Grundlagen der Ordnungs- & Verbandstheorie

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Transkript:

Grundlagen der Ordnungs- & Verbandstheorie Francesco Kriegel TU Dresden Fakultät Mathematik Institut Algebra 28. September 2008

Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Grundlagen 1 1.1 Relationen............................................. 1 1.1.1 Ordnungen......................................... 3 1.1.2 Äquivalenzen....................................... 9 1.1.3 Abbildungen....................................... 11 1.2 Isomorphie............................................ 17 1.3 Supremum und Infimum................................. 17 1.4 Verbände.............................................. 21 1.5 Ideale und Filter........................................ 24 1.6 Ordnungshomomorphismen und Verbandshomomorphismen.. 24 1.7 Hüllen und Kerne....................................... 25 1.7.1 Hüllensysteme und Hüllenoperatoren................... 25 1.7.2 Kernsysteme und Kernoperatoren...................... 31 1.8 Adjunktionen & Galoisverbindungen....................... 34-1

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1 Grundlagen 1.1 Relationen Definition 1.1 (Relation) Es seien A 1,..., A n Mengen. Eine n-äre Relation R zwischen den Mengen A 1,..., A n ist definiert als eine Teilmenge des kartesischen Produkts R A 1 A n. Im Falle R A 1 A 2 heißt R binäre Relation zwischen A 1 und A 2 und für (x, y) R schreiben wir einfacher xr y. Desweiteren nennt man eine n-äre Relation R A A eine n-äre Relation auf A. Definition 1.2 (inverse Relation) Für eine binäre Relation R A 1 A 2 zwischen zwei Mengen A 1 und A 2 setzen wir xr 1 y : yrx und erhalten damit die zu R inverse Relation R 1 A 2 A 1 zwischen A 2 und A 1. Definition 1.3 (komplementäre Relation) Für eine binäre Relation R A 1 A 2 zwischen zwei Mengen A 1 und A 2 setzen wir x Ry : (x, y) R also R = (A 1 A 2 ) \ R und erhalten damit die zu R komplementäre Relation R A 1 A 2 zwischen A 1 und A 2. Definition 1.4 (Relationenprodukt) Gegeben sind uns zwei binäre Relationen R 1 A 1 A 2 und R 2 A 2 A 3. Sei nun R 1 ;R 2 := {(x, z) A 1 A 3 y A 2 : xr 1 yr 2 z} 1

1 Grundlagen mit xr 1 yr 2 z : xr 1 y yr 2 z, dann ist R 1 ;R 2 A 1 A 3 eine binäre Relation zwischen A 1 und A 3 und heißt Relationenprodukt von R 1 und R 2. Bemerkung: Wir setzen R (1) := R und R (n+1) := R (n) ;R für n N + und eine binäre Relation R auf A. Lemma 1.5 Seien R 1,R 2 A A binäre Relationen auf A, dann ist auch R 1 R 2 eine binäre Relation auf A und für deren Produkt mit sich selbst gilt (R 1 R 2 );(R 1 R 2 ) = (R 1 ;R 1 ) (R 2 ;R 2 ). Beweis: Es gelten folgende Umformungen: (R 1 R 2 );(R 1 R 2 ) ={(x, z) A A y A : x(r 1 R 2 )y(r 1 R 2 )z } }{{} xr 1 y xr 2 y yr 1 z yr 2 z ={(x, z) A A y A : xr 1 yr 1 z} {(x, z) A A y A : xr 2 yr 2 z} =(R 1 ;R 1 ) (R 2 ;R 2 ) Satz 1.6 Seien R 1,...,R k A A binäre Relationen auf A für k N. Dann ist auch k eine binäre Relation auf A und es gelten: (1) ( k R i );( k R i ) = k (R i ;R i ) i=1 i=1 i=1 (2) (R i R j ) (n) = R (n) R (n) i j (3) ( k R i ) (n) = k i=1 i=1 R (n) i R i i=1 Beweis: Die Gleichungen (1) und (2) folgen durch wiederholte Anwendung des vorangegangenen Lemmas 1.5, die Beziehung (3) folgt dann aus (1) und (2). Definition 1.7 (Rechts-/Links-Nebenklasse) 2 Es sei R A B eine binäre Relation. Die Menge ar := {b B arb}

1.1 Relationen heißt Rechts-Nebenklasse von a bezüglich R und dual nennen wir Rb := {a A arb} die Links-Nebenklasse von b bezüglich R. Weiter definieren wir die Nebenklassen auch für Mengen: Für eine Teilmenge X A nennen wir die Vereinigung der Rechts-Nebenklassen aller Elemente aus X X R := ar a X die Rechts-Nebenklasse von X und für eine Teilmenge Y B bezeichnen wir als die Links-Nebenklasse von Y. RY := Rb b Y 1.1.1 Ordnungen Definition 1.8 (Quasiordnung, Halbordnung, Totalordnung ) Sei A eine Menge. Eine binäre Relation R auf A R A A heißt Quasiordnung auf A, falls für alle x, y, z A die folgenden Bedingungen gelten: (Q1) xrx (Reflexivität) (Q2) xr y yrz = xrz (Transitivität) Gilt zusätzlich (Q3) xr y yrx = x = y (Antisymmetrie) so nennen wir R eine Halbordnung auf A. Falls schließlich für alle x, y A auch (Q4) xr y yrx (Konnexität) gilt, so heißt R eine Totalordnung. Bemerkung: Insgesamt ist zu beobachten, dass die geläufige Bezeichnung für eine Halbordnung gegen Ordnung konvergiert. 3

1 Grundlagen Definition 1.9 (Striktordnung) Sei A eine Menge. Eine binäre Relation R auf A R A A heißt Striktordnung auf A, falls für alle x, y, z A die folgenden Bedingungen gelten: (Q5) x Rx (Irreflexivität) (Q2) xr y yrz = xrz (Transitivität) (Q3) xr y yrx = x = y (Antisymmetrie) Bemerkung: Wir bezeichnen die Menge A := {(x, x) x A} als die Diagonale von A, dann ist die Reflexivitätsbedingung (Q1) äquivalent mit A R, die Transitivitätsforderung (Q2) ist gleichbedeutend mit R;R R und die Antisymmetrieeigenschaft (Q3) ist äquivalent zu R R 1 A. Weiter ist die Konnexität (Q4) äquivalent zur Bedingung R R 1 = A A und die Irreflexivität (Q5) ist nichts anderes als R A =. Da das Symbol R für eine Ordnung zunächst ohne ersichtlichen Bezug zur Grundmenge A steht, werden wir im Folgenden lieber das Symbol A für eine solche Relation R verwenden. Für die inverse Relation 1 A schreiben wir auch A. Ist A eine (Quasi-/Halb-/Total-)Ordnung, so ist auch A eine (Quasi- /Halb-/Total-)Ordnung und nennen sie die duale Ordnung zu A. Weiterhin schreiben wir für die Striktordnung A \ A auch < A. 4

