Synthesen anorganischer Festkörper

Ähnliche Dokumente
Die Synthese von Festkörperverbindungen: Allgemeines

Kristallstruktur und Mikrostruktur Teil II Vorlesung 2

4.3 Reaktionsgeschwindigkeit und Katalysator

Zusammenfassung 118 tet, konnte den Verlauf der experimentellen Daten wiedergeben. Das Wachstum der festen Phase aus der unterkühlten Schmelze wurde m

6. Die Chemische Bindung

Mehrphasendiffusion in Metallen

Modul: Allgemeine Chemie

4.3 Reaktionsgeschwindigkeit und Katalysator

Allgemeine Chemie für Studierende mit Nebenfach Chemie Andreas Rammo

Solid-State Kinetics

Grundlagen der Chemie Ionenradien

Einführung in Werkstoffkunde Phasenumwandlungen

CHEMIE WIEDERHOLUNG: KAPITEL 5 REAKTIONEN DER ANORGANISCHEN CHEMIE. Timm Wilke. Georg-August-Universität Göttingen. Wintersemester 2013 / 2014

Plasma-chemische Reaktionen an dünnen Nickel-Schichten

Wiederholung der letzten Vorlesungsstunde:

Durchführung der keramischen Synthese und einige Merkmale

Name: Punktzahl: von 57 Note:

GRUNDWISSEN CHEMIE 9 - MuG erstellt von der Fachschaft Chemie

Kristallisationsgeschwindigkeit

Medizinische Biophysik

Vorkurs Allgemeine Chemie für Ingenieure und Biologen 22. Oktober 2015 Dr. Helmut Sitzmann, Apl.-Professor für Anorganische Chemie

Bindung in Kohlenwasserstoffmolekülen

Vorlesung Allgemeine Chemie: Chemische Bindung

Element. Verbindung. Reinstoff. Gemisch

1. Klausur ist am 5.12.! Jetzt lernen! Klausuranmeldung: Bitte heute in Listen eintragen!

4. Strukturänderung durch Phasenübergänge

Abschlussklausur Allgemeine und Anorganische Chemie Teil 2 (Geologie, Geophysik und Mineralogie)

Stoffeigenschaften und Teilchenmodell

Kinetische Vorgänge setzen ATOMTRANSPORT voraus: in Flüssigkeiten: Konvektion, Diffusion in Festkörpern: Diffusion

Die Modellierung einer Lithium-Batterie Zwischenpräsentation zum Praktikum Nichtlineare Modellierung in den Naturwissenschaften

Grundwissen Chemie 9. Jahrgangsstufe

3. Mikrostruktur und Phasenübergänge


3 Wahr oder Falsch? = 6.67 % Werkstoffe und Fertigung I, HS 2016 Prof. Dr. K. Wegener. Seminarübung 6 Musterlösung Diffusion, Erstarrung

Kochsalz-Kristalle (Halit) Wichtige Stoffgruppen Atomverband Stoffgruppe Metall Metall: Metallische Stoffe Salzartige Stoffe Metall Nichtmetall:

Richtung chemischer Reaktionen, chemisches Gleichgewicht. Massenwirkungsgesetz

Element. Verbindung. Reinstoff. homogenes Gemisch

2.3 Intermolekulare Anziehungskräfte und Molekülkristalle

5 Teilchen treffen Teilchen: Reaktionskinetik

Grundlagen der Chemie Lösungen Prof. Annie Powell

Magische Kristalle Prof. Dr. R. Glaum

Vorlesung Allgemeine Chemie (CH01)

Festkörperchemie SYNTHESE. Shake and bake Methode: Sol-Gel-Methode. Am Beispiel :

Chemische Bindung. Ionenbindung (heteropolare Bindung) kovalente Bindung van-der-waals-bindung Metallbindung

= n + + Thermodynamik von Elektrolytlösungen. Wdhlg: Chemisches Potential einer Teilchenart: Für Elektrolytlösungen gilt: wobei : und

Enthalpie, Entropie und Temperatur des Phasenübergangs flüssig-gasförmig. eine Analyse von Elementen und chemischen Verbindungen

10TG. Training II2. 1. Schreibe die Reaktionsgleichungen folgender Reaktionen. Benenne die Produkte. Erkläre die Teilchenebene.

