Die Wachstumsspirale unseres Kreditgeld-Systems in neun Schritten



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Transkript:

Die Wachstumsspirale unseres Kreditgeld-Systems in neun Schritten von Thomas Mayer (Stand August 2014, thomas.mayer@vollgeld-initiative.ch) Der Zwang zum ständigen Wirtschaftswachstum wird unter anderem auch durch unser derzeitiges Geldsystem verursacht. Wie das funktioniert, wird im Folgenden auf Basis der Forschungen von Prof. Hans Christoph Binswanger beschrieben. 1. Schritt: Unternehmen brauchen für die Produktion neuer Waren eine hohe Vorfinanzierung. Die moderne arbeitsteilige Wirtschaft hat einen langen Vorlauf. Es braucht Planer, Designer, Ingenieure, eine Fabrik, Maschinen, ausgebildete Mitarbeiter und vieles mehr, bevor Produkte hergestellt werden. Selbst viele Selbständige haben heute einen Investitionsbedarf von über 100.000,- Euro, bevor sie zu arbeiten beginnen können. Das muss vorfinanziert werden, denn Einnahmen erzielt das Unternehmen erst, wenn Produkte hergestellt sind und verkauft werden. Dieser Vorschuss ist das Unternehmungskapitel. Es teilt sich auf in Eigen- und Fremdkapital, schreibt Hans Christoph Binswanger. (1) Was ist der Unterschied zwischen Eigen- und Fremdkapital? Eigenkapital ist zunächst die Geldeinlage der Eigentümer eines Unternehmens. Das Eigenkapital haftet vollständig für mögliche Verluste und muss nicht zurückbezahlt werden. Es bleibt im Unternehmen, aber es gibt Dividendenausschüttungen. Das Fremdkapitel sind Geldeinlagen durch Bankkredite oder Unternehmensanleihen, die meist fest verzinst sind. Das Fremdkapital haftet nicht für Verluste, ein Kredit muss immer in voller Höhe zurückbezahlt werden, nur bei einer Insolvenz sind Kredite gefährdet. Die Unternehmensbildung war ursprünglich dadurch begrenzt, dass nur wenig Geld zur Bildung von Kapital zur Verfügung stand. Dies änderte sich erst im 18. Jahrhundert durch die Schaffung des Bankensystems (...) und der Möglichkeit der Geldschöpfung im Rahmen des Bankensystems. 1

2. Schritt: Die Banken können fast unbegrenzt Geld schöpfen. Mit den vorhandenen Edelmetallmünzen hätte die Industrielle Revolution nicht finanziert werden können. Die Geldmenge war durch die Förderleistung der Goldund Silberminen begrenzt. Dieser Geldmangel wurde behoben, indem die Banken selbst Papiergeld (bis 1875) und Buchgeld (bis heute) schöpften und als Kredite verliehen. Das Papier- und Bankgeld kann, da es stoffwertlos ist und nicht mehr in Gold eingelöst werden muss, grundsätzlich in beliebiger Menge hergestellt und gegen die Entrichtung eines relativ niedrigen Zinses auf dem Kreditweg»verkauft«werden. 3. Schritt: Die Unternehmen bekommen aber nur Bankkredite, wenn sie ausreichend Eigenkapital vorweisen. Deshalb wurden sehr viele Unternehmen zu Aktiengesellschaften und GmbHs und warben so neues Eigenkapital ein. Außerdem wurde im Laufe der Zeit der Kredithebel immer weiter erhöht. Die Banken sind nur bereit, höhere Kredite zu gewähren, wenn parallel dazu das Eigenkapital der Unternehmungen erhöht wird, das das Hauptrisiko trägt. Denn die Banken wollen möglichst wenig Kreditrisiken haben und ihre Kredite in voller Höhe zurückbezahlt bekommen. Wenn ein Unternehmen Verluste macht, sollen zuerst die Eigentümer dafür haften. Um das Potential der Geld- und Kreditschöpfung ausnutzen zu können, war es daher notwendig, parallel zur Einführung des Papier- und Buchgeldes die Bereitschaft zur Verfügungsstellung von Eigenkapital zu steigern. Dies wurde im 19. Jahrhundert ermöglicht durch die Schaffung der Kapitalgesellschaft und insbesondere der Aktiengesellschaft als neue Unternehmungsform. Mit ihr wird die Haftung des Aktionärs auf den Kapitalbetrag beschränkt, den er zur Verfügung stellt. Damit wird die Bereitschaft zum Eingehen eines solchen Risikos wesentlich erhöht. Durch die Erfindung der GmbH, der Kommanditgesellschaft und der Aktiengesellschaft konnten sich Menschen finanziell an Unternehmen beteiligen, die gar keine Beziehung zum Unternehmen hatten. Sie haften nur für den eingesetzten Betrag und nicht mit ihrem gesamten Vermögen für das Unternehmen, wie es bei Einzelunternehmern der Fall ist. Um die Möglichkeiten der Bankkredite weiter auszureizen, senkten die Banken im Laufe der Zeit die Anforderungen an das Eigenkapital immer weiter. Während in der Nachkriegszeit bei Industrieunternehmen eine Eigenkapitalquote von über 50% oft 2

