Früh reagieren, abgestimmt handeln, gezielt helfen!

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Transkript:

Früh reagieren, abgestimmt handeln, gezielt helfen! Handlungskonzept gegen Schulabsentimus Stand: 11.08.2011

1. Hintergrund Mit Einführung der allgemeinen Schulpflicht vor etwa 100 Jahren verpflichtete sich der Staat, allen Kindern und Jugendlichen den Schulbesuch zu ermöglichen. Gleichzeitig haben die Eltern dafür Sorge zu tragen, dass ihre Kinder das Bildungsangebot auch annehmen. Viele Schülerinnen und Schüler kommen jedoch ihrer Schulpflicht nicht oder nur unzureichend nach. Die Ursachen, Hintergründe und Risikofaktoren, die sich zum Teil gegenseitig mitbedingen, sind sehr vielfältig, auf unterschiedlichen Ebenen zu finden und im Einzelfall zu betrachten. Oftmals ist dabei von einem Ursachengeflecht auszugehen. Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass bundesweit ca. 300.000 500.000 Kinder und Jugendliche regelmäßig den Schulbesuch verweigern. Davon müssen etwa 10.000 junge Menschen als Totalverweigerer bezeichnet werden. Nach Angaben des Deutschen Jugend Institutes sind inzwischen ca. 10-15 % pro Klasse als zumindest schulmüde einzustufen. Im Bildungsbericht der Bundesregierung wird darauf hingewiesen, dass gegenwärtig etwa neun Prozent aller Schüler die Schule ohne Abschluss verlassen. Bei den jungen Erwachsenen zwischen 20 und 29 Jahren haben beinahe 15 % keine Berufsausbildung, fast 26 % aller Ungelernten sind arbeitslos und jedes 5. Ausbildungsverhältnis muss vorzeitig abgebrochen werden, weil die jungen Menschen nur unzureichend auf die berufliche Ausbildung vorbereitet sind. Ein Problem, dass sich mit dem gesellschaftlichen Wandel zuspitzt und für die Betroffenen und die Gesellschaft weitreichende Folgen hat. Schulvermeidendes Verhalten führt zunehmend zu Brüchen sowie Instabilitäten im schulbiographischen Verlauf und hat nicht selten den Schulabbruch zur Folge und erhöht damit das Risiko einer dauerhaften Ausgrenzung von Bildung, Ausbildung, Erwerbsarbeit und gesellschaftlicher Teilhabe dramatisch. Eine spätere Nachsorge gestaltet sich oftmals schwierig und kostenintensiv. Demzufolge stellt sich für die soziale und berufliche Integration der Erwerb allgemeiner und beruflicher Bildung als elementar dar. Die regelmäßige Teilnahme am schulischen Unterricht wird zur Voraussetzung für eine erfolgreiche und dauerhafte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Um einer dauerhaften Ausgrenzung junger Menschen frühzeitig und wirkungsvoll zu begegnen, müssen Handlungsstrategien zur Vermeidung von Schulmüdigkeit und Schulverweigerung entwickelt werden, die diesem Prozess entgegenwirken. 2. Ausgangssituation Die Stadt hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder mit dem Phänomen Schulabsentismus befasst und versucht, auf unterschiedlichen Wegen dem Problem zu begegnen und geeignete Handlungsstrategien und Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen. Bereits im Jahr 2003 wurde unter der Federführung des Amtes für Schule und Sport eine Arbeitsgruppe gebildet, an der sich Vertreterinnen und Vertreter der Schulen, der Bezirksregierung Weser-Ems, der Justiz und Polizei sowie des Stadtelternrats, Jugendamtes und Bundesgrenzschutzes beteiligten. Orientiert an den Eckpunkten des Programms der Niedersächsischen Landesregierung zur Vermeidung von unentschuldigter Abwesenheit vom -2-

