Reale Zins- und BIP-Wachstumsniveaus in Deutschland 1990-2000 1980-1989



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Regiogeld in Kürze Hrsg. Christian Gelleri Warum Geld altern muss Dipl.-Kaufmann Ralf Becker In Deutschland suchen immer größere z.b. von 1990 bis 2000 verdoppelte Vermögen nach Anlagemöglichkeiten, sprich entsprechende Kreditnachfrage 1. Verdoppelte Vermögen bedeuten nichts anderes als verdoppelte Ansprüche auf zukünftigen Konsum von zukünftig produzierten Gütern und Dienstleistungen. Seit über 30 Jahren liegt in Deutschland wie in vielen anderen führenden Industrienationen das langfristige Zinsniveau über dem durchschnittlichen Wachstumsniveau der produzierten Güter und Dienstleistungen 2. D.h. seit 30 Jahren wachsen die Ansprüche auf Konsum stärker als die Konsum-Möglichkeiten 3. Reale Zins- und BIP-Wachstumsniveaus in Deutschland 6 5 % 4 3 2 1 BIP-Wachstum Zinsniveau 0 1960-1969 1970-1979 1980-1989 1990-2000 Während sich die Ansprüche auf zukünftigen Konsum von 1990 bis 2000 in Deutschland verdoppelten, nahm die Produktion unserer Wirtschaft im gleichen Zeitraum nur um 1/3 zu, d.h. das Wachstum der Gesamtwirtschaft hätte drei mal so hoch sein müssen, um langfristig allen Vermögenden die Einlösung ihrer wachsenden Konsumansprüche zu ermöglichen. 1 Deutsche Bundesbank, Ergebnisse der gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsrechnung für Deutschland 1991-2001, S. 25, Geldvermögen Nichtfinanzielle Sektoren 2 von Hagen, Jürgen; Hofmann, Boris: Ursachen und Auswirkungen eines langfristigen Realzinsniveaus oberhalb der realen Wachstumsraten des Bruttoinlandsproduktes (BIP) - Gutachten für die Enquete-Kommission Globalisierung der Weltwirtschaft, Zentrum für Europäische Integrationsforschung, Bonn 2002, S. 16 f.; die Realzinsen sind auf Basis geschätzter Inflationserwartungen berechnet 3 Die Wachstumsrate unserer Gesamtwirtschaft wird zukünftig in jedem Fall aufgrund mathematischer Zwänge weiter sinken: Das durchschnittliche Wirtschaftswachstum in Deutschland hat sich seit dem 2. Weltkrieg in absoluten inflationsbereinigten Zahlen fast nicht verändert: In jedem Jahrzehnt nahm unsere Wirtschaftsleistung inflationsbereinigt um ca. 250 Mrd. Euro zu bis auf den heutigen Tag. Doch wegen der seit den 50er Jahren erzielten Zuwächse (von 1960 bis heute + 238 %) und der inflationsbedingten Aufblähung aller Werte (von 1960 bis heute +870 %) ergibt sich ein heute viel höheres Grundniveau (im Jahr 2000 das 13-fache Grundniveau von 1960), von dem aus ein absolut gleichbleibendes Wirtschafts-Wohlstandswachstum in relativen Zahlen sehr gering erscheint. Ein 10%iges Wachstum 1960 entspricht somit heute einem Wachstum von 0,75 %.

