2/2011 THEMENÜBERSICHT. Gesellschafts- und Zivilrecht. Europarecht. Steuerrecht. Editorial 2

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Transkript:

2/2011 THEMENÜBERSICHT Editorial 2 Gesellschafts- und Zivilrecht Typisch stille Beteiligung an einer GmbH: Keine Eintragung in das Handelsregister 2 Steuerliche Zurechnung von Wirtschaftsgütern bei Kettenerwerb ( logische Sekunde ) 3 Behandlung von Rückstellungen nach BilMoG: Beibehaltungswahlrecht 4 Europarecht Gewerbesteuerliche Organschaft über die Grenze nach dem GewStG 1999 4 Steuerrecht Zuflusszeitpunkt der Tantieme bei beherrschendem Gesellschafter 5 Ansprüche und Verpflichtungen einer Personenhandelsgesellschaft aus einer von ihr abgeschlossenen Lebensversicherung auf das Leben eines Angehörigen eines Gesellschafters können Betriebsvermögen sein 6 BFH zur Aufgabe der Gewerblichkeit von Insolvenzverwaltern 7 Abschöpfung eines angeblichen Vermögensvorteils durch die Finanzverwaltung mittels eines selbständigen Verfalls nach 29a OWiG aus unberechtigtem Vorsteuerabzug 8 Steuerliche Behandlung der Haftungsvergütung bei der Kommanditgesellschaft (KG) 9 Unternehmereigenschaft des geschäftsführenden Komplementärs einer Kommanditgesellschaft 10 Kein Vorsteuerabzug bei Beratungskosten im Zusammenhang mit einer umsatzsteuerfreien Anteilsveräußerung 11 Grundsteuererlass Verwirrung in der aktuellen Rechtsprechung 11 Neuer Umwandlungssteuererlass in Vorbereitung 13 BMF zur Anwendung des 1 AStG auf Fälle von Teilwertabschreibungen und anderen Wertminderungen auf Darlehen an verbundene ausländische Unternehmen 14 Anwendungsschreiben zu Spendenbescheinigungen 15 Kurz notiert 15

Editorial Sehr geehrte Leser des NewSPapers, kurz vor den Sommerferien hat uns das Bundesfinanzministerium in Sachen E-Bilanz mit Datum vom 4.7.2011 einen überarbeiteten Entwurf eines Anwendungsschreibens beschert. Dieses Schreiben ist ähnlich kompakt wie die am 31.8.2010 veröffentlichte Entwurfsfassung. Es wird Grundlage einer Informations- und Diskussionsveranstaltung beim BMF im August sein, zu dem die Vertreter der Verbände eingeladen worden sind. Auf dieser Veranstaltung sollen auch die Ergebnisse der Pilotphase vorgestellt und ihre Konsequenzen für die allgemeine Steuer-Taxonomie diskutiert werden. Wir möchten Sie gerne über die Ergebnisse dieser Diskussion informieren und werden unsere diesjährige Mandantenveranstaltung an mehreren Standorten unter diesem Thema ausrichten. Wir wollen Ihnen dort u.a. über die Ergebnisse dieser Diskussion berichten und erläutern, welche Auswirkungen das Vorhaben E-Bilanz auf Ihr Unternehmen hat. Die Veranstaltungen finden an folgenden Terminen statt: Hamburg (Dienstag, 6. September 2011, Hotel Hafen Hamburg) Berlin (Donnerstag, 8. September 2011, Hotel Pullman Berlin Schweizerhof) Frankfurt (Donnerstag, 29. September 2011, Frankfurt Marriott Hotel) Bis dahin wünschen wir Ihnen noch eine erholsame Urlaubszeit. Typisch stille Beteiligung an einer GmbH: Keine Eintragung in das Handelsregister Das OLG München hat durch Beschluss vom 17.3.2011 (31 Wx 68/11) zu der kontroversen Frage Stellung genommen, ob ein Teilgewinnabführungsvertrag mit einer GmbH zu seiner Wirksamkeit der Eintragung in das Handelsregister bedarf. Es hat entschieden, dass eine typisch stille Beteiligung im Sinne der 230 ff. HGB an einer GmbH nicht eintragungspflichtig ist. Nach 291 f., 294 AktG setzt die Wirksamkeit eines Unternehmensvertrages mit einer Aktiengesellschaft (AG) ausdrücklich seine Eintragung in das Handelsregister der AG voraus. Unternehmensverträge in diesem Sinne sind auch Teilgewinnabführungsverträge wie eine stille Beteiligung, die eine gewinnabhängige Vergütung gewährt. Für Unternehmensverträge mit einer GmbH hingegen ist ein solches Eintragungserfordernis nicht gesetzlich geregelt. Allerdings hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass Unternehmensverträge mit einer GmbH, die organisationsrechtlichen Charakter haben und de facto ihr Statut ändern, wie Satzungsänderungen zu behandeln und daher analog 54 GmbHG eintragungspflichtig sind. Dies gilt nach h.m. jedenfalls für einen kombinierten Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag mit einer GmbH, da er in das Gewinnbezugsrecht und die Weisungskompetenz der Gesellschafter eingreift und die unternehmerische Unabhängigkeit der GmbH durch die Ausrichtung ihres Unternehmens am Interesse der herrschenden Gesellschaft ersetzt. Diese Voraussetzungen erfüllt aus der Sicht des OLG München ein stiller Beteiligungsvertrag, der dem Stillen nur einen Teil des Gewinns der GmbH als Vergütung gewährt, auch dann nicht, wenn wesentliche unternehmerische Entscheidungen der Gesellschafter einem Zustimmungsvorbehalt des Stillen unterliegen. Praxis: Der Beschluss liegt auf einer Linie mit dem Urteil des BayObLG vom 18.2.2003 (3Z BR 233/02), durch welches es (allgemeiner) entschieden hatte, dass Finanzierungsverträge mit einer GmbH, die einen Gewinnanteil als Vergütung gewähren und dem Kapitalgeber einen Zustimmungsvorbehalt bei wichtigen Maßnahmen der Gesellschaft einräumen, nicht in das Handelsregister eingetragen werden müssen. Eine Eintragungspflicht dürfte zudem auch dann nicht bestehen, wenn Seite 2

