Stellungnahme der ZKBS zur Risikobewertung nicht zugelassener gentechnisch veränderter Petunien

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Transkript:

Az. 45310.0116 Juli 2017 Stellungnahme der ZKBS zur Risikobewertung nicht zugelassener gentechnisch veränderter Petunien Hintergrund In der Sitzung des Regelungsausschusses unter der Richtlinie 2001/18/EG am 26.04.2017 berichtete die finnische Vertreterin über das Auffinden nicht zugelassener, gentechnisch veränderter Petunien in Finnland (Report der Finnish Safety Authority EVIRA, unveröffentlicht; Bashandy und Teeri, 2017). Die Ergebnisse der daraufhin in verschiedenen Bundesländern in Deutschland initiierten Untersuchungen der Überwachungsbehörden der Länder sowie weiterer Beteiligter werden derzeit beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Abteilung Gentechnik, gesammelt. Bei den bislang in gezüchteten sowie gehandelten Petunien in Deutschland nachgewiesenen DNA-Abschnitten handelt es sich um den 35S Promotor (P-35S), den Nopalinsynthase Promotor (P-nos), den 35S Terminator (T- 35S), den Nopalinsynthase Terminator (T-nos), den Octopinsynthase Terminator (T-ocs), das Kanamycinresistenzgen (nptii), das Verbindungselement P-nos-nptII sowie das A1-Gen aus Mais kodierend für eine Dihydroflavonol-4-Reduktase (DFR) bzw. das Flavonoid-3, 5 - hydroxylase-gen aus Petunia x hybrida. Die genannten DNA-Abschnitte wurden ganz oder teilweise nachgewiesen. Die Funde betreffen zwar vor allem orange-blühende, jedoch auch andersfarbige Varietäten. Es gibt darüber hinaus auch orangefarbene Petunien, in denen keiner der DNA-Abschnitte nachgewiesen wurde. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat die Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS) mit Schreiben vom 24. Mai 2017 gebeten, eine Risikobewertung zu den in Deutschland identifizierten, nicht zugelassenen gentechnisch veränderten Petunien vorzunehmen. Nach aktuellem Kenntnisstand ist davon auszugehen, dass die auf dem Markt gefundenen gentechnisch veränderten Petunien auf Transformationsereignisse mit verschiedenen Plasmidkonstrukten zurückgehen und daher wahrscheinlich verschiedene Herkünfte haben. Es wurden genetische Elemente und Gene identifiziert, die mit Elementen und Genen aus ver- 1

schiedenen Plasmiden identisch sind. Die Konstruktion dieser Plasmide ist publiziert. Sie waren zum einen am Max-Planck-Institut (MPI) für Züchtungsforschung in Köln und zum anderen von einer Arbeitsgruppe in Japan entwickelt worden (Meyer et al., 1987, Shimada et al., 1999). Es liegen derzeit aber keine Daten vor, die die Verwendung eines dieser Plasmide bei der Erzeugung der in Deutschland gefundenen Petunien zweifelsfrei belegen. Da genauere molekulargenetische Charakterisierungen der GVO bisher nicht verfügbar sind, kann die ZKBS auf dieser Grundlage nur eine vorläufige Risikobewertung abgeben. Vorläufige Risikobewertung: a) Biologie der Petunie Die Petunie (Petunia x hybrida) wird in Mitteleuropa seit langer Zeit als beliebte Balkonpflanze vermarktet. Sie ist ursprünglich in Südamerika beheimatet (gemäßigte bis subtropische Zone). Es existieren dort etwa 20 Taxa, die zwei Gruppen zugeordnet werden, welche jeweils Gemeinsamkeiten in der Blütenmorphologie aufweisen. Petunien gehören zu den Nachtschattengewächsen (Solanaceae) und sind einjährig. Die seit ca. 1840 in