Arbeitsgruppe Schutz und Freiheit Soviel Freiheit wie möglich, soviel Schutz wie nötig Arbeitsgruppe Schutz und Freiheit Freiheitsentziehende und freiheitsbeschränkende Maßnahmen in der Pflege Eine Kurzinformation für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Pflegeberufen 12
Impressum Wer hilft? Wer ist zuständig? Wer berät? Herausgeber: Wandsbeker Pflegekonferenz Geschäftsführung Gesundheits- und Umweltamt Robert-Schuman-Brücke 8 22041 Hamburg Telefon: 42881 3252 Fax: 42881 3549 E-Mail: Pflegekonferenz@wandsbek.hamburg.de Homepage: www.pflegekonferenz-wandsbek.hamburg.de Verantwortlich für den Inhalt: Arbeitsgruppe "Schutz und Freiheit" der Wandsbeker Pflegekonferenz Stand: 11.2005 Design: Sebastian Huff www.sebastian-huff.de/webdesign/ Copyright: Jegliche Verwertung dieser Broschüre bedarf, soweit das Urheberrecht nicht ausdrücklich Ausnahmen zulässt, der vorherigen ausdrücklichen Zustimmung des Herausgebers. Haftungsausschluss: Die in dieser Broschüre veröffentlichten Inhalte sind sorgfältig recherchiert. Dennoch kann keine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der bereitgestellten Informationen übernommen werden. In keinem Fall wird für Schäden, die sich aus der Verwendung der Informationen ergeben, eine Haftung übernommen. Bezirksamt Wandsbek Tel.: (040) 428 81-0 Heimaufsicht Robert-Schuman-Brücke 8, 22041 Hamburg Frau Bergot; Tel.: 42881 3252, Fax: 42881-3549 Frau Scherenberger; Tel.: 42881 3319 Frau Harrsen; Tel.: 42881-3340 Frau Möller, Behinderteneinrichtungen; Tel.: 428 81 3424 Wandsbeker Pflegekonferenz beim Bezirksamt Wandsbek Robert-Schuman-Brücke 8, 22041 Hamburg Frau Bergot, Geschäftsführung Tel.: 42881 3252 Fax: 42881 3549 Frau Möller, Geschäftsstelle mail: Pflegekonferenz@wandsbek.hamburg.de Internet: www.pflegekonferenzwandsbek.hamburg.de Betreuungsvereine ZukunftsWerkstatt Generationen e.v. Betreuungsverein Wandsbek Eilbektal 54, 22089 Hamburg Tel.: (040) 20 11 11 Internet: www.zukunftswerkstatt- Generationen.de www.homepage.hamburg.de/ hamburgerbetreuungsvereine/ Zielgruppenorientiert überregional für Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung Leben mit Behinderung Hamburg Arbeitsstelle Betreuungsgesetz Südring 36, 22303 Hamburg Tel.: (040) 27 07 90 0 Vormundschaftsgerichte Amtsgericht Hamburg-Wandsbek Vormundschaftsgericht Schloßstraße 8e 22041 Hamburg Tel.: (040) 428 81-2197 Fax: 428 81-2942 Amtsgericht Hamburg-Barmbek Vormundschaftsgericht Spohrstraße 6 22083 Hamburg Tel.: (040) 428 63-0 (Zentrale) Fax: 428 63-6618 Behörde für Soziales und Familie Amt für Soziales und Rehabilitation Abt. Seniorenarbeit und Pflege Hamburger Straße 47, 22083 Hamburg Tel.: 42863 2815 Fax: 4279 70098 Mail: Marco.Kellerhof@bsf.hamburg.de Pflegetelefon Hamburg Tel. : 28 05 36 22 2 11
Mit dieser Schrift möchten wir Sie als Mitarbeiter in der Pflege in der fachlichen Auseinandersetzung für oder gegen den Einsatz von freiheitsentziehenden Maßnahmen und im Dialog mit Angehörigen in Ihrer Entscheidungskompetenz unterstützen. Ein Ziel für alle Beteiligten könnte sein: Soviel Freiheit wie möglich, soviel Schutz wie nötig. Nutzen Sie auch die verschiedenen Möglichkeiten, die Beratung in Ihrem Bezirk in Anspruch zu nehmen. Sollten eindeutige und konkrete Hinweise auf strafbare Handlungen vorliegen, können Sie sich jederzeit an die nächste Polizeidienststelle wenden. Soviel Freiheit wie möglich, soviel Schutz wie nötig. Einem pflegebedürftigen Menschen Hilfe zu leisten stellt hohe Anforderungen an alle Beteiligten. Immer wieder stehen Betroffene vor neuen Problemen und Aufgaben und nicht selten stellt sich die Frage: Ist das rechtens, was ich hier tue? Hinter dieser Frage stehen oft Zweifel und Unsicherheit, ob das, was an Hilfe geleistet wird, überhaupt richtig und