Unzulässige Einstellung des Asylverfahrens wegen Nichtbetreibens

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Transkript:

VG Augsburg, Urteil v. 08.02.2017 Au 5 K 17.30076 Titel: Unzulässige Einstellung des Asylverfahrens wegen Nichtbetreibens Normenketten: VwVfG 46 Asyl 25, 33 Abs. 1 VwGO 113 Abs. 1 S. 1 Leitsätze: 1 Die Fiktion der Rücknahme eines Asylantrags wegen Nichtbetreibens ( 33 AsylG) mit der Folge der Einstellung des Asylverfahrens tritt nicht ein, wenn der Asylsuchende zwar der Aufforderung zur Anhörung nicht gefolgt, aber keine ordnungsgemäß zugestellte Ladung zur Anhörung nachgewiesen ist und ein ausdrücklicher Hinweis auf die Rücknahmefiktion fehlt. (redaktioneller Leitsatz) 2 Nach Aufhebung eines auf der Grundlage von 33 AsylG ergangenen Einstellungsbescheides ist das Asylverfahren durch das Bundesamt fortzuführen und das Asylbegehren von ihm in der Sache zu prüfen. Ein Durchentscheiden des Gerichts ist nicht zulässig. (redaktioneller Leitsatz) Schlagworte: Irak, Rücknahme des Asylfolgeantrages, Behauptete Verletzung von Mitwirkungspflichten des Asylbewerbers, Kein Zustellungsnachweis der Ladungen zur persönlichen Anhörung, Kein Anspruch auf Durchentscheiden, Rücknahmefiktion, Mitwirkungspflichten, Zustellungsnachweis für Ladungen, Durchentscheiden Tenor I. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 23. Dezember 2016 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. II. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger und die Beklagte je zur Hälfte. Gerichtskosten werden nicht erhoben. III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Tatbestand 1 Der Kläger begehrt unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 23. Dezember 2016 die Anerkennung als Asylberechtigter bzw. die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Gewährung subsidiären Schutzes und die Feststellung des Vorliegens nationaler Abschiebungsverbote in den Irak. 2 Der am 1. März 1978 in * (Irak) geborene Kläger ist irakischer Staatsangehöriger mit kurdischer Volkszugehörigkeit und sunnitischem Glauben. 3 Seinen Angaben zufolge reiste der Kläger am 11. November 2015 (erneut) in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er unter dem 18. April 2016 Asylfolgeantrag stellte. 4

Mit Schreiben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 8. September 2016, 16. November 2016 und 24. November 2016 wurde der Kläger jeweils zur persönlichen Anhörung im Bundesamt geladen. Die Ladungen wurden dabei sämtlich an die Anschrift *-Straße,, versandt. Auf die jeweiligen Ladungsschreiben und deren Inhalt wird Bezug genommen. Ausweislich der Akten konnte dem Kläger keines der Ladungsschreiben zugestellt werden. Im letzten Ladungsschreiben des Bundesamtes vom 24. November 2016 ist u.a. ausgeführt, dass, sofern der Kläger ohne genügende vorherige schriftliche Entschuldigung zur Befragung nicht erscheine, über seinen Antrag ohne Befragung nach Aktenlage entschieden werden könne. 5 Mit Bescheid des Bundesamtes vom 23. Dezember 2016 wurde bestimmt, dass der Asylantrag des Klägers als zurückgenommen gelte und das Asylverfahren eingestellt werde (Ziffer 1 des Bescheids). Ziffer 2 des Bescheids bestimmt, dass Abschiebungsverbote nach 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) im Falle des Klägers nicht vorliegen. Dieser wird in Ziffer 3 aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde dem Kläger die Abschiebung in den Irak angedroht. Weiter wurde bestimmt, dass der Kläger auch in einen anderen Staat abgeschoben werden könne, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei. Ziffer 4 setzt das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung fest. In den Gründen des Bescheids ist u.a. ausgeführt, dass der Asylantrag als zurückgenommen gelte. Dem Kläger sei der 13. Dezember 2016 als Termin zur persönlichen informatorischen Anhörung mitgeteilt worden. Der Kläger sei ohne genügende Entschuldigung nicht erschienen. Erscheine ein Kläger ohne genügende Entschuldigung nicht zur Anhörung, so werde nach 33 Abs. 2 Nr. 1 Asylgesetz (AsylG) vermutet, dass er das Verfahren nicht betreibe. Der Kläger sei der Aufforderung zur Anhörung gemäß 25 AsylG nicht nachgekommen. Einen Nachweis, dass das Versäumnis des Klägers auf Umstände zurückzuführen sei, auf die er keinen Einfluss habe, sei bis zur Entscheidung nicht eingereicht worden. Abschiebungsverbote lägen nicht vor. 6 Auf den weiteren Inhalt des Bescheides des Bundesamtes vom 23. Dezember 2016 wird ergänzend verwiesen. 7 Der Kläger hat gegen den vorbezeichneten Bescheid mit Schriftsatz vom 9. Januar 2017 Klage erhoben und beantragt, 8 1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 23. Dezember 2016, Gz.:, ist aufzuheben. 9 2. Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen. Des Weiteren ist festzustellen, dass bei dem Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus vorliegen. Außerdem ist festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach 60 Abs. 5 bis 7 Satz 1 AufenthG vorliegen. 10 3. Ferner wird die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß 11 Abs. 7 AufenthG auf 0 Monate befristet. 11 Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass der Kläger die Ladung zur persönlichen informatorischen Anhörung nie erhalten habe. Weiterhin sei der Familie des Klägers mit Bescheid des Bundesamtes vom 14. Dezember 2016 der subsidiäre Schutzstatus zugebilligt worden.