Europa kultivierte Petunie ist vermutlich aus der Kreuzung von Spezies der beiden Taxongruppen hervorgegangen. Eine Verwendung als Lebens- und Futtermittel ist nicht bekannt, doch gibt es Rezepte mit Petunienblüten als Zutat. Gärtnerisch wird die Petunie durch Samen oder Stecklinge vermehrt. Pollen von Petunien werden meist durch Nachtfalter und evtl. durch einige andere Insekten übertragen. Die meisten Petunien sind selbst-kompatibel, aber auch selbstinkompatible Varietäten sind bekannt. b) Ausbreitung und Etablierung Petuniensamen sind nicht winterhart. Trotz einzelner Berichte einer Überdauerung des Winters (Kronenberg und Kowarik, 1989) ist bisher in Mitteleuropa keine dauerhafte Ausbreitung und Etablierung von Petunien in natürlichen Ökosystemen beobachtet worden. In Versuchen zur Erhöhung der Frosttoleranz von Petunien konnten Pennycooke et al. (2003) durch eine Supprimierung der α-galactosidase die Frosttoleranz in gentechnisch veränderten Petunien nur geringfügig von -4 C des Wildtyps auf -6 C bis -8 C erhöhen. Eine substantielle Erhöhung der Frosttoleranz durch unerwartete Effekte der hier zu bewertenden gentechnischen Veränderung wird als unwahrscheinlich erachtet. In Versuchen des MPI für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln konnte gezeigt werden, dass Petuniensamen nach einer Inkubation in feuchtem Medium nach Frost unter -4 C nicht mehr 2

keimfähig sind (MPI Köln, 1996). Petuniensamen gelten daher als empfindlich gegen feuchte Kälte. Aus der Beobachtung dieser Freisetzungsversuche ist weiterhin bekannt, dass nach dem Unterpflügen von verschiedenen Petunien-Varietäten, gentechnisch verändert oder nicht, die Samen spätestens nach dem ersten Frost nicht mehr auskeimen (MPI Köln, 1996). c) Fähigkeit zur Einkreuzung in Wildverwandte Die Petunie besitzt im Gegensatz zu allen weiteren Solanaceen (n=12) einen Chromosomensatz von n=7. Dadurch ist die Petunie mit anderen Mitgliedern dieser Familie in Europa nicht sexuell kompatibel. Eine Pollenübertragung führt nicht zur Einkreuzung in endemische Solanaceen oder Feldfrüchte (COGEM, 2017). d) Bewertung von DNA-Fremdsequenzen 1) Das nptii-gen Das nptii-gen wird oft als Selektionsmarker verwendet. Es kodiert das Enzym Aminoglycosid-3'-Phosphotransferase II (APH(3')II). Das Enzym katalysiert die ATP-abhängige Phosphorylierung bestimmter Aminoglycosid-Antibiotika (Kanamycin, Neomycin, Geneticin), wodurch diese inaktiviert werden. Die dadurch bedingte Antibiotikaresistenz ist in Bodenmikroorganismen weit verbreitet. Kanamycin und Neomycin werden in der Humanmedizin nur noch in begrenztem Ausmaß eingesetzt, sie finden jedoch in der Tiermedizin noch vielfältig Anwendung. Das Enzym besitzt eine hohe Substratspezifität (Nap et al., 1992). Das in der Humanmedizin therapeutisch relevante Gentamicin und sonstige Aminoglycoside und Aminocyclitole gehören nicht zu seinem Substratspektrum (Trieu-Cuot et al., 1987; Davies, 1991; Simon und Stille, 1993). Die Substratspezifität der Aminoglycosid-3'-Phosphotransferase II lässt erwarten, dass in den gentechnisch veränderten Petunien unter Freilandbedingungen keine neuen Stoffwechselprodukte entstehen. Unter Freilandbedingungen verleiht dieses Gen den gentechnisch veränderten Pflanzen keinen Selektionsvorteil, da weder Kanamycin noch Neomycin im Boden in pflanzenschädigenden Konzentrationen vorliegen. Die Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS) hat in ihrer Stellungnahme vom Dezember 2008 Antibiotikaresistenzmarkergene in gentechnisch veränderten Pflanzen in einheitlicher Weise in die Sicherheitsbewertung von gentechnisch veränderten Pflanzen einbezogen. Die ZKBS kam zum Schluss, dass Ereignisse des horizontalen Gentransfers aus gentechnisch veränderten Pflanzen auf andere Organismen, falls sie überhaupt stattfin- 3

