Dr. Andreas Priebe Mitbestimmung bei Ethik-Richtlinien. Auf einen Blick. April 2009 Copyright Hans-Böckler-Stiftung

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Transkript:

www.boeckler.de April 2009 Copyright Hans-Böckler-Stiftung Dr. Andreas Priebe Mitbestimmung bei Ethik-Richtlinien Ein Arbeitspapier der Hans-Böckler-Stiftung Auf einen Blick Der Betriebsrat hat mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber durch sog. Ethik-Richtlinien ( codes of conduct ) das Verhalten der Beschäftigten und die betriebliche Ordnung regeln will. Kein Mitbestimmungsrecht besteht bei Vorgaben, mit denen lediglich die geschuldete Arbeitsleistung konkretisiert werden soll. Der Mitbestimmung entzogen sind auch die Angelegenheiten, die gesetzlich abschließend geregelt sind. Ausländische Vorschriften, die für börsennotierte Unternehmen die Einführung von Ethik-Richtlinien vorsehen, schließen die Mitbestimmungsrechte nach dem Betriebsverfassungsrecht aber nicht aus. Ethik-Richtlinien können sowohl mitbestimmungspflichtige als auch mitbestimmungsfreie Teile enthalten. Das Mitbestimmungsrecht an einzelnen Regelungen begründet nicht notwendig ein Mitbestimmungsrecht am Gesamtwerk. (Presseerklärung 58/08 des BAG: Beschluss vom 22.07.2008 1 ABR 40/07)

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich in seinem Beschluss vom 22.07.2008 (1 ABR 40/07) mit den Mitbestimmungsrechten der Betriebsräte bei der konzernweiten Einführung von Ethik-Richtlinien beschäftigt. Das vorliegende Arbeitspapier gibt eine kurze Übersicht über die Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). 1. Die Einführung von Ethik-Richtlinien In vielen Unternehmen, insbesondere in solchen, die US-Konzernen angehören, sind in den vergangenen Jahren Ethik-Richtlinien eingeführt worden. Seit der sog. Wal-Mart -Entscheidung des LAG Düsseldorf ist anerkannt, dass Ethik- Richtlinien, die in Unternehmen in Deutschland eingeführt werden sollen, den Mitbestimmungsrechten des Betriebsrates unterliegen. Doch bis zum jüngsten Beschluss des BAG war unklar, wie weit diese Mitbestimmungsrechte gehen: Die Standpunkte reichten von der Meinung, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates an einzelnen Regelungen ein Mitbestimmungsrecht am Gesamtwerk auslöst bis hin zur Auffassung, der Betriebsrat sei grundsätzlich nicht mitbestimmungsberechtigt. Das BAG hat nun klar gestellt, dass Ethik-Richtlinien regelmäßig mitbestimmungspflichtige und mitbestimmungsfreie Regelungen enthalten dass sich die Mitbestimmungsrechte aber nicht notwendiger Weise auf das Gesamtwerk erstrecken und mitbestimmungsfreie Regelungen auch mitbestimmungsfrei bleiben. 2. Gesetzes- und Tarifvertragsvorbehalt Nach 87 Absatz 1 Satz 1 BetrVG hat der Betriebsrat nur dann ein Mitbestimmungsrecht, wenn keine einschlägigen gesetzlichen oder tariflichen Regelungen bzgl. der Inhalte der Ethik-Richtlinien bestehen. 3. Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb mitzubestimmen. 3.1. Meldepflicht Einige Ethik-Richtlinien enthalten eine Meldeverpflichtung an die Beschäftigten: Die Mitarbeiter werden verpflichtet, Verstöße gegen Regelungen der Ethik-Richtlinie an den Arbeitgeber zu melden. Das BAG hat festgestellt, dass solche Meldepflichten der Mitbestimmung des Betriebsrates nach 87 Absatz 1 Nr. 1 BetrVG unterliegen zumindest dann, wenn das Meldeverfahren (teilweise) standardisiert ist. Solche 2

