Unterstützung der Familie und Schutz der Kinder

Ähnliche Dokumente
Eltern unterstützen Kinder schützen Die Wirksamkeit Sozialpädagogischer Familienbegleitung (SPF)

Prof. Dr. Klaus Wolf Universität Siegen

Zuständigkeiten und Grenzen der ambulanten Erziehungshilfe

Workshop 5 Verfahrensbeistand kritisches Korrektiv oder verlängerter Arm von Jugendämtern und Gerichten?

Mal ehrlich was können wir wirklich?

Die Eltern sollen sich wie Erwachsene benehmen und auf erwachsene Art und Weise ihre Probleme besprechen und lösen.

Dissertationsvorhaben Begegnung, Bildung und Beratung für Familien im Stadtteil - eine exemplarisch- empirische Untersuchung-

Kinderfreundliche Justiz: Zentrale Begriffe

Wenn der Papa die Mama haut

Prof. Dr. Klaus Wolf. WS 2009/ Veranstaltung

Hilfen für Familien mit Diabetes in schwierigen Situationen

Die Stimme der Kinder: Zitate von Kindern und Jugendlichen, die häusliche Gewalt miterlebt haben

Die Karriere pflegender Angehöriger von Menschen im Wachkoma

Magistrat der Universitätsstadt Marburg, Jugendamt. Thesen zum Thema

Präventive Unterstützung von Kindern psychisch erkrankter Eltern

Durchgeführt von Badradin Arafat, zertifizierter Qualitätskoordinator nach dem GAB Verfahren zur Qualitätsentwicklung bei Trapez e.v.

Welchen Anforderungen begegnen Mitarbeiter/innen im Ambulant Betreuten Wohnen? Prof. Dr. Albrecht Rohrmann

Kinderrechte und Glück

Prof. Dr. Klaus Wolf. Universität Siegen

Können PädagogInnen andere Menschen selbständig machen? Zu den Paradoxien einer Erziehung zur Selbständigkeit

Schutz des Pflegekindes: Rechtliche Anforderungen und fachlicher Alltag

Kinder im Kontext der Gewalt in der Paarbeziehung der Eltern

Klinische Studien für Kinder erklärt Eine Broschüre für Kinder ab 7 Jahre

Teil 3 Mutter werden. Schwangerschaft Info für Jugendliche. Schwangerschaft Info für Jugendliche

Besondere Familien - Welche Hilfen brauchen Eltern mit Lern - Schwierigkeiten und ihre Kinder?

- Traumapädagogik in der Praxis


Best Practise Hilfeplanung gem. 36 SGB VIIII bei UMF/UMA

Auch starke Kinder weinen manchmal von Paulina*

Leitbild der Heilpädagogischen Hilfe Osnabrück. Leitbild

Teil haben. Teil sein. mit Bildern. BruderhausDiakonie. Leitbild der. Leichte Sprache. Leitbild BruderhausDiakonie.

Damit das Sprechen gelingt. Sprachheilzentrum Werscherberg

Lass sie auch mal meckern! oder aber: Bedürfnisorientiert handeln

Vereinbarung über eine gute gesetzliche Betreuung

Geflüchtete Kinder - Herausforderungen und Chancen kultureller Vielfalt in der frühen Bildung

Psychisch belastete Kinder und Jugendliche verstehen, sichern, stärken

SWB-Service- Wohnungsvermietungsund -baugesellschaft mbh

1) Was versteht man unter dem Begriff Kindeswohl? 2) Was sind Frühe Hilfen? 3) Die Insoweit erfahrene Fachkraft

zur Erziehung Zu Hause gibt es nur noch Konflikte. Wer kann uns unterstützen? Mein Kind hört überhaupt nicht auf mich. Was kann ich tun?

Transkription Simone

Informationen über das Praxiszentrum Familie und Kinder (Claudia Hermens, Dr. Claudia Roller)

Deine Meinung ist wichtig. Informationen für Kinder und Jugendliche zur Anhörung

Wir machen Sie fit für die Zukunft Seite 1 von 5 Seiten RA Torsten G. Blach. Einführung ins KJHG

Leitbild Pflege Uniklinik Balgrist Forchstrasse Zürich Tel Fax

Diakonie in unserer Region

Celebrate BEZIEHUNG BAUEN DURCH KOMMUNIKATION JOHANNES 4, 8-26

Über mein Selbstvertrauen und wie ich den Start in eine neue richtige Arbeitsstelle geschafft habe

Elternschaft und psychische Erkrankung- wie kann das gelingen?

