ÜV Internationale Beziehungen, 28.1.03 Internationale Menschenrechtspolitik Ursprünge: Menschenrechte (MR) = Rechte von Individuen, die sie allein aufgrund der Tatsache besitzen, dass sie Menschen sind Menschenwürde (GG, Art. 1,1: Die Würde des Menschen ist unantastbar. ) Ursprünge der MR-Idee: christlich-jüdisches Gedankengut liberale politische Theorie im ausgehenden Mittelalter (Naturrecht) moderne europäische Staatlichkeit darüber hinaus: Anknüpfungspunkte in allen modernen Philosophien und Weltreligionen (Islam, Buddhismus, Hinduismus etc.), aber Debatte über universalen Anspruch der Menschenrechtsidee Graduelle Aufnahme in das nationale Recht demokratischer Staaten: 1789 Déclaration des Droits de l Homme et du Citoyen 1791 U.S. Bill of Rights usw. konstitutiv für moderne Demokratien
Menschenrechte als internationales Recht Vorläufer: ab Ende 18./Anfang 19. Jahrhundert: transnationale Kampagne gegen den internationalen Sklavenhandel (Anti-Slavery Society als frühe INGO) 1926: Internationales Abkommen über das Verbot von Sklaverei und Zwangsarbeit ab Mitte 19. Jahrhundert: Internationales Komitee des Roten Kreuzes und die Entwicklung des humanitären Kriegsvölkerrechts 1949: Genfer Konventionen zum Schutz der Opfer von Kriegen 1919: Internationale Arbeits-Organisation (ILO) und die Entwicklung internationaler Arbeits- und Sozialnormen, z.b. Konvention über die Vereinigungsfreiheit (1948) Entwicklung seit 1945: (Finnemore und Sikkink 1998, Korey 1998; Forsythe 2000; Donnelly 1993) 1945: Charta der Vereinten Nationen = erster internationaler Vertrag, der universale MR anerkennt; 1946: UN-Menschenrechtskommission 1948: Allgemeine Erklärung der Menschenrechte: Dualismus von klassischen Abwehrrechten ( Freiheit von... ) und sozioökonomischen Teilhaberechten 1966: Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (Zivilpakt) 1966: Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Sozialpakt) 1979: Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau 1984: Übereinkommen gegen Folter und andere grausame Behandlungen (Anti-Folter Konvention) 1989: Übereinkommen über die Rechte des Kindes 2
Regionale Verregelung internationaler MR-Standards: Europa: Europäische Menschenrechtskonvention (1950), Europarat, Europäischer Menschenrechtsgerichtshof Nord- und Südamerika: Amerikanische Menschenrechtserklärung (1948), Inter-Amerikanische Menschenrechtskonvention (1969), Inter-Amerikanische Menschenrechtskommission der OAS, Inter-Amerikanischer Menschenrechtsgerichtshof (1979) Afrika: Afrikanische Charta der Rechte der Menschen und Völker (1981), Afrikanische Menschenrechtskommission Kontroversen der Internationalen Menschenrechtsdebatte: Menschenrechte versus nationale Souveränität und die Nicht- Einmischung in die inneren Angelegenheiten Bürgerliche Freiheitsrechte vs. sozial-ökonomische Rechte Universalisierbarkeit der Menschenrechte ( asiatische Werte?) Individuelle Menschenrechte vs. Rechte von Völkern 3
Das Puzzle der internationalen Verregelung der Menschenrechte Einerseits zunehmende Anerkennung verbindlicher Menschenrechts-Normen durch die Staatenwelt: Seit 1994 kein Staat mehr, der nicht mindestens eine der großen internationalen MR-Abkommen ratifiziert hat Status 2002 (Quelle: UN-Hochkommissariat für MR): Zivilpakt: 149 Staaten, aber nur 101 Fakultativprotokoll m. Individualbeschwerde Sozialpakt: 146 Konvention gegen Diskriminierung von Frauen: 170, davon Fakultativprotokoll 47 Anti-Folter-Konvention: 132, davon Individualbeschwerde 40 Konvention über Rechte des Kindes: 191 Menschenrechte finden heute weltweit Anerkennung, zunehmend konstitutive Normen für Mitglieder der Staatengemeinschaft (vgl. Logik der Angemessenheit ); auch Robustheit und Präzision der Normen sowie Überprüfungsinstrumentarien nehmen zu Normenkaskade (Finnemore und Sikkink 1998) ANDERERSEITS KLUFT ZWISCHEN NORMANERKENNUNG UND NORMEINHALTUNG (vgl. Amnesty-Jahresberichte, MR-Berichte des U.S. State Department, der Bundesregierung etc.) 4
Ansätze zur Erklärung des Puzzles : 5 Realistischer Ansatz: Macht und die strategischen/ ökonomischen Bedeutung der Staaten (Krasner 1993) Liberal-rationalistischer Ansatz: Sozio-ökonomische Modernisierung und die Herausbildung von Mittelschichten (z.b. Huntington 1991) Konstruktivistischer Institutionalismus/Liberalismus (Forschungsgruppe Menschenrechte 1998; Risse u. a. 2002, Risse u. a. 1999): transnationale Netzwerke und der Bumerang -Effekt The Boomerang Effect GLOBAL HUMAN RIGHTS POLITY Human rights INGOs Human rights regimes Internat. Orgs. Western powers State X government Domestic opposition NGOs
Literatur: Donnelly, Jack 1993: International Human Rights, Boulder, San Francisco, Oxford. Finnemore, Martha und Kathryn Sikkink 1998: International Norm Dynamics and Political Change, in: International Organization 52: Nr. 4, 887-917. Forschungsgruppe Menschenrechte 1998: Internationale Menschenrechtsnormen, transnationale Netzwerke und politischer Wandel in den Ländern des Südens, in: Zeitschrift für Internationale Beziehungen 5: Nr. 1, 5-41. Forsythe, David P. 2000: Human Rights in International Relations, Cambridge. Huntington, Samuel P. 1991: The Third Wave. Democratization in the Late Twentieth Century, Norman. Korey, William 1998: NGOs and the Universal Declaration of Human Rights. "A Curious Grapevine", New York. Krasner, Stephen D. 1993: Sovereignty, Regimes, and Human Rights, in: Regime Theory and International Relations, hrsg. von Volker Rittberger, Oxford, 139-167. Risse, Thomas, Anja Jetschke und Hans Peter Schmitz 2002: Die Macht der Menschenrechte. Internationale Normen, kommunikatives Handeln und politischer Wandel in den Ländern des Südens, Baden-Baden. Risse, Thomas, Stephen C. Ropp und Kathryn Sikkink, (Hrsg.) 1999: The Power of Human Rights: International Norms and Domestic Change, Cambridge. 6