ausreichend ist. Menschen mit Demenzerkrankung zum Beispiel sind sich oft nicht bewusst, dass sie sich und andere durch ihr Handeln in Gefahr bringen. Sie versuchen das Bett zu verlassen, obwohl sie nicht mehr laufen können. Sie gehen aus dem Haus, obwohl sie sich nicht mehr zurecht finden, ihre Umwelt nicht mehr verstehen und die Gefahren im Straßenverkehr nicht mehr einschätzen können. In diesen Fällen werden die unterschiedlichsten Mittel angewandt, um dieses Verhalten zu unterbinden. Einige sollen hier exemplarisch aufgezählt werden: Fixieren des Betroffenen durch mechanische Vorrichtungen Bettgitter Gurte Hand- und Fußfesseln Pflegehemden Rollstuhl mit Therapietisch Feststelltisch für normale Stühle 10 3
Sedierende Medikamente, die nicht zu Heil- oder Therapiezwecken verabreicht werden Ruhigstellung durch Medikamente Einsperren und Einschränkung des Bewegungsradius mechanische Vorrichtung wie z.b. Trickschlösser zugestellte oder verschlossene Türen Anbringen von komplizierten Türmechanismen Wegnahme von Geh- und Sehhilfen Wegnahme von Kleidung Feststellen der Bremsen am Rollstuhl Grundsätzlich kann man sagen, dass alle Maßnahmen freiheitsentziehend sind, die den zu Pflegenden daran hindern sollen, seinen Aufenthaltsort zu verändern. diese Maßnahme erforderlich ist? Sprechen Sie mit den Angehörigen über die Rechtmäßigkeit und Risiken der freiheitsentziehenden Maßnahmen. Erklären Sie die möglichen Risiken, aber auch Alternativen zu solchen Maßnahmen. Machen Sie auf die Einschränkung der Lebensqualität aufmerksam. Sprechen Sie mit der für die Pflege verantwortlichen Fachkraft (Pflegedienstleitung) und den Betreuern (sofern vorhanden). Nur legitimierte Personen (Betreuer oder Bevollmächtigte) dürfen eine richterliche Genehmigung für eine freiheitsentziehende Maßnahme beantragen. Regen Sie gegebenenfalls eine Betreuung beim Vormundschaftsgericht an. Dokumentieren Sie als Pflegefachkraft das Gespräch mit den Angehörigen. Liegt keine Einwilligung des Betroffenen, keine richterliche Genehmigung und keine Voraussetzung des 34 StGB (rechtfertigender Notstand) vor, sollten Sie nicht von sich aus freiheitsentziehende Maßnahmen einleiten, weil sonst die Gefahr besteht, dass Sie sich selbst strafbar machen. Sollte bereits eine Betreuerin oder ein Betreuer bestellt sein, oder handelt eine bevollmächtigte Person auf Grundlage einer Vorsorgevollmacht, muss eine richterliche Genehmigung für freiheitsentziehende Maßnahmen nach 1906 BGB vorliegen oder von diesen beantragt werden. 4 9
Durchweg werden dafür folgende Gründe genannt: Menschen mit hochgradiger Verwirrtheit müssen am Weglaufen gehindert werden, weil sie allein draußen gefährdet wären, nicht allein zurückfinden und dabei in Angst und Panik geraten könnten. Weiterhin wären größere Suchaktionen notwendig. Stürze aus dem Bett oder an anderen Orten sind zu verhindern. Sofern ein Mensch in der Lage ist, zu solchen Maßnahmen sein Einverständnis zu erteilen und dieses auch tut, bedarf es keiner vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung. Selbstverständlich kann dieses Einverständnis jederzeit wieder zurückgenommen werden. Eine Freiheitsbeschränkung bzw. -entziehung gegen den Willen des Betroffenen ist nur unter den Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstands ( 34 StGB) oder beim Vorliegen einer richterlichen Genehmigung möglich. Der rechtfertigende Notstand bezieht sich aber immer nur auf eine einmalige Situation. Beispiel: Eine Bewohnerin erscheint Ihnen heute völlig verwirrt und überhaupt nicht orientiert. Sie will aber trotz eisiger Kälte, nur mit einem Bademantel bekleidet, spazieren gehen. In dieser akuten Situation dürfen Sie die Bewohnerin natürlich zu ihrem eigenen Schutz daran hindern. Regelmäßige Fixierungen und ähnliche Maßnahmen sind Zwangsmaßnahmen, für die richterliche Genehmigungen erforderlich sind! Wie verhalten Sie sich am besten, wenn Sie eine Situation antreffen, wo Angehörige von Ihnen verlangen, z.b. das Bettgitter anzubringen oder was müssen Sie tun, wenn Sie selbst feststellen, dass Recht und Gesetz Artikel 104 des Grundgesetzes (Auszug): (1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich misshandelt werden. (2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln. (...) 