Unterricht hat diese Arbeitsgruppe Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Schulversäumnissen in der Stadt Oldenburg entwickelt und den Institutionen zur Anwendung empfohlen. Im Jahr 2006 wurde vom Amt für Schule und Sport in Kooperation mit der Universität Oldenburg eine Untersuchung zu Schulversäumnissen in der Stadt Oldenburg durchgeführt. Ziel der Untersuchung war, den Umfang und die Ausprägungen von Schulversäumnissen zu ermitteln, Informationen zu Verfahrens- und Verhaltensweisen der Schulen im Umgang mit Schulverweigerung zu gewinnen, zu prüfen ob die Handlungsempfehlungen aus dem Jahre 2003 umgesetzt werden, um daran anknüpfend Handlungsnotwendigkeiten aufzuzeigen. Im Anschluss wurde mit dem NiKo-Projekt in Trägerschaft des Jugendamtes eine Beratungsund Kooperationsstelle Schulverweigerung eingerichtet, die 2007 in Kooperation mit drei Hauptschulen der Stadt ihre Arbeit aufnahm, um auf die angezeigten Handlungsnotwendigkeiten zu reagieren. Diese Maßnahmen konnten jedoch nicht zu einer wesentlichen Veränderung der Situation führen: Schulpflichtverletzungen und daraus resultierende Bußgeldverfahren haben sich in den letzten Jahren nicht verringert. Es gibt weiterhin eine hohe Anzahl an Schulpflichtverletzungen, insbesondere bei den Haupt- und Förderschülern. Es gibt keine einheitlichen und verbindlichen Verfahrensweisen im Umgang mit Schulabsentismus. Meldungen von Schulpflichtverletzungen erfolgen nach wie vor nicht nach einem standardisierten Verfahren, ein pädagogisches Gesamtkonzept fehlt. Es gibt kaum geeignete pädagogische Hilfen im Handlungsfeld Schulabsentismus. Reaktionen auf Schulpflichtverletzungen beschränken sich i.d.r. auf ordnungsrechtliche Maßnahmen, die keinen pädagogischen Handlungsspielraum lassen. Viele der schulverweigernden Schüler erreichen keinen Schulabschluss oder brechen die Schule ab. Es kommt zu Ausgrenzungsprozessen, in deren Folge soziale Hilfesysteme in Anspruch genommen werden müssen (hohe Folgekosten). 3. Erweitertes und abgestimmtes Hilfesystem im Handlungsfeld Schulabsentismus Vor dem Hintergrund der Erfahrungen und Erkenntnisse der letzten Jahre, die im Handlungsfeld Schulabsentismus gesammelt wurden, ist eine quantitative und qualitative Verbesserung der bisherigen Maßnahmen angezeigt. Die Kinder- und Jugendhilfe hat sich aus diesem Grunde im Rahmen der Weiterentwicklung der Oldenburger Bildungslandschaft zum Ziel gesetzt, die Jugendhilfemaßnahmen im Handlungsfeld Schulabsentismus zu erweitern sowie Verfahrensabläufe zu optimieren und abgestimmte, einheitliche und verbindliche Vorgehensweisen zu etablieren, die eine frühzeitige und gezielte Intervention möglich machen. Dabei ist klar, dass das Phänomen Schulabsentismus nicht allein bzw. generell durch Schule gelöst werden kann und Strategien zur Vermeidung von Schulversäumnissen sich nicht darauf beschränken lassen, ordungsrechtliche Maßnahmen einzuleiten, da diese oftmals zu -3-

kurz greifen und das schulvermeidende Verhalten der Jugendlichen nicht auflösen können und der Komplexität der Problematik nicht gerecht werden. Dementsprechend müssen Hilfen vorrangig pädagogisch ausgerichtet sein und möglichst frühzeitig auf allen Handlungsebenen ansetzen, die auf die Komplexität Schulabsentismus Einfluss nehmen und sich im Bedingungsgefüge und Wirkungsraum Schüler-Familie-Schule befinden. Mit Hilfe des erweiterten Handlungskonzeptes wird es möglich, auf gesamtstädtischer Ebene noch stärker als bisher mit pädagogischen Mitteln auf Fälle von Schulverweigerung zu reagieren und den schulaversiven Schülerinnen und Schülern mit ihren Problemen und Motiven schnelle und individuelle Hilfen anzubieten, gleichzeitig aber auch Konsequenzen im Rahmen von Ordnungswidrigkeitsverfahren vorzuhalten. Neben einem stärker aufeinander bezogenen und abgestimmten Bearbeitungsverfahren bei Schulpflichtverletzungen (Anlage Ablaufdiagramm) wird das Hilfesystem durch eine Fachberatung Schulverweigerung sowie einen außerschulischen Lernstandort verstärkt. Insbesondere der Fachberatung fällt bei dem zukünftigen Verfahren eine entscheidende Rolle zu. Sowohl der außerschulische Lernstandort als auch die Fachberatung sind Modelle, die bereits erfolgreich in Osnabrück (Stadt und Landkreis) im Rahmen des Modellprojektes Auszeit umgesetzt werden. Eine wissenschaftliche Begleitung von Auszeit im Landkreis Osnabrück zeigt deutlich