0.1 Geschwindigkeit bei Reaktionen

Grenzflächenphänomene. Physikalische Grundlagen der zahnärztlichen Materialkunde 3. Struktur der Materie. J m. N m. 1. Oberflächenspannung

Oberflächendiagnostik von synthetischen Polymerproben in einem Niedertemperaturplasma

1. Klausur Allgemeine und Anorganische Chemie B.Sc. Chemie

Grundwissen Chemie 9. Klasse SG

Vorkurs Allgemeine Chemie für Ingenieure und Biologen 20. Oktober 2015 Dr. Helmut Sitzmann, Apl.-Professor für Anorganische Chemie

Kinetische Energie der Moleküle / Aggregatzustand

Allgemeine Chemie I 2008/09 ÜBUNGSPRÜFUNG. Prof. J. Hulliger

Atomverband mit festem Atomzahlverhältnis. Anzahl der Atome veränderlich? (bei festem Atomzahlverhältnis) Elektrisch Leitend?

Richtung von spontanem Prozeßablauf und Veränderung der G in Abhängigkeit vom Vorzeichen der Enthalpie und der Entropie

3. Photochemie und Reaktionskinetik 3.1 Allgemeine Grundlagen

Einheiten und Einheitenrechnungen

Christian-Ernst-Gymnasium

Grundkenntnisse und Grundfertigkeiten im Fach Chemie. Begriff Erklärung Beispiele Teilchenmodell

Hier: Beschränkung auf die elektrische Eigenschaften

1 Einführung. reine Metalle i.a. sehr weich für praktischen Einsatz nur bedingt geeignet verschiedene Möglichkeiten der Festigkeitssteigerung

Aufgaben zum Umfeld: 7 Vergleichen Sie die Gitterenergien von NaF, NaCl und NaI bzw. MgO, CaO und BaO! Gitterenergien [kj/mol]

3 Erstarrung. 3.1 Einphasige Erstarrung von Legierungen. 3.2 Zweiphasige Erstarrung

NH 3. CCl 4 CO 2. Lösungen zur Lernzielkontrolle Sekunda. Hilfsmittel: PSE, Taschenrechner

4 Thermodynamik mikroskopisch: kinetische Gastheorie makroskopisch: System:

Fragen zum Versuch 11a Kinetik Rohrzuckerinversion:

Chemie aquatischer Systeme. Herbstsemester 2013

Kapitel 2 Ion-Lösungsmittel Wechselwirkung (Solvatation) Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie)

Universität Regensburg

Allgemeine Chemie. SS 2014 Thomas Loerting. Thomas Loerting Allgemeine Chemie

2 Bindung, Struktur und Eigenschaften von Stoffen. 2.1 Ionenbindung und Ionenkristall s Modell der Ionenbindung

Lösungen 10 (Kinetik)

Besetzung der Orbitale

Lösung zu Aufgabe 3.1

EDUKTE PRODUKTE. Bei einer chemischen Reaktion wandeln sich Stoffe in neue Stoffe mit anderen Eigenschaften um. Symbolische Schreibweise: Reagiert zu

Teilchenmodell. Aggregatzustände. Diffusion. Spezifische Eigenschaften = Stoffeigenschaften

A 1.1 a Wie groß ist das Molvolumen von Helium, flüssigem Wasser, Kupfer, Stickstoff und Sauerstoff bei 1 bar und 25 C?

