Demokratische Performanz im weltweiten Vergleich: Kritik an den Demokratieindizes

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Transkript:

Diese Forschung konnte mit Unterstützung des ungarischen Staates und der Europäischen Union, in Kofinanzierung des Europäischen Sozialfonds, durch die im Rahmen des Projektes TÁMOP 4.2.4.A-1 ausgeschriebene Stipendienförderung verwirklicht werden. Demokratische Performanz im weltweiten Vergleich: Kritik an den Demokratieindizes von Marvin Woltering Viele der einschlägigen Demokratieindizes bescheinigen Ungarn seit dem Jahr 2006 eine verschlechterte Performanz seiner Demokratie. Beispielsweise attestieren der Bertelsmann Transformationsindex und The Economist Intelligence Unit Ungarn, dass die demokratische Qualität seit Jahren abnimmt. Weiter zeigen sie, dass die ungarische Demokratie mit Antritt der Fidesz-KDNP 1 Koalition, die im Parlament über eine Zwei- Drittel-Mehrheit verfügt, den Trend der verschlechterten Demokratieperformanz nicht stoppen konnte. Vielmehr muss nach Analyse der Demokratieindizes festgestellt werden, dass sich diese Tendenz seit 2010 verstärkt hat und die negative Entwicklung beschleunigt wurde. Trotzdem ist für diese Demokratiemessinstrumente klar, dass Ungarns politisches System nach wie vor als demokratisch zu bezeichnen ist. Beispielsweise platziert der Bertelsmann Transformationsindex (BTI) Ungarn nicht mehr in der Spitzengruppe der Transformationsstaaten, sondern verweist das Land zumindest noch in der zweiten Kategorie der am besten abschneidenden Transformationsländer auf den ersten Platz. Entgegen der Kritik von westlichen Medien und linksgerichteten Politikern, die Ungarn immer wieder unterstellen eine Autokratie zu sein 2, gelingt es weder mittels der sehr genauen, noch der eher gröberen Demokratieindizes Ungarn zu bescheinigen, dass das Land trotz massiver Demokratiedefizite in den letzten Jahren nicht mehr zum Kreise der konsolidierten Demokratien zu zählen ist. Häufig kritisiert werden Ungarns Mediengesetz, das Staatsbürgerschaftsgesetz, die Beschneidung der Kompetenzen des Verfassungsgerichts, das Nationalbankengesetz sowie die wenig von Konsens getragene politische Kultur der jetzigen Regierung. Die Ausnutzung der Zwei-Drittel-Mehrheit der Regierungskoalition im Parlament gipfelte 2011 darin, dass eine neue Verfassung im Eiltempo verabschiedet wurde. Die neue Verfassung, zwölf Verfassungsänderungen sowie zahlreiche Gesetzesänderungen der vergangenen Jahre werden sowohl von der durch den Europarat 1 Fidesz: Fiatal Demokraták Szövetsége (Bund Junger Demokraten); KDNP: Kereszténydemokrata Néppárt (Christlich-Demokratische Volkspartei) 2 http://www.spiegel.de/politik/ausland/orbans-rechtsruck-in-ungarn-autokratisch-durchgeknallt-a-807287.html

