Position. Zukunft der öffentlichen Finanzen. Stand: April 2017

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Transkript:

Position Zukunft der öffentlichen Finanzen Stand: April 2017 www.vbw-bayern.de

Position Zukunft der öffentlichen Finanzen Vorwort Vorwort Konsolidierung durch Wachstum Die Staatsschuldenkrise in der Europäischen Union hat deutlich gezeigt, dass hohe kreditfinanzierte Staatsausgaben schädliche Auswirkungen haben. Die Folgen einer ausufernden Staatsverschuldung bekommen einige Eurostaaten leidvoll zu spüren. Auch in Deutschland hatte der Schuldenstand der öffentlichen Haushalte in Folge der Finanzmarktkrise ein kritisches Maß erreicht. Aufgrund der guten wirtschaftlichen Entwicklung, deutlich steigender Steuereinnahmen und des niedrigen Zinsniveaus sind die öffentlichen Schulden im Verhältnis zum BIP wieder deutlich zurückgegangen. In Euro gerechnet hat sich der Schuldenberg allerdings kaum reduziert. Allerdings häufen sich andere Warnsignale. So steigen die Sozialausgaben immer weiter, gleichzeitig bleibt das Investitionsgeschehen verhalten. Die Niedrigzinspolitik, die europaweit helfen soll, öffentliche Haushalte zu stabilisieren, belastet Wirtschaft und Privathaushalte zunehmend und führt zu neuen Risiken an den Finanzmärkten. Überzeugende Antworten auf die mit der demografischen Entwicklung verbundenen Herausforderungen stehen aus. Nur wenn es gelingt, die Staatsfinanzen wieder stärker auf Investition, Innovation und Qualifikation auszurichten, gewinnen wir die für die großen Zukunftsaufgaben notwendigen politischen Handlungsspielräume. Nur so sichern wir auch die Basis für öffentlichen und privaten Wohlstand. Das vorliegende Positionspapier analysiert die Situation der öffentlichen Verschuldung in Deutschland und benennt notwendige Ansätze zur weiteren Konsolidierung der öffentlichen Haushalte. Dazu fordern wir einen nachhaltig auf Ertrag und Wachstum ausgerichteten Einsatz öffentlicher Mittel. Bertram Brossardt 24. April 2017

Position Zukunft der öffentlichen Finanzen Inhalt Inhalt 1 Die Handlungsempfehlungen in Kürze... 1 2 Öffentliche Haushaltslage: wichtige Fakten... 3 2.1 Die Entwicklung des Steueraufkommens... 3 2.2 Schuldenstand und Schuldenentwicklung der öffentlichen Hand... 4 2.3 Schuldenstand und Schuldenentwicklung bei Ländern und Kommunen... 6 2.4 Die Sozialleistungsquote... 8 2.5 Die implizite Staatsverschuldung... 8 2.6 Herausforderung Investitionsdefizit... 10 3 Wachstums- und Konsolidierungskurs fortsetzen... 13 3.1 Wachstum organisieren, sozialstaatlichen Sicherungsbedarf eindämmen.. 13 3.2 Investitionsschwäche überwinden... 13 3.3 Abbaupfade für Staatsverschuldung festlegen... 14 3.4 Vorhandene Mittel effizient und nachhaltig bewirtschaften... 14 3.5 Auf Zinsrisiken vorbereiten... 14 3.6 Implizite Schulden durch generationengerechte Haushaltspolitik abbauen. 15 3.7 Eigenverantwortung im Föderalismus ausbauen... 15 3.8 Solidarität und Solidität: Hilfe nur gegen Auflagen... 15 3.9 Ausfallrisiko von Staatsanleihen mit Eigenkapital unterlegen... 16 3.10 Reform für mehr fiskalische Eigenverantwortung... 16 Ansprechpartner / Impressum... 17 Hinweis Zitate aus dieser Publikation sind unter Angabe der Quelle zulässig.