üblich war, ist heute eine Quote von unter 20% keine Seltenheit mehr und reicht den Banken für die Kreditvergabe. 4. Schritt: Zusätzliches Eigenkapital und in Folge Fremdkapital kommt nur, wenn die Gewinnwahrscheinlichkeit höher ist als die Verlustwahrscheinlichkeit. Alle Unternehmen stehen gemeinsam unter Gewinndruck, sie müssen die Zinsen für das Fremdkapital sowie ausreichend Gewinne für das Eigenkapital erwirtschaften. Niemand kauft Aktien von einem Unternehmen oder gibt diesem Kredite, wenn klar ist, dass dieses dauerhaft Verluste machen wird. Es muss Gewinne geben die so hoch sind, dass sowohl Zinsen und Dividenden bezahlt als auch in den weiteren Unternehmensaufbau investiert werden kann. Durch die Reinvestition steigen die Erwartungen auf höhere Reingewinne in der Zukunft, was sich in einer Steigerung des Kurswertes der Aktie niederschlägt. Durch diese Kurswertsteigerung wird der Aktionär für den Verzicht auf die Auszahlung eines Teils des Reingewinns mehr als entschädigt. (...) Es ist vor allem dieses Unternehmungssparen, welches es möglich macht, dass sich das Eigenkapitel fortlaufend erhöht. Die Gewinnerwartung muss im Durchschnitt für alle Unternehmungen gelten, wenn die Wirtschaft funktionieren soll. Das heißt: Es muss die Chance eines Gewinns stets größer sein als die Chance eines Verlusts. Der Erwartungswert des Gewinns in der Gesamtwirtschaft muss also positiv sein. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn die Häufigkeit des Gewinns stets größer war und weiterhin größer ist als die Häufigkeit des Verlusts, wenn also die Unternehmungen im Saldo stets Gewinne gemacht haben und machen, also aus der Summe aller Gewinne und Verluste ein Gewinnüberschuss resultiert. Wie ist dies möglich? Das ist nun die Frage! Das geht nur durch eine laufende Erhöhung der Geldmenge. 5. Schritt: Durch zusätzliche Kredite finanzieren Unternehmen Investitionen und Vorprodukte. Dieses Geld steht sofort im Konsumbereich als zusätzliche Kaufkraft zu Verfügung. Damit können die Unternehmen für die schon produzierten Produkte höhere Preise erzielen und entsprechende Gewinne verbuchen. Die Investitionsausgaben gelangen durch die Gehälter immer in die Hände der Konsumenten. Dies geht meist über mehrere Zwischenschritte, da die Lieferanten 3

