Stefan Bach Steuer- und Abgabenpolitik: Entwicklungstrends und Herausforderungen Kocheler Kreis für Wirtschaftspolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung 13. bis 15. Januar 2017 in Kochel am See 13.01.2017 Stefan Bach 1
Übersicht Überblick Steuerbuch, Steuermythen Entwicklungstrends des deutschen Steuersystems Makro: Steuerquoten und -strukturen Zeitlicher Längsschnitt, internationaler Vergleich Mikro: Verteilungswirkungen 2015 Wer trägt die Steuerlast? Herausforderungen für die Steuerpolitik Langfristige Perspektiven Steuerstaat Überblick Steuerreformbaustellen Tarifreformen Einkommensteuer Reichensteuern, Vermögensteuern 13.01.2017 Stefan Bach 2
Populärwissenschaftlicher Überblick zu Steuern und Steuersystem (Kap. 1) Steuerpolitische Ziele und Ideologien (Kap. 2) Steueraufkommen und Steuerlastverteilung (Kap. 3) Steuerreformprojekte und Steuerreformagenden (Kap. 4) Stefan Bach: Unsere Steuern. Wer zahlt? Wie viel? Wofür? Westend Verlag, 256 Seiten, 1. September 2016. 13.01.2017 Stefan Bach 3
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Serie zu Steuermythen auf Spiegel Online 13.01.2017 Stefan Bach 6
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Steuern und Sozialbeiträge in Prozent des Bruttoinlandsprodukts und des Nettonationaleinkommens 1950 bis 2016 (Abbildung 7 Steuerbuch ) 55 50 45 40 Abgabenquote 35 30 Steuerquote konstant seit Wirtschaftswunder 25 20 15 Steuerquote Sozialbeitragsquote Steuerquote zuletzt gestiegen durch kalte Progression 10 5 Sozialbeiträge gestiegen in % Bruttoinlandsprodukt in % Nettonationaleinkommen (Primäreinkommen) Steueraufkommen Kasse in % Bruttoinlandsprodukt 0 1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 Die Abgabenquote ergibt sich als Summe aus Steuerquote und Sozialbeitragsquote. Zugrunde gelegt werden empfangene Steuern und Sozialbeiträge des Staatssektors. Ab 1970 Steuereinahmen einschließlich vermögenswirksamer Steuern und Steuerreinnahmen an die EU. Sozialbeiträge einschließlich unterstellter Sozialbeiträge für die Beamtenversorgung, abzüglich der Beiträge des Staates für Empfänger sozialer Leistungen. 1950 bis 1969: Früheres Bundesgebiet (bis1959 ohne Berlin-West und Saarland), VGR Revision 1991. 1970 bis 1990: Früheres Bundesgebiet, VGR-Revision 2005; 1991 bis 2016: Deutschland, VGR-Revision 2014. 2016: Prognose des DIW Berlin. 13.01.2017 Quelle: Statistisches Bundesamt, Volkswirtschaftliche Gesamtrechungen; Berechnungen Stefan Bach des DIW Berlin. 8
Struktur der Steuereinnahmen in Deutschland 1950 bis 2016 in Prozent (Abbildung 8 Steuerbuch ) 100 90 80 Lohnsteuer 70 Direkte und indirekte Steuern 60 50 Übrige Einkommensteuer Körperschaftsteuer Gewerbesteuer Sonst. direkte Steuern u. Abgaben 40 Sonst. Produktionsabgaben 30 Sonstige Gütersteuern 20 10 Umsatz-/Mehrwertsteuer 0 1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 Zugrunde gelegt werden empfangene Steuereinahmen des Staatssektors, einschließlich vermögenswirksamer Steuern und Steuereinnahmen an die EU. 1950 bis 1969: Früheres Bundesgebiet (bis1959 ohne Berlin-West und Saarland), VGR Revision 1991. 1970 bis 1990: Früheres Bundesgebiet, VGR-Revision 2005; 1991 bis 2016: Deutschland, VGR-Revision 2014. 2016: Prognose des DIW Berlin. 13.01.2017 Quelle: Statistisches Bundesamt, Volkswirtschaftliche Gesamtrechungen; Stefan Bach Berechnungen des DIW Berlin. 9
50,0 45,0 40,0 35,0 Sozialbeiträge Einkommensteuern privater Haushalte Ertragsteuern Unternehmen Vermögensbezogogene Steuern Spezielle Verbrauchsteuern Mehrwertsteuer 30,0 25,0 20,0 15,0 10,0 5,0 0,0 Slovakei Mexico Japan Korea USA Tschechien Chile Spanien Türkei Polen Schweiz Estland Griechenland Slovenien Deutschland Niederlande Portugal Irland OECD Ungarn Israel Kanada Australien Frankreich Großbritanni Luxemburg Österreich Italien Belgien Finnland Island Neuseeland Schweden Norwegen Dänemark 13.01.2017 Stefan Bach 10