Position Zukunft der öffentlichen Finanzen Die Handlungsempfehlungen in Kürze 1 1 Die Handlungsempfehlungen in Kürze Impulse zur Fortsetzung des Konsolidierungs- und Wachstumskurses Investitions- und innovationsorientierte, also auf Infrastruktur, Forschung und Bildung ausgerichtete Haushaltspolitik muss nachhaltiges Wirtschaftswachstum befördern und sozialen Sicherungsbedarf beherrschbar halten. Um die Investitionsschwäche der letzten Jahrzehnte zu überwinden, muss der Staat seine eigene Investitionstätigkeit ausweiten, bei Unternehmen und privaten Haushalten Investitionsanreize setzen und Steuererhöhungen vermeiden. Um der öffentlichen Verschuldung nachhaltig Herr zu werden, müssen ergänzend zur Schuldenbremse auf allen staatlichen Ebenen Abbaupfade für die Staatsverschuldung festgelegt werden. Damit Haushaltsmittel möglichst kostenbewusst bewirtschaftet werden, muss die öffentliche Hand auf Effizienzanalysen, Kooperation mit Privaten und Privatisierung setzen. Subventionen müssen nach dem Motto Hilfe zur Selbsthilfe laufend überprüft, die öffentliche Rechnungslegung konsequent auf Doppik umgestellt werden. Wachstumspolitik, Haushaltseffizienz und sukzessiver Schuldenabbau in den Eurostaaten müssen die dringend notwendige Zinswende möglich machen. Durch ein ausgewogeneres Verhältnis sozialer Leistungszusagen zu gesamtwirtschaftlichen Einnahmen müssen die impliziten Schulden der öffentlichen Haushalte zurückgeführt werden. Mehr regionale Steuerautonomie und transparente Leistungsvergleiche für wachstumsrelevante Politikansätze der Länder müssen die Eigenverantwortung im deutschen Föderalismus fördern und die Möglichkeiten, voneinander zu lernen, stärken. Solidarität und Solidität müssen die Haushalts- und Finanzpolitik in Deutschland und der EU prägen: Sachliche und Haushaltsverantwortung müssen Hand in Hand gehen, Hilfe zwischen Staaten darf nur gegen Auflagen fließen. Um Fehlanreizen vorzubeugen, muss die Risikoeinstufung von Staatsanleihen über Vorgaben zur Unterlegung mit Eigenkapital an der finanziellen Lage des jeweiligen Eurostaates ausgerichtet werden. Mit einer Reform für mehr fiskalische Eigenverantwortung soll höhere Marktdisziplin auf dem Staatsanleihenmarkt in der Eurozone erreicht werden.

Position Zukunft der öffentlichen Finanzen Öffentliche Haushaltslage: wichtige Fakten 3 2 Öffentliche Haushaltslage: wichtige Fakten Die Entwicklung der öffentlichen Einnahmen ist gut, die der Ausgaben strukturell schwierig Öffentliche Schulden sind nicht grundsätzlich schlecht. Eine vorübergehende Verschuldung, die konjunkturelle Impulse geben soll, kann sinnvoll sein. Ebenfalls sinnvoll kann es sein, öffentliche Investitionen über Schulden zu finanzieren. Da sie ihren Nutzen in der Zukunft entfalten, bietet es sich an, sie auch von künftigen Generationen finanzieren zu lassen solange deren Finanzierungskosten angemessene Vorteile gegenüberstehen. Kritisch wird die Situation, wenn durch unausgeglichene Haushalte der Schuldenberg stetig anwächst, und selbst in Zeiten eines konjunkturellen Aufschwungs die Verschuldung nicht abgebaut wird. Eine übermäßige und dauerhafte Verschuldung der öffentlichen Hand führt in eine nicht mehr verantwortbare Schieflage. Dann drohen, wie die nach wie vor nicht bewältigte Staatsschuldenkrise im Euroraum belegt, gravierende negative ökonomische Folgen nicht nur für das eigene Land, sondern auch für wichtige Handelspartner. Der in den letzten Jahren in Deutschland erreichte Rückgang des öffentlichen Schuldenstandes im Verhältnis zum BIP ist eine wichtige Leistung. Allerdings steht er mit Faktoren in Verbindung, die auf Dauer nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden können: Das stabile Wirtschaftswachstum und die solide Entwicklung am Arbeitsmarkt führen zu deutlich steigenden Steuereinnahmen. Der Niedrigzinskurs der EZB mindert den gesamtstaatlichen Schuldendienst enorm. Angesichts dieser Entwicklungen wäre zu erwarten gewesen, dass gesamtstaatlich die Investitionen deutlich zu- oder die Schulden massiv abgenommen hätten, im besten Falle sogar beides zugleich. Das hat nicht stattgefunden. Stattdessen steigt der konsumtive Anteil an den öffentlichen Ausgaben laufend an. 2.1 Die Entwicklung des Steueraufkommens Seit Jahren geht es mit dem Steueraufkommen in Deutschland kräftig aufwärts. Auch die Prognose für die kommenden Jahre zeigt deutlich nach oben. Von der Entwicklung profitieren Bund, Länder und Gemeinden dem Grunde nach gleichermaßen. Die in Abbildung 1 wiedergegebenen Schätzdaten werden in der nächsten Steuerschätzung, jedenfalls für 2016, sicherlich wieder nach oben korrigiert. In den anstehenden Jahren wird sich ein Teil des Aufkommens in Richtung der Länder und Kommunen verschieben. Dahinter stehen gesetzliche Änderungen, die nach der Schätzung vom November 2016 erfolgten.