anders als im Fall des OLG München der Stille zusätzlich eine Verlustbeteiligung übernimmt. Nicht gerichtlich geklärt ist bisher indes, ob ein atypisch stiller Beteiligungsvertrag, bei dem der Stille tendenziell stärkere unternehmerische Mitspracherechte und/ oder eine Beteiligung an den stillen Reserven der GmbH erhält, im Einzelfall eintragungspflichtig sein kann. Die überwiegenden Gründe sprechen gegen eine Eintragungspflicht analog 54 GmbHG, weil auch der atypisch still Beteiligte regelmäßig nur einen Teil des Gewinns (nicht den gesamten Gewinn der GmbH) erhält und seine Mitspracherechte auf die Wahrung seiner wirtschaftlichen Interessen beschränkt sind, also die Weisungskompetenz der Gesellschafter ebenfalls nicht vollständig ersetzen. Diese Frage sollte im Einzelfall vorab beraten und beurteilt werden. Olaf Schweser, Tel. 040 415 22-145 Der BFH hat durch Urteil vom 26.1.2011 (IX R 7/09) entschieden, dass im Falle eines Kettenerwerbes (der Ersterwerber überträgt das Wirtschaftsgut mit Wirkung zum Erwerbszeitpunkt auf einen Zweiterwerber) der Ersterwerber nicht zwangsläufig für eine logische Sekunde wirtschaftlicher Eigentümer des übertragenen Wirtschaftsgutes wird. Steuerliche Zurechnung von Wirtschaftsgütern bei Kettenerwerb ( logische Sekunde ) Im entschiedenen Fall hatte der Kläger im Jahr 1999 bereits vor dem Erwerb eines Geschäftsanteils mit einer Stammkapitalquote von 15% an einer GmbH seine Ehefrau mit Wirkung zum Erwerbszeitpunkt atypisch still in Höhe von 34% (Stammkapitalquote 5,1%) an dem Geschäftsanteil unterbeteiligt. Im Jahr 2001 veräußerte der Kläger den Geschäftsanteil. Das Finanzamt besteuerte den Veräußerungsgewinn nach 17 EStG in der im Veranlagungszeitraum der Veräußerung geltenden Fassung, weil der Kläger zum Erwerbszeitpunkt im Jahr 1999 zumindest für eine logische Sekunde in Höhe von mindestens 10% am Kapital der GmbH und damit innerhalb des 5-jährigen Referenzzeitraumes an der Gesellschaft wesentlich beteiligt gewesen sei. Der BFH hat der Revision des Klägers stattgegeben und klargestellt, dass sich die Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums gemäß 39 Abs. 2 Nr. 1 AO nach den tatsächlichen Verhältnissen richtet. Danach hatte der Kläger in Höhe der Unterbeteiligungsquote von 34% zu keinem Zeitpunkt das wirtschaftliche Eigentum an dem Geschäftsanteil erworben, weil seiner Ehefrau nach den Bestimmungen des Unterbeteiligungsvertrages in Höhe dieser Quote bereits ab dem Erwerbszeitpunkt sämtliche Verwaltungs- und Vermögensrechte aus dem Geschäftsanteil sowie die Chancen und Risiken der Wertentwicklung des Geschäftsanteils zustanden. Dementsprechend war der Kläger zu keinem Zeitpunkt wesentlich im Sinne von 17 EStG an der GmbH beteiligt. Praxis: Der BFH verdeutlicht, dass für steuerliche Zwecke die wirtschaftliche Betrachtungsweise (das wirtschaftlich Gewollte und das tatsächlich Bewirkte) ausschlaggebend ist. Deshalb wird ein Wirtschaftsgut steuerlich zwar grundsätzlich dem zivilrechtlichen Eigentümer zugerechnet, jedoch nur dann, wenn es nach den tatsächlichen Verhältnissen nicht einer anderen Person zuzurechnen ist. Ein Erwerb des zivilrechtlichen Eigentums (oder Durchgangserwerb für eine logische Sekunde ) bedeutet nicht zwingend auch einen Erwerb/Durchgangserwerb des wirtschaftlichen Eigentums. Das Urteil ermöglicht im Grundsatz auch über die entschiedene Konstellation (Unterbeteiligung an einem Geschäftsanteil/Vermeidung einer wesentlichen Beteiligung im Sinne von 17 EStG) hinaus Gestaltungen, durch welche für steuerliche Zwecke der Direkterwerb des wirtschaftlichen Eigentums an einem Wirtschaftsgut durch den Zweiterwerber vom Erstveräußerer erreicht werden kann. Solche Gestaltungen sollten jedoch im Einzelfall vorab beraten werden. Olaf Schweser, Tel. 040 415 22-145 Seite 3

Behandlung von Rückstellungen nach BilMoG: Beibehaltungswahlrecht Im letzten Newspaper (1/2011) hatten wir Hinweise zur Bestimmung des Zinsaufwands ( 277 Abs. 5 Satz 1 HGB) und des a.o. Ergebnisses (Art. 67 Abs. 7 EGHGB) gegeben. Nachfolgend geben wir Hinweise zur Anwendung des Beibehaltungswahlrechts. Ergibt sich aus der erstmaligen Anwendung des BilMoG eine Verminderung einer Rückstellung (diese Regelung gilt nicht nur für Pensionsrückstellungen), so kann nach Art. 67 Abs. 1 Satz 2 EGHGB die bisher gebildete Rückstellung beibehalten werden, soweit der aufzulösende Teil bis zum 31.12.2024 wieder zugeführt werden müsste. Interpretiert man die Vorschrift so, dass eine Beibehaltung der Ist-Rückstellung in absoluter Höhe gefordert wird, wird die Voraussetzung, dass die Sollrückstellung im genannten Zeitraum die Ist- Rückstellung übertrifft, nur in den seltensten Fällen erfüllt und auch schwer nachzuweisen sein. Bei einer solchen Interpretation würde der künftige Verbrauch (z.b. Rentenzahlungen) nur die Soll- aber nicht die Ist-Rückstellung vermindern und insofern erneut aufwandswirksam werden. Die Gesetzesbegründung legt dagegen eine andere Interpretation nahe, nämlich dass für die Ausübung des Wahlrechts die eigentlich notwendige Auflösung durch künftige Zuführungen wieder ausgeglichen werden muss. Im Unterschied zur ersten Interpretation werden in diesem Fall künftige Rentenzahlungen zu Recht erfolgsneutral auch zu Lasten der Ist-Rückstellung gebucht. In der Regel wird dann allein die Aufzinsung der Sollrückstellung ausreichen, um die anfängliche Überdeckung in wenigen Jahren wieder abzubauen. Zahlenbeispiel: Die Verpflichtung bestehe aus einer jeweils am Jahresende fälligen Rentenzahlung von 100. Die Istrückstellung nach bisherigem Recht betrage 1.200, die Sollrückstellung nach BilMoG 1.000. Der Diskontierungszins sei 5%. 01.01. 2010 31.12. 2010 31.12. 2011 31.12. 2012 31.12. 2013 31.12. 2014 Ist-Rückstellung 1. absolute Beibehaltung 1.200 1.200 1.200 1.200 1.200 1.200 2. mit Verbrauch (-100 p. a.) 1.200 1.100 1.000 900 800 700 Soll-Rückstellung Soll-Rückstellung (+ 5% Zins, -100 p. a.) 1.000 950 898 842 784 724 Wird vom Beibehaltungswahlrecht kein Gebrauch gemacht, ist die Auflösung erfolgsneutral in die Gewinnrücklagen einzustellen. Künftige Zuführungen erfolgen dann erfolgswirksam. Torsten Seemann, Tel. 040 415 22-810 Gewerbesteuerliche Organschaft über die Grenze nach dem GewStG 1999 Der erste Senat des BFH hat in seinem Urteil vom 09.02.2011 (I R 54, 55/10) entschieden, dass eine gewerbesteuerliche Organschaft zwischen einem in Großbritannien ansässigen Organträger und einer inländischen Organgesellschaft über eine inländische Zwischenholding nach dem GewStG 1999 möglich ist. Nach Ansicht des BFH ist die Beschränkung auf einen Organträger, der seine Geschäftsleitung und seinen Sitz im Inland hat nach 14, 2. Halbsatz und 14 Nr. 3 S. 1 KStG 1999 i.v.m 2 Abs. 2 S. 2 GewStG 1999 nicht mit dem Diskriminierungsverbot des Art. XX (Gleichbehandlung) Abs. 4 und 5 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Großbritannien und Deutschland von 1964/1970 vereinbar. Seite 4