auch wieder Lieferanten haben. Dabei ist zu beachten: Die Haushalte geben ihr Einkommen für den Kauf der Produkte, welche die Unternehmungen herstellen, sofort aus. Sie werden daher sofort zu Einnahmen der Unternehmungen, die aus dem Verkauf der Produkte an die Haushalte resultieren. Der Einkommenseffekt der Investitionen tritt also unmittelbar ein. In diesem Zeitpunkt können die Unternehmungen aber nur die Produkte verkaufen, die schon produziert worden sind, die sie also vor der neuen Investition hergestellt haben, für deren Herstellung sie also im Betrag der neuen Kredite weniger Geld ausgegeben haben. Dies bedeutet, dass die Einnahmen der Unternehmungen vor den Ausgaben für die Produkte, die sie verkaufen, steigen. So entsteht in der Volkswirtschaft gesamthaft, d.h. im Saldo aller Gewinne und Verluste, stets ein Gewinn, wenn sich das Wachstum der Wirtschaft fortsetzt. (2) Durch die neuen kreditfinanzierten Investitionen steigt die Kaufkraft der Konsumenten und damit werden die Gewinnerwartungen der alten Investitionen befriedigt. Die Gewinnerwartungen, die auf den neuen Investitionen lasten, müssen durch zukünftige weitere Krediterhöhungen erfüllt werden. Zur Erläuterung ein einfaches Zahlenbeispiel: Wenn alle Unternehmen zusammen 100,- für die Produktion ausgeben und damit die Konsumenten zusammen 100,- erhalten und auch wieder ausgeben, kann der Unternehmensbereich maximal 100,- Euro einnehmen und damit keinerlei Gewinn machen. Wenn aber im selben Jahr durch Kredite und Investitionen 10,- zusätzlich in die Hände der Konsumenten kommen, können diese 110,- für die Produkte bezahlen, die den Unternehmen 100,- gekostet haben. Damit kann der Unternehmensbereich einen Gewinn von 10,- machen und als Dividenden oder Zinsen auszahlen. 6. Schritt: Soweit aber Gewinne und Zinsen verkonsumiert werden, werden diese wieder zu Einnahmen der Unternehmen. Verkonsumierte Gewinne des Vorjahres werden so zu Unternehmensgewinnen des Folgejahres, was die Notwendigkeit der Geldmengenausweitung durch zusätzliche Kredite reduziert. Angenommen, alle ausgeschütteten Gewinne und Zinsen des Vorjahres würden verkonsumiert, dann stünden diese zusätzlich zu den Produktionsausgaben der Unternehmen für den Kauf der Unternehmensprodukte zur Verfügung. Der Unternehmensbereich könnte beides als Einnahmen erzielen und wieder mit derselben Gewinnrate abschließen. 4

Im Zahlenbeispiel: Die Unternehmen zahlen für die Produktion 100,- an die Konsumenten, die alles ausgeben. Zusätzlich stehen für den Konsum 10,- Gewinne und Zinsen des Vorjahres zur Verfügung. Die Unternehmen haben also Einnahmen von 110,- und machen damit wieder einen Gewinn von 10,-. Wenn also Gewinne und Zinsen immer vollständig verkonsumiert würden, dann könnten die Unternehmen jedes Jahr gleichbleibende Gewinne machen. Das ist aber in der Praxis nicht so. 7. Schritt: Zusätzliche Kredite und eine Ausweitung der Geldmenge sind in dem Umfang notwendig, wie erstens Geld durch Ansparungen oder rein spekulative Anlagen dem Konsum entzogen wird und zweitens die Erwartungen an Unternehmensgewinne größer werden. Wenn Zinsen, Dividenden und auch Gehälter ausgegeben werden, können sie von Unternehmen wieder verdient werden, das Geld bleibt im Kreislauf. Tatsächlich wird ein beträchtlicher Teil angespart in Sparkonten oder Bankanleihen, was Geldstilllegung bedeutet. Stillgelegtes Geld kann von niemanden mehr verdient werden und fehlt den Unternehmen. Genauso wirken alle Investition in rein spekulative Anlage, wie Aktien, Fremdwährungen, Derivate aller Art, Immobilien, etc. In all diesen Fallen wird Geld der Realwirtschaft entzogen und fließt der Finanzwirtschaft zu. Den Unternehmen der Realwirtschaft fehlt es. Auch wenn Banken Zinseinnahmen nicht für ihre Betriebskosten verwenden, sondern um ihr Eigenkapital zu erhöhen, ist es dem Geldkreislauf entzogen, denn das Banken- Eigenkapital zählt nicht zur kaufkräftigen Geldmenge M1. Und durch die Rückzahlung von Krediten verschwindet ständig Geld. All diese Arten der Geldstilllegung oder Geldschwundes müssen durch zusätzliche Kredite ausgeglichen werden. Zusätzlich muss die Geldmenge erhöht werden, um die stetig wachsenden Gewinnerwartungen zu befriedigen. Im Zahlenbeispiel: Die Unternehmen geben 100,- aus, davon sparen die Angestellten 10,-. Von den Gewinnen und Zinsen des Vorjahres werden 5,- angespart und nur 5,- konsumiert. Damit steht für den Konsum insgesamt nur 95,- zur Verfügung. Da der Unternehmensbereich 100,- Kosten hatte, aber nur 95,- einnehmen kann würde ein Verlust von 5,- entstehen. Nur durch zusätzliche kreditfinanzierte Investitionen von 20,- ist auf der Konsumseite 115,-, so dass die Unternehmen 15,- Gewinn machen können, um die Aktionäre und Banken zufriedenzustellen. 5