Wer trägt die Steuerlast in Deutschland? Forschungsprojekt für Hans-Böckler-Stiftung Gesamtverteilungswirkung des deutschen Steuersystems Einschließlich Unternehmensteuern und indirekten Steuern Gute Erfassung von Top-Einkommen mit Einkommensteuerstatistik Konsistente mikrodatenbasierte Analyse Haushaltssurveys (SOEP, EVS), Einkommensteuerstatistik, Datenintegration, Fortschreibung auf 2015 Mikrosimulationsmodelle, Inzidenzannahmen Veröffentlichungen: Stefan Bach, Martin Beznoska, Viktor Steiner (2016): Wer trägt die Steuerlast in Deutschland? Steuerbelastung nur schwach progressiv. DIW Wochenbericht Nr. 51+52.2016. Wer trägt die Steuerlast? Verteilungswirkungen des deutschen Steuer- und Transfersystems. Study der Hans-Böckler-Stiftung 347. Wer trägt die Steuerlast in Deutschland? Verteilungswirkungen des deutschen Steuer- und Transfersystems. DIW Berlin: Politikberatung kompakt 114, 2016. 13.01.2017 Stefan Bach 11
Wal in der Wanne manager maganzin, 21.12.2016 Steuern und Sozialbeiträge in Prozent des Haushaltsbruttoeinkommens 2015 1) (Abbildung 13 Steuerbuch ) 50 40 Regression überzeichnet durch Vermögensbildung Steueranteil Sozialbeiträge 50%? 30 Sozialbeiträge 2) Grundsicherung, aber non take up 20 Tabak-, Alkohol- und Wettsteuern Grund-, Kfz- und sonstige Steuern 10 Energiesteuern und EEG-Umlage Mehrwert- und Versicherungsteuer Einkommen- und Unternehmensteuern 0 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100 Überschätzung Perzentile Haushaltsbruttoäquivalenzeinkommen 3) Steuerbelastung Top-Einkommen 1) Werte polynomisch geglättet. 2) Hälftige Aufteilung der Sozialbeiträge. 3) Äquivalenzgewichtet mit der neuen OECD-Skala. Quelle: Integrierte Datenbasis SOEP und EVS sowie Einkommensteuerstatistik, fortgeschrieben auf 2015. 13.01.2017 Stefan Bach 12
Verteilung von Haushaltsbruttoeinkommen, Steuern und Sozialbeiträgen 2015 in Prozent (Abbildung 12 Steuerbuch ) Haushaltsbruttoäquivalenzeinkommen 1) Quantile Untergrenze Euro/Monat Haushaltsbruttoeinkommen Einkommen- und Unternehmensteuern 2) Indirekte Steuern 3) Prozent Sozialbeiträge Steuern Insgesamt Steuern und Sozialbeiträge 1. Dezil. 2,6 0,0 5,4 0,7 2,4 1,6 2. Dezil 966 3,7 0,1 6,3 2,6 2,9 2,7 3. Dezil 1 324 4,9 0,5 7,3 4,3 3,5 3,9 4. Dezil 1 671 5,7 1,1 8,3 5,8 4,3 5,0 5. Dezil 1 993 7,0 2,1 9,0 7,7 5,2 6,3 6. Dezil 2 389 8,0 3,9 9,4 9,6 6,4 7,9 7. Dezil 2 798 9,7 6,6 10,2 12,1 8,2 10,1 8. Dezil 3 343 11,7 10,3 11,7 15,5 10,9 13,1 9. Dezil 4 019 14,5 16,1 12,7 19,0 14,6 16,6 10. Dezil 5 271 32,1 59,1 19,7 22,8 41,5 32,8 Insgesamt. 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 Top 1% 12 892 9,9 25,8 4,4 1,7 16,3 9,5 Top 0,1% 36 885 4,3 12,1 1,6 0,1 7,4 4,0 1) Äquivalenzgewichtet mit der neuen OECD-Skala. 2) Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag, Unternehmensteuern. 3) Mehrwertsteuer, Versicherungsteuer, Verbrauchsteuern, Grundsteuer, Grunderwerbsteuer, Kfz-Steuer. Quelle: Integrierte Datenbasis SOEP und EVS sowie Einkommensteuerstatistik, fortgeschrieben auf 2015. 13.01.2017 Stefan Bach 13
Perspektiven: Steuerbelastungen steigen eher Herausforderungen für den Staat Wissensgesellschaft, Digitalisierung, Industrie 4.0 Demografische Alterung, sozialräumlicher Wandel Flüchtlingsmigration und Zuwanderung, soziale Desintegration Energiewende, Klimaschutz, biologische Vielfalt Eurokrise, makroökonomische Ungleichgewichte Wagner's Law Revised? Adolph Wagner (1893): Kultur- und Wohlfahrtszweck Wo und wie kann der Staat effizienter werden? Subventionen, Steuervergünstigungen, Gesundheit, Infrastruktur, Personal und Verwaltung, private Bereitstellung, Föderalismus, Digitalisierung Strukturen von Steuersystem und Staatsausgaben effizienter und gerechter gestalten 13.01.2017 Stefan Bach 14