239 StGB Freiheitsberaubung (1) Wer einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise der Freiheit beraubt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. 34 StGB Rechtfertigender Notstand Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einen anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse des Beeinträchtigten wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden. 8 5
1906 BGB Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bei der Unterbringung (1) Eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, ist nur zulässig, solange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil 1. auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt, oder 2. eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff notwendig ist, ohne die Unterbringung des Betreuten nicht durchgeführt werden kann und der Betreute auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann. (2) Die Unterbringung ist nur mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts zulässig. Ohne die Genehmigung ist die Unterbringung nur zulässig, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist; die Genehmigung ist unverzüglich nachzuholen. (3) (...) (4) Die Absätze 1 bis 3 gelten entsprechend, wenn dem Betreuten, der sich in einer Anstalt, einem Heim oder in einer sonstigen Einrichtung aufhält, ohne untergebracht zu sein, durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen werden soll. (4) Die Unterbringung durch einen Bevollmächtigten und die Einwilligung eines Bevollmächtigten in Maßnahmen nach Absatz 4 setzt voraus, dass die Vollmacht schriftlich erteilt ist und die in den Absätzen 1 und 4 genannten Maßnahmen ausdrücklich umfasst. Im Übrigen gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend. (...) 11 Heimgesetz Anforderungen an den Betrieb eines Heimes (1) Ein Heim darf nur betrieben werden, wenn der Träger und die Leitung 1. die Würde sowie die Interessen und Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner vor Beeinträchtigungen schützen, 2. die Selbstständigkeit, die Selbstbestimmung und die Selbstverantwortung der Bewohnerinnen und Bewohner wahren und fördern... Haben Sie das gewusst? Dieses Papier soll Sie nicht verunsichern. Es soll vielmehr darüber aufklären, wie Sie sich verhalten und was Sie wissen sollten, wenn Sie in Situationen kommen, in denen Menschen in ihrer Freiheit eingeschränkt werden. Es gibt ein Spannungsfeld zwischen dem Selbstbestimmungsrecht des Bewohners und der Aufsichts- und Betreuungspflicht der Pflegekräfte. Das Heimgesetz formuliert, dass die Interessen und Bedürfnisse der Bewohner zu schützen sind. Eine völlige Sicherheit kann es nicht geben. Für Mitarbeiter ist es daher wichtig, dass sie ihre Erfahrungen und Beobachtungen mit dem Bewohner und die nachvollziehbare Entscheidungsfindung dokumentieren. Eine Aufsichtspflicht besteht in dem Angebot der vertraglich geschuldeten fachgerechten Betreuung und Pflege. Aus der heimvertraglichen Betreuungspflicht ergibt sich die Garantenstellung für das Heim und das Pflegepersonal gegenüber dem Bewohner. Sie haben in engen Grenzen dafür einzustehen, dass dem Bewohner nichts passiert. In aller Regel sind es fürsorgliche Gründe, die dazu veranlassen, freiheitsbeschränkende Maßnahmen zu ergreifen, um einen Menschen zu schützen. 6 7