4 Öffentliche Haushaltslage: wichtige Fakten Position Zukunft der öffentlichen Finanzen Abbildung 1 Entwicklung des Steueraufkommens von Bund, Ländern und Gemeinden seit 1991 und in der Prognose bis 2021 in Milliarden Euro 400 350 300 282 349 332 250 200 150 162 268 100 116 114 50 93 0 43 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 2021 Bund Länder Gemeinden Quelle: Bundesfinanzministerium, bis 2015 Kassenergebnisse, ab 2016 Steuerschätzung November 2016 2.2 Schuldenstand und Schuldenentwicklung der öffentlichen Hand Ende 2016 war die öffentliche Hand in Deutschland mit 2,14 Billionen Euro verschuldet. Das sind 68,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Wichtig ist die Trendentwicklung der Verschuldung. In absoluten Zahlen ist sie 2016 zum zweiten Mal in Folge zurückgegangen zwar nur leicht, aber immerhin. In der laufenden Legislaturperiode der Bundesregierung ist sie kein einziges Mal gestiegen. Tabelle 1 Entwicklung des öffentlichen Schuldenstands in Deutschland in Billionen Euro 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2,09 2,13 2,21 2,19 2,19 2,16 2,14 Quelle: Deutsche Bundesbank, Pressemeldung vom 31.03.2017; Schuldenstand jeweils zum Jahresende Deutlicher gesunken ist der Stand der öffentlichen Verschuldung im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt. 2010 hatte er krisenbedingt den deutschen Rekordwert von 81 Prozent des BIP erreicht. Seit 2012 sinkt er kontinuierlich. Aktuell liegt er bei gut 68 Prozent. Das Bundesfinanzministerium erwartet, dass Deutschland im Jahr 2020 das Maastricht-Kriterium von 60 Prozent des BIP wieder unterschreitet.

Position Zukunft der öffentlichen Finanzen Öffentliche Haushaltslage: wichtige Fakten 5 Abbildung 2 Die Entwicklung der gesamtstaatlichen Schulden im Verhältnis zum BIP 72,6% 81,0% 78,7% 79,9% 77,5% 74,9% 63,7% 65,1% 71,2% 68,3% 66,0% 63,8% 61,8% 59,8% 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Quelle: IST-Zahlen bis 2015 Eurostat, 2016 Dt. Bundesbank, Prognose BMF Von der Wiedervereinigung bis 1998 schlossen die öffentlichen Haushalte mit Werten zwischen 1,7 und 9,4 Prozent des BIP im Soll ab. Der Blick auf die Jahre seit 1999 zeigt für 2000 ein positives Gesamtergebnis. Bis 2003 wuchs dann das Defizit immer stärker an. Mit dem Start der Agenda 2010 in den Jahren 2003 bis 2005 kam es zu einer Trendwende. 2007 schlossen die Haushalte insgesamt leicht positiv ab, nur der Bund blieb im Minus. Mit der Finanzmarktkrise kam die nächste Phase hoher Neuverschuldung. Der Trend drehte sich nach 2010 wieder. 2013 wurde in der gesamtdeutschen Betrachtung mit einer schwarzen Null abgeschlossen. Seit 2014 schließen alle drei Ebenen im Plus ab, 2016 allerdings mit einem gegenüber den zwei Vorjahren leicht niedrigeren Wert für den Bund. Abbildung 3 Finanzierungssalden, öffentliche Haushalte 2000 2016, im Verhältnis zum BIP 2,0% 1,0% 0,0% -1,0% -2,0% -3,0% -4,0% -5,0% 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 Bund Länder Gemeinden Quelle: Deutsche Bundesbank

6 Öffentliche Haushaltslage: wichtige Fakten Position Zukunft der öffentlichen Finanzen 2.3 Schuldenstand und Schuldenentwicklung bei Ländern und Kommunen Von den Schulden trägt aktuell der Bund mit ca. 63 Prozent den mit Abstand größten Teil. 30 Prozent liegen bei den Ländern, sieben Prozent bei den Gemeinden. Die Schuldenlast der einzelnen Länder mit ihren Gemeinden ist sehr unterschiedlich ausgeprägt. Am höchsten ist sie in absoluten Zahlen mit 235 Milliarden Euro in Nordrhein-Westfalen, in Euro pro Einwohner gerechnet mit gut 32.000 Euro in Bremen. Die niedrigsten Werte hat in beiden Kategorien Sachsen mit 5,3 Milliarden Euro insgesamt bzw. ca. 1.300 Euro pro Einwohner, hier gefolgt von Bayern mit ca. 2.600 Euro pro Einwohner. Abbildung 4 Schuldenstand der Länder und Kommunen nach Ländern, 31.12.2016 Bremen Saarland Hamburg Berlin Nordrhein-Westfalen Schleswig-Holstein Rheinland-Pfalz Sachsen-Anhalt Hessen Niedersachsen Thüringen Brandenburg Mecklenburg-Vorpommern Baden-Württemberg Bayern Sachsen Quelle: DESTATIS Verschuldung des Landes in Milliarden Euro 0 50 100 150 200 250 0 5.000 10.000 15.000 20.000 25.000 30.000 35.000 Verschuldung in Euro je Einwohner