die Erfolge des außerschulischen Lernstandortes auf. Dies gilt zum einen für die entwicklungspsychologischen und biographischen Wirkungen, die das Projekt bei den Jugendlichen hervorgerufen hat. Zum anderen zeigt sich, das sich der außerschulische Lernstandort auch unter Kostenaspekten rechnet, betrachtet man die gesellschaftlichen Folgekosten bei einem nachhaltigen Scheitern an der Schule. Zudem wird die erfolgreiche Arbeit der Fachberatung Schulverweigerung hervorgehoben, die durch ihre aufsuchende und beratende Tätigkeit einen Großteil der kontaktierten Jugendlichen wieder zum regelmäßigen Schulbesuch motivieren konnte, ohne das eine Aufnahme in den außerschulischen Lernstandort nötig war. 3.1 Fachberatung Schulverweigerung Zentrales Element des erweiterten Handlungskonzeptes gegen Schulabsentismus ist die Fachberatung Schulverweigerung, die zum 01.01.2011 ihre Arbeit aufgenommen hat. Die Fachberatung ist Bestandteil des Pro-Aktiv-Centers Oldenburg und eingebunden in das Team Wendehafen. Sie ist zentrale Anlaufstelle für Schulabsentismus und steht grundsätzlich allen Schulen, Institutionen und betroffenen Personen zur Verfügung. Dabei übernimmt die Fachberatung neben der allgemeinen Beratung zum Thema Schulabsentismus eine Clearingfunktion an der Schnittstelle zwischen Schule und Jugendhilfe. Sie berät die betroffenen Schülerinnen und Schüler und deren Familien und vernetzt die in der Stadt vorhandenen Ressourcen, um geeignete Hilfen zur Reintegration von schulvermeidenden Jugendlichen zu vermitteln und installieren. Das Clearing dient der kurzfristigen Klärung von Ursachen des schulvermeidenden Verhaltens sowie der Stabilisierung von problematischen Lebenslagen. Darüber hinaus werden im Clearingprozess nötige weiterführende Unterstützungsbedarfe ermittelt und abgestimmt. Die Dauer des Clearingprozesses sollte i.d.r. vier Wochen nicht überschreiten, kann sich im Einzelfall aber auch verkürzen oder verlängern. -4-

Die Fachberatung verfolgt einen aufsuchenden Ansatz. Ein Großteil der Arbeit findet vor Ort in den Familien bzw. im sozialen Umfeld der Schülerinnen und Schüler und deren Familien statt. Voraussetzung für einen intensiven Clearingprozess ist die Kooperationsbereitschaft der Betroffenen mit der Fachberatung. 3.1.1 Zielgruppe und Ziele Die Angebote der Fachberatung richten sich in erster Linie an alle Schülerinnen und Schüler, die aus den unterschiedlichsten Gründen die Schule meiden, ein schuldistanziertes oder verweigerndes Verhalten zeigen und damit ihren Schulverlauf oder auch den Schulabschluss gefährden. Es handelt sich um Schülerinnen und Schüler, bei denen von einem unregelmäßigen bis sehr unregelmäßigen Schulbesuch auszugehen ist und es aufgrund wiederholter unentschuldigter Fehlzeiten zu einer Schulpflichtverletzungsanzeige gekommen ist bzw. diese nach sich ziehen wird. Angesprochen sind Kinder und Jugendliche aller Schul-, Klassen- und Altersstufen. Gleichzeitig werden auch die Erziehungsberechtigten der schulvermeidenden Kinder- und Jugendlichen in den Clearingprozess mit einbezogen und dabei unterstützt, geeignete Maßnahmen zu entwickeln, um dem schulaversiven Verhalten ihre Kinder entgegen zu treten und sie bei ihrer persönlichen Entwicklung positiv zu unterstützen. Leitziel ist, durch Beratung und unterstützende Hilfen die Kinder und Jugendlichen wieder zu einem regelmäßigen Schulbesuch zu bewegen. Schülerinnen und Schüler, die sich von der Schule entfernt haben, nur noch unregelmäßig die Schule besuchen und Verweigerungshaltungen gegenüber den schulischen Anforderungen zeigen, sollen in die Schule integriert werden, um so Ausgrenzungsprozesse zu vermeiden. 