Kinder stärken, gemeinsam für mehr Gesundheit. Herzlich Willkommen. Gemeinsam für mehr Gesundheit

Was brauchen Pflegekinder? Ein sozialpädagogischer Blick auf Entwicklungsaufgaben und Probleme von Kindern in Pflegefamilien.

Video-Thema Begleitmaterialien

Sauberes Wasser für alle

Meine Rechte und die der Anderen

Belastung in der Pflege Selbsthilfe entlastet

Joe Kennedy So, kommen wir zu unserem letzten Block. Wir gestalten das ganz locker, als Diskussion.

A. Thimm, M. Meusers, D. Hilgard Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke (erweiterte Version aus Vortrag JAPED )

Biografiearbeit in der stationären Kinder- und Jugendhilfe

Familien stärken - famiglie più forti - renfurzé la families Entwurf Maßnahmenpaket im Bereich Trennung und Scheidung

Kinderschutz im Dialog

Für eine sichere Entwicklung sorgen

Herzlich Willkommen zur Veranstaltungsreihe Aktuelle Themen der Heimerziehung. Forschungsgruppe Heimerziehung

Kinderschutz im Gesundheitswesen Fachveranstaltung Ärztekammer Schleswig-Holstein Bad Segeberg, 10. September 2014

Pädagogisches Konzept. KiBiZ Tagesfamilien

der Entwicklung von Kindern.

DIE 3 GRUNDLAGEN EINER STABILEN, LIEBEVOLLEN PARTNERSCHAFT

Predigt 2. Mose 20, 1 17, 10 Jahre Seehaus Leonberg, Liebe Seehaus-Gemeinde!

Filmskript zur Sendung Privet heißt Hallo Sendereihe: Zu Hause in Deutschland DVD-Signatur Medienzentren: Ein Film von Thomas Niemietz

2,6 Mio. ca In Halberstadt leben. Kinder & Jugendliche in solchen Familien

Die Zukunft der Familie. Forsa-Studie im Auftrag der Zeitschrift ELTERN

Wir über uns. Informationen zur Station 0.2// Mutter-Kind-Behandlung // Kompetent für Menschen.

Keile. Ein Jugendstück von Sascha Kirmaci

Dialogische Haltung in Zusammenarbeit mit Eltern

Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt Predigt am

Das war die, die sich durchgebissen hat Linda N. im Gespräch mit Samira E. M.

Hilfen für Familien Im Alltag Bei Krankheit In Notfällen

11 Freunde sollt Ihr sein!

Die Rolle der Großeltern bei einer Trennung / Scheidung Evangelische Akademie Tutzing 7. Juni 2011

Das Angebot Clearing Plus- Unterstützung für ein selbst-bestimmtes Leben

Die Arbeit in Mutter-Kind-Einrichtungen: Eine fachliche und persönliche Herausforderung

Die Grundbedürfnisse des Kindes

Systemisches Handeln und politisches Verständnis aus Sicht der Sozialpädagogischen Familienhilfe

5. Was heißt Barrierefreiheit für Menschen mit Lernschwierigkeiten?

Wie tickt das Jugendamt? Lehrerbildungszentrum

Handlungssicherheit bei Kindeswohlgefährdung Fach-Informationstag Prävention an Schulen Mi., 03. Februar 2016

Instrument zur Einschätzung der Risiken und Erfolgschancen einer geplanten Rückkehr von fremd untergebrachten Kindern in ihr Familiensystem 1

Zitate von Jesper Juul. Aus dem Familienkalender 2015

Erinnern, erzählen, dokumentieren - Biografiearbeit mit Pflegekindern

Zwischen Bewunderung und Ablehnung Gefühle schlagen um Lukas 4,16 30

Zentrum für Planung und Evaluation Sozialer Dienste Universität Siegen

für eltern familien kinder jugendliche mutter - kind - begleitung

Dissertationsvorhaben Begegnung, Bildung und Beratung für Familien im Stadtteil - eine exemplarisch- empirische Untersuchung-

Hiram Haus Magnolia. Suchtkrankenhilfe für Familien. Wege in Ihre Unabhängigkeit

Betreuungs-Vertrag. für das ambulant Betreute Wohnen für Menschen mit einer geistigen Behinderung. Erklärung in Leichter Sprache