12 Auf den weiteren Inhalt des Schriftsatzes des Klägers vom 9. Januar 2017 wird ergänzend verwiesen. 13 Die Beklagte hat dem Gericht die einschlägige Verfahrensakte vorgelegt; ein Antrag wurde nicht gestellt. 14 Auf ein vom Kläger angestrengtes Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes (Az. Au 5 S. 17.30077) wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 12. Januar 2017 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung in Ziffer 3. des Bescheids des Bundesamtes vom 23. Dezember 2016 angeordnet. Auf die Gründe dieser Entscheidung wird Bezug genommen. 15 Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 17. Januar 2017 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. 16 Mit weiterem Gerichtsbeschluss vom 17. Januar 2017 wurde dem Kläger unter Rechtsanwaltsbeiordnung Prozesskostenhilfe bewilligt. 17 Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 1. Februar 2017 auf mündliche Verhandlung verzichtet. Die Beklagte hat mit Generalerklärungen vom 24. Juni 2015 bzw. 25. Februar 2016 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt. 18 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die von der Beklagten vorgelegte Verfahrensakte verwiesen. Entscheidungsgründe 19 Der Einzelrichter ( 76 Abs. 1 Asylgesetz - AsylG) konnte über die Klage ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten übereinstimmend auf eine solche verzichtet haben ( 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO). 20 Die Klage ist zulässig und begründet, soweit sie auf die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids des Bundesamtes gerichtet ist. Soweit die Klage darüber hinaus auch auf die Verpflichtung zur Anerkennung des Klägers als Asylberechtigten bzw. auf Zuerkennung internationalen Schutzes gerichtet ist, bleibt sie ohne Erfolg. 21 1. Der Bescheid des Bundesamtes vom 23. Dezember 2016 war auf die Klage des Klägers hin aufzuheben, da die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Asylfolgeantrages und eine Verfahrenseinstellung auf der Grundlage der 32, 33 Abs. 1 AsylG nicht vorliegen. 22 Wenn - wie hier - Streit darüber besteht, ob die Voraussetzungen der 32, 33 AsylG für eine Behandlung des Asylantrages als zurückgenommen vorliegen, ist die Anfechtungsklage ( 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) die statthafte Klageart. 23 Die Beklagte ist in dem mit der Klage angegriffenen Bescheid zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Verfahrenseinstellung aufgrund fiktiver Rücknahme des Asylantrages vorliegen. 24