3.1.2 Aufgabenbereiche Beratung von schulvermeidenden Kindern und Jugendlichen sowie deren Eltern Ein wichtiger Aspekt der Arbeit ist die Beratung und Unterstützung der schulverweigernden Schülerinnen und Schüler und deren Eltern. Sie nimmt Kontakt zu den betroffenen Schülerinnen und Schülern und ihren Familien auf. Das persönliche Aufsuchen im sozialen Umfeld gehört dabei zum Beratungskonzept. Der Zugang zur Fachberatung erfolgt dabei auf verschiedene Weise. Zum einen können die Jugendlichen und Eltern von sich aus den Kontakt aufnehmen und sich Rat und Unterstützung holen. Zum anderen fungiert die Fachberatung als Kontaktstelle für kooperierende Einrichtungen zur Meldung von Schülerinnen und Schülern mit Schulbesuchsproblemen. Zudem wird die Fachberatung bei jedem Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen Schulpflichtverletzungen einbezogen und ist damit über Fälle von Schulverweigerung informiert. Voraussetzung für eine gezielte Unterstützung der schulmeidenden Schülerinnen und Schüler ist eine Schüler-Umwelt-Diagnose (Bedingungsanalyse), die mögliche Bedingungsfaktoren und Ursachen für das schulvermeidende Verhalten aufdecken kann. Dazu werden das soziale -5-

und familiäre Umfeld des Jugendlichen und seine psychischen, physischen und kognitiven Voraussetzungen erkundet. Auf der Basis eines einzelfallorientierten Vorgehens können Maßnahmen und Hilfen eingeleitet werden, die die besondere und individuelle Situation der Jugendlichen und deren Familien berücksichtigen und die auf sie abgestimmt sind. Dabei orientieren sich die Hilfen immer an den Bedürfnissen und Möglichkeiten der Jugendlichen sowie den Gründen, die zum schulvermeidenden Verhalten geführt haben. Eine enge Kooperation mit den Erziehungsberechtigten zeigt sich als eines der effektivsten Mittel zur Prävention und Intervention bei Schulabsentismus. Es gilt somit, durch eine partnerschaftliche und vertrauensvolle Elternarbeit diese in den Prozess der Reintegration und Motivation der Kinder und Jugendlichen verantwortlich mit einzubeziehen und sie zu konstruktiven Begleitern ihrer Kinder werden zu lassen. Nur so lässt sich eine umfassende Unterstützung und verstärkte, abgestimmte und konsistente Kontrolle der Anwesenheit im Unterricht erreichen. Durch geeignete Hilfen sollen die Erziehungsberechtigten befähigt werden, ihre schulvermeidenden Kinder wieder zu einem regelmäßigen Schulbesuch zu bewegen und sie bei ihrer persönlichen Entwicklung positiv zu unterstützen. Dabei handelt es sich zunächst um niedrigschwellige Hilfen durch die Fachberatung, die außerhalb der Hilfen zur Erziehung nach dem KJHG/ SGB VIII liegen. Beratung von Schulen und relevanten Institutionen Die Fachberatung Schulverweigerung tritt aus eigener Initiative an Schulen und andere für Schulabsentismus relevante Institutionen heran, um über ihre Arbeit sowie mögliche Unterstützungsmöglichkeiten zu informieren und Hilfestellungen anzubieten. Darüber hinaus haben Lehrkräfte und Fachkräfte die Möglichkeit, Kontakt zur Fachberatung aufzunehmen und sich in Fragen von Schulverweigerung beraten zu lassen sowie gemeinsam erste Schritte zur Lösung von Problemen zu entwickeln. Koordination der Aufnahme in außerschulischen Lernstandort Neben der beratenden Tätigkeit ist es die Aufgabe der Fachberatung, in enger Kooperation mit der Oldenburger Jugendwerkstatt und der jeweils betroffenen Schule die Aufnahme von Schulverweigerern in den außerschulischen Lernstandort zu koordinieren. Jugendliche, die möglicherweise für eine Aufnahme in Frage kommen, werden der Fachberatung gemeldet oder durch die Fachberatung im Rahmen ihrer aufsuchenden Arbeit selbst identifiziert. Die Fachberatung nimmt Kontakt zu den entsprechenden Jugendlichen auf und klärt im Rahmen des Clearing-Verfahrens die Ursachen und Gründe für das schulabsente Verhalten. Im Anschluss wird unter Berücksichtigung aller gesammelten Daten und Fakten entschieden, ob eine Aufnahme in den außerschulischen Lernstandort notwendig erscheint, oder ob durch eine andere Art von Unterstützung ein Verbleib in der Schule möglich ist. Vernetzung Die Fachberatung ermittelt den Hilfebedarf, stimmt Hilfemöglichkeiten ab und vermittelt diese. Für die Arbeit der Fachberatung ist es daher unerlässlich, ein umfassendes Netzwerk zu -6-