1.1 Relationen Definition 1.10 ((quasi-/halb-/total-)geordnete Menge) Wir bezeichnen das Paar A = (A, A ), bestehend aus einer Grundmenge A und einer (Quasi-/Halb-/Total-)Ordnung A auf A, als (quasi-/ halb-/total-)geordnete Menge. A d = (A, A ) d := (A, A ) heißt dual geordnete Menge zu A. Bemerkung (Dualitätsprinzip): Zu einer ordnungstheoretischen Aussage A über A, die außer Variablen, Konstanten und logischen Operatoren nur das Zeichen A enthält, erhält man die duale Aussage A d, indem man in A alle Vorkommen von A durch A ersetzt. Eine ordnungstheoretische Aussage A über eine geordnete Menge A gilt genau dann, wenn A d in A d gilt. Bemerkung: In einer geordneten Menge bedeutet x < A y stets x A y und x y. Man kann mit folgender Vorgehensweise aus einer binären Relation eine Quasiordnung erzeugen. Sei dazu eine binäre Relation R A A auf einer Menge A gegeben. Wir setzen R (0) := A R (1) := R R (n+1) := R (n) ;R für n N sowie R := R (n). n N Dann ist R A A eine binäre Relation auf A, die nach Konstruktion reflexiv und transitiv ist sowie R enthält, d.h. R ist die bezüglich der Teilmengen- Relation kleinste Quasiordnung auf A, die R enthält. Definition 1.11 (azyklische Relation) Eine binäre Relation R auf einer Menge A heißt azyklisch, falls R eine Halbordnung auf A ist, d.h. falls R antisymmetrisch ist. Bemerkung: Eine Relation R A A ist genau dann azyklisch, wenn es keine zwei Elemente a 1, a 2 A mit a 1 a 2 gibt, für die gilt: (1) a 1 ist über einen Pfad bezüglich R mit a 2 verbunden, d.h. a 1 Ra 2 5

1 Grundlagen oder a 1, a 2,..., a n A : a 1 Ra 1 Ra 2 R...Ra n Ra 2 (2) a 2 ist über einen Pfad bezüglich R mit a 1 verbunden, d.h. a 2 Ra 1 oder a 1, a 2,..., a m A : a 2 Ra 1 Ra 2 R...Ra m Ra 1 Satz 1.12 (Hasse-Relation) Ist A endlich und ist R eine azyklische binäre Relation auf A, so existiert genau eine bezüglich kleinste Relation H R R mit H R = R, die auch die Hasse-Relation zu R genannt wird. Beweis: Die Existenz einer solchen Relation ist gesichert mit H R = R. Die Eindeutigkeit sieht man folgendermaßen: Sei H = {H A A H R H = R } = {H 1, H 2,...} die Menge aller in R enthaltenen Relationen, deren reflexiver und transitiver Abschluss gleich dem von R ist. Bilden wir nun den Schnitt dieser Menge H R := H = H k, so haben wir eine binäre Relation H R auf A, die bezüglich kleiner als anderen Relationen H k für k N ist. Schließlich gilt unter Verwendung von Satz 1.6 auch = ( H k ) H R k N k N = ( H k ) (n) n N k N = ( n N k N = ( k N n N = H k k N R k N = = R, H (n) k ) H (n) k ) d.h. H R ist tatsächlich die Hasse-Relation zu R. 6

1.1 Relationen Bemerkung: Für eine nicht azyklische binäre Relation R existieren stets mehrere nicht vergleichbare minimale Relationen, deren reflexiver und transitiver Abschluss R ergibt. Betrachten wir dazu als Beispiel die Relation Q = {(0, x),(0, y),(0,1),(x, y),(x,1),(y, x),(y,1)} die übrigens eine Quasiordnung auf {0,1, x, y} ist. Hier sind x und y Q-äquivalent und verhindern damit die Azyklizität. Für die Relationen R 1 = {(0, x),(x, y),(y, x),(y,1)} R 2 = {(0, x),(x, y),(y, x),(x,1)} R 3 = {(0, y),(x, y),(y, x),(x,1)} R 4 = {(0, y),(x, y),(y, x),(y,1)} gelten R i = Q, aber stets R i R j für verschiedene i, j {1,2,3,4}. Definition 1.13 (Nachbarschafts-Relation) Die Hasse-Relation H R wird auch Nachbarschafts-Relation zu R genannt. Zwei Elemente x, y A heißen benachbart bezüglich R, falls xh R y gilt. Weiter nennt man (A, H R ) Hasse-geordnete Menge zu (A,R). Ist A = (A, A ) eine halbgeordnete Menge, so schreiben wir auch HasseA = (A, A ) für die Hasse-geordnete Menge zu A. Gilt nun für x, y A x A y, so heißt x unterer Nachbar von y bzw. y heißt oberer Nachbar von x in A. 7

1 Grundlagen Bemerkung: A ist der reflexive und transitive Abschluss von A. HasseA = (A, A ) kann man als gerichteten Graphen auffassen. Nach Satz 1.12 ist die Ordnungsstruktur von (A, A ) durch diesen Graphen vollständig bestimmt. Liniendiagramme stellen diesen gerichteten Graphen dar. Anders als bei der Darstellung allgemeiner gerichteter Graphen wird aber die Kantenrichtung nicht durch Pfeilspitzen, sondern durch die vertikale Orientierung von Start- und Zielknoten der Kanten angegeben. Definition 1.14 (Linien-/Hasse-Diagramm) Eine geordnete Menge (A, A ) wird durch ein Linien-/Hasse-Diagramm dadurch dargestellt, dass (1) alle Elemente von A so als Knoten gezeichnet werden, dass im Fall x < A y der Knoten für x unterhalb des Knotens für y liegt, (2) Knoten mit x A y durch eine (von x nach y aufsteigende) Kante verbunden werden. Selbstverständlich ist die Darstellung durch ein Liniendiagramm nicht eindeutig. Solange die vertikale Anordnung der durch Linien verbundenen Punkte (sie gibt die Ordnung wieder) erhalten bleibt, können die Punkte beliebig verschoben werden. Es ist auch nicht ohne weiteres klar, was ein gutes Liniendiagramm ausmacht. Eine Minimierung der Überschneidungen von Linien erhöht normalerweise die Übersichtlichkeit. In einigen Fallen kann es aber auch günstig sein, Überschneidungen in Kauf zu nehmen, um schon bekannte Teilstrukturen herauszustellen. Beispiel: Gegeben sei eine Menge A, die aus 6 Elementen besteht. Das untenstehende linke Diagramm veranschaulicht die Halbordnung A auf A: Die Knoten stellen die Elemente dar. Sind zwei Knoten durch eine Linie verbunden, so sind die zugehörigen Elemente vergleichbar und das durch den unteren Endknoten repräsentierte Element ist bezüglich A kleiner als das Element des oberen Endknoten. Nun stellt das untenstehende rechte Diagramm die zugehörige Hasse-Relation auf A dar und es entsteht wieder das linke Diagramm, wenn wir es reflexiv und transitiv abschließen. A = (A, A ) HasseA = (A, A ) 8

1.1 Relationen Definition 1.15 (Vergleichbarkeit, Kette) Zwei Elemente x, y A heißen vergleichbar bezüglich einer Ordnung A, falls x A y oder y A x, sonst unvergleichbar. Ist A eine Totalordnung, so sind je zwei Elemente der Grundmenge A stets vergleichbar. Aus diesem Grund nennen wir eine totalgeordnete Menge auch Kette. Definition 1.16 (Äquivalenz) Zwei Elemente x, y A heißen äquivalent bezüglich einer echten Quasiordnung A oder kurz A -äquivalent, falls sowohl x A y als auch y A x gelten. Jedes Element x A ist wegen der Reflexivität auch stets A -äquivalent mit sich selbst. Bemerkung (Dualitätsprinzip): Aus einem Liniendiagramm für A = (A, A ) erhält man ein Liniendiagramm für die dual geordnete Menge A d, indem man es einfach auf den Kopf stellt. 1.1.2 Äquivalenzen Definition 1.17 (Äquivalenz) Sei A eine Menge. Eine binäre Relation R auf A R A A heißt Äquivalenz auf A, falls für alle x, y, z A die folgenden Bedingungen gelten: (Q1) xrx (Reflexivität) (Q2) xr y yrz = xrz (Transitivität) (Q6) xr y = yrx (Symmetrie) Die Menge aller Äquivalenzen auf einer Menge A bezeichnen wir auch mit EqA. Bemerkung: Äquivalenzen sind Quasiordnungen mit der zusätzlichen Eigenschaft der Symmetrie (Q6). Um dies zu verdeutlichen, verwendet man gern symmetrische Symbole (z.b.,, ). Übrigens ist (Q6) gleichbedeutend mit R R 1. 9