Im entschiedenen Fall hat eine britische Kapitalgesellschaft M-plc über eine zwischengeschaltete deutsche Holding T-GmbH eine Beteiligung an der deutschen E-GmbH gehalten. Die M-plc war zu über 95% mittelbar an der E-GmbH beteiligt und hat dieser ein Darlehn gewährt. Grundsätzlich hätten die Zinsaufwendungen für gewerbesteuerliche Zwecke bei der E-GmbH gewinnerhöhend nach 8 Nr. 1 GewStG 1999 als Dauerschuldzinsen berücksichtigt werden müssen. Um dieser Hinzurechnung zu entgehen, beantragte die E-GmbH als Organgesellschaft der M-plc für gewerbesteuerliche Zwecke behandelt zu werden, da bei einer Organschaft Zinsen zwischen den organbeteiligten Unternehmen nicht als Dauerschuldzinsen hinzugerechnet werden. Wäre die M-plc eine inländische Gesellschaft gewesen, wäre eine Organschaft mit der E-GmbH möglich gewesen. Da die M-plc ihren Sitz und ihre Geschäftsleitung aber in England hat, war nach deutschem Recht eine Berücksichtigung als Organträger nicht möglich. Das widerspricht nach Ansicht des BFH dem Diskriminierungsverbot des zwanzigsten Artikels des DBA 1964/1970 mit Großbritannien. Im Ergebnis hat der BFH damit eine grenzüberschreitende Organschaft zugelassen. Allerdings betrifft das Urteil einen Fall der gewerbesteuerlichen Organschaft vor 2002, bei dem es nicht erforderlich war, dass ein Ergebnisabführungsvertrag abgeschlossen wurde. Seit dem Jahr 2002 ist es nicht mehr möglich eigenständige Organschaften für Zwecke der Gewerbesteuer zu bilden; es gibt nur noch körperschaft- und gewerbesteuerliche Organschaften, für die zwingend ein ins Handelsregister eingetragener Ergebnisabführungsvertrag abgeschlossen sein muss. Da es sich um einen Altfall handelt, bleibt die Frage, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, damit nach jetzigem Steuerrecht eine grenzüberschreitende Organschaft anerkannt wird, unbeantwortet. Dieses Urteil zeigt deutlich, dass die Rechtsprechung in Bezug auf grenzüberschreitende Organschaften und damit auch grenzüberschreitende Verlustnutzungen im Fluss ist. Es kann mit Spannung erwartet werden, wie sich der BFH und der Gesetzgeber über grenzüberschreitende Organschaften nach jetzigem Recht bzw. für die Zukunft äußern werden. Jutta Horstrup, Tel. 040 415 22-462 Der BFH hat mit seinem Urteil vom 3.2.2011 (VI R 66/09) entschieden, dass der Anspruch auf Tantieme bei einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH mit der Feststellung des Jahresabschlusses fällig wird, sofern nicht zivilrechtlich wirksam und fremdüblich eine andere Fälligkeit vertraglich vereinbart ist. Der Urteilsfall betraf einen alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer, der neben seinem Festgehalt Anspruch auf eine Gewinnbeteiligung in Abhängigkeit des Jahresüberschusses hatte. Diese Tantieme sollte gemäß dem Anstellungsvertrag innerhalb von drei Monaten nach Bilanzerstellung auszuzahlen sein. Das Finanzamt hat nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung die Auffassung vertreten, der Zufluss der Tantieme (und damit das Entstehen der Lohnsteuer) sei bereits zum Zeitpunkt des Beschlusses über den Jahresabschluss anzunehmen. Zuflusszeitpunkt der Tantieme bei beherrschendem Gesellschafter Im vorliegenden Fall hatte das Entstehen der Lohnsteuer besondere Bedeutung erlangt, da der Gesellschafter-Geschäftsführer vor Ablauf der drei Monate auf seinen Tantiemeanspruch zu Gunsten einer Pensionszusage verzichtet hatte, ohne dass zuvor Lohnsteuer einbehalten und abgeführt worden war. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung tritt der Zufluss eines Vermögensvorteils mit der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht ein. Dies erfolgt in der Regel mit tatsächlicher Gutschrift oder Auszahlung des Geldbetrages. Abweichend hiervon hat der BFH jedoch Seite 5

im Fall von beherrschenden Gesellschaftern bisher entschieden, dass der Zufluss bereits bei Fälligkeit gegeben ist, da es der beherrschende Gesellschafter in der Hand hat, sich geschuldete Beträge auszahlen zu lassen. Allerdings werden von dieser Zuflussfiktion nur Gehaltsbeträge und sonstige Vergütungen erfasst, die die Kapitalgesellschaft den sie beherrschenden Gesellschaftern schuldet und die sich bei der Ermittlung des Einkommens ausgewirkt haben. Demnach wird der Anspruch auf die Tantieme grundsätzlich mit Feststellung des Jahresabschlusses fällig. Ist jedoch eine von diesem Grundfall abweichende Fälligkeitsvereinbarung zivilrechtlich wirksam, so ist diese auch im Steuerrecht beachtlich. Zudem war die hier getroffene Fälligkeitsvereinbarung nach Ansicht des BFH auch fremdüblich. Ein fremder Geschäftsführer hätte sich ebenfalls auf einen Fälligkeitstermin der Tantieme erst drei Monate nach Feststellung des Jahresabschlusses eingelassen, denn üblicherweise benötigte die Gesellschaft bei höheren Tantiemen Zeit, um die Liquidität für die Auszahlung herzustellen. Für die Praxis ist bedeutsam, dass auch beim beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer nicht stets von der Zuflussfiktion auszugehen ist, sondern unter Beachtung der vom BFH aufgestellten Grundsätze der Zeitpunkt des Zuflusses durchaus verlagert werden kann. Dirk Lehmann, Tel. 040 415 22-164 Ansprüche und Verpflichtungen einer Personenhandelsgesellschaft aus einer von ihr abgeschlossenen Lebensversicherung auf das Leben eines Angehörigen eines Gesellschafters können Betriebsvermögen sein Schließt eine Personenhandelsgesellschaft eine Lebensversicherung auf das Leben eines Angehörigen eines Gesellschafters ab, so können nach dem Urteil des BFH vom 3.3.2011 (IV R 45/08) Ansprüche und Verpflichtungen aus dem Vertrag dem Betriebsvermögen zuzuordnen sein, wenn der Zweck der Vertragsgestaltung darin besteht, Mittel für die Tilgung betrieblicher Kredite anzusparen und das für Lebensversicherungen charakteristische Element der Absicherung des Todesfallrisikos bestimmter Personen demgegenüber in den Hintergrund tritt. Der Entscheidungsfall betraf eine Personengesellschaft, die zum Zwecke der Sicherung und späteren Tilgung einer Immobilien-Finanzierung Kapitallebensversicherungen abschloss. Versicherte Personen des Lebensversicherungsvertrages waren u.a. die (minderjährigen) Kinder von zwei Kommanditisten, wobei die Mutter zugleich auch Geschäftsführerin der Komplementär-GmbH war. Das FA erkannte die Versicherungsbeiträge nicht als Betriebsausgaben an. Die Klage vor dem FG Baden-Württemberg (Urteil vom 24.7.2008, 8 K 57/04) blieb insoweit ohne Erfolg, als Versicherungsbeiträge für die auf die eigenen Kinder abgeschlossene Versicherung betroffen waren. Der BFH sah die Revision als begründet an und verwies die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das FG zurück, da die Versicherungsnehmereigenschaft der Personengesellschaft noch abschließend zu klären war. Ob Ansprüche und Verpflichtungen aus einem Versicherungsvertrag zum Betriebsvermögen gehören, beurteilt sich nach der Auffassung des BFH grundsätzlich nach der Natur des versicherten Risikos. Bezieht sich die Versicherung auf ein betriebliches Risiko, so sind Ansprüche hieraus dem Betriebsvermögen zuzuordnen; ist hingegen ein außerbetriebliches Risiko versichert, gehören sie zum Privatvermögen. Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall eines (Mit-)Unternehmers oder seiner Angehörigen sind danach selbst dann privat veranlasst, wenn sie der Absicherung und/ oder Tilgung betrieblicher Kredite dienen (u.a. BFH vom 10. April 1990 VIII R 63/88). Wie der BFH allerdings bereits im seinem Urteil vom 14.03.1996 - IV R 14/95 ausgeführt hat, kann die Veranlassung des Abschlusses einer Versicherung nicht stets (allein) aus der Natur des versicherten Seite 6

