Internationales und Europäisches Finanz- und Steuerrecht

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Internationales und Europäisches Finanz- und Steuerrecht 21. April 2016 Dr. Stephan Schauhoff von Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht Prof. Dr. Stephan Schauhoff Rechtsanwalt/Fachanwalt für Steuerrecht

2 Europäisches Steuerrecht (Tipke/Lang 4; Schaumburg, Kapitel 3-4) 2

I. Rechtsquellen Primärrecht: Vertrag über die Europäische Union (EUV) Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) Kompetenz Harmonisierung: Art. 113, 115f. AEUV Grundfreiheiten als Schranke der Besteuerung: Art. 26 Abs. 2 AEUV Beihilfeverbot Art. 107 f. AEUV Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum: Liechtenstein, Norwegen, Island Freizügigkeitsabkommen mit der Schweiz Europäische Menschenrechtskonvention 3

I. Rechtsquellen Sekundär- und Tertiärrecht Verordnung: Europäische Zollunion unmittelbares Recht Richtlinien Umsetzung Mitgliedsstaat Rat einstimmig auf Vorschlag Kommission Schiedsverfahrenskonvention, Art. 293 EGV (Vertrag) Tertiärrecht: MWSt-Durchführungsverordnung v. 2012 Kommission Befugnis eingeräumt, Richtlinien zu ergänzen (nicht wesentliche Vorschriften des Sekundärrechtes, Art. 292 Abs. 2 AEUV) 4

1. Vertrag über die Europäische Union (EUV) und Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) Art. 26 Abs. 2 AEUV: Der Binnenmarkt umfasst einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen der Verträge gewährleistet ist. Entscheidung der Gerichte EuGH: Interpretation und Rechtsfortbildung primär- und sekundärrechtlicher Vorgaben Vorabentscheidungsverfahren (Art. 267 AEUV) Offenkundige Verkennung oder Missachtung einschlägiger Rechtsprechungsgrundsätze löst Staatshaftungsansprüche aus (EuGH C-446/04, FII Group Litigation, Rz. 214; C-224/01, Köbler, Rz. 56 zu gesetzgeberischer bzw. richterlicher Fehlentscheidung). 5

a) Allgemeines Diskriminierungsverbot und Freizügigkeitsrecht Jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit (Art. 18 Abs. 1 AEUV) Allgemeines Freizügigkeitsrecht (Art. 21 AEUV) Bislang kaum Bedeutung im Steuerrecht 6

b) Grundfreiheiten Warenverkehrsfreiheit (Art. 28 ff. AEUV indirekte Steuern) Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV) Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63/64 AEUV) verlangen, dass jeder ausländische EU-Bürger wie inländischer EU-Bürger behandelt wird, auch juristische Personen. Beispiel: Wenn die Sitzverlegung der A GmbH von NRW nach Bayern keine Steuern auslöst, darf auch nicht die Sitzverlegung nach Frankreich Steuern auslösen. A, der in D arbeitet, aber in FRA lebt, muss mit seinem Einkommen in D so besteuert werden, wie B, der in D lebt und arbeitet. Gelten nur bei Wohnsitz/Sitz/Geschäftsleitung in EU oder EWR Rechtfertigung eines Verstoßes denkbar: Missbrauchsbekämpfung, steuerliche Kontrolle, Verhinderung Doppelbelastung, aber nicht: fehlende Harmonisierung des Rechtes, Vorteilsausgleich mit anderen Nachteilen für Inländer 7