1 Grundlagen Bei Äquivalenzen schreibt man statt xr y auch x = y mod R. Gnutpuaheb: Wenn eine Relation symmetrisch und transitiv ist, ist sie auch reflexiv, also eine Äquivalenz. Sieweb: Sei eine symmetrische und transitive Relation auf einer Menge X. Sei x X beliebig, und sei x y. Wegen der Symmetrie ist dann auch y x und aufgrund der Transitivität folgt dann auch x x. Also ist reflexiv. Manchmal ist es hilfreich, nichts zu betrachten... Definition 1.18 (Äquivalenzklasse, Faktormenge ) Sei R eine Äquivalenz auf einer Menge A. Für ein Element a A heißt [a]r := ar = {b A arb} die Äquivalenzklasse von a bezüglich R. Die Menge A/R := {[a]r a A} aller Äquivalenzklassen heißt Faktormenge von A bezüglich R. Bemerkung: Bei einer Äquivalenz stimmen aufgrund der Symmetrie die Linksund Rechtsnebenklassen stets überein und entsprechen genau den Äquivalenzklassen. Definition 1.19 (Zerlegung, Partitionierung) Sei A eine Menge. Eine Mengenfamilie {A i i I } mit A i A heißt Zerlegung oder Partitionierung von A, falls alle Mengen A i paarweise disjunkt sind, d.h. i I j I \ {i} : A i A j =, und falls deren Vereinigung die Menge A ergibt, also A i = A. i I Die Mengen A i heißen auch Partitionen von A. Die Menge aller Partitionierungen von einer Menge A bezeichnen wir mit PartA. 10

1.1 Relationen Satz 1.20 (Hauptsatz über Partitionierungen und Äquivalenzen) (1) Sei Z PartA eine Partitionierung einer Menge A. Dann ist eine Äquivalenz auf A. R Z := {(a,b) a,b X } X Z (2) Sei Θ EqA eine Äquivalenz auf einer Menge A. Dann ist die Faktormenge A/Θ eine Partitionierung von A. (3) Für jede Partitionierung Z PartA gilt und für jede Äquivalenz Θ EqA gilt A/R Z = Z R A/Θ = Θ. Beweis: Das ist dem Leser als kleine Denkübung überlassen. Zusammenfassung 1.21 (Partitionierungen und Äquivalenzen) Nach dem Hauptsatz über Partitionierungen und Äquivalenzen besteht also eine Isomorphie zwischen PartA und EqA vermöge den Abbildungen sowie PartA EqA Z {(a,b) a,b X } X Z EqA PartA Θ {aθ a A} 1.1.3 Abbildungen Definition 1.22 (rechts-/links-eindeutig) Es sei R A B eine binäre Relation. Nun heißt R rechts-eindeutig, falls alle Rechtsnebenklassen höchstens einelementig sind, d.h. falls für a A ar 1 11

1 Grundlagen gilt. Dies ist genau dann der Fall, wenn für jedes a A höchstens ein b B mit arb existiert. R heißt links-eindeutig, falls alle Linksnebenklassen höchstens einelementig sind, d.h. falls für b B Rb 1 gilt bzw. falls für jedes b B höchstens ein a A mit arb existiert. Definition 1.23 (links-/rechts-total) Es sei R A B eine binäre Relation. Wenn für jedes Element a A mindestens ein zu a in Relation stehendes Element b B mit arb existiert, also falls ar 1 für alle a A, dann bezeichnen wir R als links-total. Analog nennen wir R rechts-total, falls es für jedes b B mindestens ein a A gibt mit arb, d.h. falls für alle b B Rb 1. Bemerkung: Eine Relation R ist genau dann links-total, falls A = RB, und analog genau dann recht-total, falls B = AR. Definition 1.24 (Abbildung) Es sei f A B eine binäre Relation zwischen zwei Mengen A und B. f heißt Abbildung von A nach/in B, falls f links-total und rechts-eindeutig ist, d.h. falls durch f jedem a A eindeutig ein b B zugeordnet ist. Daher schreiben wir auch f : A B a f (a) mit f (a) = b für (a, b) f. Die Menge aller Abbildungen von A in B symbolisieren wir oft durch B A. Teilweise werden für eine Abbildung auch die Begriffe Funktion oder Operator verwendet. 12

1.1 Relationen Bemerkung: Etwas verwirren mag an dieser Stelle die Tatsache, dass für a f b bzw. (a,b) f nun f (a) = b statt a f = b geschrieben wird. Dies rührt daher, dass wir das Argument hinter das Abbildungssymbol schreiben wollen -- aus Gründen der Anschaulichkeit bzw. besseren Lesbarkeit. (Ausserdem ist a f eine Menge, aber das sollte nicht unbedingt ein Problem darstellen, denn a f hat für eine Abbildung f stets genau ein Element.) Im weiteren Text nach diesem Unterkapitel werden manchmal auch die Klammern um das Argument weggelassen und wir schreiben der Faulheit wegen einfach f a für f (a). Definition 1.25 (Bild, Urbild) Sei f : A B eine Abbildung von einer Menge A in eine Menge B. Für ein Element a A nennen wir das Element f (a) das Bild von a unter f und weiter heißt für eine Teilmenge X A die Menge f (X ) := X f = a f = {f (a)} a X das Bild von X unter f. Desweiteren heißt für ein Element b B die Menge f 1 (b) := f b das Urbild von b unter f und für eine Teilmenge Y B bezeichnen wir als das Urbild von Y unter f. a X f 1 (Y ) := f Y = f b b Y Definition 1.26 (injektiv, surjektiv, bijektiv) Sei f : A B eine Abbildung von A in B. f heißt injektiv, falls f links-eindeutig ist. f heißt surjektiv, falls f rechts-total ist. f heißt bijektiv, falls f injektiv und surjektiv ist. Definition 1.27 (inverse Abbildung) Sei f : A B eine Abbildung von A in B. Nun ist f insbesondere eine Relation und wir betrachten die inverse Relation f 1. Falls f 1 eine Abbildung von B in A ist, so heißt f 1 die inverse Abbildung zu f. 13

1 Grundlagen Satz 1.28 Sei f : A B eine Abbildung von A in B. Die inverse Abbildung f 1 existiert genau dann, falls f bijektiv ist. Insbesondere ist dann auch f 1 bijektiv und ausserdem eindeutig bestimmt. Beweis: Diese Tatsache ergibt sich daraus, dass die Links-Eindeutigkeit und Rechts-Totalität von f gleichbedeutend mit der der Rechts-Eindeutigkeit und Links-Totalität von f 1 sind. Definition 1.29 (Fixelement) Sei f : A A eine Selbstabbildung von A. Ein Element a A heißt Fixelement von f, falls f (a) = a gilt. Definition 1.30 (Identität) Für eine beliebige Menge A definieren wir die Identität auf A als Abbildung id A : A A a a. Bemerkung: Diagonale und Identität sind gleich. A = id A Ersichtlich sind alle Elemente aus A Fixelemente von id A. Definition 1.31 (Komposition, Hintereinanderausführung) Sei f : A B eine Abbildung von A in B und g : B C eine Abbildung von B in C. Dann heißt die Abbildung g f : A C a g (f (a)) von A in C die Komposition bzw. die Hintereinanderausführung von f und g. Wir lesen g f als g nach f. 14