Position Zukunft der öffentlichen Finanzen Öffentliche Haushaltslage: wichtige Fakten 7 Wichtig ist auch hier die Entwicklung der Schuldenstände. Dabei muss nicht zwischen Ländern und Kommunen unterschieden werden, denn sie stehen in einer Verantwortungsgemeinschaft: die Politik des jeweiligen Landes prägt die kommunale Finanzlage stark mit. Von Berlin abgesehen waren vor allem Länder mit niedrigem Verschuldungsgrad beim Schuldenabbau besonders erfolgreich obwohl Länder mit hohem Schuldenstand von der Niedrigzinsphase besonders profitieren. Die folgende Abbildung erklärt auch, warum der Freistaat Bayern sich stark für die Korrekturen im Länderfinanzausgleich eingesetzt hat, die Ende 2016 beschlossen wurden: Im Jahr 2016 zahlte Bayern im Vergleich zu 2013 1,1 Milliarden Euro, im Vergleich zu 2010 sogar 1,9 Milliarden Euro mehr in den Länderfinanzausgleich ein. Das steht einem schnelleren Abbau der Schulden des Freistaates im Weg. Abbildung 5 Entwicklung der Schulden pro Einwohner Länder und Kommunen 35.000 30.000 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000 0-5.000 Schulden pro Einwohner am 31.12.2016 in Euro Veränderung zwischen 2010 und 2016 in Euro Veränderung zwischen 2013 und 2016 in Euro Quelle: Statistisches Bundesamt

8 Öffentliche Haushaltslage: wichtige Fakten Position Zukunft der öffentlichen Finanzen 2.4 Die Sozialleistungsquote Die Entwicklung der öffentlichen Haushalte hat auch mit der Sozialleistungsquote zu tun. Denn so wichtig angemessene soziale Leistungen sind: wenn sie sich übermäßig entwickeln, nimmt das den Spielraum für andere notwendige Ausgaben. Insofern ist das Verhältnis der Sozialausgaben zum BIP ein wichtiges Indiz dafür, ob die öffentlichen Haushalte nachhaltig tragfähig sind. Denn aus ihm ergibt sich, ob Raum für Investitionen, Innovation und Bildungsausgaben besteht, die Wohlstand und Beschäftigung für die Zukunft absichern, oder ob Konsumaufgaben davonlaufen und damit Investitionsspielräume unverantwortlich schwinden. Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialleistungen veröffentlicht entsprechende Daten aktuell bis 2015. Der Trend ging zuletzt klar nach oben in Richtung der Höchstwerte, die die Agenda 2010 notwendig machten. Er ist ein wichtiges Warnsignal. Abbildung 6 Sozialleistungen in Prozent des BIP Deutschland 1960 bis 2015 28,7% 29,8% 30,5% 29,4% 26,3% 26,8% 28,6% 21,5% 24,1% 18,3% 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 Quelle: BMAS 2.5 Die implizite Staatsverschuldung Die in den Statistiken sichtbare, sogenannte explizite Verschuldung stellt nur einen Teil der tatsächlichen Belastung dar, deren Finanzierung die öffentliche Hand in die Zukunft verschoben hat. Dazu kommen die impliziten Schulden. Das sind alle durch das heutige Steuer- und Abgabenniveau nicht gedeckten Leistungsversprechen, insbesondere sozialer Art. Diese impliziten Schulden erreichen in der EU in der Regel ein höheres Niveau als die explizite Verschuldung. Die Stiftung Marktwirtschaft legt regelmäßig Zahlen zu der aus expliziter und impliziter Verschuldung zusammengesetzten Gesamtverschuldung vor für Deutschland als Generationenbilanz, für die EU als EU-Nachhaltigkeitsranking.

Position Zukunft der öffentlichen Finanzen Öffentliche Haushaltslage: wichtige Fakten 9 Das zuletzt im November 2016 veröffentlichte EU-Nachhaltigkeitsranking zeigt das außerordentlich hohe Ausmaß, in dem die Staaten implizite Leistungsversprechen abgeben. Deutschland steht in diesem Vergleich relativ gut da. Allerdings übersteigen die impliziten Schulden hierzulande mit 90 Prozent des BIP immer noch deutlich die expliziten Schulden, die zum Zeitpunkt der Untersuchung für 2016 noch vorläufig auf 71 Prozent des BIP angesetzt wurden. Tatsächlich lagen die expliziten Schulden dann, wie schon gezeigt, doch etwas niedriger. Das Gesamtvolumen aus expliziten und impliziten Schulden liegt damit nach dem EU-Nachhaltigkeitsranking für Deutschland bei circa fünf Billionen Euro. Der Generationenbilanz liegen nochmals andere Berechnungsgrundlagen zugrunde. Nach ihr lag die Nachhaltigkeitslücke Mitte 2016 sogar bei 6,2 Billionen Euro. Neue soziale Leistungszusagen, wie sie auch im Zusammenhang mit der Bundestagswahl 2017 wieder diskutiert werden, führen zu höheren Werten bei der impliziten Verschuldung. Abbildung 7 EU-Nachhaltigkeitsranking: Explizite und implizite Staatsverschuldung in Prozent des BIP 2016 Beschriftung: Saldo aus impliziten und expliziten Schulden 788 825 765 Implizite Schulden Explizite Schulden 549 603 39 39 53 62 458 432 311 331 336 381 390 337 249 254 256 266 272 199 179 161 107 135 147 109 Kroatien Estland Lettland Dänemark Italien Bulgarien Ungarn Portugal Deutschland Polen Schweden Österreich Tschechien EU 28 Frankreich Litauen Slowakei Griechenland Niederlande Malta Rumänien UK Finnland Zypern Slowenien Belgien Spanien Irland Luxemburg Quelle: Ehrbare Staaten? Update 2016, Stiftung Marktwirtschaft