den, vernachlässigbar selten gegenüber den natürlichen Prozessen der Übertragung und Neuentstehung von Resistenzgenen und der natürlichen Präsenz der betrachteten Resistenzgene in natürlichen Mikroorganismen-Gesellschaften sind (ZKBS, 2008). Die ZKBS hat in ihrer Stellungnahme weiterhin ausgeführt, dass insbesondere das nptii-gen in Deutschland in Boden- und Enterobakterien bereits weit verbreitet ist. Vor diesem Hintergrund kann davon ausgegangen werden, dass das Vorhandensein des nptii-gens im Genom der gentechnisch veränderten Petunien keine Auswirkung auf die Verbreitung dieses Antibiotika- Resistenzgens in der Umwelt zur Folge hat. Die Bewertung der ZKBS kommt zum gleichen Ergebnis wie die Bewertungen der EFSA aus den Jahren 2004 und 2007. Hiernach sieht die EFSA kein Risiko für Mensch, Tier und Umwelt bei der Verwendung von nptii als Markergen in gentechnisch veränderten Pflanzen. 2) Regulationssequenzen Auch bei einer Übertragung der nachgewiesenen Regulationssequenzen (P-35S, P-nos, T- 35S, T-nos, T-ocs) in andere Organismen würde eine relevante Erhöhung der Gesamtfrequenz der entsprechenden DNA-Abschnitte in der Umwelt nicht eintreten. Diese Regulationssequenzen stammen aus dem Cauliflower mosaic virus (CaMV) und Agrobacterium tumefaciens. CaMV ist ein pflanzeninfizierendes, doppelsträngiges DNA-Virus, das in Pflanzen weit verbreitet ist. Agrobacterium tumefaciens ist ein weit verbreitetes Bodenbakterium. 3) Synthesegene für Blütenfarbstoffe In DNA-Proben der untersuchten Petunien wurden unterschiedliche Synthesegene für Blütenfarbstoffe nachgewiesen, die Teile von rekombinanten Konstrukten waren. Dabei handelte es sich entweder um das A1-Gen aus Zea mays oder um das Flavonoid-3, 5 - hydroxylase-gen aus Petunia x hybrida. 3.1) Das A1-Gen Die ersten Versuche mit gentechnisch veränderten Petunien wurden am Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln durchgeführt. Diese Petunien wurden in Freilandversuchen im Jahre 1987 und in Folgejahren untersucht. Die in Köln freigesetzten Petunien enthielten das Gen A1 aus Zea mays (Meyer et al., 1987). Dieses wurde auch in einigen Varietäten der aufgefundenen, nicht zugelassenen Petunien identifiziert. Aktives Genprodukt des A1-Gens ist eine Dihydroflavonol-4-Reduktase (DFR), die Dihydrokaempferol in Leukopelargonidin umsetzt. Dieses wird weiter umgesetzt und führt aufgrund der Synthese von 4

Pelargonidin zu einer lachsroten Blütenfarbe. In den Kölner Versuchen wurde eine natürliche Petunienmutante (RL01) zur Transformation verwendet, die das Ausgangssubstrat Dihydrokaempferol durch eine Mutation akkumuliert. Die Petunie besitzt auch natürlicherweise das Enzym DFR, dieses kann aber im Gegensatz zum Maisenzym das Substrat Dihydrokaempferol nicht umsetzen. Das eingebrachte Gen aus Mais wurde durch einige der unter 2) bewerteten Steuerelemente reguliert. Die Aktivität des A1-Gens unterlag in