Können und sollen die Steuerzahler in den nächsten Jahren entlastet werden? Quelle: Kristina van Deuverden: Öffentliche Finanzen bis 2025: Nur auf den ersten Blick günstig. DIW Wochenbericht Nr. 50.2016. 13.01.2017 Stefan Bach 15
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Moderate Mehrbelastung hoher und sehr hoher Einkommen? 50 40 30 Sozialbeiträge 2) 20 Tabak-, Alkohol- und Wettsteuern Grund-, Kfz- und sonstige Steuern 10 Energiesteuern und EEG-Umlage Mehrwert- und Versicherungsteuer Einkommen- und Unternehmensteuern 0 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100 Perzentile Haushaltsbruttoäquivalenzeinkommen 3) 1) Werte polynomisch geglättet. 2) Hälftige Aufteilung der Sozialbeiträge. 3) Äquivalenzgewichtet mit der neuen OECD-Skala. Quelle: Integrierte Datenbasis SOEP und EVS sowie Einkommensteuerstatistik, fortgeschrieben auf 2015. 13.01.2017 Stefan Bach 19
Aufkommen vermögensbezogener Steuern in den OECD-Ländern 2010-2012 in Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) 4,0 3,5 3,0 Andere vermögensbezogene Steuern Kapitalverkehrsteuern Erbschaft- und Schenkungsteuern (Netto-) Vermögensteuern Grundsteuern 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 MEX EST SVK CZE AUT SVN CHL DEU SWE TUR FIN PRT HUN POL NOR NLD GRC IRL OECD DNK CHE ESP NZL ITA AUS ISL KOR LUX JPN ISR USA BEL CAN FRA GBR Quelle: OECD, Revenue Statistics, 2010-12. 13.01.2017 Stefan Bach 20
Aufkommen vermögensbezogener Steuern in Deutschland 1890-2017 in Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) Grundsteuer 5,0 4,0 bis 1913: Preußen Hauszinssteuer Vermögensteuer Erbschaftsteuer Kapitalverkehrsteuern Vermögensabgaben 3,0 Vermögensabgabe Lastenausgleich 2,0 1,0 1997: Nichterhebung Vermögensteuer, Erhöhung Erbschaftsteuer, Grunderwerbsteuer 0,0 1890 1900 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 Quellen: Statistisches Bundesamt, Bundesfinanzministerium, eigene Berechnungen. 13.01.2017 Stefan Bach 21
Reichensteuern, Vermögensteuern Größeres Aufkommenspotential von Reichensteuern Aber: Widerstand Wirtschaft gegen Substanzsteuern, geringe Mobilisierungswirkung in Mittelschichten, Steuerwettbewerb, längerfristige Wirkungen unsicher Ausgewogener Mix aus moderaten Reichensteuer -Erhöhungen Anhebung Einkommensteuer-Spitzensatz in Richtung 49 % Dualisierung der Einkommensteuer reduzieren Abgeltungsteuer anheben/aufheben, Unternehmensbesteuerung erhöhen Abbau Steuervergünstigungen Erbschaftsteuer: Abbau Firmenprivilegien und anderer Vergünstigungen Aufkommenspotential: 15 Milliarden Euro (0,5 % BIP) jährlich Vermögensteuer heikel, ggf. Kombination von Vermögens-/Einkommensbesteuerung Ersatz für Einkommensteuer: Box 3 Kapitaleinkünfte, Niederlande Ergänzung für Superreiche (Piketty, Saez & Zucman, 2013) Mindeststeuer bei Einkommensteuer (Jarass & Obermair 2003) Preußische Ergänzungsteuer von 1893 back to the roots! 13.01.2017 Stefan Bach 22
Was bleibt Die hohe Kunst der Vermögensbesteuerung besteht darin, es zu machen, ohne es zu tun. Stefan Bach, Zeit Online, 17.3.2015. Das Grundsatzprogramm der SPD lautet seit Friedrich Ebert: Wie machen wir es, ohne es tun zu müssen? Richard Rogler, Spiegel Online, 2001. 13.01.2017 Stefan Bach 23
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! sbach@diw.de http://www.diw.de 13.01.2017 Stefan Bach 24