1.1 Relationen Bemerkung: Mitunter werden für die Komposition von f und g auch die Symboliken g f, g f oder aber auch f g, f ; g verwendet. Um Missverständnisse auszuschließen, verwenden wir im gesamten Text stets die Symbolik g f. Bemerkung: Der Kompositions-Operator ist assoziativ, d.h. h (g f ) = (h g ) f, daher können wir auf Klammern verzichten und einfach h g f schreiben, und hat als neutrales Element die Identität, d.h. f id = id f = f. Bemerkung: Falls die inverse Abbildung existiert, so gilt für jedes a A f 1 (f (a)) = a also und für jedes b B gilt also f 1 f = id A f (f 1 (b)) = b f f 1 = id B. Satz 1.32 Sei f : A B eine Abbildung von A in B. f ist genau dann injektiv, falls eine Abbildung g : B A existiert, sodass g f = id A gilt. Desweiteren ist f genau dann surjektiv, falls eine Abbildung g : B A mit f g = id B existiert. Beweis: Der Beweis ist recht schnell getan. Dazu beachtet man zum einen, dass eine injektive Abbildung eine ein-eindeutige Zuordnung ist, und zum anderen, dass eine surjektive Abbildung die gesamte Zielmenge B trifft. 15

1 Grundlagen Korollar 1.33 Eine Abbildung f : A B ist genau dann bijektiv, falls eine Abbildung g : B A mit g f = id A und f g = id B existiert. In diesem Falle ist g gerade f 1. Definition 1.34 (Einschränkung) Sei f : A B eine Abbildung von A in B. Für eine Teilmenge A 0 A heißt die Abbildung Einschränkung von f auf A 0. f A0 : A 0 B a f (a) Definition 1.35 (idempotent, involutorisch) Sei f : A A eine sogenannte Selbstabbildung von A. f heißt idempotent, falls f f = f gilt und f heißt involutorisch bzw. Involution, falls gilt. f f = id A Natürlich gibt es auch Abbildungen der Form f : A A B, die Paaren (a 1, a 2 ) A A ein Element f (a 1, a 2 ) := f ((a 1, a 2 )) B zuordnen. Manchmal ist es dann auch üblich, das Abbildungssymbol zwischen die beiden Argumente zu schreiben, d.h. a 1 f a 2 := f (a 1, a 2 ). Definition 1.36 (kommutativ) Sei f : A A B eine Abbildung. f heißt kommutativ, falls für alle (a 1, a 2 ) A A a 1 f a 2 = a 2 f a 1 16

1.2 Isomorphie gilt. Definition 1.37 ((links-/rechts-)neutrales Element ) Sei f : A A A ein sogenannter binärer Operator auf A. Ein Element l e A heißt links-neutrales Element von f, falls stets l ef a = a gilt, und dual heißt ein e r A rechts-neutrales Element von f, wenn immer a f e r = a gilt. Schließlich nennen wir ein e A neutrales Element von f, falls e sowohl links-neutral als auch rechts-neutral ist. 1.2 Isomorphie Strukturen sind Mengen mit gewissen Beziehungen ihrer Elemente untereinander. Wir wollen nun sagen, dass zwei Strukturen isomorph sind, falls es durch eine Umbennenung der Elemente möglich ist, aus der einen Struktur die andere Struktur zu erhalten. Definition 1.38 (Isomorphie von Relationen) Zwei n-äre Relationen R und R auf Mengen A bzw. A heißen isomorph, falls es eine bijektive Abbildung f : A A gibt, sodass für alle a 1,..., a n A gilt (a 1,..., a n ) R (f (a 1 ),..., f (a n )) R. 1.3 Supremum und Infimum Nachdem wir in 1.1. allgemein erklärt haben, was eine Ordnung ist, wollen wir nun bestimmten Elementen Schlüsselstellungen zuweisen. Wir gehen im folgenden von einer quasigeordneten Menge A = (A, A ) und einer Teilmenge X A aus. Definition 1.39 (obere/untere Schranke) Ein Element a A heißt obere Schranke von X, falls für alle x X x A a, 17

1 Grundlagen und analog heißt ein Element a A untere Schranke von X, falls für alle x X a A x. Die Menge aller oberen/unteren Schranken von X wollen wir mit S A X bzw. S A X bezeichnen. Definition 1.40 (Supremum/Infimum) Eine obere Schranke a von X heißt kleinste obere Schranke (Supremum) von X, falls für alle oberen Schranken a von X a A a, und analog heißt eine untere Schranke a von X größte untere Schranke (Infimum) von X, falls für alle unteren Schranken a von X a A a. Das Supremum einer Menge X wird mit A X und das Infimum mit A X symbolisiert. Definition 1.41 (maximales/minimales Element) Ein maximales Element von X ist ein Element x X mit x < A a = a X für alle a A, und die Menge aller maximalen Elemente von X bezeichnen wir mit Max A X. Analog ist ein minimales Element von X ein Element x X mit a < A x = a X für alle a A und Min A X ist die Menge aller minimalen Elemente von X. Für die folgenden Definitionen sei nun A = (A, A ) eine halbgeordnete Menge und weiterhin X A. Definition 1.42 (größtes/kleinstes Element) Das größte Element von X ist ein Element x X mit x A x 18

1.3 Supremum und Infimum für alle x X, und wir schreiben für x auch max A X. Analog ist das kleinste Element von X ein Element x X mit x A x für alle x X und für x schreiben wir oft min A X. Beispiel: Wir betrachten die halbgeordnete Menge A = (A, ), die durch das folgende Hassediagram dargestellt wird: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Es ergeben sich folgende Werte: A {2,3,5,6,8} {2,3,5,8} {4,5} S A {1} {1} {1} {1,2} S A {8} {7,9} A 1 1 1 2 A 8 7 Max A {1} {2,3} {2,3} {4,5} Min A {6,8,9} {6,8} {8} {4,5} max A 1 min A 8 Definition 1.43 (abgeschlossenes/halboffenes/offenes Intervall) Für a,b A ist das abgeschlossene Intervall [a,b] A definiert als [a,b] A := {x A a A x A b} und (a,b) A := {x A a < A x < A b} 19

1 Grundlagen heißt offenes Intervall. Entsprechend sind auch die halboffenenen Intervalle [a,b) A und (a,b] A definiert. Beispiel: Schauen wir uns noch einmal die geordnete Menge aus dem vorangegangenen Beispiel an. Intervalle sind hier beispielsweise [1,5] A = {1,2,3,5}, (1,5] A = {2,3,5}, (3,9) A = {5,7}. Definition 1.44 (oberer/unterer Nachbar) Man nennt b einen oberen Nachbarn von a bzw. a einen unteren Nachbarn von b in A, falls [a,b] A = {a,b} und schreibt dafür a A b. Bemerkung: A ist die Hasse-Relation zu A. Beispiel: In der geordneten Menge aus dem vorangegangenen Beispiel gelten zum Beispiel 2 1, 7 4, denn diese sind im Hassediagram durch eine Linie verbunden. Andererseits ist 5 1, denn 5 und 1 sind im Hassediagram nicht durch eine Linie verbunden. Bestimmte Elemente nehmen also Schlüsselstellungen für Teilmengen der Grundmenge ein. Im nächsten Schritt verallgemeinern wir diese lokalen Feststellungen auf die gesamte Ordnung. Wir erklären die Begriffe des Verbandes bzw. des vollständigen Verbandes, die spezielle Existenzkriterien an Suprema und Infima haben. 20