Begegnungen mit. Aussenseit. Johannes 4: Die Frau am Brunnen

FACHQUALIFIKATION. Für eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit Eltern

Die Kindesanhörung. Es geht um dich deine Meinung ist gefragt. Für Kinder ab 9 Jahren

Lucie auf ein Internat

Konzeption für das Ambulant Betreute Wohnen psychisch Kranker

Spielregeln für den erfolgreichen Flirt

Transkript:

Unterstützung der Familie und Schutz der Kinder Voraussetzungen wirksamer Erziehungshilfen im privaten Lebensfeld Dortmund, 6. Mai 2015 Prof. Dr. Klaus Wolf Universität Siegen

Jetzt mal ehrlich... Zur Einleitung

Sozialpädagogischer Zugang zu Wirkungen von sozialpädagogischen Interventionen 1. Wirkungen entstehen in Koproduktion: Die Familienmitglieder lernen und entwickeln sich selbst (Produzenten), Fachkräfte können sie dabei begleiten, Anregungen geben, Belastungen dosieren usw. helfen (Koproduzenten) 2. Wirkungen entstehen in einem Interdependenzgeflecht, in dem die Menschen sich gegenseitig beeinflussen. 3. Familien sind Prozesse, die sich verändern. Deswegen müssen die Interventionsziele und formen immer wieder angepasst werden.

Sozialpädagogischer Zugang zu Wirkungen von sozialpädagogischen Interventionen 4. Synthese: Entwicklungschancen der Kinder und Bewältigungsversuche der Eltern 5. Kinder sind nicht nur Familienmitglieder: die Einbettung in sozialisatorische Netzwerke 6. Resilienz in entwicklungsfördernden Lebens- und Lernfeldern

Die gesellschaftliche Aufgabe:! Schutz des privaten Lebens vor Eingriffen! Relative Entkopplung der Entwicklungschancen der Kinder vom Schicksal ihrer Eltern

Au^au 1. Familienbilder, Kinderbilder, Elternbilder 2. Qualitätsmerkmale ambulanter Erziehungshilfen empirische Ergebnisse 3. Synthese und Balance 4. Kleiner Exkurs: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur SPFH 5. Fazit

Welches Bild haben wir von den SPFH - Familien?! Rabeneltern, moralisch zweifelhafte, die Kinder in die Welt setzen und sich dann nicht kümmern?! Dysfunktionale und unvollständige Familien, die erst einmal einen Nachweis ihrer Erziehungsfähigkeit vorlegen müssten! Reparaturbedürftige Familien für die wir gezielte Familienveränderungsprogramme benötigen! Psychisch kranke, traumatisierte Eltern

Mein Vorschlag: Lassen Sie uns die Eltern und Familien betrachten:! als Mütter und Väter, die alle Aufgaben bewältigen müssen, wie andere Eltern auch! die versuchen im schwierigen Gelände unter oft sehr ungünstigen Bedingungen zurechtzukommen! die durch ihre Lebenserfahrungen beeinflusst sind! die Erfahrungen verarbeiten und sich ihre Welt erklären wollen! die ein positives Selbstbild entwickeln und handlungsfähig bleiben wollen (Bewältigung)

Qualitätsmerkmale ambulanter Erziehungshilfen 1. Vertrauensvolle Beziehung und professionelle Kompetenz 2. Zielorientierung 3. Koproduktion 4. Praktische Unterstützung und Beratung 5. Vertrauenspersonen gewinnen und Stärkung erfahren 6. Direktive Interventionen 7. Abschlussphasen gestalten http://www.sos- kinderdorf.at/informationen/sos- Kinderdorf- in- Oesterreich/ Beratungsstellen/Documents/Ergebnisbericht- AFA- Juni08.pdf

Vertrauensvolle Beziehung und professionelle Kompetenz! Da nützt der beste Professor und Doktor nichts, wenn man kein Vertrauen hat! Frau T. erinnert sich: Zuerst war ich ein bisschen geschockt, weil sie so jung ist. Und dann war es, weil ich mir gedacht habe, hmm, die hat noch kein Kind. [...] Aber wenn ich dann so nachdenke, wie sie ihre Arbeit gemacht hat und so. Ja, ich meine, sie hat eine Ahnung. Sie hat vielleicht mit ihre, was ist sie, gut Mitte zwanzig, älter ist sie eh noch nicht. Hat sie mehr Ahnung vielleicht, wie heute eine mit Vierzig. (F30)