Man sieht an diesen Betrachtungen, dass es sich in der Realität um sehr komplizierte und in einander verwobene Finanzflüsse handelt, deren Erfassung und Abbildung im Detail sehr schwierig ist. Die Grundzusammenhänge kann man aber verstehen. 8. Schritt: Außer durch Unternehmenskredite kann die Steigerung der Geldmenge auch durch Konsumentenkredite oder Staatsschulden erreicht werden. Wenn die Unternehmen ihre Verschuldung nicht ausreichend ausweiten können, müssen sich Private oder der Staat zusätzlich verschulden, damit die Gewinne nicht einbrechen. In beiden Fällen erhöht sich die kaufkräftige Geldmenge in den Händen der Konsumenten, so dass die Produzenten wieder mehr Umsätze und höhere Gewinne machen können. Die Geldstilllegung und der enorme Gewinndruck auf den Unternehmen führt so zu Schuldenexzessen bei Privaten und Staaten. 9. Schritt: Wenn die Unternehmen zusätzliche Gewinne erzielt haben, können sie zusätzliche Kredite für Produktionssteigerungen aufnehmen, womit das Geld für die Gewinne der letzten Investition und den Ausgleich der Geldstilllegung geschaffen wird. Es geht wieder mit dem 1. Schritt weiter. Aus dem zusätzlichen Gewinn können die Unternehmungen die zusätzlichen Zinsen den Banken für die zusätzlichen Kredite bezahlen wie einen genügend hohen zusätzlichen Reingewinn den Aktionären zur Verfügung stellen. Wenn sich so die Erwartungen der Aktionäre erfüllen, werden sie einen Teil des Reingewinns wiederum den Unternehmungen für eine weitere Reinvestition überlassen. Damit ist die Voraussetzung gegeben, dass die Banken weitere Kredite geben. So kann sich der Wachstumsprozess ständig fortsetzen. Er wird auf diese Weise zu einem perpetuum mobile, der sich aus sich selbst heraus ständig weiterentwickelt. Der Zuwachs des Kapitals durch die Kreditgewährung der Banken und die Reinvestition eines Teils der Reingewinne rechtfertigt sich auf diese Weise durch sich selbst, d.h. durch die Gewinne, die in Zusammenhang mit der Kredit- und Geldschöpfung entstehen. (2) 6

Fazit der Wachstumsspirale: Wird die Geldmenge heute nicht erhöht, bringen die Investitionen der Vergangenheit keinen Gewinn mehr. Dann würde sich das Kapital zurückziehen, die Banken die Kredite und die Geldmenge reduzieren und so die Wirtschaft schrumpfen. Depression und hohe Arbeitslosigkeit wäre die Folge. Unsere Wirtschaft muss also stets wachsen, wenn sie nicht in die Krise geraten soll. Prof. Binswanger stellt fest, dass sich der Wachstumsprozess zwingend fortsetzen muss. Dabei muss die Geldschöpfung auf jeden Fall so hoch sein, dass sich die Nachfrage nach den Produkten der Unternehmungen proportional zum Produktangebot erhöht. Dann und nur dann können die Gewinne entsprechend dem Kapitaleinsatz steigen, d.h. dann und nur dann kann die Gewinnrate mindestens gleich bleiben. Das heißt, durch den Geld- und Kapitalzuwachs von heute muss sich der Geld und Kapitalzuwachs von gestern rechtfertigen. Wenn dies nicht der Fall ist, sinkt die Gewinnrate und damit die Bereitschaft der Aktionäre und damit auch der Banken, zusätzliches Geld als Kapital zur Verfügung zu stellen, was wiederum zu einer weiteren Senkung der Gewinnrate führt, bis schließlich die minimale Gewinnrate unterschritten wird, die genügt, damit das Risiko, das mit dem Kapitaleinsatz verbunden ist, gedeckt wird. Wird sie unterschritten, werden die Aktionäre ihren Kapitaleinsatz zurückziehen. Entsprechend werden die Banken ebenfalls den Kapitaleinsatz reduzieren und ihre Kredite kündigen. Aus der Unterschreitung der minimalen Gewinnrate würde so nicht nur eine Minderung des Kapitalzuwachses und damit des Wachstums resultieren, sondern eine effektive Schrumpfung der Wirtschaft. (2) Binswanger schreibt weiter: Aufgrund unserer Modelluntersuchung (...) lässt sich eine reale minimale Wachstumsrate der Weltwirtschaft abschätzen. Sie beträgt gemäss unseren Annahmen 1,8%. Das bezieht sich auf die globale Wirtschaft, da die Unternehmen die Wachstumsschwächen eines Kontinents mit Wachstumsstärken anderer Kontinente ausgleichen. Während in den alten Industrieländern, wie Europa, höchstens Wachstumsraten von 1-2 Prozent erwartet werden können, wachsen Schwellenländer oft zwischen 8-10%, so dass sie Schätzungen für das globale Wachstum bei etwa 4% liegen. 7