Medizinische Biophysik

Grundwissen Chemie 8. Klasse NTG

1.2 Realstruktur: Kristallbaufehler

Grundwissen Chemie. Jahrgangsstufe 9 (SG) von Christiane Markreiter und Thomas Gerl

Teilchenmodell. Aggregatzustände. Diffusion. Spezifische Eigenschaften = Stoffeigenschaften

Einführung in die Physik II für Studierende der Naturwissenschaften und Zahnheilkunde. Sommersemester 2007

Wiederholung: Spaltung und Fusion

Element. Verbindung. Reinstoff. homogenes Gemisch

1. Klausur: Veranstaltung Allgemeine und Anorganische Chemie

Chemie 8 NTG. Grundwissen. Gymnasium Höhenkirchen-Siegertsbrunn. In der Jahrgangsstufe 8 erwerben die Schüler folgendes Grundwissen:

Vom Quarz zum hochreinen Silicium

Chemische Transport-Reaktionen CVT

Fragen zum Thema chemische Reaktionen Klasse 4 1. Was gehört zu einer chemische Reaktionsgleichung? 2. Wie nennt man die Stoffe, die vor der Reaktion

Grundlagen Chemie. Dipl.-Lab. Chem. Stephan Klotz. Freiwill ige Feuerwehr Rosenheim

Typische Eigenschaften von Metallen

Phasen, Komponenten, Freiheitsgrade

Kristallstrukturen und (Kugel-) Packungen

Bohrsches Atommodell

Musterlösung Übung 10

Modul BCh 1.2 Praktikum Anorganische und Analytische Chemie I

Transkript:

Synthesen anorganischer Festkörper Festkörperreaktionen - keramische Methode Synthesen auf Dünnfilmbasis Synthesen unter Anwendung von Lasern Chemischer Gasphasentransport Reaktionen in reaktiven Schmelzen Kontrollierte thermische Zersetzung

Festkörperreaktionen - Generelle Aspekte Klassische FK-Reaktionen (keramische Methoden) Ausgangsmaterialien fein verreiben, ev. Pressling, erhitzen bis nahe dem Schmelzpunkt, Reaktionsfortschritt hängt von verschiedenen Parametern ab. 1. Temperatur - Aktivierungsenergie für die Diffusion nimmt mit steigender Temperatur ab empirische Regel: T reaktion > 2/3 T Schmelztemperatur (T[K]) 2. Energie - klassische FK-Reaktionen sind generell exotherm und thermodynamisch kontrolliert! 3. Ausbeute Produkte werden mit 100% Ausbeute gebildet 4. Kornstruktur Porosität, Korngrößenverteilung und Kontaktebenen zwischen den reagierenden Teilchen sind wichtig für den Reaktionsfortschritt

Kennzeichen einer anorganischen Hochtemperatursynthese (> 700 C) A C B Bildung thermodynamisch kontrollierter Phasen geringe Produktvielfalt Nur geringfügige Kontrolle über Produktzusammensetzung Praktisch keine Kontrolle über die Struktur

Defektarten in Festkörpern Bis zu einer bestimmten Konzentration an Defekten wird die freie Energie G erniedrigt!

Typische Punktdefekte in Kristallen Alkalihalogenide Erdalkalioxide Schottky (Kationen und Anionen) Schottky (Kationen und Anionen) Frenkel (Kationen) Silberhalogenide Erdalkalifluoride Frenkel (Anionen) Typische Aktivierungsenergien für Ionendiffusion Na + in NaCl Cl - in NaCl Schottkypaar 0,7 ev 1 ev 2,3 ev (1 ev/mol = 96.49 kj/mol)

Diffusion im Festkörper Typische Diffusionskoeffizienten D für Ionen (Atome) in einem FK bei 300 K: 10-13 cm 2 s -1. In festen Ionenleitern wie z.b. Ag + -Ionen in α-agi: Werte um Größenordnungen größer: 10-6 cm 2 s -1 Kenntnis von D erlaubt eine Abschätzung der durchschnittlichen Diffusionslänge für wandernde Teilchen: <x 2 > = 2Dt (<x 2 >: Durchschnittliches Quadrat der Diffusionsfläche, t = Zeit)