1.4 Verbände 1.4 Verbände Definition 1.45 (Verband, vollständiger Verband) Eine halbgeordnete Menge L = (L, L ) heißt Verband, falls für alle x, y L das Supremum L{x, y} und das Infimum L{x, y} existiert. Eine halbgeordnete Menge L = (L, L ) heißt vollständiger Verband, falls für alle Teilmengen X L das Supremum L X und das Infimum L X existiert. Bemerkung: Für einen vollständigen Verband genügt es, die Existenz beliebiger Suprema zu fordern. Die Infima erhält man dann via L X = L {y L x X : y L x}. Analog ist es auch möglich, nur die Existenz beliebiger Infima vorrauszusetzen. Man nennt einen Verband nach obiger Definition auch verbandsgeordnete Menge. Beispiel (Potenzmengenverband): Als Beispiel soll uns der sogenannte Potenzmengenverband dienen. Wir haben eine Menge A gegeben und dazu die Potenzmenge 2 A := {X X A}, die Ordnung sei die Teilmengenrelation. Dann bildet (2 A, ) einen Verband. Das liegt daran, dass zu zwei Elementen X,Y 2 A stets ein Supremum, X Y und ein Infimum X Y existieren. Diese beiden Mengen liegen selbstverständlich auch in 2 A. Das Supremum ist dabei die kleinste Menge, die beide enthält, das Infimum die größte Menge, die von beiden enthalten wird. Stellen wir das in einem Hasse-Diagramm für A = {1,2,3} dar: A {1,2} {1,3} {2,3} {1} {2} {3} Wir erkennen überdies, dass (2 A, ) sogar ein vollständiger Verband ist. Supremum ist hier die Vereinigung, Infimum der Schnitt. Definition 1.46 (Verband) Ein Verband ist eine Algebra (L, L, L ) vom Typ (2,2), die den folgenden Gleichungen genügt: 21

1 Grundlagen (L1) x L y = y L x (Kommutativität) x L y = y L x (L2) x L (y L z) = (x L y) L z (Assoziativität) x L (y L z) = (x L y) L z (L3) x L x = x (Idempotenz) x L x = x (L4) x L (x L y) = x (Absorption) x L (x L y) = x Man liest Ausdrücke der Form x L y = z bzw. x L y = z meist als x verbunden y gleich z bzw. x geschnitten y gleich z. Ein beschränkter Verband (oder ein Verband mit 0 und 1) ist eine Algebra (L, L, L,0 L,1 L ) vom Typ (2,2,0,0), sodass (L, L, L ) ein Verband ist, und zusätzlich folgende Gleichungen gelten: (L5) x L 1 L = 1 L x L 0 L = 0 L 1 L ist das größte Element und 0 L das kleinste Element des Verbandes. Ein Verband heißt distributiv, falls die folgenden Distributivgesetze erfüllt sind: (L6) x L (y L z) = (x L y) L (x L z) (Distributivität) x L (y L z) = (x L y) L (x L z) Man kann übrigens mit Hilfe der Gleichungen (L1) bis (L4) zeigen, dass die beiden Distributivgesetze äquivalent sind, sodass man nur eine der beiden Gleichungen zu fordern braucht. Mit dem Absorptionsgesetz erkennt man die Gültigkeit der Äqui- Korollar 1.47 valenz x L y = y x L y = x. Insbesondere ergibt sich nun für einen beschränkten Verband x L 1 L = x und x L 0 L = x, das neutrale Element der einen Verknüpfung ist also absorbierendes Element der anderen und umgekehrt. Bemerkung: Beide Verbandsdefinitionen sind äquivalent. Sei (L, L, L ) ein Verband nach der zweiten Definition, dann lässt sich auf L eine Halbordnung definieren vermöge x L y : x L y = x 22

1.4 Verbände und (L, L ) ist dann ein Verband nach der ersten Definition. Sei umgekehrt (L, L ) ein Verband nach der ersten Definition, dann ist mit x L y := L {x, y} und x L y := L {x, y} auch (L, L, L ) ein Verband nach der zweiten Definition. Diese Übergänge sind invers zueinander, d.h. führt man zwei solche Übergänge hintereinander aus, erst in der einen Richtung, dann in der anderen, so erhält man wieder die Ausgangsstruktur. Bemerkung: Jeder nichtleere endliche Verband ist vollständig, denn es gibt nur endlich viele Teilmengen der Grundmenge und durch entsprechende endliche geschachtelte Anwendung des L- bzw. des L-Operators lässt sich dann jeder Menge ein Supremum und Infimum zuordnen, d.h. L X = L {x 1,..., x n } = L {x 1, L {x 2, L {..., L {x n 1, x n }...}}}. Jeder vollständige Verband L ist beschränkt mit 0 L = L = L L und 1 L = L = L L. Bemerkung (Dualitätsprinzip): Ist L = (L, L ) ein (vollständiger) Verband, so auch L d. Zu einer verbandstheoretischen Aussage A über einen Verband L, die außer Variablen, Konstanten und logischen Operatoren nur die Zeichen L, L, L, L, L, 0 L, 1 L enthält, erhält man die duale Aussage A d, indem man in A alle Vorkommen dieser Zeichen durch die dualen Zeichen L, L, L, L, L, 1 L, 0 L ersetzt. Eine verbandstheoretische Aussage A über einen Verband L gilt genau dann, wenn A d in L d gilt. Definition 1.48 (Atom und Coatom) Ist L ein vollständiger Verband, so heißen die oberen Nachbarn von 0 L Atome und dual die unteren Nachbarn von 1 L Coatome. Definition 1.49 (supremum-/infimum-(ir-)reduzibel) Sei L = (L, L ) ein vollständiger Verband, und betrachte für x L x := L {y L x < L y} x := L {y L y < L x}. x heißt infimum-reduzibel ( L-reduzibel), falls x = x, sonst infimum-irreduzibel ( L-irreduzibel). x heißt supremum-reduzibel ( L-reduzibel), falls x = x, sonst supremum-irreduzibel ( L-irreduzibel). 23

1 Grundlagen Betrachtet man zu einem Element x eines vollständigen Verbands L alle echt größeren Elemente und bildet das Infimum von diesen, so kommt man auf x selber, wenn x L-reduzibel ist. x läßt sich dann als Infimum anderer Elemente darstellen oder ist das globale Supremum 1 L. Ist dagegen x L-irreduzibel, so ergibt die beschriebene Infimumbildung ein Element x x und dieses x ist der einzige obere Nachbar von x. Dual ist x der einzige untere Nachbar für ein L-irreduzibles Element x. Im Liniendiagramm endlicher Verbände treten also die Verzweigungen nach oben genau an den L-reduziblen und nach unten genau an den L-reduziblen Elementen auf. Zwei Ausnahmen stellen hier die beiden Elemente 1 L und 0 L dar: 1 L ist immer L-reduzibel, hat aber natürlich keine Verzweigung nach oben und dual ist 0 L immer L-reduzibel, hat aber keine Verzweigungen nach unten. Definition 1.50 (supremum-/infimum-dicht) Sei L = (L, L ) ein vollständiger Verband. Eine Teilmenge X L heißt supremumdicht ( L -dicht) in L, falls jedes Element von L als Supremum einer Teilmenge von X dargestellt werden kann, d.h. falls für alle y L y = L {x X x L y} gilt. Analog heißt X infimum-dicht ( L -dicht) in L, falls für alle y L gilt y = L {x X y L x}. 1.5 Ideale und Filter 1.6 Ordnungshomomorphismen und Verbandshomomorphismen Definition 1.51 (monotone Abbildung, Ordnungshomomorphismus) Es seien (P, P ) und (Q, Q ) geordnete Mengen und φ : P Q eine Abbildung. Wir nennen φ eine monotone (bzw ordnungserhaltende) Abbildung oder auch Ordnungs-Homomorphismus, falls p 1 P p 2 = φ(p 1 ) Q φ(p 2 ) Korollar 1.52 Direkt aus der Definition folgt, dass auch die Umkehrung eines 24

