Dampfdruck von Flüssigkeiten
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- Georg Gärtner
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1 Dampfdruck von Flüssigkeiten 1 Dampfdruck von Flüssigkeiten In diesem Versuch werden die Dampfdruckkurven zweier Flüssigkeiten im Temperaturbereich zwischen Raumtemperatur und den jeweiligen Siedetemperaturen gemessen. Aus den Messungen werden die Verdampfungsenthalpien der Flüssigkeiten bestimmt sowie der Dampfdruck bei Raumtemperatur berechnet. Stichworte Phasenumwandlung Phasendiagramm Tripelpunkt kritischer Punkt Gibbssche Phasenregel Clausius-Clapeyron-Gleichung Verdampfungsenthalpie chemisches Potential Gibbs-Energie (freie Enthalpie) thermodynamisches Gleichgewicht Messung von Drücken Theoretischer Teil Die Molekulartheorie der Materie unterscheidet verschiedene Phasen eines reinen Stoffes durch die räumliche Anordnung der Atome bzw. Moleküle. Als Phase werden allgemein alle homogenen Gebiete innerhalb eines Systems, die durch Trennungsflächen gegeneinander abgegrenzt sind, bezeichnet, so die verschiedenen Aggregatzustände fest, flüssig und gasförmig, aber auch nebeneinander existierende feste Modifikationen des gleichen Stoffes. Für jede Phase i eines reinen Stoffes - eines einkomponentigen Systems - wird das chemische Potential µ i durch die beiden Variablen p und T eindeutig bestimmt. Bei einkomponentigen Systemen ist das chemische Potential einer Phase gleich deren molarer Gibbs-Energie: a µ i = G m,i. Trägt man µ i (bzw. G m,i ) als Funktion von p und T in einem dreidimensionalen Diagramm auf, so ergibt sich für jede Phase eine Fläche. Die Gleichgewichtsphase eines solchen einkomponentigen Systems ist diejenige mit dem kleinsten chemischen Potential. Die Projektion eines solchen dreidimensionalen Diagramms in die p,t-ebene ergibt ein Phasendiagramm, wie es in Abb. 1 dargestellt ist. a Die Gibbs-Energie G = H TS wird auch als Freie Enthalpie bezeichnet.
2 Dampfdruck von Flüssigkeiten 2 Abbildung 1: schematisches Phasendiagramm: Darstellung der Gebiete, in denen Gas, Flüssigkeit bzw. Festkörper am stabilsten sind, d.h. das niedrigste chemische Potenzial besitzen. An der Schnittlinie zweier Flächen im µ(p,t)-diagramm liegt ein Phasengleichgewicht zwischen zwei Phasen vor. Hier können z.b. Flüssigkeit und Gas gleichzeitig gemeinsam existieren. Die Projektion der Schnittlinie µ flüssig (p,t) = µ gasförmig (p,t) in die p,t Ebene ergibt dann die Dampfdruckkurve. Im Gleichgewicht sind die Temperaturen (thermisches Gleichgewicht), die Drücke (mechanisches Gleichgewicht) und die chemischen Potentiale (stoffliches Gleichgewicht) in den beteiligten Phasen α (gasförmig) und β (flüssig) gleich. Ändert man bei einem zweiphasigen System im Phasengleichgewicht eine Zustandsvariable (z.b. die Temperatur T), so müssen die zugehörigen Änderungen der chemischen Potentiale dµ i in beiden Phasen gleich sein (dµ α = dµ β bzw. dg m,α = dg m,β ), damit die Zweiphasigkeit bestehen bleibt. Dazu muss die andere Zustandsvariable p einen festen Wert p(t) annehmen (Gibbssche Phasenregel). Die Änderung der molaren freien Enthalpie in der Phase i ist gegeben durch das totale Differential dg m, i = G m, i dp+ G m, i dt=v p T T m,i dp+s m,i dt (1) p wobei S m,i die molare Entropie und V m,i das Molvolumen der Phase i unter den entsprechenden Bedingungen sind. Unter Verwendung der molaren Enthalpie H m (S m,α S m,β = ΔS m = ΔH m /T) ergibt sich die Clapeyronsche Gleichung: dp dt = Δ H m T Δ V m (2)