Beispiele: Kapitalverkehrsfreiheit: Niedriger Freibetrag für EU-Ausländer im ErbStG: EuGH v. 17.10.2013 Rs. C-181/12, Y von Welte; FG Düsseldorf v. 18.12.2015 4 K 3636/14: Kürzung Freibetrag nach 16 Abs. 1 ErbStG um Anteil Auslandsvermögen verstößt gegen Kapitalverkehrsfreiheit Strafsteuer für schwarze Fonds nach 5,6 InvStG: EuGH- Generalanwalt v. 21.11.2013 C-326/12; BFH v. 6.8.2013, VIII R 39/12; EuGH v, 21,5,2015 C 560/12: Art. 64 AEUV ist dahin auszulegen, dass Strafsteuer für schwarze Fonds (Gewinnannahme von 6 v.h. jährlich nach 18 Abs. 3 AuslInvG) eine Maßnahme darstellt, die gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt, da sie Anleger davon abhalten kann, derartige Anteile zu erwerben, wenn nicht nach tatsächlichem Gewinn besteuert wird. 8

Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV): EuGH v. 18.6.2015 C 9/14; ECLJ:Eu:C:2015:406 X, dt. Staatsangehöriger, Wohnsitz in NL, tilgte Hypothek für in D belegene Wohnung. Vom 01.01. bis 31.03.2005 arbeitete er in NL, wohnte in D und zog dann in die USA. Durfte negative Einkünfte aus Hypothek nicht in NL abziehen, da er wesentlichen Teil der Einkünfte in USA bezog. Kein Verstoß gegen Art. 45 AEUV unabhängig von Wegzug in die USA, da Mitgliedstaat (hier NL) berücksichtigen darf, dass wesentliche Einkünfte in dem Kalenderjahr nicht aus NL stammen. Es ist Mitgliedstaaten in Anbetracht objektiver Unterschiede zwischen Gebietsansässigen und Gebietsfremden hinsichtlich Einkunftsquelle und persönlicher Steuerkraft sowie persönlicher Lage und Familienstand erlaubt, bestimmte Steuervergünstigungen nur Gebietsfremden zu versagen (vgl. auch EuGH Grünwald C-559/13) EU:C:2015:109 Rn. 26). 90 %-Grenze wie in 1a EStG nach Schumacker C-279/93; EU:C:1995:31 möglich. 9

Niederlassungsfreiheit, Art. 49 AEUV EuGH v. 21.5.2015-C-657/13, Verder Lab Tec; Vorlage FG Düsseldorf v. 5.12.2013 8 K 3664/11F Verstößt 4 Abs. 1 Satz 3, 4g EStG gegen Art 49 AEUV. EuGH: Staffelung auf zehn Jahre ist zulässig. Typisierung Zwar Niederlassungsfreiheit gegenüber Steuerinländer eingeschränkt, Steuerneutralität der Überführung ist unionsrechtlich aber nicht geboten (vgl. EuGH National Grid Indus C-371/10., EU:C:2011:185). Aufteilung Besteuerungsbefugnis bleibt Mitgliedstaaten vorbehalten. 10 Jahre ist verhältnismäßig, offen bleibt, ob auch 5 Jahre. 10

Prüfungsmaßstab: Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) => Unternehmensbesteuerung i.e.s., auch maßgeblicher Einfluss auf Unternehmensbeteiligung. Gilt nicht gegenüber Drittstaaten. Niederlassungsfreiheit und Kapitalverkehrsfreiheit können ggfs. beide Anwendung finden (vgl. FG Ba-Wü v. 23.07.2012 6 K 2522/09), Anknüpfung an Inhalt der zu beurteilenden Norm, nicht konkreten Fall. Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV), Ausnahmen nach Art. 64 Abs. 1 AEUV, erweiterte Rechtfertigung für steuerliche Diskriminierung. Gilt auch gegenüber Drittstaaten. Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV) Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV): unternehmerische Tätigkeit ohne dauerhafte Präsenz im anderen Staat. 11