1.7 Hüllen und Kerne Ordnungsisomorphismus ein Ordnungs-Isomorphismus sein muss - Definition: Einbettung - Definition Verbandshomomorphismus - Satz: Zusammenhang zwischen Verbands- und Ordnungshomos 1.7 Hüllen und Kerne 1.7.1 Hüllensysteme und Hüllenoperatoren Definition 1.53 (Hüllensystem) Es sei A eine Menge. Eine Teilmenge H der Potenzmenge 2 A heißt Hüllensystem auf A, falls folgendes gilt: (HS1) (HS2) A H X H für jede nichtleere Teilmenge X H Die Elemente H H werden Hüllen genannt. Oft schreibt man ein Hüllensystem auch als ein Paar (A,H ), um die Grundmenge hervorzuheben. Die Eigenschaft (HS2) wird oft als Schnittstabilität bzw. -Stabilität bezeichnet. Definition 1.54 (Hüllenoperator) Es sei A eine Menge. Eine Abbildung h : 2 A 2 A heißt Hüllenoperator auf A, falls für alle Teilmengen X, Y A folgendes gilt: (HO1) X h(x ) (Extensität) (HO2) X Y = h(x ) h(y ) (Monotonie) (HO3) h(h(x )) = h(x ) (Idempotenz) Man nennt die Mengen der Form h(x ) abgeschlossen bezüglich h oder kurz h-abgeschlossen und sagt, dass h(x ) von X erzeugt ist. Korollar 1.55 Mit der Extensität folgt A h(a) A, d.h. h(a) = A und die Grundmenge ist bereits Hülle ihrerselbst. 25

1 Grundlagen Satz 1.56 Es sei A eine Menge. Eine Abbildung h : 2 A 2 A ist genau dann ein Hüllenoperator auf A, falls für alle Teilmengen X,Y A gilt: X h(y ) h(x ) h(y ) Beweis: Seien X,Y A. (= ) (= ) X h(y ) (HO2) = h(x ) h(h(y )) (HO3) = h(x ) h(y ) ( =) h(x ) h(y ) (HO1) = X h(y ) ( =) (HO1) h(x ) h(x ) = X h(x ) (HO2) X Y h(y ) = h(x ) h(y ) (HO3) h(x ) h(h(x )) [ h(x ) h(x ) = h(h(x )) h(x ) ] = h(h(x )) = h(x ) Lemma 1.57 A gelten und Für einen Hüllenoperator h auf A und alle Teilmengen X, Y h(x Y ) h(x ) h(y ) h(h(x ) h(y )) = h(x ) h(y ). Beweis: Es gilt X Y X und mit der Monotonie folgt h(x Y ) h(x ), analog haben wir h(x Y ) h(y ) und damit insgesamt Daraus folgt h(x Y ) h(x ) h(y ). h(x ) h(y ) h(h(x ) h(y )) h(h(x )) h(h(y )) = h(x ) h(y ). Bemerkung: Insbesondere gilt also für einen Hüllenoperator h auf A und alle h-abgeschlossenen Teilmengen X, Y A h(x Y ) = X Y. 26

1.7 Hüllen und Kerne Satz 1.58 (Hauptsatz über Hüllensysteme und Hüllenoperatoren) (1) Es sei H ein Hüllensystem auf A. Für alle X A sei h H (X ) := {H H H X }, d.h. jeder Menge X A wird damit die kleinste Hülle aus H zugeordnet, die X enthält. Dann ist h H ein Hüllenoperator auf A, und die abgeschlossenen Mengen von h H sind genau die Hüllen von H. Wir nennen h H den Hüllenoperator zu H. (2) Sei umgekehrt h ein Hüllenoperator auf A. Dann ist H h := {h(x ) X A} ein Hüllensystem auf A, und die Hüllen von H h sind genau die abgeschlossenen Mengen von h. Wir nennen H h das Hüllensystem zu h. (3) Für jedes Hüllensystem H auf A gilt H (hh ) = H, und für jeden Hüllenoperator h auf A gilt Die Abbildungen h (Hh ) = h. H h H H h h sind also Bijektionen zwischen der Menge der Hüllensysteme auf A und der Menge der Hüllenoperatoren auf A. Beweis: (1) Nach Satz 1.56 ist die Äquivalenz X h H (Y ) h H (X ) h H (Y ) zu zeigen. Die Richtung ( =) folgt sogleich aus X h H (X ) = {H H H X }. Zum Beweis der anderen Richtung (= ) sei X h H (Y ), dann gilt {H H H X } {H H H h H (Y )} }{{} = H Y 27

1 Grundlagen und damit d.h. {H H H X } {H H H Y }, h H (X ) h H (Y ). (2) Nach Korollar 1.55 gilt h(a) = A und damit A H h. Die Schnittstabilität des zugeordneten Hüllensystems folgt durch wiederholte Anwendung des Lemma 1.57. (3) Einerseits folgt mit der -Stabilität von Hüllensystemen Andererseits gilt für alle X A H (hh ) = H. h (Hh )(X ) = {h(y ) Y A,h(Y ) X } = h(x ) d.h. h(x ) ist die kleinste Hülle, die X enthält, denn angenommen es existierte ein Z A mit X h(z ) h(x ), dann gälte h(z ) = h(x ). Damit ist also h (Hh ) = h. Satz 1.59 Es sei h ein Hüllenoperator auf A und H h das zugeordnete Hüllensystem. Dann ist (H h,, ) ein vollständiger Verband mit h(a j ) = h(a j ) j J j J und Beweis: h(a j ) = h( A j ). j J j J Sei X H h und H H h. Es gelten X = H H H h X X : X H H H = h( X ) sowie X = H H H h X X : X H H H = X. 28

1.7 Hüllen und Kerne Satz 1.60 Sei M eine beliebige Menge. Mit H M bezeichnen wir die Menge aller Hüllensysteme auf M. Dann ist H M ein Hüllensystem auf 2 M. Weiter gibt es zu jedem Mengensystem X auf M ein kleinstes Hüllensystem H X, das X enthält. Beweis: Zu zeigen ist zum einen, dass die Grundmenge 2 M in H M enthalten ist und zum anderen, dass für jede Teilmenge von H M auch deren Schnitt in H M enthalten ist, d.h. (I) 2 M H M (II) X H M = X H M Nun ist H M die Menge aller Hüllensysteme auf M -- um also zu zeigen dass ein Mengensystem X auf M in H M enthalten, müssen wir zeigen, dass die Grundmenge M in X enthalten ist und dass für jede Teilmenge von X auch deren Schnitt in X enthalten ist, d.h. (i) M X (ii) Z X = Z X Damit ist also (I) sofort klar, denn die Potenzmenge 2 M ist ein Mengensystem auf M (sogar das größte) und enthält alle Teilmengen von M, also insbesondere M selbst (d.h. (i) gilt) und auch beliebige Schnitte von Teilmengen von M (d.h. (ii) gilt). Zum Beweis von (II) sei X H M, d.h. alle X X sind Hüllensysteme auf M. Insbesondere sind also alle X X Mengensysteme auf M, also ist auch deren Schnitt X ein Mengensystem auf M. Nun folgt mit (i), dass alle X X die Grundmenge M enthalten, also liegt M auch im Schnitt X, d.h. (i) gilt für X. Weiter folgt mit (ii), dass alle X X beliebige Schnitte von Teilmengen ihrerselbst enthalten, d.h. X X : (Z X = Z X ). Es folgt zunächst und damit also Z X = X X : Z X, Z X = Z X, 29

