BVerfG, Urteil vom 30. März 2004, BVerfGE 110, 226 Verteidigerhonorar Sachverhalt: Karl betreibt als gewerbsmäßiger Betrüger ein verbotenes sog. Schneeballsystem, mit welchem er erhebliche Einnahmen erzielt. Nachdem die Sache auffliegt, ist mit einer baldigen Anklage und mit einer hohen Strafe zu rechnen. Um eine möglichst gute Verteidigung zu erhalten und seine Chancen im Prozess zu verbessern, beauftragt Karl den Strafverteidiger Victor und erteilt ihm das entsprechende Mandat. Hierauf erhält Victor von Karl 100.000 in bar als Honorarvorschuss. Victor nimmt dieses Geld an, obwohl er sicher weiß, dass das Geld aus den Betrugstaten des Karl herrührt, da Karl keine weiteren Einkommensquellen und auch sonst kein Vermögen hat. Thema: Geldwäsche, 261 StGB Materialien: Arbeitsblatt BT Nr. 40 Anmerkungen: Barton, JuS 2004, 1033 (Entscheidungsbesprechung); Ranft, JURA 2004, 759 (Entscheidungsbesprechung); von Galen, NJW 2004, 3304 (Entscheidungsbesprechung); Wohlers, JZ 2004, 678 (Anmerkung); Matt, JR 2004, 321 (Entscheidungsbesprechung)
Lösungsübersicht: Strafbarkeit des Viktor gem. 261 StGB I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand a) Rechtswidrige Vortat gem. 261 I 2 Nr. 1-5 StGB (+) b) Täter: Allgemeindelikt (+) c) Tatobjekt: Bargeld 100.000 (+) d) Herrühren (+) Geld entstammt unmittelbar aus Betrug e) Tathandlungen aa) Gem. 261 I StGB - Verbergen ( ) - Herkunft verschleiern ( ) - Auffindung etc. vereiteln ( ) - Auffindung etc. gefährden ( ) bb) Gem. 261 II StGB - Sich oder einem anderen verschaffen (Nr. 1) (+) - Verwahren (Nr. 2) ( ) - Für sich oder einen and. verwenden (Nr. 2) ( ) f) Einschränkung gem. 261 VI StGB ( ) g) Teleologische Tatbestandsreduktion (BVerfG) 261 II Nr. 1 StGB ist mit dem Grundgesetz vereinbar, soweit der Strafverteidiger nur dann mit Strafe bedroht wird, wenn er im Zeitpunkt der Annahme des Honorars sichere Kenntnis von dessen illegaler Herkunft hat. Strafverfolgungsbehörden und Gerichte sind bei der Anwendung des 261 II Nr. 1 StGB verpflichtet, auf die besondere Stellung des Strafverteidigers schon ab dem Ermittlungsverfahren angemessen Rücksicht zu nehmen. 2. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz (+) II. Rechtswidrigkeit (+) III. Schuld (+)
Lösungsvorschlag: A. Strafbarkeit Viktors gemäß 261 StGB Indem Viktor von Karl die 100.000 als Verteidigerhonorar annahm, könnte er sich wegen einer Geldwäsche nach 261 StGB strafbar gemacht haben. I. Tatbestand Dafür müsste der Tatbestand des 261 StGB erfüllt sein. 1. Objektiver Tatbestand a) Rechtswidrige Vortat Zunächst müsste eine rechtswidrige Vortat nach 261 I 2 Nr. 1-5 StGB vorgelegen haben. Eine solche kann jedes Verbrechen oder in Abs. 1 S. 2 genannte Vergehen sein. Vorliegend erlangte Karl das Geld aus seinen Betrugstaten ( 263 StGB) und damit aus tauglichen Vortaten i.s.d. 261 I 2 Nr. 4a StGB. b) Tatobjekt Taugliches Tatobjekt ist jeder Gegenstand, der aus einer bestimmten Vortat herrührt, insbesondere jeder Vermögenswert, d.h. bewegliche wie unbewegliche Sachen, Rechte, Bar- und Buchgeld, Wertpapiere und Forderungen. Das von Karl an Victor übergebene Bargeld in Höhe von 100.000 ist unproblematisch als Gegenstand der Geldwäsche anzuerkennen. c) Herrühren Der Begriff des Herrührens ist zwar umstritten. Karl jedoch hat das Bargeld hier unmittelbar aus den Betrugstaten erlangt, sodass selbiges auch aus der rechtswidrigen Vortat herrührt.
