Die Bildung von Quartärstruktur ermöglicht den Bau großer, aber auch multifunktionaler Proteine 9.2 Proteinfaltung Proteine können unter bestimmten Bedingungen denaturiert (entfaltet) werden, das heißt, ihre Struktur wird zerstört, so dass annähernd eine Gauß-Kette vorliegt Die Persistenzlänge ist sequenzabhängig, für Poly-Serin etwa 5 AS Der entfaltete Zustand ist Gegenstand intensiver Untersuchungen Diese Entfaltung kann rückgängig gemacht werden: die Gauß-Kette kann wieder die geordnete, dreidimensionale Struktur annehmen, und zwar in recht kurzer Zeit Das ist einigermaßen erstaunlich, wie das Levinthal-Paradox zeigt: Die zufällige Suche nach der richtigen Konformation würde bei einem Protein mit 150 AS, wobei jede zwei hypothetische Konformationen einnehmen kann und der Wechsel zwischen den Konformationen 10 13 s dauert, 2 150 10 13 s=4.6 10 24 y dauern Es muss einen Mechanismus geben, der das entfaltetete Protein in die richtige Konformation bringt Der Mechanismus muss so geartet sein, dass die freie Enthalpie bis zum Minimum reduziert wird Da sich die Zahl der Mikrozustände mit zunehmender Strukturierung reduziert, sinkt die Entropie der Kette, was mit einer Zunahme der freien Enthalpie einhergeht Diese Zunahme muss an anderer Stelle kompensiert werden Die meisten Proteine bestehen zur Hälfte aus hydrophilen und zur Hälfte aus hydrophoben AS 34
9.2.1 Hydrophober Effekt Der hydrophobe Effekt führt dazu, dass die hydrophoben AS vom Wasser abgeschirmt werden Verantwortlich für den hydrophoben Effekt ist vor allem eine Entropieabsenkung des Wassers, wenn hydrophobe Moleküle gelöst werden sollen Diese Entropieabsenkung kommt daher, dass das Wasser um eine solches Molekül in seinem Konfigurationsraum eingeschränkt ist, das Wasser um ein hydrophobes Molekül ist also geordnet Die entfaltetete Kette wird sich also so zusammenlagern, dass die hydrophoben Bereiche vom Wasser abgeschirmt werden Durch den hydrophoben Kollaps wird der Konformationsraum der Kette bereits stark reduziert 9.2.2 Wechselspiel zwischen Entropie und Enthalpie bei der weiteren Faltung Die weitere Faltung verläuft unter dem Einfluss von lokalen (Nachbar-) Wechselwirkungen und nichtlokalen (Nicht-Nachbar-) Wechselwirkungen 35
Das derzeit populärste Modell ist das des Faltungstrichters + Im Faltungstrichter wird der Konformationsraum immer weiter eingschränkt, wobei die freie Enthalpie jedoch fällt Im Faltungstrichter sind verschiedene Wege aus der Vielzahl entfalteter Konformationen zum gefalteten Zustand möglich lokale Minima im Trichter führen zu einer Rauhigkeit, die die Geschwindigkeit der Faltungsreaktion bestimmt 36
9.2.3 Thermodynamik der Faltungsreaktion Für die Faltungsreaktion U N kann die Boltzmann-Verteilung angewendet werden [U] [N] = e Daraus folgt für die Anteile der beiden Zuständen nativ (N) und entfaltet (U) [N] p N = [N]+[U] = 1 1+e p U =1 p N = e 1+e Abhängigkeit der freien Enthalpie von der Temperatur: G(T )= H T S wobei H die Differenz der Enthalpien S die Differenz der Entropien im nativen und entfalteten Zustand ist Lineares Modell für die freie Enthalpie der Faltungsreaktion unter Denaturanz D G([D]) = G H2 O +[D] µ wobei G H2 O die Differenz der freien Enthalpien ohne Denaturanz µ die Differenz der chemischen Potentiale im nativen und entfalteten Zustand ist Häufig schreibt man diesen Zusammenhang in der Form G = m([d] 1/2 [D]) Dabei ist [D] 1/2 ist der Faltungsmittelpunkt und m wird oft als Kooperativität bezeichnet, was eigentlich nicht korrekt ist, auch wenn ein großes m eine große Kooperativität anzeigt 37
1.0 0.8 0.6 Nativ Entfaltet Anteil 0.4 0.2 0.0 0 20 40 60 80 Denaturanzkonzentration (bel. Einh.) 100 120 Experimentell misst man oft eine Größe, die (in gewissen Grenzen) proportional zum Anteil einer Spezies (nativ oder entfaltet) ist Dabei kann diese Größe von der Denaturanzkonzentration abhängen 9.2.4 Ursprung der Kooperativität Im Zusammenhang mit der Proteinfaltung ist gemeint, dass bereits gefaltete Bereiche die Faltung der anderen Bereiche erleichtern Diese Tatsache wir mit dem Reißverschlussmodell beschrieben n G RV = G HK wenn Nachbar gefaltet G HK sonst Für die Beschreibung des Übergangs vom entfalteten in den gefalteten Zustand bedient man sich bei der Beschreibung von Phasenübergängen In dem Zusammenhang spielt der Begriff des Ordnungsparameters eine zentrale Rolle: Dies ist ein makroskopischer Parameter wie z.b. die Dichte bei einem Phasenübergang flüssig - gasförmig Bei der Faltung kann man zum Beispiel den Anteil der Aminosäuren in der nativen Konformation als Ordnungsparameter verwenden 38