10 Öffentliche Haushaltslage: wichtige Fakten Position Zukunft der öffentlichen Finanzen 2.6 Herausforderung Investitionsdefizit Einnahmen des Staates hängen wesentlich von der privaten Investitionstätigkeit ab. Auch Arbeitsmarkt- und Lohnperspektiven sind eng mit dem laufenden Investitionsniveau verknüpft. Das Problem: im Verhältnis zum BIP geht das Investitionsgeschehen in Deutschland seit langem tendenziell zurück. Abbildung 8 zeigt die Entwicklung von 1995 bis 2015. Am Anfang dieser Phase lag das Investitionsniveau insgesamt bei 23,4 Prozent des BIP, am Ende bei 19,9 Prozent also 3,5 Prozentpunkte niedriger. Der Einbruch fand im Wesentlichen zwischen dem Jahr 2000 und dem Jahr 2005 statt. In Folge ging es wieder ein Stück aufwärts, die Finanzmarktkrise führte zu einem neuen vorübergehenden Einbruch, gefolgt von einem Anstieg, der das Vorkrisenniveau wieder erreichte, seitdem ging es bis 2015 tendenziell leicht abwärts. Konsolidierte Zahlen für 2016 stehen noch aus. Insgesamt bleibt es bisher bei dem deutlichen Abstand zum höheren Niveau der zweiten Hälfte der 90er Jahre. Wichtig ist: der Abwärtstrend trifft den Staat ebenso wie die Unternehmen und die privaten Haushalte. Der Staat erreichte im Jahr 2015 noch 81,5 Prozent seines BIP- Anteils von 1995, die Unternehmen 95,2 Prozent. Den stärksten Einbruch erlebten die privaten Haushalte, die mit ihren Investitionen 2015 nur mehr 72 Prozent des entsprechenden BIP-Anteils von 1995 erreichten. Abbildung 8 Entwicklung der Investitionen Staat, Unternehmen, Haushalte in Prozent des BIP Insgesamt* 23,4% 19,9% 8,5% 6,2% 12,2% 11,6% Private Haushalte Unternehmen Staat 2,6% 2,1% 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 * Die oben links genannte Summe weicht durch Rundungen von der Summe der Einzelangaben ab. Quelle: EUROSTAT

Position Zukunft der öffentlichen Finanzen Öffentliche Haushaltslage: wichtige Fakten 11 Im Bundeshaushalt liegt die Investitionsquote seit 2013 etwas über den Vorjahreswerten. Laut gerade vorgelegter Finanzplanung hält dieses Niveau nur bis 2019, der Wert bricht dann wieder deutlich ein. Die investiven Ausgaben profitieren also nur vorübergehend und da auch nur in bescheidenem Maß von dem nach 2008 auf weniger als die Hälfte des vorherigen Wertes gesunkenen Anteil der Zinsausgaben am Bundeshaushalt. Abbildung 9 Quote der Zinsausgaben und der Investitionen im Bundeshaushalt Investitionsquote Zinsquote 14,4% 14,2% 8,8% 8,7% 11,1% 10,9% 10,2% 11,0% 10,0% 7,0% 7,5% 5,9% 9,1% 8,9% 6,3% 2005 2008 2011 2014 2017 2020 Quelle: BMF, div. Unterlagen Im europäischen Vergleich (s. Abbildung 10 auf der nächsten Seite) fällt Deutschland mit einem relativ niedrigen Anteil der öffentlichen Investitionen am BIP auf. Teils kompensiert wird das schwache öffentliche Investitionsniveau durch einen zwar im längerfristigen deutschen Vergleich zu niedrigen, aber im europäischen Vergleich hohen Wert bei den privaten Haushalten. Dazu kommt ein mittlerer Wert bei den Unternehmen. Über alle drei Sektoren ergibt sich für Deutschland ein im europäischen Vergleich nur mittlerer Wert.