Zielorientierung! Ich hab gesehen, meine Tochter isst, meinem Buben wird geholfen. Endlich anständige Leute da, die was mir den Weg zeigen.! Frau L. : Und, ich meine, das sind Sachen gewesen, die [...] in Ziele gesteckt wurden. [...] die AFA hat eigentlich auf die Ziele, [...] mit mir darauf hin gearbeitet. [...] Und wir haben eigentlich, muss ich sagen, wirklich alles durchdersetzt, was wir uns eigentlich zum Ziel gesetzt haben. (F8)

Koproduktion! Wir haben wirklich eine super Zusammenarbeit gehabt.! Und da wo dann die Entscheidung war den Felix [den Sohn] gehen lassen, zum Vater, da war sie [die AFA- Mitarbeiterin] eigentlich die Einzige, wo nicht gesagt hat, mach das, oder mach das nicht oder so. Sie hat mich eigentlich schön zu der Entscheidung irgendwo hingeführt. [...] was spricht dafür, was spricht dagegen. Also wir haben das wochenlang das, das Thema durchgekaut. (F30)

Praktische Unterstützung und Beratung! Sie hat wirklich alles getan. Sie war wirklich da.! Sie [die Familienhelferin hat] mich zeitenweise mit den Kindern nachmittags auf drei, vier Stunden entlastet. [...] Wo ich einfach Zeit gehabt habe, Luft, jetzt kann ich abschalten. [...] Was einfach mit den Kindern nicht möglich war, weil sie, eben auf Grund der Situation, zum Großteil hyperaktiv gewesen sind, und mich somit natürlich wahnsinnig überfordert haben. (F8)

Vertrauenspersonen gewinnen und Stärkung erfahren! Da bin ich mal an erster Stelle gestanden.! Ein Jugendlicher erzählt von seinem Betreuer: Dadurch dass ich den Heinz gehabt habe, ist es mir eigentlich schon um einige Grade schon besser gegangen. Da hab ich wieder eine Person gefunden, wo ich vielleicht auch mal Vertrauen gehabt habe. Wo ich ihm alles erzählen hab können. [...] als wie zum Beispiel wenn man daheim ist, und so sich was nicht traut so zum Beispiel zur Mama was sagen. (F13)

Direktive Interventionen! Ja das war dann schon so, dass ich eine in den Hintern gekriegt habe und, und du machst jetzt. Und, wo ich sagen muss, das hab ich auch gebraucht! Frau B. : Das Vertrauen in den Max [AFA- Mitarbeiter]. Weil der hat sich nicht von Anfang an gleich eingemischt und hat nicht von Anfang an gleich gesagt, horch zu, geh das und das, das und das, oder. Sondern der ist, Schritt für Schritt ist der an mich zuwi. Und die anderen, auf die hab ich gar nicht gehorcht. Das ist bei mir da rein und da raus. Und der Max, der hat sich mit mir hingehockt, der hat mich zuerst einmal ausspinnen lassen, sagen wir es so. Und dann hat er sich hingehockt und hat gesagt, du horch zu, warum machst, probierst du es nicht so? (F32)

Flexible Erreichbarkeit, Verlässlichkeit und Sicherheit! Flexible Erreichbarkeit, Verlässlichkeit und Sicherheit Hast du ihn gebraucht, war er da.! Dass man sie jederzeit eigentlich hat können anrufen, wenn was war, also, das habe ich positiv gefunden, ja. Und [...] wenn sie nicht erreichbar waren, man ist auch zurückgerufen worden, gell. Wenn man ein Problem gehabt hat zum Reden, zum Beispiel jetzt, gell. (F34)! Frau L. : Beim Daniel [AFA- Mitarbeiter] ist es eigentlich so gewesen, der ist gekommen, hat gesagt, du horch zu, ich habe deinen Akt gelesen, das und das ist. Ich weiß, da und da brauchst du Hilfe. [...] Wo fangen wir an? Der hat eigentlich gleich, so von Anfang an, so, reingeschossen wie, wie eine Kanonenkugel. Und der hat mir eigentlich von Anfang an das Gefühl gegeben, dass ich nicht mehr runter fliegen kann. (F8)