1 Grundlagen d.h. es gilt (ii) für X und schließlich ist X ein Hüllensystem auf M, also in H M enthalten. Es lässt sich nun mit dem Hauptsatz über Hüllensysteme und Hüllenoperatoren folgern, dass zum obigen Hüllensystem H M genau ein Hüllenoperator existiert, der jedem Element aus 2 (2M ), d.h. jeder Teilmenge von 2 M, d.h. jedem Mengensystem auf M, genau das kleinste Hüllensystem auf M zuordnet, welches dieses Mengensystem enthält. Der zugeordnete Hüllenoperator ist h HM : 2 (2M ) H M 2 (2M ) X H X := {H H M H X }. Beispiel: Sei M = {1,2,3,4,5}. Wir suchen zu folgendem Mengensystem X auf M das kleinste Hüllensystem H X auf M, das X enthält: X = { {4},{1,2},{2,5},{4,5},{1,3,4},{2,3,4} } X lässt sich bezüglich der Teilmengeninklusion als Hassediagramm so darstellen: {1,3,4} {2,3,4} {1,2} {2,5} {4,5} {4} Wir können das Hüllensystem H X auf M finden, indem wir alle X enthaltenden Hüllensysteme auf M suchen und diese dann schneiden. Dies ist jedoch ziemlich aufwendig. Einfacher ist es in diesem Falle, direkt aus dem Mengensystem das zugehörige kleinste Hüllensystem zu konstruieren. Dies geschieht, indem wir im ersten Schritt die Grundmenge M hinzufügen und im zweiten Schritt alle möglichen Schnitte von (beliebig vielen) Mengen aus dem Mengensystem bilden und die dabei entstehenden noch nicht im Mengensystem vorkommenden Mengen hinzufügen. Der zweite Schritt ist solange zu wiederholen, bis keine zusätzlichen Mengen mehr entstehen. Da die betrachtete Grundmenge M endlich ist, muss dieses Verfahren terminieren. Nach Konstruktion ist das entstehende Mengensystem dann das kleinste Hüllensystem, welches X enthält. Die hinzuzufügenden Mengen sind hier M,,{1},{2},{5},{3,4}, das gesuchte 30

1.7 Hüllen und Kerne Hüllensystem H X ist also H X = X { M,,{1},{2},{5},{3,4} } = {,{1},{2},{4},{5},{1,2},{2,5},{3,4},{4,5},{1,3,4},{2,3,4}, M }. Dieses Hüllensystem lässt sich durch folgendes Hasse-Diagramm darstellen, dabei wurden die Beschriftungen reduziert, indem die Elemente von M jeweils an den ersten Punkt geschrieben werden, an dem sie das erste Mal auftauchen, wenn wir von der Wurzel aus nach oben traversieren. Jeder Punkt im Diagramm steht für ein Element des Hüllensystems, d.h. für eine Teilmenge von M und diese enthält jeweils diejenigen Elemente von M, die an darunterliegenden Punkten stehen und über fallende Kanten bzw. Kantenwege mit verbunden sind. 3 1 2 5 4 1.7.2 Kernsysteme und Kernoperatoren Definition 1.61 (Kernsystem) Es sei A eine Menge. Eine Teilmenge K der Potenzmenge 2 A heißt Kernsystem auf A, falls folgendes gilt: (KS1) (KS2) K X K für jede nichtleere Teilmenge X K Die Elemente K K werden Kerne genannt. Oft schreibt man ein Kernsystem auch als ein Paar (A,K ), um die Grundmenge hervorzuheben. Definition 1.62 (Kernoperator) Es sei A eine Menge. Eine Abbildung k : 2 A 2 A heißt Kernoperator auf A, falls für alle Teilmengen X,Y A folgendes gilt: 31

1 Grundlagen (KO1) k(x ) X (Intensität) (KO2) X Y = k(x ) k(y ) (Monotonie) (KO3) k(k(x )) = k(x ) (Idempotenz) Man nennt die Mengen der Form k(x ) abgeschlossen bezüglich k oder kurz k-abgeschlossen und sagt, dass k(x ) von X erzeugt ist. Korollar 1.63 Mit der Intensität folgt k( ), d.h. k( ) = und die leere Menge ist bereits Kern ihrerselbst. Satz 1.64 Es sei A eine Menge. Eine Abbildung k : 2 A 2 A ist genau dann ein Kernoperator auf A, falls für alle Teilmengen X,Y A gilt: k(x ) Y k(x ) k(y ) Beweis: Seien X,Y A. (= ) (= ) k(x ) Y (KO2) = k(k(x )) k(y ) (KO3) = k(x ) k(y ) ( =) k(x ) k(y ) (KO1) = k(x ) Y ( =) (HO1) k(x ) k(x ) = k(x ) X (HO2) k(x ) X Y = k(x ) k(y ) (HO3) k(k(x )) k(x ) [ k(x ) k(x ) = k(x ) k(k(x )) ] = k(k(x )) = k(x ) Lemma 1.65 gelten und Für einen Kernoperator k auf A und alle Teilmengen X, Y A k(x ) k(y ) k(x Y ) k(k(x ) k(y )) = k(x ) k(y ). Beweis: Es gilt X X Y und mit der Monotonie folgt k(x ) k(x Y ), analog haben wir k(y ) k(x Y ) und damit insgesamt Daraus folgt k(x ) k(y ) k(x Y ). k(x ) k(y ) = k(k(x )) k(k(y )) k(k(x ) k(y )) k(x ) k(y ). 32

1.7 Hüllen und Kerne Bemerkung: Insbesondere gilt also für einen Kernoperator k auf A und alle k-abgeschlossenen Teilmengen X, Y A k(x Y ) = X Y. Satz 1.66 (Hauptsatz über Kernsysteme und Kernoperatoren) (1) Es sei K ein Kernsystem auf A. Für alle X A sei k K (X ) := {K K K X }, d.h. jeder Menge X A wird damit der größte Kern aus K zugeordnet, der in X enthalten ist. Dann ist k K ein Kernoperator auf A, und die abgeschlossenen Mengen von k K sind genau die Kerne von K. Wir nennen k K den Kernoperator zu K. (2) Sei umgekehrt k ein Kernoperator auf A. Dann ist K k := {k(x ) X A} ein Kernsystem auf A, und die Kerne von K k sind genau die abgeschlossenen Mengen von k. Wir nennen K k das Kernsystem zu k. (3) Für jedes Kernsystem K auf A gilt K (kk ) = K, und für jeden Kernoperator k auf A gilt Die Abbildungen k (Kk ) = k. K k K K k k sind also Bijektionen zwischen der Menge der Kernsysteme auf A und der Menge der Kernoperatoren auf A. Beweis: 33

1 Grundlagen (1) Nach Satz 1.64 ist die Äquivalenz k K (X ) Y k K (X ) k K (Y ) zu zeigen. Die Richtung ( =) folgt sogleich aus Y k K (Y ) = {K K K Y }. Zum Beweis der anderen Richtung (= ) sei k K (X ) Y, dann gilt {K K K k K (X )} {K K K Y } }{{} = K X und damit {K K K X } {K K K Y }, d.h. k K (X ) k K (Y ). (2) Nach Lemma 1.63 gilt k( ) = und damit K k. Die Vereinigungsstabilität des zugeordneten Kernsystems folgt durch wiederholte Anwendung des Lemma 1.65. (3)... Satz 1.67 Es sei k ein Kernoperator auf A und K k das zugeordnete Kernsystem. Dann ist (K k,, ) ein vollständiger Verband mit k(a j ) = k( A j ) j J j J und k(a j ) = k(a j ). j J j J 1.8 Adjunktionen & Galoisverbindungen Definition 1.68 (Adjunktion) Ein Quadrupel heißt Adjunktion, falls A = (P,Q,φ,ψ) P = (P, P ) und Q = (Q, Q ) 34