12 Öffentliche Haushaltslage: wichtige Fakten Position Zukunft der öffentlichen Finanzen Abbildung 10 Investitionen in Prozent des BIP 2015: Unternehmen, Haushalte, Staat Deutschland im europäischen Vergleich Griechenland Zypern Portugal Italien Vereinigtes Königreich Dänemark Litauen Niederlande Slowenien Spanien Deutschland EU Euroraum Polen Finnland Irland Frankreich Ungarn Lettland Österreich Belgien Slowakei Norwegen Schweden Estland Schweiz Rumänien Tschechische Republik 5,0% 6,1% 9,7% 8,9% 9,4% 11,5% 11,2% 10,9% 11,1% 14,5% 11,6% 12,0% 12,0% 10,9% 10,9% 16,7% 12,5% 12,3% 15,5% 14,5% 14,9% 12,3% 12,6% 16,8% 13,4% 16,9% 14,7% 16,5% 2,7% 5,1% 3,3% 5,5% 4,9% 4,1% 4,4% 5,1% 3,7% 2,7% 6,2% 5,0% 5,2% 4,8% 5,6% 2,8% 5,6% 2,8% 2,5% 5,2% 5,7% 4,4% 5,9% 2,7% 4,9% 4,1% 4,9% 4,7% 3,8% 2,1% 2,3% 2,2% 2,6% 3,6% 3,6% 3,5% 4,7% 2,5% 2,1% 2,9% 2,7% 4,4% 3,9% 1,7% 3,5% 6,6% 4,6% 3,0% 2,4% 6,3% 4,9% 4,2% 5,4% 3,0% 5,2% 5,1% Unternehmen Haushalte Staat Quelle: Eurostat; Sortierung nach Summe der Einzelkomponenten je Staat

Position Zukunft der öffentlichen Finanzen Wachstums- und Konsolidierungskurs fortsetzen 13 3 Wachstums- und Konsolidierungskurs fortsetzen Zentrale Aufgaben zukunftsgerechter Haushaltspolitik Der deutsche Konsolidierungskurs der letzten Jahre war notwendig. Der öffentliche Schuldenstand ist allerdings mit 68,3 Prozent des BIP Ende 2016 nach wie vor deutlich zu hoch. Die Staatsverschuldung engt politische Handlungsspielräume weiterhin zu stark ein. Dazu kommen ständig steigende Soziallasten, durch ein allzu verhaltenes Investitionsgeschehen beeinträchtigte künftige Wachstumsperspektiven und Zinsrisiken, die zum Tragen kommen, sobald die EZB ihre auf Dauer fatale Niedrigzinspolitik aufgibt oder lockert. Der Konsolidierungskurs muss deshalb nachhaltig und langfristig fortgesetzt werden, und zwar gestützt auf wirtschaftlichen Erfolg, effiziente Bewirtschaftung der vorhandenen Mittel und hohe Disziplin bei Konsumausgaben, also vor allem bei sozialen Leistungszusagen. 3.1 Wachstum organisieren, sozialstaatlichen Sicherungsbedarf eindämmen Investitions- und innovationsorientierte, also auf Infrastruktur, Forschung und Bildung ausgerichtete Haushaltspolitik sichert nachhaltiges Wirtschaftswachstum ab. Erst das ermöglicht es vielen Menschen, aus eigener Kraft an den Wohlstandsperspektiven teilzuhaben, die unsere Soziale Marktwirtschaft bietet. Auf eigenen Verdienst gestützte wirtschaftliche Unabhängigkeit möglichst vieler Menschen ist wiederum die Voraussetzung dafür, dass soziale Sicherungsbedürfnisse in Grenzen gehalten, die Sicherungssysteme und die Bürger, die sie bezahlen, also nicht überfordert werden. Das ist auch deshalb wichtig, weil schon die demografische Entwicklung die Sozialsysteme enorm herausfordert. Um den Weg in diese Unabhängigkeit zu erleichtern und sie abzusichern, muss die Steuer- und Abgabenlast für die Mitte der Gesellschaft gesenkt werden. 3.2 Investitionsschwäche überwinden In Deutschland wird im Vergleich zu früheren Zeiten zu wenig investiert. Das betrifft den Staat ebenso wie die Unternehmen und die privaten Haushalte. Deshalb wäre es nicht zielführend, Unternehmen oder private Haushalte finanziell zu belasten, um dem Staat mehr Mittel für Investitionen zugänglich zu machen. Bund, Länder und Kommunen müssen ihre Investitionsschwäche durch Ausgabeneffizienz, Wachstum und Umschichtung in ihren Haushalten überwinden. Zusätzlich muss der Staat Anreize setzen, die das Investitionsgeschehen im unternehmerischen und privaten Bereich beleben und damit die Basis für staatliche Einnahmen nachhaltig stärken.