eingesetzten Venedig-Kommission als auch durch den Bericht des Abgeordneten der Grünen- Fraktion im Europäischen Parlament, Rui Tavares, kritisiert. Insbesondere im Tavares-Bericht wird Ungarn für die Verletzung von Menschen- und Bürgerrechten kritisiert. 3 Entgegen dieser massiven Kritik sehen die Demokratieindizes Ungarn hier trotz einiger Schwachstellen, nach wie vor zum Kreise der funktionsfähigen Demokratien gehörig. Der Index von Polity IV geht sogar soweit, dass er die Demokratie in Ungarn von 1991 bis 2011 (Zeitpunkt der letzten Messung) durchgängig auf dem höchsten Demokratieniveau ansiedelt. Damit rangiert der Demokratiegehalt Ungarns auf dem gleichen Niveau wie die politischen Systeme etablierter Demokratien wie etwa Norwegens und Schwedens. Dies liegt allerdings an den sehr groben Demokratieindikatoren von Polity IV. Bei diesen Indikatoren handelt es sich um nur fünf Dimensionen, für die jeweils der Demokratie- bzw. Autokratiegehalt eines politischen Systems ermittelt und anschließend verrechnet werden. 4 Demokratieindizes wie der Polity IV-Index sowie Freedom House legen viel gröbere (d.h. weniger Indikatoren) dafür an, um ein Land als vollständig konsolidierte Demokratie zu bezeichnen als etwa BTI und The Economist Intelligence Unit. Im Gegensatz zu Polity IV sind bei BTI, The Economist Intelligence Unit (seit 2006) sowie Freedom House (seit 2012) für die Performanz des ungarischen Regierungssystems Veränderungen zu verzeichnen. Dennoch bezeichnen alle erwähnten Demokratieindizes Ungarn als ein freies bzw. demokratisches Land. Interessanter Weise kommt es zu solch einem Ergebnis, obwohl einige Indizes massiv verschlechterte Ergebnisse für die verschiedenen Indikatoren der Demokratiemessung konstatieren. So stellt sich die Frage nach dem Sinn des Vergleichs der Demokratieperformanz der Staaten, wenn im Falle Ungarns auch nach dem gehäuften Feststellen von gewissen Mängeln der Demokratie in der Gesamtbewertung kaum Unterschiede gemacht werden und das politisches System Ungarns als frei, bzw. So wird die demokratische Performanz vom Polity IV-Index als genauso demokratisch eingestuft wie die der nordischen Staaten. Es muss danach gefragt werden, welche Schlussfolgerungen aus den Indizes gezogen werden können und welche Aussagekraft die herangezogenen Indikatoren haben. Wenn also für die ungarische Demokratie letztendlich immer festgestellt wird, dass sie trotz ihrer erheblichen Mängel, die sich seit 2010 verschärfen, als konsolidiert oder zumindest 3 http://www.europarl.europa.eu/sides/getdoc.do?pubref=-//ep//text+report+a7-2013- 0229+0+DOC+XML+V0//EN&language=en; http://www.venice.coe.int/webforms/documents/?pdf=cdl-ad%282013%29012-e 4 Polity IV

auf dem Weg zur Konsolidierung gilt, muss die Demokratiemessung in Frage gestellt werden. Es muss danach gefragt werden welchen Sinn es macht ein politisches System, wie das von Ungarn auf diese Weise zu untersuchen und welchen Sinn es hat, dieses Ergebnis einem weltweiten Vergleich zu unterziehen. Wenn man die Ergebnisse für das ungarische politische System in den Demokratieindizes vergleicht und dies in Relation zu den weltweit existierenden politischen Systemen setzt, kommt man sehr schnell zu dem Schluss, dass Ungarn eher der perfekten Demokratie, als der Autokratie zuzuordnen ist, doch sagt diese sehr grobe Einordnung nur wenig über Ungarn und das Ausmaß einer veränderten Performanz der ungarischen Demokratie aus. Die Demokratieindizes zeigen, dass die Vermessung der Demokratie alles andere als leicht ist und es vor allem in der Übergangszone zwischen liberalen und defekten demokratischen Regimen, in der sich Ungarn offenbar befindet, schwierig ist, aussagekräftige Ergebnisse für die Performanz zu generieren. Doch was können die Demokratieindizes dann leisten? Den Demokratieindizes gelingt es zumindest eine grobe Tendenz der Performanz aufzuzeigen und es gelingt ihnen relativ aussagekräftige Ergebnisse an den Extremen zu generieren. Die Demokratieindizes lassen sich also hervorragend anwenden, wenn es darum geht die Spitze der demokratischsten Länder zu ermitteln und die am wenigsten demokratisch entwickelten Staaten auszuloten. Die Ergebnisse für diese Staaten sind im Gegensatz zu den Ergebnissen für die Staaten am unteren Ende der Skala der liberalen Demokratien sehr leicht zu ermitteln und die Ergebnisse sind relativ aussagekräftig. Vor allem dann, wenn man die Extreme mit einander vergleicht: Das politische System Norwegens kann als am ehesten der perfekten Demokratie entsprechend gelten, wohingegen das politische System Nordkoreas am ehesten als perfekte Autokratie gelten kann. Für Ungarn, das unter Anwendung der gleichen Kriterien in der Demokratieanalyse einen Wert erhält, der das Land im Mittelfeld der Demokratieentwicklung ansiedelt 5, ist diese Einordnung viel weniger aussagekräftig. Dass die Einordnung von Ungarns Demokratie im Mittelfeld der Demokratieperformanz wenig Bedeutsam ist, tritt besonders dann hervor, wenn man das Land mit anderen Ländern vergleicht, deren Demokratien ebenfalls im Mittelfeld bzw. am Rande der liberalen Demokratien angesiedelt werden. Aus dem Vergleich Ungarns mit Kroatien oder Trinidad und Tobago lassen sich viel schwieriger signifikante Rückschlüsse ziehen als etwa aus dem Vergleich Ungarns mit Norwegen oder Nordkorea. Daher ist es für 5 Bertelsmann Transformations Index; The Economist Intelligence Unit