installieren, welches alle mit dem Thema Schulabsentismus befassten Institutionen beteiligt. Für eine schnelle und effektive Unterstützung muss die Fachberatung in ein lebendiges System professioneller Hilfen eingebunden sein. Im konkreten Fall lässt sich nur durch eine enge Zusammenarbeit mit den entsprechenden Kooperationspartnern eine zielgerichtete und bedarfgerechte Fallplanung umsetzen. In diesem Rahmen lassen sich Prozesse abstimmen sowie Kompetenzen und Ressourcen bündeln, die letztendlich zu einer erfolgreichen Reintegration von schulverweigernden Schülerinnen und Schülern führen können. Wichtige Kooperationspartner sind: Familienberatungsstellen Kinder- und Jugendärztlicher Dienst (Gesundheitsamt) Schulpsychologischer Dienst Kinder- und Jugendpsychiatrie Clearingstelle Schulabsentismus und Dropout Universität Oldenburg Landesschulbehörde Jugendwerkstätten Bildungsberatungsstelle Freizeitstätten Polizei Jugendgerichtshilfe Allgemeiner Sozialdienst Kompetenzagentur Projekt Qualifizierung zur Erreichung des Hauptschulabschlusses (QEH) Jobcenter 3.2 Außerschulischer Lernstandort Sekundarstufe I Ein weiterer wichtiger und neuer Baustein in dem erweiterten Handlungskonzept gegen Schulabsentismus ist der bereits erwähnte außerschulische Lernstandort für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I, der seine Arbeit zum 01.03.2011 aufgenommen hat. Es handelt sich um ein Projekt für schulmüde und schulverweigernde Jugendliche, das in Trägerschaft der Oldenburger Jugendwerkstatt der VHS in Kooperation mit der Stadt Oldenburg durchgeführt wird und den betroffenen Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit bietet, vorübergehend außerhalb der Schule ihrer Schulpflicht nachzukommen. Inhaltlich werden werkpraktische Angebote, schulisches Lernen, sozialpädagogische Betreuung und Kreativ- und Freizeitangebote kombiniert. Dabei ist der Alltag so gestaltet, dass die Schüler von Vermeidungs- und Fluchtverhalten absehen und ein alternatives Verhalten entwickeln, welches zu besseren Anpassungsprozessen führt. 3.2.1 Zielgruppe und Ziele Angesprochen werden mit diesem Angebot schulverweigernde Schülerinnen und Schüler von Haupt- und Förderschulen ab 12 Jahren, die sich stark von der Schule entfernt haben, massive Verweigerungshaltungen gegenüber den schulischen Anforderungen zeigen und weder durch zur Verfügung stehende Maßnahmen der Schulen und Jugendhilfe, noch durch -7-

ordnungsrechtliche Maßnahmen zu einem regelmäßigen Schulbesuch bewegt werden konnten. Vorrangig einer Zuweisung in den außerschulischen Lernstandort ist zu prüfen, ob eine Reintegration in die Schule durch den Einsatz anderer Hilfsangebote zu realisieren ist. Leitziel ist die schulische und soziale Reintegration der Jugendlichen. Der außerschulische Lernstandort soll Schülerinnen und Schülern, die vom Angebot der Regelschule nicht mehr erreicht werden, eine neue schulische, berufliche und private Lebensperspektiven eröffnen, ihnen damit aus der Situation der Ausgrenzung heraushelfen und sie in das Regelbildungssystem reintegrieren. Das Erreichen dieses übergeordneten Ziels erfordert die auf den Einzelfall abgestimmte Definition von Feinzielen, die im Förderplan festzuhalten sind. Zu den Feinzielen gehören: Erwerb von Ich- und Sozialkompetenzen Aufbau von Lernmotivation Aufarbeitung von schulischen Defiziten Aufbau eines positiven Selbstwertgefühls psychosoziale Stabilisierung Herausbildung und Festigung von Arbeitstugenden 3.2.2 Angebote Da die Zielgruppe vom Angebot der Regelschule nicht mehr erreicht wird, muss das pädagogische Angebot des außerschulischen Lernstandortes andere Schwerpunkte setzen um die Zielsetzungen zu erreichen. Es handelt sich um einen interdisziplinären am Einzelfall