14 Wachstums- und Konsolidierungskurs fortsetzen Position Zukunft der öffentlichen Finanzen 3.3 Abbaupfade für Staatsverschuldung festlegen Haushaltskonsolidierung muss auf allen Ebenen ansetzen. Dank der Schuldenbremse gilt auch für die Länder in Deutschland ab 2020 ein Neuverschuldungsverbot. Den meisten Ländern ist es selbst überlassen, wie sie dieses Ziel erreichen; lediglich stark überschuldeten Ländern werden Abbaupfade für ihre Haushaltsdefizite vorgegeben. Der Konsolidierungskurs der Länder muss weiter konsequent verfolgt und eingefordert werden. Dabei sind auch die Kommunalfinanzen einzubeziehen. Um das Konsolidierungsziel im Auge zu behalten, sollten sich die Länder gegenüber ihren Bürgern auf klare Abbaupfade für die Staatsverschuldung verpflichten. Vergleichbare Herausforderungen gelten weiter auch bei der Umsetzung der Schuldenbremse in den Mitgliedsstaaten der EU. 3.4 Vorhandene Mittel effizient und nachhaltig bewirtschaften Ein grundlegender Schritt zur Haushaltskonsolidierung ist die Überprüfung der laufenden Ausgaben. Dazu muss ein ganzer Strauß an Instrumenten zur Anwendung kommen: Eingehende Effizienzanalysen anstellen, um auf deren Basis Ressourcen besser zu nutzen, Aufgaben zu hinterfragen, gegebenenfalls aufzugeben und Einsparpotenziale zu heben; Potenziale für Privatisierungen, Public-Private-Partnership-Lösungen und die Delegation öffentlicher Aufgaben an Privatunternehmen finden und, soweit sie eigenwirtschaftlichem Handeln des Staates nachhaltig gleichwertig oder überlegen sind, auch nutzen; Subventionen und soziale Leistungszusagen des Staates laufend nach dem Maßstab Hilfe zur Selbsthilfe überprüfen; öffentliche Haushalte konsequent auf die doppische Rechnungslegung umstellen, also auf eine kaufmännische Buchführung, die neben Einnahmen und Ausgaben auch die Veränderung von Vermögensverhältnissen in den Blick nimmt und damit wirtschaftlich nachhaltige Entscheidungen erleichtert. 3.5 Auf Zinsrisiken vorbereiten Eines der großen öffentlichen Haushaltsrisiken ist ein steigendes Zinsniveau. Ein Zinsanstieg um nur einen Prozentpunkt würde Bund, Länder und Gemeinden beim gegenwärtigen Schuldenstand mit ca. 20 Milliarden Euro pro Jahr belasten. Kurzfristig ist ein Zinsanstieg nicht zu erwarten. Insgesamt ist er wünschenswert. Der Niedrigzins steht vor allem der privaten Vermögensvorsorge im Weg. Zudem ist durch die Niedrigzinspolitik ein Preissignal weggefallen, das die Kosten von Investitionen und die Last neuer Verschuldung kennzeichnet. Um dem Zinsrisiko des Staats zu begegnen, brauchen wir ein stabiles Wirtschaftswachstum, effiziente Bewirtschaftung der vorhandenen Mittel und einen sukzessiven Schuldenabbau.

Position Zukunft der öffentlichen Finanzen Wachstums- und Konsolidierungskurs fortsetzen 15 3.6 Implizite Schulden durch generationengerechte Haushaltspolitik abbauen Ungedeckte öffentliche Leistungsversprechen, wie sie in der impliziten Verschuldung zum Ausdruck kommen, verschieben die Finanzierung von Leistungen an die nächste Generation. Akzeptabel ist das nur für Finanzierungen, die auch den nachfolgenden Generationen zu Gute kommen und sie nicht übermäßig belasten. Insofern muss die Lücke zwischen expliziten und impliziten Schulden geschlossen werden. Das gelingt nur durch ein ausgewogeneres Verhältnis sozialer Leistungszusagen zu gesamtwirtschaftlichen Einnahmen. Diese Aussagen gelten für andere Staaten noch mehr als für Deutschland. Deutschland muss deshalb in der EU, insbesondere in der Eurozone, weiter nachdrücklich auf ausgeglichene Haushalte und eine nachhaltig tragfähige Sozialpolitik drängen. Nur damit gibt es eine Perspektive auf eine gleichmäßigere wirtschaftliche Entwicklung in der EU. 3.7 Eigenverantwortung im Föderalismus ausbauen Im Herbst 2016 wurde eine Reform der föderalen Finanzbeziehungen beschlossen, die den Ländern mehr Mittel zukommen lässt, aber keine neuen Anreize für wachstumsgerechte Politik einführt. Um hier dennoch weiter zu kommen, muss die Steuerautonomie der Länder gestärkt werden. Das Steuerrecht muss es den Ländern im Wettbewerb untereinander ermöglichen, Einnahmenprobleme stärker als heute eigenständig zu lösen und die Bürger durch niedrigere Steuern an wirtschaftlichen Erfolgen des jeweiligen Landes teilhaben zu lassen. Gleichzeitig gilt es, Verfahren einzuführen, die konkret zeigen, welche landespolitischen Lösungen wirtschaftlich nachhaltig zielführend sind, also anderen als Vorbild dienen sollten. Beispielgebend dafür ist der PISA-Test im Bildungswesen, der wesentlich zu bildungspolitischen Fortschritten beitrug. 3.8 Solidarität und Solidität: Hilfe nur gegen Auflagen Die Staatsschuldenkrise im Euroraum hat den Blick dafür geschärft, dass Hilfe zwischen Staaten nur gegen wirksame Auflagen gegeben werden darf, da ansonsten not-wendige Konsolidierungsanstrengungen und Strukturreformen unterbleiben. Dieses Prinzip muss weiter stringent durchgehalten und auch im horizontalen und vertikalen Verhältnis zwischen Bund, Ländern und Kommunen in Deutschland gelten. Insgesamt muss darauf geachtet werden, dass die Ebene in unserem Staatswesen, die für eine Aufgabe die Verantwortung trägt, auch die Finanzierung zu stemmen hat. Falsch wäre es, wenn eine staatliche Ebene in ihrem Aufgabenbereich erforderliche Maßnahmen unterlässt, um dann, wenn deshalb eine höhere Ebene eintreten muss, auf das Konnexitätsprinzip zu verweisen und dort auch die Mittel einzufordern. Soweit das geschieht, stellt sich der Föderalismus selbst in Frage.