Meldepflichten gehen über regelmäßig mitbestimmungsfreie Schadensmeldepflichten hinaus und betreffen außerdem das Verhalten der Arbeitnehmer untereinander. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Meldepflicht bindend ist oder der Arbeitgeber an die Mitarbeiter appelliert, Verstöße zu melden. Ausreichend für die Auslösung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates ist es, wenn die Meldepflicht darauf gerichtet ist, das Verhalten der Arbeitnehmer zu steuern oder die Ordnung im Betrieb zu regeln. 3.2. Schutz vor sexueller Belästigung Bei Regelungen zum Schutz vor sexueller Belästigung muss unterschieden werden: Verbietet eine Ethik-Richtlinie z.b. unwillkommene sexuelle Zudringlichkeiten oder Körperkontakte, Gesten und Aussagen sexuellen Inhalts, so besteht für den Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht gemäß 87 Absatz 1 Nr. 1 BetrVG. Grund hierfür ist, dass der Arbeitgeber nach den Regelungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ohnehin verpflichtet ist, entsprechende Regelungen zum Schutz der Arbeitnehmer zu treffen. Demgegenüber hat der Betriebsrat Mitbestimmungsrechte, wenn eine Ethik- Richtlinie z.b. das Zeigen und Verbreiten von Bildern, Karikaturen oder Witzen sexueller Natur verbietet: Das AGG verbietet zwar auch das unerwünschte Zeigen und sichtbare Anbringen von pornographischen Darstellungen jedoch geht die genannte Formulierung über die Regelungen des AGG hinaus. Gibt eine Vorschrift also nur eine gesetzliche Regelung wieder oder setzt sie eine gesetzliche Pflicht des Arbeitgebers um, so bestehen keine Mitbestimmungsrechte. Geht aber eine Regelung über die gesetzlichen Vorgaben hinaus und bestehen deshalb Gestaltungsspielräume, so bestehen soweit das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer betroffen ist Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats. 3.3. Vermeidung von Interessenkonflikten Das BAG hatte noch eine Regelung zu beurteilen, wonach Arbeitnehmer alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen haben, um ungebührliche Vorgesetztenverhältnisse zu vermeiden und Personen, mit denen wir familiäre oder enge persönliche Verbindungen haben, nicht direkt oder indirekt über- oder untergeordnet zu sein. Von der Frage abgesehen, ob eine solche Regelung wegen eines Verstoßes gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht generell unzulässig und deshalb nichtig ist (siehe unten), besteht hier auf jeden Fall ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, weil das betriebliche Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer geregelt werden soll. 4. Weitere Mitbestimmungsrechte Neben Mitbestimmungsrechten des Betriebsrates aus 87 Absatz 1 Nr. 1 BetrVG kommen auch weitere Mitbestimmungsregelungen in Zusammenhang mit der Einführung von Ethik-Richtlinien in Betracht. 3