Aktiengesellschaften sind ja nicht gottgegeben Gespräch mit Hans Christoph Binswanger Wie lässt sich das Wachstum der Wirtschaft nachhaltig verlangsamen? Heute sind es die Aktiengesellschaften, die unser Wirtschaftssystem dominieren, weltweit. Sie sind die Motoren für das Wirtschaftswachstum. Denn in ihnen ist der Zwang zum Wachstum bereits eingepflanzt, vor allem wenn sie an der Börse kotiert sind. Weil die Aktionäre als Besitzer ständig steigende Aktienkurse erwarten? Ja, sie verzichten dann auf hohe Dividenden und ermöglichen es den Firmen, einen größeren Teil der Gewinne wieder zu investieren und so in absehbarer Zukunft noch höheren Gewinn zu erwirtschaften. Gelingt das, erwarten die Aktionäre sofort einen weiteren Kursanstieg durch wiederum neue Investitionen, das heißt durch Wachstum. Andernfalls verkaufen sie ihre Beteiligungen, und der Kurs fällt. Die Aktiengesellschaft ist quasi zu einem unendlichen Wachstum verdammt. Als Konsumenten müssen wir diese Motoren durch Mehrkonsum am Laufen halten. Das ist entfesselter Kapitalismus. Als Mitglied der FDP sehen Sie in Verboten und Planwirtschaft wohl kaum eine Alternative. Natürlich nicht. Wir brauchen ein moderates Wachstum, um die Wirtschaft funktionsfähig zu erhalten. Es sind aber Reformen nötig, um den Wachstumsdruck durch die Aktiengesellschaften zu mindern. AGs sind ja nicht gottgegeben. Sie sind erst im 19. Jahrhundert entstanden, um während der Industrialisierung Großprojekte zu finanzieren. Als Gesetzgeber können wir sie jederzeit anders definieren, wenn sie sich wie heute immer öfter in spekulative Dimensionen verlieren. Was schlagen Sie konkret vor? Wir müssen die heutigen Beteiligungsformen, also die Namens- und die Inhaberaktien, neu ausgestalten. Die auf den Besitzer ausgestellten Namensaktien sollen auch künftig eine unendliche Laufzeit haben, dürfen aber nicht mehr an der Börse gehandelt werden. Und im außerbörslichen Handel dürfen sie erst nach einer Frist von etwa drei Jahren verkauft werden. Für die nicht namensgebundenen Inhaberaktien sollten wir den Börsenhandel weiterhin zulassen, aber mit einer befristeten Laufzeit von 20 oder 30 Jahren; dann müsste das Unternehmen den Nominalwert der Aktie zurückzahlen. Was bringt das? Der Effekt wäre ein deutlich geringeres Schwanken der Aktienkurse. 8

Braucht es weitere Maßnahmen? Wir sollten Genossenschaften und Stiftungen fördern, die auf längerfristige Ziele ausgerichtet sind. Solche Reformen würden zusammen den Drang und Zwang zum Wirtschaftswachstum mindern, es aber nicht abwürgen. Wir hätten weniger spekulative Gewinne, aber mehr Sicherheit. Auf der anderen Seite haben wir die Banken, die als Kreditgeber und Spekulanten an der Börse für Wirtschaftsblasen mitverantwortlich sind. Muss man auch hier ansetzen? Genau. Die Geschäftsbanken haben heute die Möglichkeit, praktisch unbeschränkt neues Geld zu schöpfen, indem sie Kredite vergeben, ohne dass der Betrag auf anderen Konten belastet wird. Die Kompetenz zur Geldschöpfung muss ausschließlich den Zentralbanken zugestanden werden. Aus: Zeitschrift Beobachter, 22. Feb. 2013 (3) Anmerkungen: (1) Hans Christoph Binswanger, in Die Vollgeldreform, S. 19 f. (2) Hans Christoph Binswanger, Die Wachstumsspirale, S. 364 ff. (3) Aktiengesellschaften sind ja nicht gottgegeben, Zeitschrift Beobachter, 22. Feb. 2013, Nr. 4, www.beobachter.ch 9