die Staaten am unteren Ende der Skala der liberalen Demokratien besonders wichtig, dass genauere Methoden für die Messung ihrer Demokratieperformanz angewendet werden. Ein Abrutschen aus dem Feld der liberalen Demokratien in die Grauzone der hybriden Regime würde nicht zuletzt zu einem enormen Imageverlust führen. Wünschenswert wäre deshalb die Kombination von qualitativen und quantitativen Messmethoden, welche möglichst viele Indikatoren berücksichtigen und somit ein umfassendes Gesamtbild für die Demokratieentwicklung in einem Land abbilden. Ziel müsste es sein für die Vergleichbarkeit aller politischen Systeme genaue Analysemethoden mit einem breitgefächertem Indikatorenkanon anzuwenden, um aussagekräftige Daten zu generieren, mit denen sich die Staaten deutlicher voneinander abgrenzen lassen. Leider lassen sich solche genaue Daten für alle Staaten der Welt kaum erheben. Aus diesem Grund sollte man darüber nachdenken, ob die globalen Indizes nicht durch regionale Indizes ergänzt werden sollten. Ferner muss in Frage gestellt werden, ob es für bestimmte Regionen überhaupt möglich und sinnvoll ist Daten zu erheben, um den Demokratiegehalt der politischen Systeme zu messen und zu vergleichen. Über viele Staaten Afrikas sowie viele Staaten Asiens gibt es, im Gegensatz zu den europäischen oder nordamerikanischen Staaten, kaum verlässliche Daten, die es ermöglichen ihre politischen Systeme in ein Ranking einzuordnen und mit anderen Staaten zu vergleichen. Für diese Staaten sollten alternative Rankings durchgeführt werden, die sich nur der Daten bedienen, welche für alle zu vergleichenden Länder verlässlich erhoben werden können. Es sollten also nur Indikatoren Verwendung finden, für die einheitlich vergleichbare Daten vorliegen. Ungarn, als ein Land, über das jegliche Daten vorliegen, welche Schlüsse auf die Entwicklung seines politischen System zulassen, sollte daher einer sehr genauen Demokratieanalyse unterworfen werden, sodass das Land in ein europäisches Ranking eingeordnet werden kann. Der Vorteil wäre, dass die Vergleichbarkeit eher gegeben wäre und die Schwachstellen des politischen Systems deutlicher zu Tage treten. Damit hätten das Ergebnis der Analyse und die Einordnung in ein Ranking einen viel größeren Signalcharakter, als es in den weltweiten Indizes der Fall ist. Wenn dieser Signalcharakter erfüllt ist, könnte sich außerdem eine Dynamik entwickeln, dass das Land mehr daran interessiert ist die Defizite seiner Demokratie stärker zu bekämpfen oder erst gar nicht entstehen zu lassen. Denkbar wäre beispielsweise im europäischen Rahmen ein EU-internes Demokratieranking. Es sei darauf hingewiesen, dass die Staaten in den verschiedenen Regionen der Welt auf sehr unterschiedliche demokratische Traditionen blicken, so dass europäische Maßstäbe