Verhältnismäßigkeit, bspw. soweit EU-Amtshilfe Schutz vor Missbrauch gibt, keine Beschränkung Grundfreiheit gerechtfertigt Rechtsfolge Verstoß: Grundfreiheiten sind unmittelbar geltendes Recht, verstoßende nationale Regelung / Auslegung unanwendbar Vorrangig normerhaltende Reduktion EuGH v. 28.11.2013 Rs. C-319/12 MDDP: Rosinentheorie greift nicht, nicht nur Berufung auf Vorteile des europäischen Rechts (Beispiel: Vorsteuerabzug nach MWStSytRL, Steuerfreiheit nach UStG), sondern Zusammenschau. Wohl unterschiedliche Anwendung bei verschiedenen Steuerpflichtigen. Kommission kann Verstoß rügen: Art. 258 AEUV 12

Warenverkehrsfreiheit (Art. 28 ff. AEUV) Wettbewerbsneutralität Import/Export Bestimmungslandprinzip Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV) Schumacker, EuGH v. 14.2.1995 Rs.C-279/93 3 Abs. 3 EStG 13

Niederlassungsfreiheit (Art. 49 ff. AEUV) schützt jede unternehmerische Tätigkeit, ggfs. auch aus Drittstaaten von Unternehmen erschweren etc. Dividendenbesteuerung Zuzug Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 ff. AEUV) EuGH v. 12.6.2003 Rs.C-234/01 Gerritse Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 ff. AEUV): Stauffer v. 14.9.2006, Rs.C-386/04 14

2. Harmonisierungsauftrag Unterschiedlich gefasst, bei indirekten Steuern eindeutig (Art. 113 AEUV), bei direkten Steuern keine Vollharmonisierung sondern nur bei spezifischer und besonders erheblicher Wettbewerbsverzerrung unter Vorbehalt Subsidiarität und Erforderlichkeit (Art. 115, 116, 5 Abs. 3, Abs. 4 AEUV) Aber: Harmonisierungszwang durch EuGH-Urteile mit zeitlich unbegrenzter Rückwirkung zu Grundfreiheiten 15

a) Direkte Steuern Fusionsrichtlinie Mutter-Tochter-Richtlinie Zins- und Lizenz-Richtlinie Zinsrichtlinie ( 45e EStG, Steuerverfahren) Schiedsverfahrenskonvention zu Gewinnberichtigung zwischen verbundenen Unternehmen Bilanzrichtlinie ( 50 Abs. 2g AEUV) 16

b) Indirekte Steuern Harmonisierungspflicht (Art. 113 AEUV) für Umsatzsteuer (MWStSystRL), Verbrauchsabgaben, sonstige indirekte Steuern (Verbrauchssteuer-Richtlinie), Mineralöl, Strom, Tabak, Alkohol Bestimmungslandprinzip, Ausfuhr/Einfuhr steuerfrei; aber im nichtkommerziellen innergemeinschaftlichen Reiseverkehr Ursprungslandprinzip 17

c) Erbschaft- und Schenkungsteuer Ihle, ZEV 2012, 173: Empfehlung Kommission v. 15.12.2011, Kom (2011), 864 18 Staaten erheben diese, teilweise auf Nachlass, teilweise auf Erbanfall Diskriminierung Doppelbesteuerung EuGH v. 11.12.2003, C-364/01 (Barbier): Kapitalverkehrsfreiheit: Gleichbehandlung ausländischen/inländischen Vermögens; Ungleichbehandlung von Personen nach Ansässigkeit verboten, Diskriminierungsverbot bei Hinterlassenschaften an Gemeinnützige Freibetrag beschränkt Stpfl.: EuGH v. 17.10.2013 Rs. C-181/12 Yvon Welte Französische Erbschaftsteuer auf Kapitalvermögen, in FRA von D Erblasser angelegt, nur mit Billigkeit nach Konfiskation (BFH v. 19.6.2013, II R 10/12 unter Berufung auf EuGH v. 12.2.2009, C-67/08, Margarete Block) 18

3. Richtlinien und EUR-Verordnungen Verordnungen des Rates wirken direkt Richtlinien sind umzusetzen und sehen vielfache Wahlrechte der Mitgliedstaaten vor (s. Art. 133 MWStSystRL) Art. 288 Abs. 3 AEUV: Wenn Richtlinienbestimmung unbedingt und hinreichend klar ist Nur Bürger kann sich darauf berufen Vorrangig richtlinienkonforme Auslegung (auch gegen den Wortlaut des nationalen Gesetzes?) Gesamtschau aus be- und entlastenden Umständen 19