Abschlussphasen gestalten! Zum Schluss haben sie es nett auslaufen lassen! Frau P. die Situation: [...] also zum Schluss raus haben sie es ganz nett auslaufen lassen. Dass man auch so ein bisschen persönlicher das gemacht hat, dass man irgendwohin gefahren ist, also ich mit der Ruth [AFA- Mitarbeiterin] zum Beispiel. Und, und was trinken gegangen ist, oder so. Das ist zwischendurch schon auch vereinzelt gewesen, aber zum Schluss haben sie das so recht nett auslaufen lassen, muss ich sagen. (F34)

Qualitätsmerkmale! Vertrauensvolle Beziehung und professionelle Kompetenz Da nützt der beste Professor und Doktor nichts, wenn man kein Vertrauen hat! Zielorientierung Ich hab gesehen, meine Tochter isst, meinem Buben wird geholfen. Endlich anständige Leute da, die was mir den Weg zeigen.! Koproduktion Wir haben wirklich eine super Zusammenarbeit gehabt.! Praktische Unterstützung und Beratung Sie hat wirklich alles getan. Sie war wirklich da.! Vertrauenspersonen gewinnen und Stärkung erfahren Da bin ich mal an erster Stelle gestanden.! Direktive Interventionen Ja das war dann schon so, dass ich eine in den Hintern gekriegt habe und, und du machst jetzt. Und, wo ich sagen muss, das hab ich auch gebraucht! Flexible Erreichbarkeit, Verlässlichkeit und Sicherheit Hast du ihn gebraucht, war er da.! Abschlussphasen gestalten Zum Schluss haben sie es nett auslaufen lasse

Synthese! eines klaren Blick auf die (Entwicklungs- ) Bedürfnisse der Kinder und zugleich! eines wohlwollenden Blickes auf die Bewältigungsversuche der Eltern

BVerfG 1. Senat 1. Kammer 22.05.2014 Aktenzeichen: BvR 2882/13! Mit Schreiben vom 16. November 2010 ließen die Eltern durch ihren Bevollmächtig- ten einen Antrag auf Einleitung einer sozialpädagogischen Familienhilfe beim Jugendamt stellen, in dem ausgeführt wurde, dass die Eltern bereit und willens seien, Hilfen in Anspruch zu nehmen. Mit Schreiben vom 18. November 2010 lehnte das Jugendamt dies ab, da die Eltern bereits am 4. Februar 2010 einen Antrag auf Hilfe zur Erziehung gestellt hätten und ihnen durch die Fremdunterbringung der Kinder, zu der die Eltern ihr Einverständnis erklärt hätten, bereits Hilfe zur Erziehung gewährt werde. Der neuerliche Antrag sei darum aus Sicht des Jugendamts gegenstandslos.! Insbesondere muss der Staat wegen des Erforderlichkeitsgebots zur Vermeidung der Trennung der Kinder von ihren Eltern nach Möglichkeit versuchen, durch helfende, unterstützende, auf Herstellung oder Wiederherstellung eines verantwortungsge- rechten Verhaltens der leiblichen Eltern gerichtete Maßnahmen sein Ziel zu erreichen.! Diese strengeren Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes schlagen sich insbesondere in einer erhöhten Verpflichtung der beteiligten Behörden und Gerichte nieder, Maßnahmen in Betracht zu ziehen, mit denen ein Zueinanderfinden von Kind und Eltern gelingen kann.! Die vom Amtsgericht bemängelten Defizite der Eltern hätten unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten gegebenenfalls zu einer Intensivierung der Hilfen zur Erziehung nach 27 ff. SGB VIII führen müssen, hätten aber nicht die Aufgabe der Rückführungspläne gerechtfertigt.

Die ambulanten Erziehungshilfen sind wirksame und unverzichtbare Hilfen wenn es gelingt, Balancen herzustellen zwischen! dem Respekt vor der Eigenständigkeit der Familien/ Menschen und zielgerichteten Lern- und Entwicklungshilfen! dem Anknüpfen an den bisherigen Lebenserfahrungen und der Eröffnung neuer Optionen! den Bewältigungsversuchen der Erwachsenen und dem Schutz der Kinder! einem nicht nur familienzentrischen Blicks auf die Kinder und der langfristigen biografischen Bedeutung der Familie