert und somit lassen sich eben nur Spekulationen über seine Art anstellen. III. Pythagorasbeweise 1. Beweis aus den Elementen des Euklid Euklid (um 365 v. Chr. ca. 300 v. Chr.) lehrte Geometrie in Alexandria. 3
a) Originalbeweis aus Euklid, Die Elemente, Buch 1 47 aus dem Griechischen übersetzt 4
IV. Anwendung Pythagoreische Zahlentripel 1. Definition Unter einem pythagoreischen Zahlentripel versteht man drei natürliche Zahlen, die die Bedingungen des pythagoreischen Lehrsatzes (a² + b² = c², die Summe der Kathetenquadrate ist gleich dem Hypothenusenquadrat) erfüllen. Dies bedeutet, dass die Summe der Quadrate der zwei kleinsten Zahlen des Tripels gleich dem Quadrat der dritten Zahl sein muss. Einfachstes Beispiel hierfür ist das pythagoreische Zahlentripel (3; 4; 5). Beispiel: 3² + 4² = 5² 9 + 16 = 25 25 = 25 Das Beispiel erfüllt also den pythagoreischen Lehrsatz. 2. Verfahren zur Bestimmung pythagoreischer Zahlentripel Wenn man nun alle (natürlich unendlich viele) derartige Tripel bestimmen will, so bemerkt man zunächst, dass mit jedem Tripel a, b und c für jede positive ganze Zahl d auch das Tripel d*a, d*b und d*c pythagoreisch ist. Man kann sich bei der Bestimmung pythagoreischer Zahlentripel auf solche beschränken, deren größter gemeinsamer Teiler 1 ist, die also teilerfremd sind. Man spricht in diesem Fall auch von primitiven pythagoreischen Zahlentripel. Aus der Gleichung a² + b² = c² (1) folgt aber sofort, dass jeder gemeinsame Teiler von a und b schon ein gemeinsamer Teiler von c ist. Ebenso muss wegen a² = c² - b² jeder gemeinsame Teiler von c und b und wegen b² = c² - a² jeder gemeinsame Teiler von c und a auch ein gemeinsamer Teiler aller drei Zahlen sein. Man kann also für die folgenden Überlegungen voraussetzen, dass je zwei dieser drei Zahlen bereits teilerfremd sind. Insbesondere können keine zwei der drei Zahlen gerade sein. Nimmt man nun an, a und b seien beide ungerade, also etwa a = 2 * n + 1 5
und b = 2 * m + 1 mit natürlichen Zahlen n und m, und setzt dies in Gleichung (1) ein, so folgt: a² + b² = c² (2 * n + 1)² + (2 * m + 1)² = c² 4 * (n² + m² + n + m) + 2 = c² Bei Division durch 4 lässt also c² den Rest 2. Für eine gerade Zahl c ist aber das Quadrat c² durch 4 ohne Rest teilbar, wohingegen für eine ungerade Zahl c das Quadrat bei Division durch 4 den Rest 1 lässt. Dieser Widerspruch zeigt, dass genau eine der beiden Zahlen gerade ist, z.b. a, und die andere, also dann b, ungerade. Da c und a teilerfremd sind, muss folglich auch c ungerade sein. Damit sind c + b und c b positive ganze Zahlen und man hat die Zerlegung a² = c² - b² = (c + b) * (c b) = 4 * ((c + b)/2) * ((c b)/2) = 4* x * y (2) wobei x = (c + b)/2 und y = (c b)/2 positive ganze Zahlen sind. Diese beiden Zahlen müssen ebenfalls teilerfremd sein, denn ein gemeinsamer Teiler von x und y ist auch ein gemeinsamer Teiler von c = x + y und b = x y. Jeder Primfaktor von a²/4 ist also entweder nur Primfaktor von x oder nur Primfaktor von y. Damit sind aber x und y selbst Quadratzahlen, etwa x = s² und y = t² mit positiven ganzen Zahlen s und t, die wie x und y teilerfremd sein müssen. Insgesamt gilt also für jedes primitive pythagoreische Zahlentripel a = 2 * s * t b = s² - t² c = s² + t² mit teilerfremden positiven ganzen Zahlen s > t, von denen genau eine gerade sein muss, damit b und c ungerade sind. Sind umgekehrt s und t derartige Zahlen und man setzt sie in Gleichung 1 ein, so ergibt sich: a² + b² = c² 4 * s² * t² + (s² - t²)² = c² 4 * s² * t² + s 4 2 * s² * t² + t 4 = c² s 4 + 2 * s² * t² + t 4 = c² (s² + t²)² = c² Beispiele für pythagoreische Zahlentripel: (4; 3; 5) (24; 7; 25) (12; 5; 13) (8; 15; 17) 6
Zum Abschluss: 7
Literatur: Baltzer, Eduard: Pythagoras der Weise von Samos, Heilbronn 1991. Baptist, Peter: Pythagoras und kein Ende?, Leipzig 1998. Fraedrich, Anna Maria: Die Satzgruppe des Pythagoras, Mannheim 1994. 8