diesen Versuchen Schwankungen aufgrund interner (z. B. Alter) und externer Bedingungen (z. B. abiotischer Umweltfaktoren). Die Genaktivität hing vor allem vom Methylierungsgrad des vorgeschalteten 35S-Promotors ab (Meyer et al., 1992). Untersuchungen von Griesbach (1993) zeigten eine Erhöhung der Produktion von Blütenfarbstoffen (Anthocyanen) in den gentechnisch veränderten im Vergleich zu nicht veränderten Petunien sowie eine Verschiebung in den Anteilen der einzelnen Farbstoffkomponenten in Abhängigkeit von Umwelteinflüssen, aber auch von individuellen Eigenschaften der Pflanze. So hing in diesen Untersuchungen die Expressionsrate des eingebrachten Gens vom Insertionsort im Chromosom und vom Methylierungsmuster ab. Risiken für die Umwelt oder die Gesundheit von Menschen oder Tieren sind aus dem Aktivitätsgrad bzw. dem Methylierungsmuster nicht abzuleiten. Die Enzyme und Substrate dieses Stoffwechsels sind in der Natur weit verbreitet und z. B. in Mais vorhanden. Selbst bei einem unbeabsichtigten Verzehr von realistischen Mengen an Dihydroflavonol-4-Reduktase und des entstehenden Blütenfarbstoffs durch Tiere oder Menschen wären keine schädlichen Einwirkungen auf deren Gesundheit zu erwarten. 3.2) Das Flavonoid-3, 5 -hydroxylase-gen Das Gen wurde mittels P-35S- und T-nos-spezifischen Primern in DNA-Proben von untersuchten Petunien amplifiziert. Die Nukleotidsequenz dieses PCR-Produktes ist identisch mit einer mrna kodierend für Flavonoid-3, 5 -hydroxylase aus Petunia x hybrida, welche von einer japanischen Arbeitsgruppe isoliert und in Petunie exprimiert wurde (Shimada et al., 1999). Flavonoid-3, 5 -hydroxylase synthetisiert 3, 5 -hydroxylierte Anthocyanidine, welche die Vorstufen für blaue oder pink-farbene Blütenfarbstoffe sind. Das Enzym gehört zu der Cytochrom-P450-Klasse von Enzymen. In denen bei Shimada et al. (1999) beschriebenen, gentechnisch veränderten Petunien verursachte die gentechnische Veränderung eine Änderung der Anthocyanin-Zusammensetzung und eine Änderung der Blütenfarbe von Rosa zu Magenta (helles Purpur). Weitere phänotypische Veränderungen wurden nicht beschrieben. Das Enzym und seine Substrate stammen aus Petunie. Selbst bei einem unbeabsichtigten Verzehr von realistischen Mengen an Flavonoid-3, 5 -hydroxylase und des entstehenden Blütenfarbstoffs durch Tiere oder Menschen wären keine schädlichen Einwirkungen auf deren Gesundheit zu erwarten. 5

4) Weitere möglicherweise übertragene DNA-Abschnitte Die nachfolgend bewerteten DNA-Abschnitte sind Teile der Transformationsplasmide p35a1 und pb853, welche zur Herstellung von gentechnisch veränderten Petunien am MPI in Köln bzw. in Japan eingesetzt wurden (Meyer et al., 1987, Shimada et al., 1999). Beide Plasmide enthalten jeweils einige der in Deutschland in den gentechnisch veränderten Petunien aufgefundenen DNA-Abschnitte. Ein Nachweis, dass p35a1 oder pb853 zur Transformation dieser Pflanzen Verwendung fanden, liegt jedoch bisher nicht vor. Gleichwohl sollen im Rahmen dieser vorläufigen Risikoeinschätzung auch weitere DNA-Abschnitte der Transformationsplasmide p35a1 und pb853 bewertet werden. Auf dem vom MPI Köln für die Transformation verwendeten Plasmid p35a1 befindet sich auch das für die bakterielle Replikation und Selektion notwendige Fragment aus pbr322. Es enthält einen Replikationsursprung und das Gen für eine