Diffusion im Festkörper Diffusionskoeffizienten D zeigen eine exponentielle Temperaturabhängigkeit (Arrhenius-Typ): D = D exp(-q/kt) (D : D für T, Q: Aktivierungsenergie für die Diffusion, k: Boltzmann- Faktor) Die logarithmische Darstellung von D versus 1/T ist linear. Aus der Steigung kann die Aktivierungsenergie und aus dem Schnittpunkt D ermittelt werden. C in Fe Ag in Ag

Mögliche Reaktionswege zwischen den festen Teilchen der Substanzen A und B A B Gasphasendiffusion Volumendiffusion Grenzflächendiffusion Oberflächendiffusion

Wichtigkeit der reagierenden Oberfläche für Festkörperreaktionen Die gemeinsame Oberfläche der reagierenden Körner beeinflusst in außerordentlichem Maß die Reaktionsrate verreiben Typische Kantenlänge: 10 µm 10 µm = 10 5 m O = 6 x 10-10 m 2 10 9 Teilchen O total = 6 x 10-1 m 2 Würfel: 1cm Kantenlänge Oberfläche: O = 6 cm 2 = 6 x 10-4 m 2 Vergrößerung der Teilchenoberfläche um einen Faktor 10 3

Wichtigkeit der reagierenden Oberfläche für Festkörperreaktionen

Wichtigkeit der reagierenden Oberfläche für Festkörperreaktionen

Modell für eine klassische Fest-Fest-Reaktion (T < T m ) Planare Grenzfläche zwischen zwei Kristallen MgO + Al 2 O 3 MgAl 2 O 4 (Spinell) Phase 1: Nukleation Phase 2: Wachstum der Nuklei MgO Al 2 O 3 MgO Al 2 O 3

Nukleation (Erster Schritt) r: Radius der kugelförmigen Keime r*: Kritischer Radius (r>r* Nuklei wachsen alleine) G: Totale Änderung der freien Energie G s : Änderung der freien Oberflächenenergie G v : Änderung der freien Volumenenergie ( G= G s 4πr 2 + G v 4/3πr 3 ) Problem: Untersuchung von Festkörpersynthesen

Nukleation (2. Schritt) Wachstumsgeschwindigkeit ist bestimmt durch : Diffusion der Mg 2+ - and Al 3+ -Ionen O 2- ist fixiert (!) Reaktionen am Interface: x MgO MgAl 2 O 4 MgAl 2 O 4 Al 2 O 3 Al 3+ Mg 2+ 2Al 3+ - 3Mg 2+ + 4 MgO MgAl 2 O 4-2Al 3+ + 3Mg 2+ + 4 Al 2 O 3 3 MgAl 2 O 4 dx/dt 1/x (Wachstumsrate als Funktion der Zeit, t: Zeit), x = Reaktionsumsatz 3 Äquivalente Mg 2+ erzeugen 3 Äquivalente MgAl 2 O 4 2 Äquivalente Al 3+ erzeugen nur 1 Äquivalent MgAl 2 O 4 Produktschicht wächst auf der Al 2 O 3 -Seite dreimal so schnell!

Mikroskopischer Aufbau polykristalliner Keramik

Syntheseschritte für die Darstellung polykristalliner Keramiken Vereinfachung keramischer Synthesen: Epitaktische Reaktionen - strukturelle Beziehung gilt das aktuelle Interface zwischen zwei Kristallen Topotaktische Reaktionen - erfordern nicht nur die strukturelle Ähnlichkeit am Interface, sondern auch im Volumen

Synthese von ultrahartem ReB 2 ReB 2 : 1) solid-state metathesis reaction: ReCl 3 + MgB 2, multiple boride phases. 2) Re and B powders were mixed together, pressed into a pellet, and then liquefied with 80 amps of current in an Ar atmosphere. Metallic ingot of ReB2 3) stoichiometric quantities of Re and B powder were sealed in a quartz tube under vacuum and heated for 5 days at 1000 C. Synthesis of Ultra-Incompressible Superhard Rhenium Diboride at Ambient Pressure; Chung,* Weinberger,* Levine, Kavner, Yang, Tolbert,. Kaner; Science 20 April 2007: Vol. 316. no. 5823, pp. 436-439