orientierten Ansatz, mit folgenden zentralen pädagogischen Handlungsfeldern: Sozialpädagogische Angebote Für die Zielerreichung sind sowohl sozialpädagogische Einzelarbeit als auch Gruppenangebote erforderlich. Die Einzelarbeit orientiert sich in ihrer Ausrichtung immer an den individuellen Problemlagen der Jugendlichen und beinhaltet folgende Aspekte: Förderplanarbeit Unterstützung bei der Bearbeitung aller eine Reintegration entgegenstehenden Problemen Vorbereitung und Begleitung der Rückführung in die Regelschule Elternarbeit Die Gruppenangebote sollen die Identifikation mit der Einrichtung fördern, den Prozess der Gruppenbildung beschleunigen, aber auch die sozialen Kompetenzen verbessern. Zu den Gruppenangeboten gehören: Tagesbesprechungen Reflexionsrunden Gemeinsames Kochen, gemeinsame Mahlzeiten Bewegung, Spiele Training Fit for Life -8-

Ausgestaltung, Pflege und Reinigung des Standortes Werkpraktische Angebote Das werkpraktische Angebot geht sowohl vom zeitlichen Umfang als auch von den fachlichen Möglichkeiten über den Werkunterricht hinaus und eröffnet den Schülerinnen und Schülern damit ein Erfahrungsfeld, in dem sich der außerschulische Lernstandort deutlich von der Regelschule unterscheidet. Gerade für Schülerinnen und Schüler, die aufgrund mangelnder Leistungsfähigkeit oder ihrer langen Schulabsenz sich erst wieder an den Unterricht gewöhnen müssen, können im Rahmen verschiedener Werk- und Kreativangebote ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen und langsam an einen strukturierten Alltag gewöhnen. Zudem können die Jugendlichen unter fachlicher Anleitung erste handwerkliche Grundlagen erlernen. Das Werkpädagogische Angebot ist auf die Herstellung von Gebrauchsgegenständen oder die Bereitstellung von Dienstleistungen ausgerichtet. Sie können für den persönlichen Gebrauch, für die Gruppe, für die Verbesserung der Ausstattung des Lernstandortes oder auch für andere Einrichtungen bestimmt sein. Im Rahmen des werkpädagogischen Angebots besteht außerdem die Möglichkeit, Praktika in Betrieben und anderen Einrichtungen zu absolvieren. Lernpädagogische Angebote Mit dem Ziel der Reintegration in die Regelschule sind insbesondere zwei Aspekte des Lernpädagogischen Angebotes hervorzuheben. Zum einen sollen Lerndefizite aufgearbeitet werden, zum anderen soll die Motivation für Lernprozesse wieder geweckt werden. Am Anfang steht die Herstellung der Motivation zu inhaltlicher Auseinandersetzung. Hierzu wird interdisziplinärer Projektunterricht durchgeführt, dessen Inhalte sich an der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler und an den werkpraktischen Angeboten orientieren. In die Themenfindung werden die Jugendlichen mit einbezogen. Entscheidend ist dabei zunächst die Vermittlung von Lernerfolgserlebnissen. Eine Aufarbeitung von Wissensdefiziten ist erst dann möglich, wenn eine Offenheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gegenüber schulischen Lernprozessen erreicht wurde und grundlegende soziale Kompetenzen für die Teilnahme am Unterricht vermittelt worden sind. Dabei werden die unterschiedlichen Leistungs- und Bildungsniveaus berücksichtigt und individuelle Einstufungen und daraus resultierende Lerninhalte festgelegt, um entsprechend den Leistungsniveaus der einzelnen Personen zu fördern. Methodisch wird mit den an Gesamtschulen erfolgreich eingesetzten Themenplan gearbeitet, wobei die Unterrichtsinhalte sich im Wesentlichen an dem Fächerkanon orientieren, der für das Erreichen des Hauptschulabschlusses notwendig ist. Kreativ- und Freizeitpädagogische Angebote Dieser Bereich bietet den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, über Selbsterfahrung ihren Interessenhorizont und ihre Handlungskompetenzen zu erweitern und ihre sozialen Kompetenzen zu stärken. Zudem haben Kreativ- und Freizeitangebote kompensatorischen Charakter. Mit ihnen können Konfliktsituationen entschärft oder auch Ermüdungserscheinungen sowie temporäre Schwächephasen überbrückt werden. Die -9-