Risikos hergeleitet werden; vielmehr können sich unter den besonderen Umständen des Einzelfalls auch andere Gesichtspunkte ergeben, aus denen sich die Veranlassung ergeben kann. Derartige Umstände waren im o.g. Entscheidungsfall nach der Auffassung des BFH gegeben, denn der Zweck der Vertragsgestaltung bestand darin, Mittel für die Tilgung betrieblicher Kredite anzusparen, während das für Lebensversicherungen charakteristische Element der Absicherung des Todesfallrisikos bestimmter Personen demgegenüber in den Hintergrund trat. Der zum Betriebsvermögen gehörende Anspruch der GmbH & Co. KG aus der Lebensversicherung war somit in Höhe des geschäftsplanmäßigen Deckungskapitals zum Bilanzstichtag zu aktivieren und die diesen Betrag übersteigenden Anteile der Prämienzahlungen als Betriebsausgaben abziehbar. Auch wenn der vom BFH entschiedene Fall eine betriebliche Tilgungsversicherung nach dem versicherungsaufsichtsrechtlich nicht mehr zulässigen sog. Optima -Modell betraf, so gelten die vom BFH aufgestellten Grundsätze in den Fällen, in denen Kapitallebensversicherungen zum Betriebsvermögen gehören. Zumindest hat der BFH Tilgungsversicherungen nicht grundsätzlich mit Blick auf 42 AO (Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts) eine Absage erteilt. Dem Steuerpflichtigen könne so der BFH nicht vorgeschrieben werden, welche Anlageform er zu einem bestimmten Zweck zu wählen hat. Entscheidet er sich für eine Kapitallebensversicherung, so kann ihm entsprechend nicht entgegengehalten werden, er hätte einen Sparvertrag wählen müssen. Noch nicht abschließend geklärt ist, ob Mitgesellschafter Risikolebensversicherungen auf das Leben des anderen Mitgesellschafters als Sonderbetriebsausgabe geltend machen können (Rev. BFH VIII R 4/10). In dem Revisionsverfahren geht es um eine Rechtsanwaltssozietät, die zur Abwendung des den Betrieb gefährdenden Risikos durch Ableben von Mitgesellschaftern entsprechende Risikolebensversicherungen abschloss. Michael Will, Tel. 040 415 22-154 Seit Jahren bemühen sich insbesondere moderne Dienstleister darum, dass ihre Tätigkeiten als sogenannte freiberufliche Tätigkeiten steuerlich anerkannt werden. Der Vorteil einer solchen Qualifizierung ist, dass keine Gewerbesteuer auf diese Einkünfte zu zahlen ist. Zwar hat die Gewerbesteuer durch die Möglichkeit der Anrechnung auf die Einkommensteuer ihren Schrecken verloren. Dennoch bleibt die Gewerbesteuer auch wegen der verschiedenen Hinzurechnungsvorschriften eine zusätzliche Belastung. Unstreitig sind nach dem 18 EStG Ärzte, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Architekten, Künstler etc. freiberuflich tätig. Diese dürfen auch fachlich vorgebildetes Personal einsetzen, solange sie selbst leitend und eigenverantwortlich tätig sind. Dies ist schon in mittleren Kanzleien üblich. BFH zur Aufgabe der Gewerblichkeit von Insolvenzverwaltern In seiner bisherigen ständigen Rechtsprechung hatte der BFH anschließend an entsprechende Entscheidungen des Reichsfinanzhofs entschieden, dass sonstige selbständig Tätige eine derartige Vervielfältigung ihrer Tätigkeit nicht vornehmen dürfen, ohne den Status der Freiberuflichkeit zu verlieren (sogenannte Vervielfältigungstheorie). Dies bedeutete, dass zum Beispiel Insolvenzverwalter alle Tätigkeiten selbst ausüben mussten und kein Personal für die Abwicklung von Insolvenzen einsetzen durften, wenn sie freiberuflich bleiben wollten. Nunmehr hat der BFH in einer Reihe von fünf Urteilen (jeweils vom 15.12.2010, VIII R 50/90, VIII R 37/09, VIII R 13/10, VIII R 12/10 sowie vom 26.1.2011, VIII R 29/08) entschieden, dass insbesondere Insolvenzverwalter sich ebenso wie die sogenannten Kammerberufe fachlich Seite 7

vorgebildeten Personals bedienen dürfen, ohne die Freiberuflichkeit zu verlieren. Voraussetzung bleibt allerdings, dass sie der Tätigkeit den Stempel ihrer Persönlichkeit geben, d.h. dass sie leitend und eigenverantwortlich tätig sind. Mit diesem Urteil eröffnet der BFH insbesondere für Insolvenzverwalter, jedoch auch für andere ähnliche Berufe ebenfalls, die steuerliche Qualifizierung als freiberuflich. Der BFH sah sich zu diesem Schritt in der Lage, da auch in den Gesetzesmaterialien eine wesentliche Unterscheidung zwischen Rechtsanwälten, Steuerberatern, Wirtschaftsprüfer und sonstigen selbständigen Tätigkeiten nicht erkennbar vorgetreten sei. Ferner hat der BFH in diesen Entscheidungen für die Praxis wichtige Konkretisierungen im Hinblick darauf vorgenommen, was er unter leitender und eigenverantwortlicher Tätigkeit versteht. Hierzu hat der BFH entschieden, dass der Freiberufler, auch wenn er in einer Sozietät tätig ist, die wesentlichen leitenden Entscheidungen über das ob und das wie einer Beratung oder Dienstleistung entscheiden muss. Er kann jedoch die Ausführung dieser Tätigkeiten auf Basis der von ihnen getroffenen Entscheidungen seinen entsprechend vorgebildeten Angestellten überlassen. Dieses Urteil wird wesentliche Bedeutung nicht nur für Insolvenzverwalter, sondern in seinem zweiten, die Eigenverantwortlichkeit und Leitung konkretisierenden Teil auch für Großkanzleien haben. Auf Basis dieser BFH Entscheidungen sollten mögliche Betriebsprüfungsverfahren und offene Einsprüche entsprechend beendet werden können. Dr. Peter H. Eggers, Tel. 030 590 021-302 Abschöpfung eines angeblichen Vermögensvorteils durch die Finanzverwaltung mittels eines selbständigen Verfalls nach 29a OWiG aus unberechtigtem Vorsteuerabzug Der Unternehmer kann die gesetzlich geschuldete Umsatzsteuer für die an ihn für sein Unternehmen ausgeführten Lieferungen und sonstige Leistungen als Vorsteuer unter den Voraussetzungen von 15 Abs.1 Nr.1 UStG abziehen. Erforderlich dafür ist, dass der Unternehmer im Besitz einer Rechnung ist, welche kumulativ alle formellen Voraussetzungen des 14 Abs.4 UStG erfüllt. Zieht der Unternehmer Vorsteuer aus Eingangsrechnungen ab, welche den gesetzlichen Voraussetzungen nicht genügen, verkürzt er die an das Finanzamt abzuführende Umsatzsteuer. Kommt es im Rahmen einer Betriebsprüfung zu Korrekturen bei der Vorsteuer, weil die Rechnungskriterien nicht vollständig vorliegen, wird die Umsatzsteuernachzahlung mit 0,5% je Monat verzinst ( 233a AO). Unrichtige oder unvollständige Angaben in einer Rechnung können korrigiert oder ergänzt werden, wobei die spätere Berichtigung nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht auf den Tag der Rechnungsausstellung zurückwirkt (15.2 Abs.5 UStAE). Die nationale Beurteilung der Rückwirkung wurde vor dem Hintergrund des EuGH-Urteils (vgl. NP 3/2010) vom 15.7.2010, Pannon Gép (C-368/09) in einem Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzhof nicht abschließend geprüft, da die Klage aus Sicht des BFH bereits aus anderen Gründen abzuweisen war (BFH-Beschluss vom 25.3.2011, V B 94/10); in zwei Finanzgerichtsverfahren wurde die Rückwirkung bisher verneint. Anträge auf rückwirkende Geltendmachung des Vorsteuerabzugs auf den Tag der Rechnungsausstellung sowie Anträge auf Aussetzung der Vollziehung ( 361 Abs.2 AO) werden von der Finanzverwaltung aktuell abgelehnt (Finanzministerium Brandenburg vom 09.03.2011, 31 - S 7300-3/10) Ein aus Kürzungen der Vorsteuer resultierender Zinslauf beginnt allerdings erst 15 Monate nach Ablauf des entsprechenden Kalenderjahres, in dem die Umsatzsteuer entstanden ist. Die Karenzzeit von 15 Monaten versucht die Finanzverwaltung in den Fällen zu unterlaufen, in denen der betreffende Rechnungsmangel zwischenzeitlich wirksam geheilt und die betreffende Steuer Seite 8