4.1. Datenschutz und Schutz der Privatsphäre ( 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG) Nach 87 Absatz 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat auch Mitbestimmungsrechte hinsichtlich der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen. Dies sind vor allem - aber nicht nur - EDV gestützte Anlagen, mit deren Hilfe die Emails der Mitarbeiter kontrolliert oder deren Telefonverhalten überwacht werden soll oder kann. Auch der Einsatz von Überwachungsanlagen wie Videokameras fällt darunter. 4.2. Auswahlrichtlinien ( 95 BetrVG) Einige Unternehmen sind dazu übergegangen, von Bewerbern einen Drogentest als Bestandteil des Einstellungsprozesses zu verlangen und verankern diese Regelung teilweise in ihren Ethik-Richtlinien. Hierbei handelt es sich um Auswahlrichtlinien gemäß 95 Absatz 1 Satz 1 BetrVG, die der Mitbestimmung des Betriebsrates unterliegen. Soweit der Arbeitgeber die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates missachtet, kann der Betriebsrat gemäß 23 Absatz 3 BetrVG arbeitsgerichtlich gegen den Arbeitgeber vorgehen. 4.3. Personalfragebogen, Beurteilungsgrundsätze ( 94 BetrVG) Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates sind auch für diejenigen Fälle denkbar, in denen der Arbeitgeber mit Personalfragebögen in standardisierter Form beispielsweise den Wertpapierbesitz seiner Beschäftigten abfragt. 4.4. Grundsätze für die Behandlung von Betriebsangehörigen ( 75 BetrVG); Missachtung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Nach 75 Absatz 2 BetrVG sind Arbeitgeber und Betriebsrat verpflichtet, die freie Entfaltung der Persönlichkeit der Beschäftigten zu schützen und zu fördern. In diesem Zusammenhang sind insbesondere Regeln problematisch, die das außerbetriebliche Verhalten der Beschäftigten regeln (z.b. das sog. Flirt-Verbot ). Derartige Vorschriften sind nur in absoluten Ausnahmefällen zulässig. Nach der gängigen Rechtsprechung des BAG legitimiert auch das Mitbestimmungsrecht nach 87 Absatz 1 Nr. 1 BetrVG weder Arbeitgeber noch Betriebsrat, in die private Lebensführung der Beschäftigten einzugreifen. Das gilt erst recht für einseitig durch den Arbeitgeber eingeführte Vorschriften. 75 BetrVG verbietet es dem Betriebsrat, sich am Abschluss solcher rechtswidrigen Regelungen zu beteiligen er darf auch solche Verstöße durch den Arbeitgeber nicht hinnehmen. Da es sich bei 75 BetrVG um eine Verbotsnorm handelt, sind rechtswidrig abgeschlossene Regelungen gemäß 134 BGB nichtig. Unter Umständen können die Beschäftigten sogar Schadensersatz gemäß 823 Absatz 1 BGB vom Arbeitgeber verlangen. 4

5. Verhältnis von mitbestimmungspflichtigen und mitbestimmungsfreien Regelungen Das BAG hat in seinem Beschluss klargestellt, dass Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats an einzelnen Regelungen normalerweise nicht zu Mitbestimmungsrechten am Gesamtwerk führen. Mitbestimmungsfreie Regelungen bleiben regelungsfrei. 6. Keine Einigung; Rechtsfolgen bei unterlassener Mitbestimmung Können sich Arbeitgeber und Betriebsrat über den Umfang und die Inhalte der Mitbestimmungsrechte nicht einigen, entscheidet gemäß 87 Abs. 2 BetrVG die Einigungsstelle ( 76 BetrVG). Die Entscheidung der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Wird der Betriebsrat durch den Arbeitgeber in seinen Mitbestimmungsrechten verletzt, so kann der Betriebsrat unmittelbar aus 87 BetrVG einen allgemeinen Unterlassungsanspruch gegen den Arbeitgeber arbeitsgerichtlich geltend machen er muss nicht den Weg über 23 Abs. 3 BetrVG (Verletzung gesetzlicher Pflichten) gehen. Der Arbeitgeber wird in diesem Fall verpflichtet, mitbestimmungswidrige Maßnahmen bis zum ordnungsgemäßen Abschluss des Mitbestimmungsverfahrens zu unterlassen. Hat der Arbeitgeber mitbestimmungsrelevante Maßnahmen bereits ergriffen, so kann der Betriebsrat einen Beseitigungsanspruch dahingehend geltend machen, dass der Arbeitgeber die Auswirkungen bereits durchgeführter mitbestimmungswidriger Maßnahmen zu beseitigen hat. Ist Eile geboten, so können Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche auch im Wege der einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden. Individualarbeitsrechtlich brauchen Arbeitnehmer mitbestimmungswidrige Regelungen und Anweisungen des Arbeitgebers nicht beachten diese sind unwirksam (sog. Unwirksamkeitstheorie). Der Arbeitgeber darf wegen der Nichtbeachtung keine für den Arbeitnehmer nachteiligen Maßnahmen und Sanktionen wie Abmahnungen oder Kündigungen ergreifen. 7. Betriebsvereinbarungen Die Hans-Böckler-Stiftung hat viele Betriebsvereinbarungen zusammengetragen und systematisch ausgewertet. Unter www.boeckler.de/betriebsvereinbarungen sind zahlreiche Textbausteine als Hilfsmittel für die Formulierung von Betriebsvereinbarungen zu finden; diese stehen jedem Nutzer nach seiner Registrierung kostenlos zur Verfügung. 5