Das Leben von Pflegekindern als Kette von Übergängen: Was ermöglicht Pflegekindern die Bewältigung der Herausforderungen? Prof. Dr.

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Transkript:

Das Leben von Pflegekindern als Kette von Übergängen: Was ermöglicht Pflegekindern die Bewältigung der Herausforderungen? Fröndenberg 17.6.2015 Prof. Dr. Klaus Wolf Universität Siegen

Rahmungen I Übergänge als anthropologisches Merkmal: das Leben als Kette von Übergängen Verschiedene Logiken des Erlebens Pflegekinderspezifische Erfahrungen Koproduktionsebenen

Rahmung II: Übergänge als pädagogische Kategorie Kinder als Subjekte Übergänge als Ortswechsel als Veränderungen im Beziehungsnetzwerk als biografische Zäsuren Als Verlust und Chance

2. Dimensionen des Erlebens Selbstinitiiert vers. fremdinitiiert Beziehungen, Bindungen, Zugänge Kritische Lebensereignisse Veränderungen der Belastungs-Ressourcen-Balance Turbulenzen, Diskontinuität, Unsicherheit als Strukturmerkmal

Beispiele... und die entscheidende Fragen für die Profession: Was können Soziale Dienste zur Bewältigung beitragen? Wie können Ressourcen zugänglich werden? Wie können extrem ungünstige Bedingungen vermieden werden? Dafür benötigen wir professionelle Dienste!

An diesem Tag im Krankenhaus, den werd ich glaub ich nie vergessen, ja da kam so ne Familie rein, was heißt Familie, wer war denn dabei, Gerlinde, Fritz und ein Kind glaub ich, ja und dann meint die da, wir packen jetzt die Sachen, wir nehmen dich mit. Und ich hab das gar nicht verstanden und wollte eigentlich auch immer bei meiner Mama bleiben. Ja und dann musst ich da mit zu denen fahren, ich dachte ich müsst da mal zu Besuch hin, aber irgendwie war das net so, war sehr komisch, ne Familie die du net kennst die holt dich dann ab und du hast die in deinem Leben noch nie gesehn, dann hab ich das irgendwie erst zwei Jahre später begriffen. Ganz lange wusste ich nicht wo ich hier war, ich dachte immer jetzt jeden Moment kommt meine Mama rein und holt mich wieder. Konsequenzen? Was meinen Sie?

Jonas Wir Kinder, wir werden aus unserm - selbst, wenn das ganz schrecklich war, aber es war mir ja vertraut sag ich mal - rausgerissen und kommen hier hin in was ganz, ganz Neues. Und wenn ich mir vorstelle, ich wär getrennt gewesen, dann hätte wär - ständ ich ganz alleine vor diesem, vor dieser, vor diesem Neuen. Und das, nee. Also ich find, dass sollte man den Kindern nicht antun. Konsequenzen? Was meinen Sie?

ich weiß halt nur dass wir dann, irgendwo hingegangen sind ich wusste auch damals nicht dass das wirklich `n Gericht war oder irgendwas, da sind wir halt in so nem Saal gewesen und da war dann halt der Richter und die Pfle- eh un die Eltern von uns, und wir mussten halt draußen warten und da warn halt irgendwelche Betreuer mit dabei, und da meinte auf einmal ein Mann, unsre Eltern war n ja weg da drinne, die ganze Zeit, und auf einmal is ein Mann gekommen und hat halt zu mir gesagt so oder zu uns dreien gesagt komm wir gehen mal raus an die frische Luft n bisschen spielen, und da hab ich wohl noch zu dem Mann gesagt, irgendwie ich hab das wohl verstanden hab dann irgendwie gesagt ja ehm, das könnte nicht stimmen oder so was wo wir hin gehen würden hat er gesagt ja raus spielen un ich bin am Fenster gewesen und ich hab gesagt hier kann man nicht spielen ich sag hier sin ja nur Autos und ne Straße, wo wollen sie denn mit uns spielen gehen? Also ich fand das irgendwie extrem komisch anscheinend und dann sin mir halt raus weiß ich nur alle drei noch zusammen mit mehreren fremdem Leuten, und dann weiß ich halt da standen halt drei Autos die Kleine ins Erste ich ins Zweite die andere ins Dritte und da saßen halt immer zwei Leute drinne die machen halt immer diese Fahrten fürs Jugendamt, hatte diese Frau dann damals meinen Pflegeeltern erzählt ehm die würden so was regelmäßig machen, die kannten uns nicht oder irgendwas, und joa einfach reingepackt und weg also wir konnten uns auch nicht verabschieden oder irgendwas vielleicht wollten unsre Eltern auch nicht dass die uns verabschieden oder so ich weiß es ja nicht ob sie es vielleicht schon `n bisschen vorher wussten oder so dass wir wegkommen auf jeden Fall es hat uns keiner tschüss gesagt oder so, das war dann halt so und vor allem wie gesagt das Schlimmste war halt mit meinen Schwestern dann ich konnte nicht tschüss sagen oder irgendwas ich wurd als kleines Kind ins Auto gesteckt und weg, und joa he (lacht gezwungen) ich hab anscheinend dann ziemlich nach meinen Geschwistern geschrieen (lacht gezwungen) und das fand ich eigentlich viel schlimmer als wie gesagt nicht mehr bei meinen Eltern zu sein, nach denen hab ich jetzt nicht großartig geheult oder irgendwas. Konsequenzen? Was meinen Sie?