mittels Abgabe einer geänderten Umsatzsteuererklärung nachgemeldet und entrichtet wurde. In diesen Fällen ist eine Abschöpfung im Rahmen einer Bußgeldfestsetzung nämlich nicht mehr möglich ( 17 Abs.4 OWiG), weil die Nachmeldung eine bußgeldbefreiende Selbstanzeige nach 378 Abs.3 AO darstellt. Die Abschöpfung eines angeblichen Vermögensvorteils (Zinsvorteil) soll dann aber nach Auffassung der Finanzverwaltung mittels eines selbständigen Verfalls nach 29a OWiG möglich sein. Eine solche Abschöpfung außerhalb der Vorschriften der Abgabenordnung ist jedoch nach unserer Auffassung aus systematischen Gründen bedenklich: Die Verzinsung einer Steuernachzahlung auch innerhalb des 15 Monate Karenzzeitraumes ist nur im Falle einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung ( 235 AO) vorgesehen; eine solche kann in den o.g. Fällen jedoch in der Regel nicht gesehen werden. Die Abschöpfung mittels eines selbständigen Verfalls nach 29a OWiG erfordert eine mit Geldbuße bedrohte Handlung. Erforderlich dazu wäre eine leichtfertige Steuerverkürzung nach 378 AO. Unter einer solchen leichtfertigen Steuerverkürzung wird eine erhebliche an Vorsatz grenzende grobe Fahrlässigkeit verstanden (BFH-Urteil vom 25.06.1997, Az VIII B 35/96). Bei der Mehrheit der Fälle dürfte aber eine solche regelmäßig nicht gegeben sein (insbesondere, wenn die berichtigten Beträge lediglich einen verhältnismäßig geringen Anteil der Umsätze ausmachen), wobei es natürlich auf den Einzelfall ankommt. Sollte man entgegen vorgenannter Ausführungen 29a OWiG als anwendbar erachten, so kann nur das aus der Tat Erlangte (Unmittelbarkeitszusammenhang zwischen der Tat und dem erlangten Vorteil) abgeschöpft werden. Die seitens der Finanzverwaltung praktizierte Abschöpfung mit monatlich 0,5% der Steuer geht u.e. über die gesetzlich zulässige Rechtsfolge von 29a OWiG hinaus, weil allenfalls der im Einzelfall tatsächlich erzielte Vorteil abgeschöpft werden darf. In der aktuellen Zinsphase dürfte darüberhinaus ein tatsächlich erzielter Zinsvorteil von 6% p.a. eher unwahrscheinlich sein. Praxis: Die Rechnungsformalien nach 14 Abs.4 UStG müssen weiterhin kritisch geprüft werden, bevor ein Vorsteuerabzug geltend gemacht wird. Unvollständige oder fehlerhafte Rechnungen sind umgehend durch den Aussteller zu berichtigen oder zu ergänzen. Erst dann sollte ein Vorsteuerabzug durch sorgfältig ausgewählte und überwachte Angestellte vorgenommen und in die Erklärung übernommen werden, wenn sich der Geschäftsführer nicht strafrechtlichen Konsequenzen ausgesetzt sehen und finanzielle Schäden vermeiden will. Wurden Rechnungen nach der Vorsteuergeltendmachung berichtigt, kann sich der Steuerpflichtige auf die Rechtsprechung des EuGH (Pannon Gép) und die darin zu sehende Rückwirkung berufen. Einer festgesetzten Abschöpfung eines angeblichen Vermögensvorteils mittels selbständigen Verfalls nach 29a OWiG sollte der Steuerpflichtige in jedem Fall durch Einlegung eines Rechtsbehelfs begegnen. Stefan Grüner, Tel. 069 710 49 80-20 Mit Urteil vom 3.3.2011 entschied der BFH (V R 42/10), dass die Festvergütung, die der geschäftsführungs- und vertretungsberechtigte Komplementär einer KG von dieser für seine Haftung nach 161, 128 HGB erhält, als Entgelt für eine einheitliche Leistung, die Geschäftsführung, Vertretung und Haftung umfasst, umsatzsteuerpflichtig ist. Die Klägerin war als Komplementärin an mehreren KGs ohne Kapitaleinlage beteiligt. Sie war bei mehreren geschlossenen Immobilienfonds in der Rechtform der GmbH & Co. KG geschäftsführungs- und vertretungsbefugt und erhielt nach den Gesellschaftsverträgen für die Übernahme der persönlichen Haftung jeweils gesondert vereinbarte Festvergütungen, welche nach 4 Nr. 8 Buchstabe g UStG Steuerliche Behandlung der Haftungsvergütung bei der Kommanditgesellschaft (KG) Seite 9