Gemäß 33 Abs. 1 AsylG gilt der Asylantrag als zurückgenommen, wenn der Ausländer oder die Ausländerin das Verfahren nicht betreibt. Das Nichtbetreiben wird gemäß 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 AsylG gesetzlich vermutet, wenn der Ausländer bzw. die Ausländerin einer Aufforderung zur Anhörung nach 25 AsylG nicht nachgekommen ist. Diese Vermutung gilt nach Satz 2 der Vorschrift aber dann nicht, wenn unverzüglich nachgewiesen wird, dass das Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die der Asylbewerber oder die Asylbewerberin keinen Einfluss hatte. Gemäß 33 Abs. 4 AsylG sind die Betroffenen auf diese Rechtsfolge schriftlich und gegenüber Empfangsbekenntnis hinzuweisen. 25 Die schwerwiegende Folge der Zurücknahme der Asylanträge und deren Einstellung setzt seitens des Klägers eine gröbliche Verletzung der Mitwirkungspflichten voraus, was wiederum nur dann der Fall ist, wenn dem Asylbewerber eine besonders schwerwiegende Verletzung seiner Mitwirkungspflicht anzulasten ist, die ohne Weiteres den Schluss auf eine missbräuchliche Inanspruchnahme des Asylrechts zulässt (vgl. Marx, Asylverfahrensgesetz, 8. Aufl. 2014, 30 Rn. 59; Hailbronner, Ausländerrecht, Band 2, 30 Asylverfahrensgesetz, Rn. 85, 94). 26 Ob der Kläger die gesetzliche Vermutung des 33 Abs. 2 Nr. 1 AsylG entsprechend 33 Abs. 2 Satz 2 AsylG widerlegen kann, kann vorliegend dahinstehen. Der Eintritt der schwerwiegenden Folge der Rücknahmefiktion aus 33 AsylG erscheint vorliegend bereits deshalb ausgeschlossen, weil keines der an den Kläger versandten Ladungsschreiben an dessen nach wie vor gültige Anschrift ordnungsgemäß zugestellt wurde. Jedenfalls findet sich für diesen Umstand kein Nachweis in der von der Beklagten vorgelegten Verfahrensakte. Gerade die Ladung vom 24. November 2016 (Behördenakte Bl. 65), auf die die Beklagte in ihrer Entscheidung vom 23. Dezember 2016 maßgeblich Bezug nimmt, enthält darüber hinaus keinen ausdrücklichen Hinweis auf die Rechtsfolge des 33 Abs. 1 AsylG. Nach 33 Abs. 4 AsylG ist der Ausländer jedoch auf die nach den Abs. 1 und 3 eintretenden Rechtsfolgen schriftlich und gegen Empfangsbestätigung hinzuweisen. Der Ladung vom 24. November 2016 ist lediglich der Hinweis zu entnehmen, dass sofern der Kläger ohne genügende vorherige schriftliche Entschuldigung zur Befragung nicht erscheine, über seinen Antrag ohne Befragung nach Aktenlage entschieden werden könne. Lediglich die Ladungsschreiben der Beklagten vom 8. September 2016 und 16. November 2016 enthielten den ausdrücklichen Hinweis auf die Rücknahmefiktion des 33 Abs. 2 Nr. 1 AsylG. 27 Dieser Verfahrensfehler ist auch nicht gemäß 46 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) unbeachtlich. Demnach kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. 28 46 VwVfG ist vorliegend nicht anwendbar. Denn die asylrechtlichen Verfahrensrechte gewähren dem Betroffenen jedenfalls im Lichte des geltenden Unionsrechts eine vom materiellen Recht unabhängige, eigene und selbstständig durchsetzbare Verfahrensposition, deren Verletzung ungeachtet einer möglichen Ergebniskausalität zu einem Aufhebungsanspruch führt (vgl. VG Düsseldorf, Vergleich v. 28.11.2016-6 K 12579/16.A - juris Rn. 61.ff. m.w.n.). 29 Das Asylverfahren des Klägers hätte daher nicht eingestellt, die in 32 AsylG vorgesehene Entscheidung über das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes nach 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG nicht getroffen und eine Abschiebungsandrohung gemäß 34 Abs. 1 AsylG ebenso wenig wie eine Befristungsentscheidung nach 11 Abs. 1 AufenthG erlassen werden dürfen. Auf die Klage des Klägers hin war daher der Bescheid des Bundesamtes vom 23. Dezember 2016 antragsgemäß aufzuheben. 30

2. Soweit die Klage darüber hinaus auch als Verpflichtungsklage erhoben wurde, ist sie bereits unzulässig. 31 In der vorliegenden Situation ist die Erhebung einer auf Asylanerkennung bzw. die Gewährung internationalen Schutzes gerichteten Verpflichtungsklage nach 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO auch im Hinblick auf die grundsätzliche Pflicht des Gerichts zum Durchentscheiden nicht geboten. Es fehlt nämlich an einer vorherigen eigenen Entscheidung des Bundesamtes in der Sache. Wäre das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenden Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Im Übrigen würde ein Durchentscheiden des Gerichts im Ergebnis dazu führen, dass das Gericht nicht wie gewöhnlich eine Entscheidung der Behörde kontrollieren würde, sondern anstelle der Behörde selbst entscheiden würde, was im Hinblick auf dem Grundsatz der Gewaltenteilung zumindest bedenklich wäre (vgl. VG Düsseldorf, U.v. 27.6.2014-13 K 654/14.A - BeckRS 2014, 55231). Im Falle der Aufhebung eines auf der Grundlage von 33 AsylG ergangenen Bescheides ist daher das Asylverfahren durch die Beklagte fortzuführen und das Asylbegehren von ihr in der Sache selbst zu prüfen (vgl. BVerwG, U.v. 7.3.1995-9 C 264.94 -, DVBl. 1995, 857; U.v. 5.9.2013-10 C 1.13 -, NVwZ 2014,158; U.v. 14.12.2016-1 C 4.16 - Pressemitteilung Nr. 104/216 zu der inhaltlich vergleichbaren Konstellation des 71a AsylG; BayVGH, U.v. 3.12.2015-13a B 15.50069 - juris Rn. 22 ebenfalls zu einer Konstellation nach 71a AsylG). Ein Anspruch auf ein Durchentscheiden des Gerichts ist daher nicht anzuerkennen. Folglich war die Klage im weitergehenden Antrag abzuweisen. 32 3. Die Kostenentscheidung folgt aus 155 Satz 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit beruht auf 83b AsylG. 33 Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus 167 Abs. 2 VwGO.