Bachelor-Prüfung Modul: Öffentliches Recht I 4. Januar 2016

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Transkript:

Prof. Dr. Andreas Kley Herbstsemester 05 Bachelor-Prüfung Modul: Öffentliches Recht I 4. Januar 06 Dauer: 80 Minuten Kontrollieren Sie bitte sowohl bei Erhalt als auch bei Abgabe der Prüfung die Anzahl der Aufgabenblätter. Die Prüfung umfasst 9 Seiten und die Aufgaben A und B. Hinweise zur Bewertung Bei der Bewertung kommt den Aufgaben unterschiedliches Gewicht zu. Die Punkte verteilen sich wie folgt auf die einzelnen Aufgaben: Aufgabe A 90 Punkte Aufgabe B 45 Punkte Total 35 Punkte Hinweise zur Lösung der Multiple-Choice-Aufgaben im Teil A Bei den Multiple-Choice-Fragen stehen vier Antworten zur Verfügung von denen stets nur je eine richtig ist. Die richtig angekreuzte Aufgabe ergibt zwei Punkte. Kreuzen Sie pro Aufgabe mehr als eine Antwort an, erhalten Sie keine Punkte. Wir empfehlen Ihnen, die Lösungen erst vor dem Ende der Prüfung auf das Lösungsblatt zu übertragen (s.u.). Dies ist deshalb ratsam, weil Ihnen möglicherweise die Lösung einer Aufgabe Anlass gibt, auf eine zuvor gelöste Aufgabe zurückzukommen und die betreffende Frage anders zu beantworten. Die Antworten zu den Multiple-Choice-Fragen sind zwingend auf dem Multiple- Choice-Lösungsblatt gemäss Vorgabe anzubringen. Es wird ausschliesslich dieses Lösungsblatt korrigiert. Hinweise zur Lösung der Aufgaben im Teil B Beginnen Sie jede Frage auf einem neuen Blatt. Sämtliche Antworten auf die gestellten Fragen sind zu begründen und mit den massgebenden Rechtsnormen zu belegen. Die Begründungen sind auszuformulieren. Stichwortartige Antworten und Begründungen ( Telegrammstil ) werden nicht bewertet, selbst wenn sie richtige Elemente enthalten! Wir wünschen Ihnen viel Erfolg!

Aufgabe A wird nicht publiziert. Aufgabe B (45 Punkte) Der Islamische Zentralrat Schweiz (IZRS) ist ein im Handelsregister des Kantons Y eingetragener Verein. Am 3. Juni 04 gelangte der IZRS an die zuständige Behörde und ersuchte sie um die Erteilung einer Bewilligung für die Durchführung einer temporären Veranstaltung. Er beabsichtigte, am 9. November 04 in den Räumlichkeiten des Kongresszentrums Z die Jahreskonferenz 04 unter dem Motto Hijra Beginn einer Revolution abzuhalten. Es handelt sich um eine kulturelle Veranstaltung, an welcher Vertreter des Islams zu Wort kommen sollen. Dem Antragsformular vom 3. Juni 04 war auch zu entnehmen, dass an der Versammlung etwa 000 bis 3 000 Personen teilnehmen, die Ess- und Trinkwaren käuflich erwerben werden. Nachdem die zuständige Behörde bei der Kantonspolizei einen Bericht über mögliche Risiken, die bei der Durchführung der Veranstaltung allenfalls zu erwarten sind, einholte, wies sie das Begehren mit Verfügung vom 0. November 04 ab. Sie stellte fest, dass die notwendigen Voraussetzungen für die Erteilung einer temporären Bewilligung nicht gegeben sind. Am. November 04 reichte der IZRS gegen den Entscheid der zuständigen Behörde Beschwerde beim Kantonsgericht ein. Die Parteien brachten dabei unterschiedliche Argumente vor: Zuständige Behörde (und Kantonspolizei): Die Kantonspolizei kam zum Schluss, dass es möglicherweise zu Gegendemonstrationen und mithin zu Ausschreitungen kommen könnte, dass also ein konkretes, seriöses und wahrscheinliches Risiko bestehe. Die Mittel der Polizei sind zudem beschränkt und im vorliegenden Fall müssten unverhältnismässig grosse Mittel eingesetzt werden. Aber selbst wenn diese zur Verfügung stünden, sei zu befürchten, dass die Polizei nicht in der Lage wäre, die Ausschreitungen, die mit grosser Wahrscheinlichkeit auftreten würden, in den Griff zu bekommen. Zudem forderte die zuständige Behörde den IZRS mehrmals auf, eine definitive Rednerliste einzureichen. Diese sei wichtig, um beurteilen zu können, ob alles unternommen wurde, damit die Versammlung friedlich durchgeführt werden kann. Schon im Jahre 0 hat die vom IZRS durchgeführte Versammlung gezeigt, dass die Rednerliste ein zentrales Element für die Beurteilung des Bewilligungsgesuches ist, denn gegen einen der aufgeführten Redner musste eine Einreisesperre verfügt werden. Indem der IZRS die Rednerliste mehrmals und in wesentlichen Punkten abgeändert hatte, obwohl er auf deren Problematik aufmerksam gemacht wurde, hat er eine unsichere und unbestimmte Situation geschaffen. Das Nichtrespektieren der schweizerischen Rechtsordnung durch Redner stelle ein Risiko für den ordnungsgemässen Ablauf der Versammlung dar. Die Unsicherheit über die Referenten erlaube es nicht, eine Gesamtbeurteilung vorzunehmen.