16 Wachstums- und Konsolidierungskurs fortsetzen Position Zukunft der öffentlichen Finanzen 3.9 Ausfallrisiko von Staatsanleihen mit Eigenkapital unterlegen Die Eurokrise hat nichts am Fortbestand der impliziten Solidarhaftung im Euroraum geändert. Die Banken und Versicherungen müssen die Risiken von Staatsanleihen nach wie vor nicht angemessen mit Eigenkapital unterlegen. Das führt zu niedrigen Zinsen, die Staaten kommen zu günstig an Geld, ein vernünftiger und marktkonformer Anreiz, Haushaltsprobleme durch Ausgabendisziplin zu lösen, fehlt. Diese Bevorzugung von Staatsanleihen darf nicht fortbestehen. Die Risikoeinstufung muss über Vorgaben zur Hinterlegung mit Eigenkapital an der finanziellen Lage des jeweiligen Eurostaates ausgerichtet werden. 3.10 Reform für mehr fiskalische Eigenverantwortung Mit dem Anleihenkaufprogramm hat sich die EZB in Richtung eines Staatsfinanciers entwickelt und so die Marktdisziplin im Euroraum weiter außer Kraft gesetzt. Gläubiger müssen weiterhin nicht befürchten, dass die Ausdehnung der Staatsverschuldung für sie ein erhöhtes Risiko bedeutet. Die Zinssätze bleiben niedrig, was bei den Staaten Anreize zu weiterer Verschuldung schafft. Im Auftrag der vbw hat Prof. Dr. Clemens Fuest einen Vorschlag für die Einführung von Accountability-Bonds (= Verantwortungsanleihen) erarbeitet. Die Bonds sollen herkömmlichen Staatsanleihen nachgeordnet sein und das Element der Privatgläubigerhaftung in die Staatsanleihenmärkte einführen: Bei einem Schuldenstand oberhalb der Maastricht-Grenze von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und bei gleichzeitigem Überschreiten einer vorgegebenen Defizitgrenze wären die Regierungen verpflichtet, weitere Haushaltsdefizite über die Ausgabe von ausfallgefährdeten Accountability- Bonds zu finanzieren. Den möglichen Ausfall würden die Gläubiger einpreisen. Als Folge lägen die dafür zu zahlenden Zinsen über denen gewöhnlicher Staatsanleihen und würden sich zwischen den Staaten entsprechend ihrer tatsächlichen Wirtschaftskraft und Schuldentragfähigkeit unterscheiden: Hochverschuldete Länder müssen höhere Zinsen zahlen. Banken müssen die Bonds gemäß dem Länderrating mit Eigenkapital unterlegen. So ließe sich mehr Marktdisziplin auf dem Staatsanleihenmarkt in der Eurozone erreichen.

Position Zukunft der öffentlichen Finanzen Ansprechpartner / Impressum 17 Ansprechpartner Dr. Benedikt Rüchardt Abteilung Wirtschaftspolitik Telefon 089-551 78-252 Telefax 089-551 78-249 benedikt.ruechardt@vbw-bayern.de Impressum Alle Angaben dieser Publikation beziehen sich grundsätzlich sowohl auf die weibliche als auch auf die männliche Form. Zur besseren Lesbarkeit wurde meist auf die zusätzliche Bezeichnung in weiblicher Form verzichtet. Herausgeber: vbw Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. Max-Joseph-Straße 5 80333 München www.vbw-bayern.de vbw April 2017