Inflationsbereinigt müßte die Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts als Wertmaßstab für das Wachstum der produzierten Güter und Dienstleistungen gar vier mal höher sein als es ist, um eine Inflation der Vermögenswerte zu verhindern. Im Klartext haben wir es also seit geraumer Zeit mit einer enormen Inflation der Vermögenswerte im DM-, Dollar- und Eurobereich zu tun. Langfristig muss dies zu einem Zusammenbruch des bestehenden Finanzsystems führen, wie es unser derzeitiges Geldsystem in seiner herkömmlichen Architektur alle 50-60 Jahre erlebt hat. Immer wieder vergessen die Menschen nach größeren Zusammenbrüchen des Finanzsystems diese Erfahrung, die nach einem Bericht der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste aus dem Jahr 2003 in den meisten Teilen der Welt nach wie vor sehr aktuell ist 4. Demnach bewirkt unser derzeitiges Finanzsystem regelmäßig und zunehmend Instabilitäten, fördert ungerichteten Wachstumszwang, Kurzfristorientierung und insbesondere diskrepante Wohlstandsverteilung. Unser Geld- und Zinssystem ist das am meisten vernachlässigtes Instrument der Nachhaltigkeitsdebatte. Zins Preis für nachhaltige Vermögenstransformation Herkömmlich wird der Zins in unserem Wirtschaftssystem auch als Preis für Konsumverzicht bezeichnet. In dieser Sichtweise verzichten Konsumenten auf aktuellen Konsum, Kreditnehmer zahlen für das zur Verfügung gestellte Kapital einen Preis, der über den etwa 2%-igen Kreditvermittlungs- und Risikokosten liegt. Bei mittlerweile jedoch weitgehend gesättigten Märkten in den Industrieländern sind hohe Zinsen als Kreditpreise von den Unternehmen immer weniger bezahlbar. Selbst die mit hohem Druck betriebene Globalisierung der Finanzmärkte kann heute und in Zukunft keine wachsenden Kreditmärkte in der bisherigen Form gewährleisten und führt über das Zinssystem zu vielerlei Ungerechtigkeiten, wie sie z.b. Andreas Eschbach in seinem Roman Eine Billion Dollar spannend und zutreffend beschreibt 5. Neben dem Guthabenzins als Preis für Konsumverzicht besteht jedoch eine wesentliche Motivation zum Sparen auch im Bedürfnis des Vermögenden, einen (Groß-)Teil seines Vermögens nicht sofort ausgeben zu müssen. Der Vermögende hat ein Interesse daran, sein Geldvermögen erst zu einem späteren Zeitpunkt in der Zukunft wieder gegen Waren und Dienstleistungen auszutauschen. Dieses Interesse der Vermögenden kann volkswirtschaftlich betrachtet nicht schon dadurch gewährleistet werden, dass die Vermögenden ihr Vermögen in Bargeldbeständen halten. Dies würde zu allgemeiner Inflation führen. Vermögen kann nachhaltig nur über langfristige Investitionen in reale Werte in die Zukunft transportiert werden, nicht durch Spekulation und durch kurzfristige Geldanlagen. In den letzten Jahren zeigten die weltweiten Finanz- und Kreditmärkte bereits deutliche Sättigungstendenzen (Asienkrise, Zahlungseinstellung durch Argentinien etc.) 6. Die dadurch verursachte Senkung des Zinsniveaus für langfristige Anlagen führt Deutschland zunehmend in die Liquiditätsfalle: Immer größere Geldvermögen wer- 4 Brunnhuber, Stefan, Klimenta, Harald: Wie wir wirtschaften werden Szenarien und Gestaltungsmöglichkeiten für zukunftsfähige Finanzmärkte, ueberreuter, Frankfurt/Wien 2003 5 Eschbach, Andreas: Eine Billion Dollar, Lübbe, 2001, 736 S. 6 Das vielleicht augenfälligste Hinweis hierfür liegt in der Zurücknahme der staatlich vorgeschriebenen Mindestverzinsungen derversicherungen von 4 % (1999) auf 2,4 % ab 2004.