IZRS: Der IZRS bezeichnete die Argumente der zuständigen Behörde als nicht stichhaltig. Deren Ausführungen würden den Schluss auf ein konkretes und ernsthaftes Risiko bzw. auf eine ernsthafte Gefahr alles andere als zwingend erscheinen lassen. Die zuständige Behörde und die Kantonspolizei könnten sich, abgesehen von der allgemeinen politischen Weltlage, nicht auf handfeste Informationen, Beobachtungen oder Indizien berufen, mit welchen sie ihren Befund einer ernsthaften Gefahr konkretisieren könnten. Zwar habe es anlässlich der Jahreskonferenz 0 im Kongresszentrum Z zwei Protestdemonstrationen gegeben, dabei seien aber keine Zwischenfälle festgestellt worden. Überdies führte der IZRS aus, von Anfang an klar kommuniziert zu haben, dass es sich bei der Rednerliste zwangsläufig um einen fliessenden Prozess handle. Es entspreche seiner Erfahrung, dass gewisse eingeladene Referenten kein Visum bekommen würden. Bei anderen Referenten könne sich im Verlaufe des Vorbereitungsprozesses herausstellen, dass sie sich mit dem Thema der Veranstaltung nicht mehr oder anders auseinandersetzen wollen. Daher würden sie nicht mehr in den Rahmen des konsolidierten Veranstaltungsprogramms passen. Auch könne es vorkommen, dass angefragte Redner im Verlauf der Verhandlungen nicht mit den offerierten Bedingungen einverstanden sind oder dass wegen Krankheit oder anderen persönlichen Umständen, auf die er als Veranstalter keinen Einfluss habe, ausfallen würden. Es müsste ihm die Möglichkeit gewährt werden, auf solche Unwägbarkeiten flexibel zu reagieren und die Referentenliste während des Vorbereitungsprozesses anpassen zu können. Die Kantonspolizei sei stets über jede Veränderung der Referentenliste informiert worden. Das Kantonsgericht wies die Beschwerde des IZRS ab. Dieser ist mit dem Urteil nicht einverstanden und zieht den Fall weiter ans Bundesgericht. Fragen:. Welche Grundrechte sind vorliegend tangiert (Beachten Sie dabei, dass nur Grundrechte zu prüfen sind, die Prüfungsstoff des Moduls öffentliches Recht I sind, 0 Punkte)?. Wie gestaltet sich die Grundrechtskonkurrenz der tangierten Grundrechte ( Punkt)? 3. Prüfen Sie, ob im vorliegenden Fall eine Grundrechtsverletzung vorliegt (Hinweis: Prüfen Sie auf jeden Fall alle Voraussetzungen, 34 Punkte)? (Die relevanten kantonalen Gesetze finden Sie auf der nächsten Seite.) 3