1.8 Adjunktionen & Galoisverbindungen halbgeordnete Mengen sind und φ : P Q und ψ : Q P Abbildungen zwischen ihnen sind mit der Eigenschaft φ(p) Q q p P ψ(q) für alle p P und q Q. Bemerkung: (1) φ bestimmt ψ eindeutig und umgekehrt. (2) Sind P und Q vollständige Verbände, so ist f residuiert, d.h. -treu, also gilt für alle X P Q φx = φ P X und g ist residual, d.h. -treu, also gilt für alle Y Q P ψy = ψ Q Y. (3) Sind P und Q vollständige Verbände und ist φ eine residuierte Abbildung von P nach Q, so existiert eine residuale Abbildung ψ von Q nach P, sodass (P,Q,φ,ψ) eine Adjunktion ist. (4) Für vollständige Verbände P und Q ist φp ein Kernsystem in Q (d.h. φp ist -abgeschlossene Teilmenge von Q), und ferner ist ψq ein Hüllensystem in P (d.h. ψq ist -abgeschlossene Teilmenge von P). Weiter gelten φ ψ φ = φ und ψ φ ψ = ψ und ist ein Kernoperator auf Q sowie φ ψ ψ φ ist ein Hüllenoperator auf P. 35

1 Grundlagen Definition 1.69 (Galoisverbindung) Ist A = (P,Q d,φ,ψ) eine Adjunktion, so heißt G = (P,Q,φ,ψ) Galoisverbindung. Bemerkung: Galoisverbindungen haben die Eigenschaft für alle p P und q Q. q Q φ(p) p P ψ(q) Definition 1.70 (Galois(quasi-)ordnung ) Seien A, B Mengen und (P, ) eine (quasi-)geordnete Menge mit A B = P. Ein Quadrupel (P,, A,B) heißt Galois(quasi-)ordnung, falls für alle a 1, a 2 A sowie für alle b B, p P gelten. a 1 a 2 b B : (a 2 b = a 1 b) b p a A : (a b = a p) Bemerkung: (1) Sei eine Quasiordnung auf einer Menge Q. Dann bildet := eine Äquivalenz auf A und enthält alle Paare von -äquivalenten Elementen. Weiter erhalten wir damit auf der Faktormenge vermöge eine Ordnung. P := Q/ [q 1 ] [q 2 ] : q 1 q 2 36

1.8 Adjunktionen & Galoisverbindungen (2) Die kanonische Abbildung nat der Elemente von Q auf ihre Äquivalenzklassen in P ist ein ordnungserhaltender Epimorphismus. Damit besitzt jede Galoisquasiordnung einen ordnungserhaltenden Epimorphismus auf eine Galoisordnung. (3) Ist (P, ) eine geordnete Menge, so induziert jede Abbildung f : Q P eine Quasiordnung auf Q vermöge mit ker f =. x y f (x) f (y) 37

1 Grundlagen 38

Index n-äre Relation, 1 Äquivalenz, 9 Äquivalenzklasse, 10 Abbildung, 12 inverse, 13 abgeschlossenes Intervall, 20 Abgeschlossenheit, 25, 32 Absorption, 22 Adjunktion, 34 Antisymmetrie, 3, 4 Assoziativität, 22 Atom, 23 azyklische Relation, 5 benachbart, 7 bijektiv, 13 Bild, 13 binäre Relation, 1 Coatom, 23 Diagonale, 4 Distributivität, 22 dual geordnete Menge, 5 duale Ordnung, 4 Dualitätsprinzip, 5, 9, 23 für Ordnungen, 5 für Verbände, 23 eindeutig links-, 11 rechts-, 11 Einschränkung, 16 Element größtes, 18 kleinstes, 18 links-neutrales, 17 maximales, 18 minimales, 18 neutrales, 17 rechts-neutrales, 17 Erzeuger, 25, 32 Extensität, 25 Faktormenge, 10 Fixelement, 14 Funktion, 12 Galoisordnung, 36 Galoisquasiordnung, 36 Galoisverbindung, 36 geordnete Menge, 5 dual, 5 halb-, 5 Hasse-, 7 quasi-, 5 total-, 5 verbands-, 21 größte untere Schranke, 18 größtes Element, 18 Hülle, 25 Hüllenoperator, 25 Hüllensystem, 25 halbgeordnete Menge, 5 halboffenes Intervall, 20 39

Index Halbordnung, 3 Hasse-Diagramm, 8 Hasse-geordnete Menge, 7 Hasse-Relation, 6, 20 Hintereinanderausführung, 14 idempotent, 16 Idempotenz, 22, 25, 32 Identität, 14 Infimum, 18 infimum-dicht, 24 infimum-irreduzibel, 23 infimum-reduzibel, 23 injektiv, 13 Intensität, 32 Intervall abgeschlossenes, 20 halboffenes, 20 offenes, 20 inverse Abbildung, 13 inverse Relation, 1 Involution, 16 involutorisch, 16 Irreflexivität, 4 Isomorphie Relationen, 17 Kern, 31 Kernoperator, 31 Kernsystem, 31 Kette, 9 Klasse Äquivalenz-, 10 kleinste obere Schranke, 18 kleinstes Element, 18 kommutativ, 16 Kommutativität, 22 komplementäre Relation, 1 Komposition, 14 Konnexität, 3 Liniendiagramm, 8 links-eindeutig, 11 Links-Nebenklasse, 2 links-neutrales Element, 17 links-total, 12 maximales Element, 18 minimales Element, 18 Monotonie, 25, 32 Nachbar, 7 oberer, 7, 20 unterer, 7, 20 Nachbarschafts-Relation, 7 Nebenklasse Links-, 2 Rechts-, 2 neutrales Element, 17 obere Schranke, 17 oberer Nachbar, 7, 20 offenes Intervall, 20 Operator, 12 Hüllen-, 25 Kern-, 31 Ordnung, 3 duale, 4 Galois-, 36 Halb-, 3 Quasi-, 3 Strikt-, 4 Total-, 3 Ordnungshomomorphismus, 24 Partitionierung, 10 Potenzmengenverband, 21 quasigeordnete Menge, 5 Quasiordnung, 3 Galois-, 36 rechts-eindeutig, 11 Rechts-Nebenklasse, 2 40

Index rechts-neutrales Element, 17 rechts-total, 12 Reflexivität, 3, 9 Relation, 1 n-äre, 1 azyklische, 5 binäre, 1 Hasse-, 6, 20 inverse, 1 Isomorphie, 17 komplementäre, 1 Nachbarschafts-, 7 Relationenprodukt, 1 vollständiger Verband, 21 Zerlegung, 10 Schnittstabilität, 25 Schranke obere, 17 untere, 17 Striktordnung, 4 Supremum, 18 supremum-dicht, 24 supremum-irreduzibel, 23 supremum-reduzibel, 23 surjektiv, 13 Symmetrie, 9 total links-, 12 rechts-, 12 totalgeordnete Menge, 5 Totalordnung, 3 Transitivität, 3, 4, 9 untere Schranke, 17 unterer Nachbar, 7, 20 Urbild, 13 Verband, 21 vollständiger, 21 verbandsgeordnete Menge, 21 Vergleichbarkeit, 9 41