den in Form von Bargeld, Sichteinlagen oder kurzfristigen Anlagen gehalten und nicht mehr langfristig angelegt. Gleichzeitig wird mit dem Geld mehr spekuliert. Die zunehmend zu beobachtende Fristentransformation führt zu einem hohen Risiko für das gesamte Finanzsystem bis hin zu drohenden Zusammenbrüchen 7. Wir sollten uns daran gewöhnen, Unternehmer zunehmend als geborene und berufene Wertebewahrer zu schätzen. Dank der Risikobereitschaft der Unternehmer ist es möglich, derzeitige Vermögen über Investitionen in die Zukunft zu transferieren. Theoretisch ist es möglich, dass wir in Zukunft für diese Leistung den Unternehmern einen Preis zahlen müssen, anstatt von ihnen einen Preis verlangen zu können. Die Umkehrung des Kreditmarkts von einem Verkäufer- hin zu einem Käufermarkt bedeutet, dass wir für die Vermögens-Transformations-Leistung der Unternehmer zukünftig immer weniger Zinsen verlangen können. Langfristig wird es immer schwieriger, bei zunehmend gesättigten Märkten überhaupt genügend Unternehmer finden, die unsere Vermögen erhalten und in die Zukunft transferieren. Bei zunehmendem Kapital und Wohlstand dürfte der langfristige Gleichgewichts-Kreditpreis der marktwirtschaftlichen Lehre entsprechend gegen Null tendieren. Zukünftig dürfte also der Zins zunehmend zum Preis für nachhaltige Vermögens-Transformation werden, der den Zins als Preis für Konsumverzicht ergänzen und tendenziell gegen Null sinken lassen wird. Für eine solche marktwirtschaftlich sinnvolle und nachhaltige Entwicklung ist jedoch die Überwindung der heutigen Liquiditätsfalle vonnöten. Ähnlich der international diskutierten Tobin-Steuer auf kurzfristige Devisenanlagen kann die Einführung einer Liquiditätsabgabe für kurzfristige Geldbestände den ansonsten normalen Prozess hin zu einem Gleichgewichtszinsniveau um Null fördern. Damit sich langfristig auf den weltweiten Vermögens- und Kreditmärkten ein Gleichgewichts-Zinsniveau von Null einpendelt, kann der bisherige Positiv-Zinsanreiz für langfristiges Sparen durch einen Negativ-Zinsanreiz auf kurzfristiges Sparen ergänzt werden 8. Durch eine z.b. fünfprozentige Gebühr auf Bar- und Giralgeldbestände kann sich die bisherige Zinstreppe in Zukunft nach unten, d.h. auf ein nachhaltiges Gleichgewichtszinsniveau bis um Null, verschieben: % + 7 E Zinstreppe heute - + 6 D ohne Liquiditätsabgabe + 5 (Guthabenzins) + 4 C + 3 B + 2 A E + 1 D 0-1 C Zinstreppe mit - 2 Liquiditätsabgabe B - 3 (bei Marktsättigung) A - 4-5 7-6 Die Zahl von Bank- und Währungszusammenbrüchen hat international erheblich zugenommen und zuletzt in - 7 vielen asiatischen A = Bargeld Ländern / B = Sichtguthaben innerhalb kürzester / C = kurzfristige, Zeit eine Verdoppelung D = mittelfristige, der Armutsraten E = langfristige verursacht Einlagen siehe Brunnhuber, Stefan, Klimenta, Harald: Wie wir wirtschaften werden Szenarien und Gestaltungsmöglichkeiten für zukunftsfähige Finanzmärkte, ueberreuter, Frankfurt/Wien 2003, S. 42 8 siehe auch Becker,Ralf: Nachhaltige Entwicklung braucht Geldmarktreform, in: Zeitschrift für Sozialökonomie Nr. 137/2003, S. 38-43

Damit würde das bisher ins Unendliche wachsende Geld ähnlich anderen Gütern der Erde auf natur- und menschenverträgliche Weise (und nicht durch regelmäßige Katastrophen) altern und seiner künstlichen gottähnlichen Sphäre enthoben. So es nicht entweder durch Konsumkäufe oder durch langfristiges Sparen volkswirtschaftlich sinnvoll genutzt würde, würde es jährlich einige Prozent an Wert verlieren und insofern geerdet. Alterndes Regiogeld Regiogelder fokussieren neben ihrer regionalen Funktion auf den Zins als Nachhaltigkeitsinstrument mit der größten Hebelwirkung. Entweder direkt durch die Vergabe zinsloser Dispositionskredite oder indirekt durch die Einführung einer Liquiditätsabgabe ermöglichen Regiogelder funktionierende Finanzmärkte auch bei den allgemeinen Wachstumsraten angepassten Habenzinsen, deren Niveau bis auf 0 % fallen kann. Beim Euro gewährleisten derzeit entweder eine hohe Inflation oder Haben-Zinssätze von weit über 0 % den Geldumlauf, d.h. es kommt in jedem Fall zu einer steigenden Inflation der Vermögenswerte, d.h. zu einer Instabilität angesparter Rentenguthaben sowie der Finanzmärkte und der Wirtschaft insgesamt. Regiogelder garantieren einen reibungslosen Geldumlauf durch ihre regionale Beschränkung und durch die Einführung von Liquditätsabgaben, die häufig auch Umlaufimpulse genannt werden. Somit ermöglichen