Auszüge aus dem Gesetz vom 4. September 99 über die öffentlichen Gaststätten (ÖGG) Art. Inhalt und Zweck Dieses Gesetz regelt das Hotellerie- und Restaurationsgewerbe; es bezweckt, die öffentliche Ordnung und das öffentliche Wohl aufrechtzuerhalten. Art. Anwendungsbereich; dem Gesetz unterstellte Tätigkeiten Diesem Gesetz sind folgende Tätigkeiten unterstellt: a) die entgeltliche Abgabe oder der entgeltliche Verkauf an die Öffentlichkeit von Speisen und Getränken, die an Ort und Stelle konsumiert werden können; a bis ) Art. 4 Patent K Das Patent K wird für eine Veranstaltung von kurzer Dauer erteilt, z.b. eine Messe, eine Kermesse, eine Versammlung, eine Sportveranstaltung oder ein Volksfest. Es überträgt die im Ausführungsreglement in groben Zügen festgelegten Rechte und Pflichten. Art. 5 Grundsatz Das Patent ist persönlich und unübertragbar. Es wird der Person erteilt, die den Betrieb selber leitet oder für die zeitweilige Veranstaltung verantwortlich ist. Es wird für eine beschränkte Dauer, eine bestimmte Tätigkeit, einen bestimmten Ort und bestimmte Räumlichkeiten ausgestellt. Es kann zudem mit Auflagen und Bedingungen verbunden werden. 3 Ist der Betriebsführer nicht selber Eigentümer der Liegenschaft, in der er eine Gaststätte führen will, so muss er die Zustimmung des Eigentümers haben. Art. 6 Juristische Person Will eine juristische Person einen Betrieb führen, so wird das Patent einem verantwortlichen Betriebsleiter erteilt. Art. 7 Persönliche Anforderungen Das Patent wird einer Person erteilt... a) mit Schweizer Bürgerrecht, mit Bürgerrecht eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines Mitgliedstaats der Europäischen Freihandelsassoziation; Personen mit Bürgerrecht anderer Staaten müssen eine Aufenthaltsbewilligung besitzen; b) c) die handlungsfähig ist; d) gegen die keine Verlustscheine ausgestellt wurden; e) die durch ihr Vorleben und ihr Verhalten die nötige Sicherheit dafür bietet, dass der Betrieb in Einhaltung der Bestimmung dieses Gesetzes und der Vorschriften auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit, des Arbeitsrechts und der Fremdenpolizei geführt wird. **ENDE DER PRÜFUNG** 4

Lösungen: Modul Öffentliches Recht I vom 4. Januar 06 (HS 05), Prof. Dr. Andreas Kley MC-Fragen mit einer richtigen Lösung (insgesamt 90 Punkte= 45 Fragen à Punkte) ) d ) b 3) b 4) b 5) c 6) b 7) b 8) b 9) b 0) c ) b ) c 3) c 4) c 5) d 6) b 7) d 8) b 9) b 0) d ) d ) d 3) d 4) c 5) c 6) d 7) d 8) b 9) b 30) b 3) a 3) d 33) c 34) a 35) a 36) d 37) c 38) a 39) c 40) b 4) b 4) b 43) c 44) b 45) b

Musterlösung Prüfung Öffentliches Recht I HS 5 Teil B (angelehnt an BGer C_35/05, Urteil vom 8..05) Frage (Gesamtpunktzahl: 0) Persönlicher Schutzbereich Die Meinungs- und Versammlungsfreiheit erfassen in ihrem persönlichen Schutzbereich sowohl natürliche als auch juristische Personen. Beim IZRS handelt es sich laut Sachverhalt um einen Verein und somit um eine juristische Person. Der persönliche Schutzbereich ist damit gegeben. Sachlicher Schutzbereich Meinungsfreiheit (Art. 6 Abs. und BV) Gemäss Art. 6 Abs. BV hat jede Person das Recht, ihre Meinung frei zu bilden und sie ungehindert zu äussern und zu verbreiten. Eine Meinung ist gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung das Ergebnis eines Gedankenvorganges oder einer Überzeugung und ihre Übermittlung in Form einer Stellungnahme, Anschauung, Bewertung oder Ähnlichem. Der Inhalt der Meinung spielt keine Rolle, es werden aber lediglich ideelle und keine kommerziellen Inhalte geschützt. An der Jahreskonferenz 04 des IZRS sollten Vertreter des Islams zu Wort kommen. Sie vermitteln dem Publikum ihre Anschauungen zum Motto Hijra Beginn einer Revolution, wobei es sich um ihre Meinung handelt. Folglich ist die Meinungsfreiheit tangiert. Versammlungsfreiheit (Art. BV) Die Versammlungsfreiheit gewährt jeder Person das Recht, Versammlungen zu organisieren, an Versammlungen teilzunehmen oder Versammlungen fernzubleiben (Art. Abs. BV). Für den Schutzbereich spielt der Inhalt der ausgetauschten und nach aussen hin ausgedrückten Meinungen und Gedanken keine Rolle. Der IZRS wird durch die Verweigerung der Bewilligungserteilung daran gehindert, am 9. November 04 eine Versammlung abzuhalten. Insofern ist die Versammlungsfreiheit vorliegend tangiert.