steuerfrei behandelt wurden. Hierzu stellte der BFH fest, dass der persönlich haftende Gesellschafter aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Vorgaben gesetzlich für die Verbindlichkeiten der KG haftet. Dieser Vorgang ist zwingend mit der Geschäftsführungs- und Vertretungsleistung verbunden. Eine Aufspaltung dieser Leistungen wäre wirklichkeitsfremd, sodass regelmäßig von einer einheitlichen (steuerbaren) entgeltlichen Leistung auszugehen ist. Eine Umsatzsteuerbefreiung kommt nicht in Betracht. 4 Nr. 8 Buchstabe g UStG umfasst nur Geldleistungsverpflichtungen, aber keine Sachleistungsverpflichtungen. Da die persönliche Haftung eines Komplementärs zivilrechtlich grundsätzlich das Einstehen für die Erfüllungspflicht der Gesellschaft bedeutet (z.b. für Leistungen, Lieferungen, Nachbesserungen etc.), ist die Haftung des Gesellschafters nicht allein auf Geldleistungsverpflichtungen beschränkt. Auswirkungen hat dieses Urteil für alle als Personen- oder Personenhandelsgesellschaften konzipierten Fonds, die aufgrund einer vermögensverwaltenden Tätigkeit nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Für sie stellt die zzgl. Umsatzsteuer zu zahlenden Haftungsvergütung einen echten Kostenfaktor dar. Christoph Mendel, Tel. 040 415 22-300 Unternehmereigenschaft des geschäftsführenden Komplementärs einer Kommanditgesellschaft Der BFH hat mit Urteil vom 14.4.2010 entschieden, dass die Tätigkeit eines geschäftsführenden Komplementärs einer KG umsatzsteuerlich unselbständig ausgeübt werden kann. Folglich unterliegt diese nicht der Umsatzsteuer. Das Urteil wurde nun mit BMF Schreiben vom 2.5.2011 in den Umsatzsteuer-Anwendungserlass aufgenommen. Für vor dem 1. Juli 2011 ausgeführte Umsätze wird es nicht beanstandet, wenn die Tätigkeit eines Gesellschafters einer Personengesellschaft trotz eines gesellschaftsvertraglich vereinbarten Weisungsrechts als selbständig i. S. des 2 Abs. 1 UStG behandelt wird. In dem dem BFH Urteil vom 14.4.2010 zugrunde liegenden Sachverhalt war der der Kläger einer von vier Komplementären eines Bankhauses in der Form einer KG, ohne eine Kapitaleinlage leisten zu müssen. Kommanditisten waren eine GmbH und eine KG. Der Kläger wurde von dem Verwaltungsrat der Bank zum geschäftsführenden persönlich haftenden Gesellschafter bestellt. Er erhielt für seine Arbeitsleistung eine feste Jahresvergütung sowie eine Tantieme. Weiterhin zahlte das Bankhaus Arbeitgeberanteile zur Angestelltenversicherung und zum Beamtensicherungsverein. Der Kläger hatte Anspruch auf Jahresurlaub, der in Abstimmung mit den Mitgliedern der Geschäftsleitung und dem Verwaltungsausschuss zu nehmen war, sowie Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge bei vorübergehender Berufsunfähigkeit für die Dauer von 6 Monaten.Die Kündigungsfrist betrug 12 Monate zum Jahresende. Eine Teilnahme am Gewinn und Verlust der Gesellschaft bestand nicht. Der Verwaltungsrat des Bankhauses konnte den Kläger nach freiem Ermessen jederzeit abberufen. In seiner Entscheidung verweist der BFH hinsichtlich der Selbständigkeit eines Unternehmers i. S. d. 2 Abs. 1 UStG auf die Berücksichtigung des Gesamtbildes der Verhältnisse. So sprechen u. a. feste Bezüge, Urlaubsanspruch, Anspruch auf Sozialleistungen, Fortzahlungen im Krankheitsfall gegen die Selbständigkeit der Tätigkeit. Diese Betrachtungsweise entspreche dem Gemeinschaftsrecht. Zu unterscheiden sei der Begriff der Selbständigkeit im Umsatzsteuer- vom Einkommensteuerrecht. Für die Auslegung des Begriffs i. S. des 2 Abs. 1 UStG ist die einkommensteuer-, arbeits-, oder sozialrechtlichen Behandlung lediglich ein Indiz. Seite 10

Die Abgrenzung von selbständiger und unselbständiger Arbeit bleibt weiterhin ein Dauerthema im Steuerrecht. Eine Vereinheitlichung der Merkmale für das Umsatzsteuer- und das Einkommensteuerrecht bleibt allerdings schwierig, da neben den besonderen gesetzlichen Regelungen u. a. des 15 EStG im Umsatzsteuerrecht auch die Vorgaben des EU-Rechtes zu beachten sind. Carolin Dieckmann, Tel. 040 415 22-850 Ein Unternehmer ist grundsätzlich zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn er Leistungen für sein Unternehmen bezieht. Der Vorsteuerabzug ist ausgeschlossen, wenn der Unternehmer die erhaltenen Leistungen zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet. Der BFH hat nun in einem Urteil vom 27.1.2011 (V R 38/09) entschieden, dass Beratungsleistungen, die ein Unternehmer bezieht, um eine Beteiligung steuerfrei zu übertragen, im direkten und unmittelbaren Zusammenhang zur (umsatz-)steuerfreien Anteilsübertragung stehen und daher nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen. Konkret handelte es sich um Beratungsleistungen eines Rechtsanwalts, der den Unternehmer im Rahmen einer Veräußerung von Aktien rechtlich beraten hatte. Die Übertragung der Aktien war für den Unternehmer ein steuerfreier Umsatz nach 4 Abs. Nr. 8e UStG. Demzufolge konnte der Unternehmer die Umsatzsteuer aus der Beratungsleistung des Anwalts nicht als Vorsteuer abziehen. Kein Vorsteuerabzug bei Beratungskosten im Zusammenhang mit einer umsatzsteuerfreien Anteilsveräußerung Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist, dass die bezogenen Leistungen mit (umsatz-)steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen direkt und unmittelbar zusammenhängen. In seiner Entscheidung hatte der BFH ausgeführt, dass die Beratungsleistungen in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit der steuerfreien Beteiligungsveräußerung standen. Unerheblich war demgegenüber, dass der Unternehmer argumentiert hatte, dass er beabsichtigt habe, den Veräußerungserlös aus der Anteilsveräußerung für seine zum Vorsteuerabzug berechtigende wirtschaftliche Tätigkeit zu verwenden. Dies sah der BFH nur als mittelbaren Zusammenhang und damit als nicht für den Vorsteuerabzug ausreichend an. Der BFH stellt mit dieser Entscheidung klar, dass das Recht auf Vorsteuerabzug nur besteht, wenn der Unternehmer die bezogene Leistung für umsatzsteuerpflichtige oder diesen gleichgestellte Umsätze verwendet. Ist ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang mit Ausgangsumsätzen gegeben, so ist dieser der alleinige Beurteilungsgegenstand. Fehlt objektiv ein solcher Zusammenhang, kann ein Vorsteuerabzug nur infrage kommen, wenn die Kosten für die Eingangsleistung mit den allgemeinen Aufwendungen der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit zusammenhängen. Dr. Christian Birkholz, Tel. 030 590 021-350 Durch das Jahressteuergesetz 2009 wurden die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Grundsteuer(teil)erlass gem. 33 Grundsteuergesetz (GrStG) verschärft. Nunmehr muss eine Minderung des Rohertrags von mindestens 50 % statt ehemals lediglich 20 % vorliegen, um überhaupt einen nur teilweisen Erlass der Grundsteuer beantragen zu können. Des Weiteren darf der Leerstand nicht von dem Vermieter zu vertreten sein. Sind beide Voraussetzungen kumulativ erfüllt, ist dem Steuerpflichtigen nach dem Wortlaut des Gesetzes bei einer Ertragsminderung von Grundsteuererlass Verwirrung in der aktuellen Rechtsprechung Seite 11