Regiogelder zumindest langfristig beim Aufbau entsprechend zinsgünstiger Spar- und Kreditkreisläufe eine nachhaltige Zukunftssicherung, die im Gegensatz zum Euro nicht auf die nur scheinbare Sicherheit abstrakter Geldanlagen aufbaut, sondern auf überschaubaren Finanzanlagen auf der Grundlage einer nachhaltigen Finanzsystemarchitektur basiert. Eine umwelt- und sozialverträgliche Notwendigkeit Besonders augenfällig erscheint der Einfluss des Zinsniveaus auch auf Umweltinvestitionen. Wie alle Investitionen müssen sich Investitionen für die Umwelt weltweit im Vergleich mit dem Zinsniveau rechnen. 9 Je langfristiger die Investition, desto größer ist der Einfluss des Zinsniveaus auf die Realisierbarkeit der Investition. So kostet eine kreditfinanzierte, sich in 50 Jahren amortisierende Klima-Investition bei einem Zinsniveau von 5 % in den 50 Jahren das 10-fache der Investitionssumme an Zinsen zusätzlich zur Rückzahlung. Die gleiche Investition kostet bei einem Zinsniveau von 2 % nur das 1,7-fache an Zinsen plus Rückzahlung. Bei einem Zinsniveau von 0 % schließlich wird nur noch die Rückzahlung fällig. Derzeit unterbleiben wegen dieses Effekts z.b. in der Mehrzahl der deutschen Kommunen sogar Umweltinvestitionen, die sich schon innerhalb von drei bis vier Jahren amortisieren würden. 10 D.h. die Ermöglichung zinsgünstigerer Kredite hat auch umweltpolitisch eine hohe Bedeutung. 9 Bei fremdfinanzierten Projekten fließt der Kredit-Zinssatz direkt als Kosten in das Projekt ein, bei eigenfinanzierten Projekten beeinflusst der Guthaben-Zinssatz die Entscheidung für oder gegen die Realisierung in Form von Opportunitätskosten. 10 Die Kämmerer können sich aufgrund der angespannten Finanzlage selbst dann Zinszahlungen für zwei bis drei Jahre nicht mehr leisten, wenn diese ungleich höhere Einsparungen bzw. Mehreinnahmen in den Folgejahren zeitigen würden bei einem Zinsniveau gegen Null würden dagegen viele dieser Umweltinvestitionen ausgeführt und nach drei bis vier Jahren das Budget der Kommunen sowie die Umwelt sofort - entlasten.

Eine Absenkung des Kredit-Zinsniveaus von 5 bis 7 % auf 2 % würde auch eine enorme Investitionstätigkeit in der gesamten Wirtschaft auslösen. Das dadurch ermöglichte Wachstum - das natürlich ökologisch verträglich gesteuert werden sollte würde sowohl das Problem der zunehmenden Arbeitslosigkeit wie auch die derzeitigen Finanzprobleme der Kommunen, Länder, des Bundes und der Sozialversicherungen auf lange Zeit hin entscheidend mildern. Zumindest für eine längere Übergangszeit könnte dann in der Gesellschaft über andere grundlegende Reformen beraten werden, die aufgrund der weiter wachsenden Produktivität mittel- bis langfristig unausweichlich sind im Übergang von der bisherigen Arbeits- zur künftigen Tätigkeitsgesellschaft 11. Die Zinsen werden auch zu einem immer größeren Kostenfaktor für die Unternehmen. Insgesamt werden ca. ein Drittel der Zinsausgaben in Deutschland über den Staat und zwei Drittel über Wirtschaftsunternehmen finanziert 12. Da die Zinslasten im Durchschnitt stetig schneller wachsen als die Umsätze, wird das hohe Zinsniveau zunehmend zu einer wichtigen Ursache für Personalkosteneinsparungen und Entlassungen. Zum anderen ist ein fallendes Zinsniveau auch aus sozialpolitischer Perspektive her notwendig: Über die steigende Zinslast der Volkswirtschaft kommt es in Deutschland und weltweit zu jährlich steigenden Umverteilungen von 80 % der ärmeren Bevölkerung hin zu 10 % der reichen Bevölkerung. Diese durch den Zinsmechanismus bedingte Umverteilung wird statistisch vernachlässigt und nicht klar ausgewiesen. So ist bisher weitgehend unbekannt, dass in der von der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung des Statistischen Bundesamtes (VGR) ausgewiesenen Größe Unternehmens- und Vermögenseinkommen regelmäßig die Zinseinkommen nicht enthalten sind. Nach der Logik der VGR saldieren sich innerhalb dieser statistischen Größe die rein innerdeutschen Zinszahlungen zu