Ampicillinresistenz. Auf dem von Shimada et al. verwendeten Plasmid pb853 befindet sich ebenso ein für die bakterielle Replikation und Selektion notwendiges Fragment aus pbi121. Dieses enthält einen Replikationsursprung und das Gen für eine Kanamycinresistenz. Ein in Pflanzen funktionsfähiges Genprodukt wird durch diese Sequenzen nicht kodiert, da die regulatorischen Elemente aus Bakterien stammen. Generell gilt auch für diese Nukleinsäureabschnitte, dass die Wahrscheinlichkeit einer Verbreitung durch Übertragung zwischen Bakterien weitaus größer ist als die Wahrscheinlichkeit einer Verbreitung durch horizontalen Gentransfer von den gentechnisch veränderten Pflanzen auf Mikroorganismen. e) Positionseffekte, Allergenität Durch die Insertion der Fremdgene kann es theoretisch zu Beeinflussungen der Expression oder Regulation pflanzeneigener Gene am bzw. in der Nähe des Insertionsorts kommen, die sich auch auf pflanzliche Stoffwechselwege auswirken. Während des bisherigen Umgangs mit gentechnisch veränderten Petunien in Köln im Gewächshaus und im Freiland wurden jedoch keine Beobachtungen gemacht, die auf ein solches Ereignis hindeuten. Hinzu kommt, dass bewegliche genetische Elemente (transponierbare Elemente), die durch Transposition im Genom Effekte auf am Zielort vorhandene Pflanzengene ausüben können, natürlicherweise in Petunien vorkommen. Damit treten bereits Inaktivierungen von Genen bzw. Änderungen der Regulation von Genen in Zusammenhang mit Punktmutationen, Deletionen oder Translokationen auf. Eine mögliche Beeinflussung pflanzlicher Stoffwechselwege durch posi- 6

tionsbezogene Integrationsereignisse ist daher jederzeit auch in nicht gentechnisch veränderten Pflanzen möglich, so dass keine gentechnikspezifischen Effekte abzuleiten sind. Es ist beim gegenwärtigen Kenntnisstand nicht möglich, allein aus der Aminosäuresequenz eines Proteins ohne weitere Untersuchungen Vorhersagen über eine allergene Wirkung des Proteins zu machen. Pollen von Petunien werden jedoch nur in geringem Umfang durch den Wind verbreitet und spielen als Auslöser von Pollenallergien keine Rolle. f) Entsorgung Gentechnisch veränderte Petunien sind derzeit nicht auf dem europäischen Markt zugelassen. Aufgefundene gentechnisch veränderte Petunien müssen daher vernichtet werden. Dabei ist Sorge zu tragen, dass auch Samen von Petunien sicher abgetötet werden. Petunien sind einjährig, sie sind empfindlich gegen feuchte Kälte und Frost. Eine Abtötung von Pflanzen ist daher möglich, wenn das Pflanzenmaterial einer ausreichenden Frostinaktivierung (z. B. durch Untergraben mit Winterruhe) ausgesetzt ist. Auch durch Kompostieren oder durch die Applikation von Herbiziden können Pflanzen abgetötet werden. Jedoch ist hierbei zu beachten, dass Herbizide oft nicht die Samen der Pflanzen abtöten. Maßnahmen wie Kompostierung führen dann zum Abtöten der Samen, wenn das Pflanzenmaterial über mehrere Tage eine Temperatur von 60 C erreicht. Darüber hinaus eignen sich Methoden der Verbrennung oder des Autoklavierens. Autoklavieren ist jedoch durch die technisch bedingte Mengenbegrenzung nicht universell einsetzbar. Zusammenfassung Die Petunie ist einjährig und kälteempfindlich. Für eine Etablierung von Petunien in der Umwelt oder einer Einkreuzung in Wildverwandte gibt es keine Hinweise. Wenn die gentechnisch veränderten Petunien