Teilnehmerinnen und Teilnehmer können so abschalten und sich entspannen, was wiederum zu einer Förderung der Leistungsbereitschaft führt. 3.2.3 Zeitlicher Rahmen Um die Schülerinnen und Schüler wieder für die Wiederaufnahme eines regelmäßigen Schulbesuchs zu motivieren und eine dauerhafte Reintegration in die Regelschule zu erreichen, ist in der Regel von einer Aufnahme in das Projekt von etwa 6 Monaten auszugehen. Der Verbleib ist jedoch vom Einzelfall abhängig, und kann je nach Verlauf und Bedarf verkürzt oder auch verlängert werden. Der Betreuungsumfang entspricht etwa dem der Regelschule: Montag Freitag, 8.00 13.15 Uhr. 3.2.4 Zuweisung/ Aufnahme Die Zuweisung zum Projekt erfolgt zentral über die Fachberatung Schulverweigerung. Schülerinnen und Schüler die eventuell für das Projekt in Frage kommen, werden der Fachberatung gemeldet oder sind der Fachberatung durch die alltägliche Arbeit bereits bekannt. Sie überprüft im Rahmen des Clearing-Verfahrens die Möglichkeit und Notwendigkeit einer Aufnahme in den außerschulischen Lernstandort. Dabei kommt folgendes Verfahren zur Anwendung: 1. Gründe für die Schulverweigerung werden unter Berücksichtigung aller Beteiligten im Rahmen einer Diagnostik ermittelt. 2. Prüfen, ob durch die Bereitstellung, Fortführung oder Intensivierung ambulanter Hilfemaßnahmen eine Rückkehr in die Schule erreicht werden kann, ggf. Einleitung, Koordination und Kontrolle der Wirksamkeit der Maßnahmen. 3. Gibt es nach Nr. 2 keine geeigneten Fördermöglichkeiten oder bleiben die dort ergriffenen Maßnahmen erfolglos, wird eine Aufnahme in das Projekt in Erwägung gezogen und der außerschulische Lernstandort vorgestellt. 4. Entscheidet sich die Schülerin/ der Schüler für eine Teilnahme, wird ein Aufnahmeverfahren durchgeführt, insbesondere zur Klärung der Motivation. Dies beinhaltet intensive Gespräche mit den Betroffenen (und deren Eltern) sowie ein Praktikum im Projekt. Das Ergebnis wird in einer Stellungnahme zusammengefasst. 5. Die Stellungnahme wird von einem Gremium geprüft. Bei einer positiven Entscheidung erfolgt die Terminierung der Aufnahme und Verweildauer Meldung bei der Landesschulbehörde Absprache mit der Herkunftsschule Einholung der Zustimmung der Eltern 3.3 Abgestimmter Verfahrensablauf bei Schulpflichtverletzungen Eine weitere Neuerung im Umgang mit Schulabsentismus ist ein stärker pädagogisch ausgerichteter und abgestimmter Verfahrensablauf (Anlage Ablaufdiagramm) bei -10-

Schulpflichtversäumnissen. Schulen haben nach 176 NSchG die Pflicht, Schulpflichtverletzungen bei der Stadt anzuzeigen. Diese ist für die Ahndung der Ordnungswidrigkeiten zuständig und leitet ggf. ein Ordnungswidrigkeitsverfahren ein. Im Rahmen dieser Schulpflichtverletzungsanzeigen soll es zukünftig ein Verfahrensablauf geben, der über die ordnungsrechtlichen Maßnahmen hinausgeht und pädagogischen Maßnahmen mit entsprechenden Hilfesystemen den Vorrang einräumt. 3.3.1 Die Schulen Ausgangspunkt sind die Schulen. Diese sollten zunächst im Rahmen ihrer pädagogischen Handlungsmöglichkeiten auf Schulversäumnisse reagieren. Aus der Erfahrung des NiKo- Projektes heraus scheint es sinnvoll zu sein, dass Schulen über die allgemeinen Maßnahmen hinaus (Schülergespräche, Elternarbeit etc.) schulinterne Handlungsstrategien und Maßnahmenkataloge gegen Schulabsentismus auf präventiver wie interventiver Ebene entwickeln, die in das Schulprogramm aufgenommen werden. Daneben sind die Schulen verpflichtet, Schulpflichtverletzungen bei der Stadt anzuzeigen. Zu welchem Zeitpunkt eine Anzeige zu erfolgen hat, war in der Vergangenheit nicht geregelt und führte zu sehr unterschiedlichen Umgehensweisen und zeitlichen Verzögerungen bei der Meldung. Zukünftig sollen Schulen Schulpflichtverletzungen einheitlich und verbindlich nach dem 5. unentschuldigten Fehltag (aufeinander folgend oder summiert) oder bei einer auffällig hohen Anzahl von einzelnen Fehlstunden oder Verspätungen bei der Stadt zur Anzeige bringen. Weitere unentschuldigte Fehlzeiten, die nach einer Anzeige auftreten, sollen zeitnah dem zuständigen Amt mitgeteilt werden. Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass in Fällen von Schulabsentismus frühzeitig reagiert und interveniert werden kann und sich möglicherweise schulvermeidende Verhaltensweisen erst gar nicht verfestigen können. Zudem bietet dieses Verfahren bei allen Beteiligten Klarheit, Transparenz und Sicherheit im Umgang mit Schulversäumnissen. 3.3.2 Das Amt für Jugend, Familie und Schule Um bei Schulpflichtverletzungen vorrangig pädagogisch zu intervenieren und pädagogische Maßnahmen den ordnungsrechtlichen Maßnahmen vorzuschalten, werden die Schulpflichtverletzungsanzeigen per E-Mail von den Schulen zunächst an die Fachberatung Schulverweigerung übersandt. Diese wird nun in allen gemeldeten Fällen aktiv und versucht Kontakt zu den Familien aufzunehmen. Hierzu lädt sie die betroffen Schülerinnen und Schüler und deren Erziehungsberechtigten zum Gespräch ein. Die Fachberatung wird versuchen, im Rahmen eines Clearing- Verfahrens die Gründe für das schulvermeidende Verhalten zu ermitteln. Zudem wird im Clearing-Prozess geklärt, welche Unterstützungsmaßnahmen nötig und möglich sind, um wieder einen regelmäßigen Schulbesuch bzw. eine Reintegration in die Schule zu erreichen. Grundlage hierfür ist eine Diagnostik, welche die individuelle Situation der betroffenen herausarbeitet und die Problemlagen der Einzelfälle identifiziert. Der gesamte Clearing-Prozess findet in enger Zusammenarbeit und Abstimmung zwischen der Fachberatung, den Schulen, den Erziehungsberechtigten und ggf. weiterer Hilfeeinrichtungen (unter Anwendung von Schweigepflichtentbindungen) statt. -11-

Ist keine Kontaktaufnahme möglich, bleiben die eingeleiteten pädagogischen Hilfemaßnahmen erfolglos bzw. besteht bei den Betroffenen keine Bereitschaft zur Mitarbeit, wird die Fachberatung den Fall (die ursprüngliche Anzeige der Schulen sowie ein Ergänzungsblatt) an die Ahndungsstelle des Fachdienstes Schule und Bildung übergeben, die ein Ordnungswidrigkeitsverfahren einleiten wird. Die Fachberatung versucht auch nach der Einleitung eines Verfahrens weiterhin pädagogisch zu intervenieren, um weitere Fehlzeiten und Anzeigen zu vermeiden. 3.3.3 Kooperationspartner Ist eine alleinige Intervention durch die Fachberatung nicht ausreichend, wird versucht, begleitende Hilfen zu vermitteln und zu installieren, um den Schüler zu stabilisieren, Probleme zu bewältigen und wieder für den regelmäßigen Schulbesuch zu motivieren. Begleitende Hilfen können aufgrund des differenzierten und im Einzelfall zu betrachtenden Ursachengeflechts vielfältig sein. Nachfolgend sind verschiedene Institutionen und Fachstellen benannt, mit denen im Hilfekontext eine enge Zusammenarbeit stattfindet : Beratungsstellen Kinder- und Jugendärztlicher Dienst des Gesundheitsamtes Fachärzte Kinder- und Jugendpsychiatrie Oldenburg (KJP) Clearingstelle für Schulabsentismus und Dropout der Universität Oldenburg Allgemeiner Sozialdienst (ASD) Sollte sich im Clearingprozess herausstellen, dass auch mit unterstützenden Hilfen eine Integration des Schülers in die Regelschule momentan nicht möglich ist und eine massive Schulverweigerung vorliegt, wird die Fachberatung ggf. eine Aufnahme in den außerschulischen Lernstandort für Schüler der Sekundarstufe I (bzw. in das SiJu-Projekt) vorschlagen. Die Zuweisung und Aufnahme in den außerschulischen Lernstandort wird ausschließlich durch die Fachberatung koordinieren. Nach einer Aufnahme in das Projekt gibt die Fachberatung die Zuständigkeit an das Projekt ab. Die Anlage visualisiert den beschriebenen Verfahrensablauf und verdeutlicht noch einmal die Verfahrenswege. -12-