3 Dampfdruck von Flüssigkeiten 3 Diese Gleichung beschreibt - allgemein und exakt - die Änderung des Gleichgewichtsdrucks mit der Temperatur bei einer Phasenumwandlung. Für den Phasenübergang flüssig - gasförmig beschreibt sie daher den Verlauf der Dampfdruckkurve. Das Molvolumen eines Gases ist sehr viel größer als das Molvolumen einer Flüssigkeit. Daher kann die Differenz der Molvolumina in den beiden Phasen flüssig und gasförmig sehr gut durch das molare Volumen des Gases V m,α angenähert werden (schätzen Sie den Fehler dieser Näherung ab!). Wird das Gas als ideal angesehen (was halten Sie von dieser Näherung?), so geht Gleichung (2) über in dp dt = p Δ H verd, m RT 2 (3a) die in der folgenden Form als Clausius-Clapeyronsche Gleichung bezeichnet wird: d(lnp) dt = Δ H verd,m RT 2 (3b) Für diese Umformung wurde benutzt, dass d(lnp) = dp/p. Der Index "verd" zeigt an, dass die Gleichungen (3a) und (3b), im Unterschied zu Gleichung (2) nur für den Phasenübergang flüssig-gasförmig Geltung haben. Da die Verdampfungsenthalpie ΔH verd für viele Flüssigkeiten in kleinen Temperaturintervallen annähernd temperaturunabhängig ist, kann man Gleichung (3b) integrieren, und man erhält: ln p = ΔH verd, m ( 1 p 0 R T 1 ) (4) T 0 bzw. Δ H verd, m RT p=p 0 e 0 e Δ H verd, m RT (5)
4 Dampfdruck von Flüssigkeiten 4 Ausführung und Auswertung der Messung Bestimmen Sie die Dampfdruckkurven zweier Flüssigkeiten (je eine aus Gruppe 1: Wasser, Ethanol, n-butanol, n-propanol und eine aus Gruppe 2: Cyclohexan, n-hexan, n-heptan) im Bereich von 40 C bis 80 C und berechnen Sie die Größe ΔH verd,m mittels einer nicht-linearen Regressionsanalyse (s. Anhang). Sicherheitshinweis: Bei diesem Versuch ist besondere Vorsicht beim Arbeiten mit Unterdruck geboten: Bei Glasbruch fliegen Splitter! Tragen Sie immer eine Schutzbrille und verwenden Sie die Schutzscheibe. Die Dampfdruckmessung wird mit einem Isoteniskop durchgeführt. Abbildung 2 zeigt die apparative Anordnung. In Abbildung 3 ist das Isoteniskop nach Smith und Menzies dargestellt. Das Isoteniskoprohr enthält in seinem unteren Bogen ein Hilfsmanometer. Es arbeitet mit derjenigen Flüssigkeit, deren Dampfdruck gemessen werden soll. Abbildung 2: Anordnung zur Dampfdruckmessung Auf die linke Seite des Manometerschenkels (Abbildungen 2 und 3) wirkt der Dampfdruck der Versuchssubstanz in der Kugel, auf die rechte ein durch Pumpe und Lufteinlasshahn regelbarer Druck ("künstliche Atmosphäre"), welcher von einem Manometer angezeigt wird. Steht die Flüssigkeit in beiden Schenkeln des Hilfsmanometers gleich hoch, so sind auch beide Drücke gleich, und das außerhalb des Isoteniskopbereichs liegende Manometer zeigt den Dampfdruck der zu untersuchenden Flüssigkeit an. Das Isoteniskoprohr befindet sich mit Ausnahme des der Kondensation dienenden oberen Kühlsystems im Thermostatbad, dessen Anfangstemperatur etwa 40 C betragen soll. Evakuieren Sie die gesamte Apparatur mit Hilfe der Vakuumpumpe. Die Substanz beginnt zu sieden und verdrängt nach und nach die Luft aus der Kugel. Dieser Vorgang ist für die Messgenauigkeit entscheidend. Erst wenn die Luft vollständig entwichen ist, entspricht der zwischen Substanz und Hilfsmanometer stationär vorhandene Druck dem tatsächlichen Dampfdruck der