durch Transformation mit den Plasmiden p35a1 oder pb853 oder Plasmiden mit identischen Genen und regulatorischen Elementen erzeugt wurden, unterscheiden sich diese Pflanzen in ihren Risiken für Mensch, Tier und Umwelt nicht von herkömmlichen Petunien. Selbst wenn die oben genannten DNA-Abschnitte nicht auf die Transformation mit den Plasmiden p35a1 oder pb853 zurückgehen sollten, sind anhand der vorliegenden Daten keine Anhaltspunkte erkennbar, die auf ein erhöhtes Risiko der gentechnisch veränderten Petunien im Vergleich zu herkömmlichen Petunien hindeuten. 7

Literatur: Bashandy, H., Teeri, T.H. (2017) Genetically engineered orange petunias on the market, Planta doi 10.1007/s00425-017-2722-8 COGEM (2017) Stellungnahme der COGEM, Unauthorized GM garden petunia varieties within organge flowers, COGEM advice CGM/170522-04 Davies, J.E. (1991) Aminoglycoside-aminocyclitol antibiotics and their modifying enzymes. In Antibiotics in laboratory medicine. Lorian, V. (ed). Baltimore: Williams and Wilkins, pp. 691-713. European Food Safety Authority (EFSA), 2007. Statement of the Scientific Panel on Genetically Modified Organisms on the use of antibiotic resistance genes as marker genes in genetically modified plants. EFSA J 48: 1-18. Griesbach, R.J. (1993) Characterization of the Flavonoids from Petunia x hybrida Flowers expressing the A1 gene of Zea mays. HortScience 28 (6): 659-660. Kronenberg, B. und Kowarik, I. (1989) Naturverjüngung kultivierter Pflanzenarten in Gärten. Verh Berl Bot Ver, 7: 3-30. Meyer, P., Heidmann, I., Forkmann, G., Saedler, H. (1987) A new petunia flower colour generated by transformation of a mutant with a maize gene, Nature 330, 677-678. Meyer, P., Linn, F., Heidmann, I., Meyer, H., Niedenhof, I, Saedler, H. (1992) Endogenous and environmental factors influence 35S promoter methylation of a maize A1 gene construct in transgenic petunia and its color phenotype. Mol Gen Genet 231: 345-352 MPI für Züchtungsforschung Köln (1996) Antrag nach dem Gentechnikgesetz zur Demonstration gentechnisch veränderter Petunien im Freiland; AZ: 6786-01-065; Saedler, H., Max- Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft e.v. Nap, J.-P., Bijvoet, J., Stiekema, W.J. (1992) Biosafety of kanamycin-resistant transgenic plants. Transgenic Res, 1: 239-249. Pennycooke, J.C., Jones, M.L., Stushnoff, C. (2003) Down-regulating alpha-galactosidase enhances freezing tolerance in transgenic petunia. Plant Physiol 133: 901 909 Shimada, Y., Nakano-Shimada, R., Ohbayashi, M., Okinaka, Y., Kiyokawa, S., Kikuchi, Y. (1999) Expression of chimeric P450 genes encoding flavonoid-3, 5 -hydroxylase in transgenic tobacco and petunia plants FEBS Lett 461:241-245 Simon, G.W., Stille, W. (1993) Antibiotikatherapie in Klinik und Praxis. Schattauer, Stuttgart, New York, 8. Auflage. 8

Trieu-Cuot, P., Arthur, M., Courvalin, P. (1987) Origin, evolution and dissemination of antibiotic resistance genes. Microbiol Sci, 4: 263-266. ZKBS (2008) Stellungnahme der Zentralen Kommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS) für die Sicherheitsbewertung von Antibiotika-Resistenzgenen im Genom gentechnisch veränderter Pflanzen vom Dezember 2008, http://www.bvl.bund.de/de/06_gentechnik/03_antragsteller/06_institutionen_fuer_biologisch e_sicherheit/01_zkbs/01_allg_stellungnahmen/04_pflanzen/zkbs_pflanzen_node.html 9