mehr als 50 % die Grundsteuer in Höhe von 25 % zu erlassen, ist der Ertrag sogar um 100 % gemindert, ist die Grundsteuer um 50 % zu erlassen. Die Rechtsprechung hatte die Erfüllung eines weiteren Tatbestandsmerkmals gefordert, nämlich dass es sich um einen atypischen und vorübergehenden Leerstand (z.b. durch Feuerschaden) handelt. Im Fall von strukturell bedingten Ertragsminderungen von gewisser Dauer versagte die Rechtsprechung des (in der Regel zuständigen) Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) hingegen einen Grundsteuererlass und verwies auf eine neue Hauptfeststellung des Einheitswerts, welche jedoch derzeit gesetzlich ausgesetzt ist (vgl. BGBl. I 1970, S. 1118). Die Verschärfung der Voraussetzungen war die Reaktion des Gesetzgebers auf einen Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 24.4.2007 (GmS-OGB 1.07), welcher für erhebliche Unruhe in der Rechtsprechung sorgte bzw. ganz unterschiedliche Interpretationen bei der Auslegung zuließ. Ausgehend von einem Urteil des Finanzgerichts (FG) Berlin vom 26.2.2003 (2 K 2306/99), welches dem Bundesfinanzhof (BFH) in der Revision vorgelegt wurde, hatte der GmS-OGB nach Vorlage durch den BFH (Beschluss vom 26.2.2007, II R 5/05) entschieden, dass ein Grundsteuererlass nicht nur die in der Rechtsprechung anerkannte dritte Voraussetzung, nämlich einen kurzfristigen atypisch bedingten Leerstand eines Objektes, sondern auch einen langfristig strukturell bedingten Leerstand erfassen soll. Eine Begründung des Beschlusses gab es nicht. Aufgrund der im Verfahrensgang bereits gemachten Ausführungen kann angenommen werden, dass insbesondere die oben genannte fehlende rechtliche Grundlage für eine Wertfortschreibung bei langfristigen, strukturellen Leerständen einer der Gründe für die Entscheidung war. Dieser Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes schloss sich der BFH (Urteil vom 24.10.2007, II R 6/05) an, d.h. er ließ den Grundsteuererlass auch bei langfristigen, wie z.b. strukturellen Ertragsminderungen zu. Der BFH holte jedoch noch weiter aus und stellte klar (obiter dictum), dass nach seiner Meinung damit alle Differenzierungen zwischen typisch oder atypisch, nach strukturell oder nicht strukturell, nach vorübergehend oder nicht vorübergehend bedingtem Leerstand hinfällig sind. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) legt hingegen in ständiger Rechtsprechung (z.b. Urteil vom 26.03.2009, 14 A 3168/07) den Beschluss des GmS-OGB dahingehend aus, es sei eine Aufzählung der Gründe für einen Erlass gemeint. Somit bleibe weiterhin die dritte Voraussetzung bestehen, nur dass neben einer atypisch bedingten Rohertragsminderung nun auch (im Sinne von ebenfalls) eine strukturell bedingte Minderung anerkannt wird. Es könne demnach nicht die Rede davon sein, jeder Leerstand käme für einen Grundsteuererlass in Frage. Anders als das OVG NRW haben sich allerdings zwischenzeitlich weitere Gerichte der Auslegung des BFH angeschlossen, so dass es bei einer vorausgesetzten Rohertragsminderung grds. nicht mehr darauf ankommt, ob sich deren Ursprung als atypisch und vorübergehend darstellt. Neben dem für die Stadtstaaten zuständigen BFH sind dies z.b. die Oberverwaltungsgerichte Sachsen (z.b. Urteil vom 23.12.2009, 5 B 449/06) und Baden-Württemberg (z.b. Urteil vom 2.12.2010, 2 S 1729/10). Die Finanzverwaltung Berlin hat inzwischen das Urteil des für sie zuständigen BFH in einer Dienstanweisung umgesetzt. Interessanterweise greift sogar das OVG Sachsen die Rechtssprechung des OVG NRW unmittelbar auf und erläutert, warum die Auffassung der Richter in Nordrhein-Westfalen aus Sicht der sächsischen Kollegen nicht zutreffend sein soll. Seite 12

Mittlerweile hat sich das BVerwG erneut zu seinem Beschluss vom 24.7.2007 geäußert (3.3.2010, 9 B 77/09). Leider erfolgte keine eindeutige Klarstellung, ob es der Auffassung des BFH folgt, dass es grundsätzlich nicht mehr auf die Typizität oder zeitliche Kriterien ankommt. Es wurde lediglich mit Bezug auf den Beschluss vom 24.7.2007 klargestellt, das Gericht habe damals nicht entscheiden wollen, dass es generell nicht darauf ankomme, ob die Ertragsminderung atypisch sei. Eine Interpretation dieser Aussage bleibt nunmehr erneut der Beraterschaft und den übrigen Gerichten überlassen. Fazit: Auch wenn sich das BVerwG mit Beschluss vom 3.3.2010 mittlerweile ergänzend zu seinem, die Diskussionen ausgelösten Beschluss vom 24.4.2007 geäußert hat, dass eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung nicht so weit zu interpretieren ist, wie vom BFH unterstellt, dürfte eine abschließende Beurteilung des BVerwG noch notwendig sein, um Erlassanträge bundeseinheitlich einer gleichen Würdigung zu unterziehen. Wir empfehlen abgelehnte Erlassanträge daraufhin zu prüfen, ob eine Klage sinnvoll erscheint. Marc-Oliver Beste/Hans Friedrich Libbach, Tel. 069 710 49 80-44 Der zum UmwStG 1995 ergangene sogenannte Umwandlungssteuererlass ist durch das Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften vom 7. Dezember 2006 (SEStEG) und die zwischenzeitlich ergangene Rechtsprechung des BFH in weiten Teilen überholt. Mehr als vier Jahre nach Inkrafttreten des SEStEG wird ein neuer Erlass zur Sicht der Finanzverwaltung in Zweifelsfragen der Anwendung des UmwStG erwartet. Der seit dem 2. Mai 2011 vorliegende und 177 Seiten umfassende Erlassentwurf wurde vom Bundesministerium der Finanzen zur Stellungnahme bis zum 15. Juni 2011 an Fachkreise und Verbände weitergeleitet. Die Veröffentlichung des Erlasses ist im Herbst 2011 vorgesehen. Damit dürfte zumindest in einigen Bereichen ein Ende der Rechtsunsicherheit für die Steuerpflichtigen abzusehen sein. Neuer Umwandlungssteuererlass in Vorbereitung Der Erlassentwurf enthält u.a. folgende Anwendungsregelungen mit besonderer Bedeutung für die Praxis: Die bei Umwandlungen zu erstellende steuerliche Schlussbilanz ist eine eigenständige Bilanz mit eigenen Ansatz- und Bewertungsvorschriften (Rz. 03.04). Die Stufentheorie mit einer festen Reihenfolge für die Aufstockung der stillen Reserven wurde aufgegeben. Alle aktiven und passiven Wirtschaftsgüter sind mit den im Rahmen einer Unternehmensbewertung ermittelten gemeinen Werten anzusetzen. Die Ansatzverbote des 5 EStG gelten nicht (Rz. 03.06). Besondere Regelungen enthält der Entwurf nur für Pensionsrückstellungen. Zur Definition des steuerlichen Teilbetriebs verweist der Erlass auf die EU-Fusionsrichtlinie. Entscheidend sind die organisatorische Selbstständigkeit des Betriebes und der Übergang aller funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen (Rz. 15.02, 20.05) (auch des Sonderbetriebsvermögen, Rz. 15.04). Ein Teilbetrieb im Aufbau ist nicht mehr begünstigt (Rz. 15.03). Eine 100 %ige Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft gilt nur dann als Teilbetrieb, wenn diese keine funktional wesentliche Betriebsgrundlage ist (Rz. 15.06). Bei der Übertragung eines steuerlichen Teilbetriebs müssen z.b. auch bei einem Antrag auf steuerliche Rückwirkung die Voraussetzungen am steuerlichen Übertragungsstichtag erfüllt sein (Rz. 15.03). Die finanzielle Eingliederung als Voraussetzung für ein Organschaftsverhältnis kann dagegen nur bei Ausgliederungen nicht rückwirkend geschaffen werden. Seite 13