5 Dampfdruck von Flüssigkeiten 5 Substanz. Inzwischen hat sich im oberen Kühlsystem eine ausreichende Menge Kondensat gebildet. Schließen Sie den Hahn zur Pumpe (die Sie dann ausschalten können) und öffnen Sie vorsichtig das Nadelventil am Lufteinlass. Hierdurch lässt sich der Druck so einstellen, dass das Kondensat gerade so weit hinunter gedrückt wird, dass es in beiden Schenkeln des Hilfsmanometers gleich hoch steht. (Warum verbindet man die Kugel mit der Versuchssubstanz nicht unmittelbar, d. h. ohne Hilfsmanometer, mit dem Manometer?) Die jetzt abgelesenen Werte von Druck und Temperatur dienen vorerst Kontrollzwecken. Beseitigen Sie das Hilfsmanometer durch Absaugen und wiederholen Sie den Vorgang. Ergeben sich gleiche Druckwerte, so befindet sich im Raum zwischen Hilfsmanometer und Substanzkugel keine Luft mehr, und Sie können mit der eigentlichen Messreihe beginnen. Abbildung 3: Isoteniskop nach Smith und Menzies Es werden nun die Werte für Druck und Temperatur des ersten Messpunkts notiert. Im Folgenden wird die Temperatur um 5 K auf ca. 45 C erhöht und die Messwerte für Druck und Temperatur werden nach korrekter Einstellung des Hilfsmanometers notiert. Es empfiehlt sich während der Temperaturerhöhung, durch vorsichtiges Regeln mit dem Lufteinlass, die Flüssigkeitsmenisken auf gleicher Höhe zu halten. Diese Schritte werden bis zum Erreichen des Siedepunkts wiederholt. (Woran ist das bei der Messung zu erkennen?) Benutzen Sie das Programm "Origin", um eine Anpassung der nichtlinearen Clausius-Clapeyron-Beziehung an Ihre gemessenen Druck-/Temperatur-Wertepaare durchzuführen. Gehen Sie dabei vor wie im Anhang beschreiben. Vergleichen Sie quantitativ, d.h. unter Berücksichtigung des experimentellen Fehlers, die so ermittelten molaren Verdampfungsenthalpien (sowie eventuell beobachtete Siedetemperaturen) und die berechneten Dampfdrücke mit Literaturdaten. Erklären Sie eventuelle Abweichungen!
6 Dampfdruck von Flüssigkeiten 6 Anhang Nichtlineare Optimierung der Clausius-Clapeyron-Beziehung mittels des Programms "Origin" 1) Geben Sie die Temperaturwerte (in Kelvin!) in Spalte A(X) ein. 2) Geben Sie die dazugehörigen Druckwerte in Spalte B(Y) ein. 3) Markieren Sie beide Spalten und wählen Sie im Menü Zeichnen - Symbol - Punktdiagramm. Ein Graphikfenster geht auf, in dem Ihre Messdaten dargestellt sind. 4) Beschriften Sie die Achsen (Doppel- oder Rechtsklick auf die Achsenbeschriftung) 5) Wählen Sie im Grafikfenster-Menü Analyse - Anpassen - Nichtlinearer Fit - Dialog öffnen. 6) Funktion auswählen: Wählen Sie eine passende Fitfunktion für die Clausius-Clapeyron- Beziehung (z.b. Exponential/Exp3P1: y = a e b/(x+c) ). Den nicht benötigten Parameter c müssen Sie in Punkt 9 manuell gleich 0 setzen. Dazu wird auf der Registerkarte Parameter für c der Wert 0 eingetragen und das Häkchen für fest gesetzt. 7) Datenauswahl: Wechseln Sie zurück auf die Registerkarte Einstellungen - Datenauswahl. Ihre aktiven Daten werden im Dialogfenster des Fit-Assistenten rechts oben angezeigt. Die Voreinstellung sollte stimmen. Wenn nicht, ist der Datensatz manuell zu wählen. Unter Gewichtungen wählen Sie Keine Gewichtungen aus. 8) Das Fit-Ergebnis wird graphisch dargestellt, und die Parameter a und b werden ausgegeben. Berechnen Sie aus den Parameterwerten für a und b die Verdampfungsenthalpien Ihrer Flüssigkeiten (Vorsicht: Beim Rechnen mit a müssen Sie darauf achten, in welchen Einheiten Sie Ihren Druck angegeben haben!). 9) Berechnen Sie nun den Dampfdruck bei Raumtemperatur. 10) Ermitteln Sie die experimentellen Fehler aus den angegebenen Fehlern der Fit-Parameter. (Fehlerfortpflanzung!) Wenn der Fit beim ersten Versuch nicht konvergiert, liegt das wahrscheinlich daran, dass die Start-Parameterwerte falsch gewählt sind. Überlegen Sie, in welcher Größenordnung das Ergebnis liegen wird (und welches Vorzeichen es hat!), und setzen Sie die Start-Parameterwerte entsprechend, wie unter 6) beschrieben
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