Frage (Gesamtpunktzahl: ) Das Gesuch des IZRS um Bewilligung der Jahreskonferenz 04 wurde abgewiesen. Dies hat zur Folge, dass mehrere Grundrechte tangiert sind (vgl. Frage ), weshalb zu klären ist, in welchem Verhältnis sie zueinander stehen. Die Versammlungsfreiheit geht der Meinungsfreiheit als spezielleres Kommunikationsgrundrecht vor, weshalb es sich um unechte Grundrechtskonkurrenz handelt. Frage 3 (Gesamtpunktzahl: 34) Gesetzliche Grundlage (Art. 36 Abs. BV) Bei der fraglichen gesetzlichen Grundlage muss es sich um eine generell-abstrakte Norm handeln. Generell ist sie, wenn sie sich auf einen offenen und unbestimmten Adressatenkreis bezieht und abstrakt, wenn sie eine unbestimmte Vielzahl von Fällen regelt. Zudem muss die Norm genügend bestimmt sein, damit die Bürger ihr Verhalten danach richten können. Schwerwiegende Grundrechtseingriffe bedürfen eines Gesetzes im formellen Sinn, während bei leichten Grundrechtseingriffen Erlasse niedrigerer Stufe ausreichen (z.b. Verordnungen). Die Abweisung des Gesuches um Erteilung einer Bewilligung für die Durchführung einer temporären Veranstaltung stellt einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff dar, da sie dadurch nicht stattfinden kann, weshalb ein Gesetz im formellen Sinn notwendig ist. Beim vorliegenden ÖGG handelt es sich um ein Gesetz im formellen Sinn, es stellt sich allerdings die Frage, ob es überhaupt anwendbar ist. Für den Verkauf von Speisen und Getränken an der Jahresversammlung 04 kann das ÖGG herangezogen werden (Art. Abs. und 7 Abs. ÖGG), wofür auch eine genügende gesetzliche Grundlage besteht. Im Hinblick auf das Versammlungsverbot an sich, worum es vorliegend hauptsächlich geht, ist das ÖGG allerdings nicht anwendbar, weshalb es diesbezüglich an einer gesetzlichen Grundlage fehlt. Fraglich ist, ob vorliegend subsidiär die polizeiliche Generalklausel im Zusammenhang mit der Versammlung zur Anwendung gelangt. In Fällen ernster, unmittelbarer und nicht anders abwendbarer Gefahr ist gemäss Art. 36 Abs. Satz 3 BV ein Grundrechtseingriff auch ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage zulässig. Die Gefahr muss ernst sein, d.h. hochwertige Schutzgüter des Staates oder Einzelner verletzen oder gefährden, sie muss unmittelbar sein, d.h. bereits eingetreten sein oder zeitlich sehr nah bevorstehen, und sie darf nicht anders abwendbar sein, d.h. die polizeiliche Generalklausel darf nur dann angerufen werden, wenn