Null. Neben den Einkommen aus Unternehmenstätigkeit sind daher in den jährlich veröffentlichten Unternehmens- und Vermögenseinkommen nur die relativ unbedeutenden - Zinssalden mit dem Ausland enthalten 13. Berechnungen auf der Grundlage der Verteilung der Vermögen und Einkommen auf zehn deutsche Haushaltsgruppen ergeben für das Jahr 2000 Netto-Umverteilungen über das Zinssystem in Höhe von 135 Mrd. Euro von 80 % der ärmeren Bevölkerung hin zu 20 % der reichen Bevölkerung 14. In ebensolcher Höhe werden jährliche Zins- 11 Nach Berechnungen der IG Metall können in 20 Jahren weltweit 20 % der heutigen Arbeitskräfte die heutige Wirtschaftsleistung produzieren, d.h. deren Verteilung und Nutzung zur Finanzierung erzieherischer und gemeinnütziger Aufgaben wird völlig neue Verteilungsmechanismen und Arbeits-Definitionen erfordern. Siehe auch: Sikora, Joachim: Vision einer Tätigkeitsgesellschaft, 2. Auflage, Katholisch-Soziales Institut der Erzdiözese Köln, Bad Honnef, 2002 12 Deutsche Bundesbank, Ergebnisse der gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsrechnung für Deutschland 1991-2001, S. 25, Verbindlichkeiten 13 siehe Jahresgutachten 2002/03 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, BT-Drucksache 15/100, S. 423 14 Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Sept. 2003, Die Ertragslage der deutschen Kreditinstitute, Zinserträge der Kreditinstitute insgesamt, S. 18; Institut der deutschen Wirtschaft Köln, Deutschland in Zahlen 2003, 6.11 Spar- und Anlageverhalten privater Haushalte; ebenda, 2.10 Bruttoanlagevermögen; SOEP 1998: Deutscher Bundestag: Drucksache 14/4792, Personelle Einkommens- und Vermögensverteilung eine Aktualisierung, Tabelle 65, S. 264; EVS 1998: Statistisches Bundesamt: Wirtschaft und Statistik 2/2001, Die Verteilung des Bruttogeldvermögens nach Dezilen, S. 132 f.; - Dieser Berechnung ist die Erkenntnis zugrunde gelegt, dass Zinszahlungen letztlich vom Staat und den Unternehmen über Steuern und Produktpreise auf alle Haushalte im Verhältnis zu ihren Ein- und Ausgaben umgelegt werden. Die sich rechnerisch ergebenden 53 % Zinslasten in den jeweiligen Haushaltsausgaben werden dann den auf der unterschiedlichen Vermögensverteilung basierenden Zinseinnahmen der jeweiligen Haushaltsgruppe ge-

zahlungen von 80 % der ärmeren Bevölkerung aus Entwicklungsländern an 20 % der reicheren Bevölkerung in den Industrieländern geleistet 15. Zinslasten und Zinserträge nach Haushaltsdezilen in Deutschland 2001 250 200 Mrd. Euro 150 100 50 Zinsertrag Zinslast 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Haushaltsdezile In dieser Statistik sind die 230.000 reichsten Haushalte Deutschlands noch nicht berücksichtigt 16, was Netto-Umverteilungen über das Zinssystem in Höhe von inzwischen 200 Mrd. Euro jährlich plausibel erscheinen lässt. genübergestellt. Konsumentenkredite spielen in dieser Betrachtung nur eine untergeordnete Rolle. 15 vgl. Weltbank: Global Development Finance 2002, S. 188 ff. Bei jährlich etwa gleich hohen neuen Krediten und Rückzahlungen entspricht der Netto-Transfer der Entwicklungsländer insgesamt an die Industrieländer recht genau ihren Zinszahlungen. Der Schuldendienst beansprucht in einigen Entwicklungsländern bis zu 50 % des Staatsbudgets. Die in der öffentlichen Diskussion gegen diese Zahlen gestellten stark gestiegenen privaten Direktinvestitionen der Industrieländer in den Entwicklungsländern kommen fast ausschließlich 12 Schwellenländern und dort tendenziell den Reicheren zugute, während die Zinslasten stets von der öffentlichen Hand und damit in der Regel durch Sozialleistungskürzungen auf Kosten der ärmeren Bevölkerung finanziert werden. 16 vgl. Dt. Bundesregierung: Lebenslagen in Deutschland. Daten und Fakten. Materialband zum ersten Armutsund Reichtumsbericht, Berlin 2001, S. 4 u. 85; SOEP 1998: Deutscher Bundestag: Drucksache 14/4792, Personelle Einkommens- und Vermögensverteilung eine Aktualisierung, Tabelle 65, S. 262 und 265