II. Auslegung des EU-Rechts EuGH hat Kontrollmonopol für EU-Recht; wenn gesicherte Rechtsprechung vorliegt oder Auslegung ohne vernünftige Zweifel möglich ist, entfällt Vorlagepflicht EuGH legt jenseits Wortlautverständnis aus; dynamische rechtsfortbildende Auslegung bedarf aber nach deutschem Verfassungsverständnis gesetzlicher Grundlage. Jede Sprachfassung ist gleichermaßen verbindlich (Art. 55 EUV). Teleologische Auslegung des Sekundärrechtes nach Begründungserwägungen Im Zweifel unionskonforme Auslegung Offenkundigkeit zu 16 ErbStG: FG Ba-Wü v. 28.7.2014 11 K 3629/13 Vorlage zu 16 ErbStG: FG Düsseldorf v. 22.10.2014 4 K 488/14 20

1. Richtlinienkonforme Auslegung Was geht vor? Wortlaut deutsches Gesetz oder Richtlinie? BFH v. 10.11.2011, V R 41/10: Nur bei möglichem Wortsinn Abweichung vom Gesetzestext, ansonsten Vorrang für Steuerpflichtigen Absoluter Vorrang der Richtlinienbestimmung, deutsche Norm ist zu ignorieren Auslegung jenseits Wortsinn verletzt verfassungsrechtlich gebotene Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung 21

2. Vorlagepflicht und Wirkung von EUGH-Entscheidungen EuGH hat Verwerfungsmonopol für Unionsrechtsakte, entscheidet abschließend mit Rückwirkung (!) über Auslegung des Steuerrechts in Bezug auf europäisches Primär- und Sekundärrecht. Nach Art. 4 Abs. 3 2 EUV: Nationale Steuerrechtsnormen sind auf Unvereinbarkeit mit Unionsrecht hin zu beurteilen und ggfs. Abhilfe zu schaffen. Unionsrechtswidrig erhobene Steuern müssen erstattet werden. Nur selten schränkt EuGH Rückwirkung ein (EuGH v. 06.03.2007 C-292/04, Meilicke II, Rz. 35 ff.) Erst Steuerbescheid beseitigen, dann nach 37 Abs. 2 AO Erstattung Pflicht zur Rückforderung unionsrechtswidrig gewährter steuerlicher Begünstigungen 22

2. Vorlagepflicht und Wirkung von EUGH-Entscheidungen Rechtssicherheit und Vertrauensschutz sind auch europarechtliche Kriterien, entsprechende nationale Regeln wirken, aber Gebot, EU-Recht effektiv durchzusetzen, bewirkt vielfach Rückwirkungsmöglichkeit: 175 Abs. 2 Satz 2 AO zu Manninen EuGH v. 7.9.2004, C-319/02: Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer auf deutsche Dividendenbesteuerung nach altem KSt-System: zweifelhaft, ob Norm unionsrechtswidrig. 23

III. Europäischer Wirtschaftsraum EuGH v. 19.7.2012 C-48/11 (A Oy) Norwegische Gesellschaft tauscht Anteile von finnischer Gesellschaft mit dieser Praktisch wirken Grundfreiheiten auch im Verhältnis zu EWR-Staaten, zahlreiche Entscheidungen zur Schweiz. IV. Freizügigkeitsabkommen EU-CH EuGH v. 28.2.2013 Rs.-C-425/11 Ettwein, FG Ba-Wü v. 7.7.2011 3 K 3752/10 Eheleute, D Staatsangehörige, arbeiten in D und leben in CH. CH nicht Teil der EU. Kein Splitting nach 1a EStG. Verstoß gegen Art. 1a Freizügigkeitsabkommen. 24