nur sehr schwer auf asiatische oder afrikanische Gesellschaften und ihre Demokratieformen anwendbar sind. Hervorzuheben wäre hier Afghanistan, das nach BTI, Freedom House, Polity IV und The Economist Intelligence Unit eines der autoritärsten Staaten ist, aber dennoch über gewisse stammesbezogene Demokratieformen verfügt. Diese Demokratieformen werden nicht von den Demokratieindizes erfasst, da sie nur sehr schwer mit dem westlich geprägten Demokratiebegriffen der Demokratieindizes vereinbar sind. Weiter sollte Grundsätzlich danach gefragt werden, ob es tatsächlich notwendig ist Staaten wie Ungarn mit Staaten wie Kanada, Nordkorea, und Südafrika in einem Index zu vergleichen. Dass die ungarische Demokratie besser abschneidet, als etwa das politische System des Tschads ist zu erwarten und nur wenig aussagekräftig. Der Vergleich zwischen den Extremen erscheint hier einfacher, wohingegen der Vergleich zwischen Staaten mit einem ähnlichen Demokratiegehalt umso schwieriger wird, da durch die gewählten groben Indikatoren verschiedenste Regime in einer Kategorie zusammengefasst werden. Die groben Indizes können also grundsätzlich nur die ungefähre Tendenz eines politischen Regimes zu den Polen Demokratie und Autokratie aufzeigen. Problematisch ist dabei, dass die Veränderungen in konsolidierten Demokratien bzw. vermeintlich konsolidierten Demokratien kaum wahrgenommen werden. Es sollte daher darauf geachtet werden, dass man bei dem Vergleich politischer Systeme die bestehenden weltweiten Demokratieindizes durch präzisere Indizes ergänzt. Diese sollten die Staaten jeweils regional vergleichen oder aber die Staaten innerhalb gewisser Staatengruppen miteinander vergleichen (z.b. EU-Staaten, Staaten in Europa, OZSE-Staaten, AU-Staaten usw.). Für den BTI ist charakteristisch, dass er die Unterschiede der Demokratieperformanz verschiedener Staaten betont, indem er zwischen vollständig konsolidierten Demokratien und Transformationsstaaten unterscheidet. Dies führt allerdings dazu, dass die Transformationsländer nicht mit der Gruppe der konsolidierten Demokratien verglichen werden können, da die Daten für die Konsolidierten bewusst nicht erhoben werden. Interessanter Weise kann man somit Ungarn mit Südafrika und Rumänien vergleichen, nicht aber mit EU-Ländern wie Italien, Griechenland und Zypern, welche den konsolidierten Demokratien zugerechnet werden und somit für Bertelsmann jenseits der Vergleichbarkeit stehen. Fraglich ist, ob Staaten deren Demokratie als konsolidiert geadelt sind, in der Folge von Bertelsmann auf die Kontinuität dieses Zustandes untersucht werden, oder der einmal erreichte Zustand, als eine konsolidierte Demokratie zu gelten für immer gilt. Fraglich ist außerdem, warum offensichtlich undemokratische Staaten, in denen kaum Veränderungen in

Richtung demokratischer Konsolidierung zu beobachten sind wie etwa Saudi-Arabien genau wie die östlichen EU-Staaten als Transformationsland bezeichnet werden. Staaten wie Ungarn, die weder als konsolidierte Demokratie noch als hybride oder defekte Demokratie bezeichnet werden, können weniger gut mit ihresgleichen im Mittelfeld der Demokratieentwicklung verglichen werden, da die Ergebnisse für den Vergleich zu wenig spezifisch sind. Die Indizes vermögen es bisher nicht, ausreichende Daten für alle Länder der Welt zu erheben, so dass gerade der weltweite Vergleich kaum möglich ist. Viele Demokratieindizes reagieren daher damit, dass sie sehr grobe Analysen mit groben Indikatoren für die Messung anwenden. Diese Indizes vermögen es zwar sehr grundsätzliche Aussagen über die Tendenz der politischen Systeme weltweit aufzuzeigen, doch geben sie nur wenig Aufschluss darüber, welche Veränderungen in einem politischen System stattfinden und wie Veränderungen in Bezug auf den Stand der Demokratie zu interpretieren sind. Aus diesem Grund lassen sich weltweit nur die Demokratieindizes mit den groben Indikatoren gut vergleichen. Das Problem hierbei ist allerdings, dass die Aussagekräftigkeit mit der Grobheit der Indikatoren zur Messung der Demokratie abnimmt, denn ob ein Regime Free, Partly Free oder Not Free 6 ist, sagt über ein einzelnes Regime nur wenig aus und kann nur im Vergleich sinnvolle Informationen über den weltweite Trends liefern. Die Demokratieindizes sollten sich viel mehr auf die Vergleichbarkeit innerhalb bestimmter Staatengruppen (also Staaten, die man sinnvoll vergleichen kann) konzentrieren. Dies wäre gerade im europäischen Kontext möglich da gesicherte Daten und Analysen zu den politischen Systemen und ihrer Entwicklung zugänglich sind. Veränderungen in einem politischen System würden in einer bestimmten Referenzgruppe wie etwa den Staaten der EU viel mehr ins Gewicht fallen als es in einem Ranking von fast 200 Staaten der Fall ist. So gelänge es die Unterschiede von Regimen besser herauszustellen. In einem solchen Rahmen würde die seit 2010 beschleunigte Abnahme der demokratischen Qualität in Ungarn viel deutlicher auffallen, und Ungarns Demokratie würde dann viel schlechter abschneiden als sie es in den einschlägigen Demokratieindizes tut. Abgesehen von aussagekräftigeren und vergleichbareren Ergebnissen für die Forschung wäre zu hoffen, dass von ergänzenden Demokratieindizes zumindest in den Bevölkerungen der Transformationsstaaten das Bewusstsein zum Schutz der demokratischen Errungenschaften gestärkt wird. 6 Vgl. Freedomhouse.org