keine passenden gesetzlichen Grundlagen und keine anderen Mittel zur Abwendung der Gefahr zur Verfügung stehen. In Bezug auf die Ernsthaftigkeit der Gefahr ist festzuhalten, dass gemäss der zuständigen Behörde und der Kantonspolizei ein Risiko besteht für Gegendemonstrationen und Ausschreitungen. Angesprochen sind damit die Sicherheit der Bevölkerung und die öffentliche Ordnung. Die vorliegende Gefahr ist somit als ernst zu qualifizieren. Das Kriterium der Unmittelbarkeit muss allerdings verneint werden. Gemäss zuständiger Behörde und Kantonspolizei besteht zwar ein Risiko für Gegendemonstrationen und Ausschreitungen, was als Ausgangspunkt allerdings zu vage ist, auch im Hinblick auf die Tatsache, dass bei der Jahreskonferenz 0 trotz zweier Protestdemonstrationen keine Zwischenfälle festgestellt wurden. Auch hat der IZRS das entsprechende Gesuch für die fragliche Veranstaltung am 3. Juni 04 eingereicht, also über fünf Monate vor dem geplanten Datum, weshalb diesbezüglich ebenfalls nicht von Unmittelbarkeit gesprochen werden kann. Die polizeiliche Generalklausel gelangt i.c. deshalb nicht zur Anwendung. Das Erfordernis der gesetzlichen Grundlage ist damit nicht erfüllt. Öffentliches Interesse oder Schutz von Grundrechten Dritter (Art. 36 Abs. BV) Ein klassisches öffentliches Interesse ist der Schutz von Polizeigütern. Gemäss der zuständigen Behörde und der Kantonspolizei könnte es aufgrund der geplanten Jahreskonferenz des IZRS möglicherweise zu Gegendemonstrationen und Ausschreitungen kommen. Zudem schafft eine fehlende definitive Rednerliste eine unsichere und unbestimmte Situation, was ein Risiko darstellt. Das Motto der Veranstaltung Hijra Beginn einer Revolution könnte eine Gefahr für die Schweizer Rechtsordnung darstellen. Vorliegend einschlägig sind deshalb die Polizeigüter der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit. Der Schutz von Grundrechten Dritter ist vorliegend nicht relevant. I.c. liegt somit ein taugliches öffentliches Interesse vor. Verhältnismässigkeit (Art. 36 Abs. 3 BV) Die Verhältnismässigkeit besteht aus drei Elementen, nämlich der Eignung, der Erforderlichkeit und der Zumutbarkeit. Eignung: Der Grundrechtseingriff muss geeignet sein, das angestrebte öffentliche Interesse zu erreichen. Dabei ist ausreichend, wenn die Massnahme zumindest nicht ungeeignet ist. Vorliegend ist die Verweigerung der Bewilligungserteilung für die Jahreskonferenz dazu geeignet, mögliche Gegendemonstrationen und Ausschreitungen zu verhindern, die ein Risiko für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellen. 3

Erforderlichkeit: Die Grundrechtseinschränkung ist erforderlich, wenn sie das mildeste mögliche Mittel darstellt, um das angestrebte öffentliche Intereses zu erreichen. Ein Eingriff darf in sachlicher, räumlicher, zeitlicher oder personeller Hinsicht nicht über das notwendige Mass hinausgehen. Mildere Mittel in sachlicher Hinsicht wären zum Beispiel inhaltliche Auflagen oder eine erhöhte Polizeipräsenz, wodurch die Veranstaltung besser überwacht werden kann. Eine kurzfristige Überprüfung der Rednerliste ist zudem auch ein mögliches milderes Mittel. Daher ist die Verweigerung der Bewilligung in sachlicher Hinsicht nicht das mildeste mögliche Mittel. Problematisch ist auch die Erforderlichkeit in personeller Hinsicht. Vom IZRS selbst geht gemäss Sachverhalt keine Gefahr aus, die Gegendemonstration und die Ausschreitungen sind nur mögliche Risiken, die bestehen, wenn die Versammlung durchgeführt würde. Vom IZRS geht also höchstens in indirekter Weise eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit aus. Die Verweigerung des Bewilligungsgesuches ist somit auch in personeller Hinsicht nicht die mildeste mögliche Massnahme und insgesamt als nicht erforderlich zu qualifizieren. Zumutbarkeit: Die Grundrechtseinschränkung muss zumutbar sein, um das angestrebte öffentliche Interesse zu erreichen. Dabei muss eine Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen vorgenommen werden. Vorliegend ist die Versammlungsfreiheit des IZRS der öffentlichen Sicherheit, Ruhe und Ordnung einander gegenüber zu stellen. Es handelt sich dabei um eine abstrakte Gefahr (als ein sehr schwaches öffentliches Interesse), die gegen eine konkrete und schwere Grundrechtseinschränkung abzuwägen ist. Die Interessen des IZRS sind somit höher zu gewichten als die öffentlichen Interessen, weshalb die Zumutbarkeit zu verneinen ist. Insgesamt ist die Verweigerung der Bewilligungserteilung nicht verhältnismässig. Wahrung des Kerngehaltes (Art. 36 Abs. 4 BV) Der Kerngehalt der Versammlungsfreiheit ist i.c. gewahrt. Fazit Im vorliegenden Fall wurde die Versammlungsfreiheit durch die Verweigerung der Bewilligung verletzt. 4