ähm dieses Gefühl überhaupt, dass jemand da is für einen (.) woher sollt ich das kennen, dass jemand morgens an mein Bett kommt und mich ganz ruhig und vernünftig weckt, überhaupt, dass mich jemand weckt, und dass, wenn ich aufstehe, mir n Brot gemacht wird, (.) oder dass ähm die Mama mit mir am Waschbecken steht und ähm drei Minuten lang die Zähne putzt, das waren, das war eigentlich alles, ich musste ja alles selber machen, ich konnte ja gar nicht Kind sein ich hab mich um meine Geschwister gekümmert, ich hab den Haushalt gemacht, ich bin einkaufen gegangen, (.) wenn ich das jetzt jemanden erzähle, ich war drei vier Jahre alt die packen sich an Kopp und da hab ich dann halt (räuspert sich) gelernt, Kind zu sein, in Kindergarten zu gehn, dann mittags nach Hause kommen, und mit irgendwelchen Kindern zu spielen, oder mm Fernsehn zu gucken oder sonst irgendwas zu machen das war alles neu für mich und (.) ich hab selber da gemerkt, ich hab manchmal Fragen gestellt, was man schon mit drei-vier Jahren wissen müsste und da ham die halt dann auch geguckt, dass ich soviel wie möglich mitkriege, damit meine Lücken halt wieder geschlossen werden, ich weiß nicht, wo ich da anfangen soll, dat war einfach alles, das Allerwichtigste halt, dass einfach ne Person da is, die sich um ein kümmert bei meinen Geschwistern war das auch nich immer gewährleistet Konsequenzen? Was meinen Sie?

ja es war erst mal (.) also ich konnt mich überall frei bewegen besonders mit den Jungen die waren beide im gleichen Alter, (...) die beiden Brüder und die ham mich so anders behandelt also da hab ich das war für mich wie ein Wunder das konnt ich gar nicht glauben ich konnt mich überall frei bewegen auch meine Entscheidungen meine Wünsche wurden hier irgendwie akzeptiert und toleriert war'n auch irgendwie wollten die wissen wie es mir geht und die wollten was was mit mir machen und das Erste wo ich fast geheult hätte war als ich hier hin also mein Bruder hat hier fern geguckt und dann kam ich hier hin und dann hat er mich gefragt (.) ich hab mich hier zu gesetzt hat er mich gefragt was ich denn gucken möchte und dieses kleine was möchtest du gucken das war für mich wirklich wie ein Wunder dass jemand in diesem Alter ein männliches Wesen sozusagen ehm ja sich für mich interessiert was oder ja mich sozusagen mit einbezieht und dass ich weiß auch nich also das war für mich wirklich wie ein Wunder, das hätt ich nie gedacht Konsequenzen? Was meinen Sie?

Stationen und Übergänge Zeit in der Herkunftsfamilie: Kontinuität oder Diskontinuität? Übergang als Kulturwechsel: Aufnahme in die Pflegefamilie Pflegefamilie = Kontinuität? Verlassen der Pflegefamilie

Szenarien des Übergangs aus der Pflegefamilie Ausschluss, Umplatzierung, Wechsel der HzE Rückkehr in die Herkunftsfamilie Lebenslange Beheimatung Selbständigkeit Leben mit mehreren Familiensystemen

Ich hatte halt immer Angst, dass ich abgegeben werde. Das war das Schlimmste an diesem ganzen Pflegegedöns. Sag ich jetzt mal. Also das war wirklich das Allerschlimmste. Immer diese Angst zu haben, die können mich jederzeit abgeben. Und ich denk mal, das ich deswegen zum Teil auch wirklich ja, also unterdrückt gelebt hört sich jetzt ganz furchtbar an. Aber, dass ich oft auch Sachen getan habe, ja, um einfach nett dazustehen. Also wenn mich meine Eltern um irgendwas gebeten haben, hat mich natürlich genervt. Was weiß ich, was auch immer. Müll runter zu bringen, Spülmaschine auszuräumen, hab ich dann gemacht, wo meine Brüder dann wahrscheinlich ein Theater bis weiß ich nicht bis wohin gemacht hätten. Und da wahrscheinlich meine Eltern in manchen Situationen dann natürlich auch in ihrer Pubertät mit denen große Auseinandersetzungen hatten. Hatte ich nicht. Also ich hab mich dann verzogen und hab das so für mich dann ausgemacht irgendwie Also das war schon so dieses Gefühl, wieder abgegeben zu werden. Das war ganz, ganz furchtbar. Und ich glaub, das hat mich einfach auch ein paar schöne Momente gekostet. So. Also ich hätte es einfacher leben können, mein Leben. Judith Pierlings: Dokumentation: Leuchtturm PflegeKinderDienst. 2011 S.20

Lukas Ich hab halt auch schon mal gesagt so: Ich wünschte, dass meine Mutter tot wäre. Und so. Ja und jetzt ist das komplett anders. Seitdem ich ausgezogen bin auch schon mal ein bisschen vorher so. Ich weiß nicht, ich denke so oft an meine Mutter so. Weil ich höre ja immer von Frau Karla so, ich frage ja immer nach so, die bekommt jetzt Hilfe, dass die es schafft mit ihren Kindern. Die wird ja immer betreut und so. Und ich find das ja toll, dass meine Mutter sich bemüht so. Zeigt mir ja, dass sie auch anders kann. Konsequenzen? Was meinen Sie?

Melanie Dass man wie so'n Begleiter hat, dass man nicht das Gefühl hat, das irgendwie is ne Institution n Amt oder irgendwie so, sondern für mich war es immer so das Gefühl, dass äh (.) da is halt jemand und äh (..) ja der guckt so mit da drauf wie so n (..) ja was weiß ich wie so n Lehrer oder irgendwie so was jemand der mit dir geht und auf dich aufpasst quasi.

Forschungsgruppe Pflegerkinder der Universität Siegen www.uni-siegen.de/pflegekinderforschung/home/index.html