d) Tathandlungen: aa) Gem. 261 I StGB Die Tatbestandsalternativen des 261 I StGB kommen vorliegend nicht in Betracht, denn Viktor nahm das Geld lediglich als Honorar entgegen. bb) Gem. 261 II StGB Jedoch könnte Viktor nach 261 II Nr. 1 StGB den Gegenstand sich oder einem anderen verschafft haben. Indem er das Geld an sich nahm, erfüllte er dieses Tatbestandmerkmal. e) Einschränkung gem. 261 VI StGB Jedoch könnte die Einschränkung nach 261 IV StGB den Tatbestand entfallen lassen. Dies ist der Fall, wenn ein Dritter den bemakelten Gegenstand erlangt hat, ohne eine Straftat zu begehen. Vorliegend greift die Einschränkung des 261 VI StGB jedoch nicht, da Victor das Geld direkt von Karl erhalten hat. f) Teleologische Tatbestandsreduktion Es könnte aber eine teleologische Reduktion des Tatbestands bei Involvierung von Strafverteidigern geboten sein. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass Strafverteidiger ebenso wenig als mögliche Täter, wie Strafverteidigerhonorare als mögliche Gegenstände der Geldwäsche vom Tatbestand des 261 I StGB ausgenommen sind. Denn der Gesetzgeber wollte mit dem Verbot der Tathandlungen in 261 II StGB den inkriminierten Gegenstand praktisch verkehrsunfähig machen und dadurch den Vortäter gegenüber seiner Umwelt isolieren. Für eine Reduktion im Falle von Strafverteidigern spricht jedoch, dass diesem Ziel das Recht des Beschuldigten entgegensteht, sich frei bis zu drei Verteidiger zu wählen, die gegen Entgelt für ihn im Verfahren tätig werden ( 137 I StPO). Zudem besteht ein Konflikt mit Art. 12 I GG, da die freie Berufsausübung des Strafverteidigers durch 261 II Nr. 1 StGB tangiert wird.
Eine solche Reduktion ist jedoch nicht vollkommen undifferenziert geboten. Demnach vertritt eine Ansicht, dass 261 II Nr. 1 StGB nur dann mit dem Grundgesetz vereinbar ist, wenn der Strafverteidiger nur mit Strafe bedroht wird, wenn er im Zeitpunkt der Annahme des Honorars sichere Kenntnis von dessen illegaler Herkunft hatte. Viktor, der in der Tat positiv von der Herkunft des Geldes wusste, erfüllt demnach den Tatbestand. Für diese Ansicht spricht, dass das Recht des Beschuldigten, sich im Strafverfahren von einem Anwalt seiner Wahl und seines Vertrauens verteidigen zu lassen, durch Art. 2 I GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes verfassungsrechtlich verbürgt ist und seine einfach gesetzliche Ausformung in 137 I StPO findet. Nicht mit Art. 12 I GG vereinbar wäre es, wenn der Verteidiger sein Mandat bereits dann niederlegen müsste, wenn er den Eindruck gewinnt, dass das Honorar aus zweifelhafter Quelle stammen könnte. Dies hätte zudem nach außen eine fatale Signalwirkung mit belastender Tendenz für den Mandanten. Zudem läge ein Verstoß gegen das strafverfahrensrechtliche Prinzip der Waffengleichheit vor. Die Strafverfolgungsorgane könnten Strafverteidiger mit Verfolgungsmaßnahmen auf der Grundlage eines Geldwäscheverdachts unter Druck setzen. Aus wirtschaftlichen Gründen würde der Verteidiger, um sich seine Gutgläubigkeit zu erhalten, Gespräche mit seinem Mandanten über die Herkunft des Geldes und damit eventuell auch über den Tatvorwurf vermeiden und auch auf andere Aufklärungsmaßnahmen verzichten, was einer effektiven Verteidigung eklatant entgegen stünde. Auch bestünde stets die Gefahr der Einleitung eines Strafverfahrens mit Zwangsmaßnahmen, wie Durchsuchung und Beschlagnahme, gegen den Verteidiger. Der Verdacht könnte bereits aus dem objektiven Umstand abgeleitet werden, dass der Verteidiger ein Honorar von einem Mandanten entgegengenommen hat, der einer der Katalogtaten des Geldwäschetatbestandes beschuldigt wird. Aufgrund des Wissens von Viktor kann daher hier auch nach der vorgeschlagenen Tatbestandsreduktion der objektive Tatbestand der Geldwäsche nach 261 II Nr. 1 StGB nicht entfallen.
Der objektive Tatbestand des 261 StGB ist demnach erfüllt. 2. Subjektiver Tatbestand Viktor hatte sichere Kenntnis von der Herkunft des Geldes und handelte somit vorsätzlich. 3. Rechtswidrigkeit und Schuld Zudem handelte Viktor rechtswidrig und schuldhaft. 4. Ergebnis Victor hat sich durch die Annahme der 100.000 von Karl wegen einer Geldwäsche gemäß 261 I, II Nr. 1 StGB strafbar gemacht, da er zum Zeitpunkt der Annahme des Geldes bereits sichere Kenntnis von dessen Herkunft hatte.