Die Einbringung der Kommanditanteile einer Kapitalgesellschaft & Co. KG im Wege der Sacheinlage gegen Gewährung neuer Anteile an der Komplementär-Kapitalgesellschaft unter Anwachsung des Vermögens der KG nach 738 BGB bei der Kapitalgesellschaft (sogenannte erweiterte Anwachsung ) fällt gemäß Entwurf in den begünstigten Anwendungsbereich des 20 UmwStG n.f. (Rz. 01.44). Ein steuerneutrales Ausscheiden eines Kommanditisten aus einer Kapitalgesellschaft & Co. KG ohne Abfindung unter Anwachsung ihrer Anteile (sogenannte einfache Anwachsung ) ist weiterhin ausgeschlossen (Rz. 20.11). Die Veräußerung von neuen, im Zusammenhang mit einer Einbringung gewährten Anteilen an einer Kapitalgesellschaft führt innerhalb einer 7-jährigen Sperrfrist zu einer zeitanteiligen rückwirkenden Besteuerung des Einbringungsgewinns. Bei schädlichen Übertragungen der sogenannten sperrfristbehafteten Anteile kann nach dem Erlass im Billigkeitswege von einer rückwirkenden Einbringungsgewinnbesteuerung abgesehen werden. Voraussetzungen dafür sind u.a. ein übereinstimmender Antrag aller Beteiligten, das Ausscheiden einer steuerlichen Statusverbesserung und die Sicherstellung des deutschen Besteuerungsrechts (Rz. 22.23). Der Erlassentwurf enthält keine Übergangsvorschriften, so dass die Finanzverwaltung die Grundsätze des Erlasses für alle noch nicht bestandskräftigen Fälle des UmwStG nach SEStEG anwenden wird. Frauke Detlefs, Tel. 040 415 22-134 BMF zur Anwendung des 1 AStG auf Fälle von Teilwertabschreibungen und anderen Wertminderungen auf Darlehen an verbundene ausländische Unternehmen Das BMF-Schreiben vom 29.3.2011 regelt die Anwendung des 1 AStG auf Fälle von Teilwertabschreibungen und andere Wertminderungen. Anlass des Schreibens ist das Urteil des BFH-Urteil vom 14.1.2009 (I R 52/08), wonach Teilwertabschreibungen auf eigenkapitalersetzende Darlehen nicht vom Abzugsverbot des 8b Abs. 3 Satz 3 KStG erfasst sind. Das o.g. BFH-Urteil betraf einen Inlandssachverhalt und ließ die Frage offen, ob in vergleichbaren Fällen der Darlehensgewährung an eine ausländische Gesellschaft eine Berichtigung nach 1 AStG durchzuführen wäre. Im Rahmen des JStG 2008 wurde 8b Abs. 3 KStG inzwischen durch die Sätze 4 bis 7 ergänzt, so dass seit dem 1.1.2008 eigenkapitalersetzende Darlehen usw. (inländische und ausländische Sachverhalte) vom Abzugsverbot des 8 Abs. 3 KStG erfasst sind, der gegenüber dem 1 AStG vorrangig anzuwenden ist (Tz. 35 des BMF-Schreibens). Die Finanzverwaltung weist bei Geschäftsbeziehungen des Steuerpflichtigen zum Ausland auf den in 1 AStG verankerten Fremdvergleichsgrundsatz hin (Tz. 3) und erläutert dies anhand von Beispielsfällen. Entsprechen die Konditionen der Darlehensgewährung dem Fremdvergleichsgrundsatz ist eine bilanzsteuerrechtlich ggf. zulässige Teilwertabschreibung auch für die Anwendung des 1 AStG anzuerkennen, wenn der Darlehensgeber während der Laufzeit wie ein fremder ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter alle Möglichkeiten zur Sicherung seiner Forderung gewahrt hat. Dabei ist der Rückhalt im Konzern grundsätzlich als fortbestehende fremdübliche Sicherheit anzusehen. Allerdings wird in diesem Fall 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG der Anerkennung von Teilwertabschreibungen mangels anzunehmender voraussichtlich dauernder Wertminderung entgegenstehen (Tz. 13). In Tz. 31 verweist das BMF auf Fälle der Gewährung eines ungesicherten Darlehens an eine ausländische Schwestergesellschaft ( Dreiecksfall ). Danach kann eine bilanzsteuerrechtlich ggf. zulässige Teilwertabschreibung zur Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung beim Darlehensgeber führen. Auch hier sollen die Rechtsfolgen des 1 AStG hinter die des 8b Abs. 3 KStG zurücktreten. Im Falle eines Darlehensverzichts soll es dann zu einem Zufluss auf Ebene des Anteilseigners kommen. Seite 14

Das o.g. BMF-Schreiben verdeutlicht bei konzerninternen Finanzierungen die steuerliche Problematik im Falle wirtschaftlicher Probleme der Darlehensnehmer. Die relevanten Fälle vor 2008 sollten anhand der Anwendungsregelung (Tz. 33) eingehend untersucht werden. Seit dem 1.1.2008 ist die Verschärfung des 8b Abs. 3 KStG durch das JStG zu beachten. Michael Will, Tel. 040 415 22-154 Das BMF hat zur Verwendung der verbindlichen Muster für Bestätigungen von steuerlich abziehbaren Zuwendungen eine ausführliche und zusammenfassende Stellungnahme erstellt (Schreiben vom 4.5.2011, IV C 4 S 2223/07/0018:004). Gemeinnützige Körperschaften (Vereine, Verbände, Stiftungen, Kommunen etc.) sollten diese Vorgaben prüfen und bei Bedarf ab der Veröffentlichung im Bundessteuerblatt (voraussichtlich Mitte 2011) ihre Bestätigungen anpassen, um die steuerliche Anerkennung der empfangenen Zuwendungen sicherzustellen. Anwendungsschreiben zu Spendenbescheinigungen Die Spendenbescheinigungen sind mit Hilfe des amtlichen Musters (vgl. 50 Abs. 1 EStDV) von der Körperschaft selbst zu erstellen. Die in der Mustervorlage vorgeschriebene Wortwahl und die Reihenfolge der Textpassagen sind zwingend einzuhalten. Umformulierungen und Ergänzungen um Danksagungen oder Werbeaufdrucke auf der Vorderseite des Vordrucks sind nicht zulässig. Es können alle zutreffenden steuerbegünstigten Zwecke genannt werden. Der konkrete Verwendungszweck der Zuwendung ist nicht mehr zwingend kenntlich zu machen. Frauke Detlefs, Tel. 040 415 22-134 Die französische Regierung plant die Einführung einer Steuer auf Ferienhäuser und wohnungen. Die Sonderabgabe soll als Teil der Steuerreform ab 2012 eingeführt werden. Der Gesetzesentwurf ist noch nicht verabschiedet worden. Betroffen sind Ausländer und Franzosen, die dauerhaft im Ausland leben und in Frankreich Immobilien besitzen. Die Abgabe soll 20% des Mietwerts der selbstgenutzten oder vermieteten Immobilie betragen. Ob die Neuregelung im Einklang mit Europäischen Normen steht, wird zu klären sein. Kurz notiert Entgegen der Vorinstanz (FG Berlin-Brandenburg Urteil v. 24.6.2009 12 K 6154/05 B) hat der BFH mit Urteil vom 19.10.2010 (I R 67/09) entschieden, dass einer als Komplementärin an einer vermögensverwaltenden KG (Zebragesellschaft) beteiligten Grundstücks-GmbH die erweiterte Kürzung nach 9 Nr. 1 S. 2 GewStG nicht zu gewähren ist. Der Grundbesitz der vermögensverwaltenden KG ist den Gesellschaftern, die ihre Anteile im Betriebsvermögen halten, für Zwecke der erweiterten Kürzung nicht nach 39 Abs. 2 Nr. 2 AO zuzurechnen, da die erweiterte Kürzung vielmehr zivilrechtliches Eigentum am Grundbesitz verlangt. Darüber hinaus sieht der BFH die Beteiligung an einer vermögensverwaltenden (entprägten) KG, ebenso wie das Halten einer Kommanditbeteiligung an einer gewerblich geprägten grundstücksverwaltenden KG als schädliche Nebentätigkeit i.s.d. 9 Nr. 1 S. 2 GewStG an, die zum Ausschluss der erweiterten Kürzung führt. Seite 15