Arztrecht. Rechtskundliche Grundlagen. Referat im Rahmen der Fortbildungsveranstaltung der Akademie für ärztliche Fortbildung



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Transkript:

Arztrecht Rechtskundliche Grundlagen Referat im Rahmen der Fortbildungsveranstaltung der Akademie für ärztliche Fortbildung Vortrag von Rechtsanwalt und Notar Martin Mücke

Gliederung 1. Zivilrecht Weisungsrecht Arzthaftung Besonderheiten 2. Strafrecht Definition der Grundbegriffe Straftatbestände 3. Sozialrecht Vertragsärztliche Versorgung Organisationsstrukturen Gesundheitsreformgesetz (GMG)

I. Zivilrecht A. Weisungsrecht oder Direktionsrecht 1. Organisatorisches Weisungsrecht im Krankenhausbereich a. Übertragung von Verantwortlichkeit auf Chefarzt b. Dienst- und Einsatzpläne zur Organisation des Arbeits- und Aufgabenbereiches gegenüber nachgeordneten Ärzten und weiterem Betreuungs- und Versorgungspersonal

2. Arbeitsrechtliches Weisungs- und Direktionsrecht des niedergelassenen Arztes gegenüber seinen Mitarbeitern a. Grundlage ist der Arbeitsvertrag b. Spezifikation des Umfanges, sowie der Art und Weise der Arbeitsleistung c. Nur Konkretisierung der im Arbeitsvertrag niedergelegten Rahmenbedingungen d. Anordnung von anderen oder darüber hinausgehenden Tätigkeiten nur in Notfällen

b. Arzthaftung zivilrechtlichen Haftung 1. Haftungsgrundlagen a. Vertragliche Haftung aus Verletzung von Pflichten aus dem Behandlungsvertrag. b. Deliktische Haftung für eigenes Behandlungsverschulden des Arztes wegen der Verletzung der Rechtsgüter Gesundheit oder Leben des Patienten. 2. Mögliche Pflichtverletzungen bzw. mögliches Behandlungsverschulden a. Nicht lege artis durchgeführte Heilbehandlung. aa. Fehler bei der Diagnose - Gänzliches Unterbleiben diagnostischer Abklärung - Diagnoseirrtum - Elementare Fehlinterpretation von Befunden bb. Nichteinhaltung des Behandlungsstandards - Standard: Sorgfältig arbeitender Facharzt

b. Organisationsmangel z.b. Der aufnehmende Arzt ist verantwortlich dafür, dass Behandlung, die zu leisten ist bzw. notwendig werden kann, auch ordnungsgemäß durchgeführt werden kann. c. Aufklärungsmangel aa. Grundvoraussetzung ärztlichen Handelns: Einwilligung des Patienten nach ordnungsgemäßer ärztlicher Aufklärung, so genannte: Selbstbestimmung bzw. Eingriffsaufklärung. Folgt aus grundrechtlich verbürgtem Recht des Patienten auf Selbstbestimmung. bb. Hiervon zu unterscheiden therapeutische Aufklärung oder auch Sicherungsaufklärung genannt. Inhalt und Zweck therapeutischer Aufklärung: Verhaltensmaßregeln für Patienten, um Therapieerfolg zu sichern, und zwar prä- und postoperativ

cc. Praktische Bedeutung der Unterscheidung zwischen Selbstbestimmungsaufklärung und therapeutischer Aufklärung im gerichtlichen Verfahren: Therapeutische Aufklärung: Teil der richtigen ärztlichen Behandlung, daher Beweislast für Fehler beim Patienten. Selbstbestimmungsaufklärung: Voraussetzung für wirksame Einwilligung des Patienten in Heilmaßnahme; daher Beweislast beim Arzt dd. Formen der Selbstbestimmungsaufklärung: Eingriffsaufklärung (Vor- und Nachteile des Eingriffs) Diagnoseaufklärung (medizinischer Befund) Verlaufsaufklärung (Art, Umfang, Erfolgschancen und Folgen der Therapie Risikoaufklärung (alle typischen Risiken, die die Lebensführung beeinflussen können) Aufklärung über Alternativen (echte Behandlungsalternativen mit gleichwertigen Chancen)

ee. Checkliste der Aufklärung: Wer muss aufklären: Grundsätzlich Aufklärung durch behandelnden Arzt Delegation der Aufklärung jedoch möglich. (Haftung des übernehmenden Arztes für Aufklärungsversäumnisse; Haftung des delegierenden Arztes Organisationsverschulden) Wen muss der Arzt aufklären: Patient als Adressat der Aufklärung Minderjährige Patienten Aufklärung des sorgeberechtigten Elternteiles; also Grundsatz beide Elternteile, Ausnahme kleinere Routineeingriffe (Vermutung der gegenseitigen Ermächtigung) Beachte: Einwilligung jedoch auch durch fast volljähriges Kind, wenn notwendige Einsichtsfähigkeit, insbesondere auch Veto-Recht gegen Einwilligung durch gesetzliche Vertreter Erwachsener, nicht willensfähiger Patient: Einwilligung durch Betreuer, wenn nicht vorhanden: Einschaltung Vormundschaftsgericht in Eilfällen: Erforschung des mutmaßlichen Patientenwillens. Bei Sprachproblemen eines ausländischen Patienten muss Dolmetscher hinzugezogen werden

Wann ist aufzuklären. Es ist so rechtzeitige Aufklärung notwendig, dass der Patient "in Ruhe" das Für und Wider einer Behandlungsmaßnahme abwägen kann. Keine starre Frist. Bei geplanter Operation Aufklärung bereits im Zeitpunkt der Terminvereinbarung Stationärer Eingriff; Aufklärung spätestens am Vortage, nicht am Vorabend. Wie ist aufzuklären Keine formelhafte Aufklärung, nicht zu verwechseln mit der Verwendung von Aufklärungsformular Arzt-Patientengespräch (Vier-Augen-Gespräch) Keine Verharmlosung bei der Aufklärung Umschreibung medizinischer Fachausdrücke zulässig, gegebenenfalls geboten Aufklärung über mögliche Folgeschäden Wichtig: Dokumentation der Aufklärung; Alles, worüber aufgeklärt wurde, sollte dokumentiert werden, gegebenenfalls durch entsprechende handschriftliche Ergänzungen in Aufklärungsformularen bzw. Aufklärungsbogen.

Worüber ist aufzuklären: Aufklärung im Großen und Ganzen Aufklärung bedeutet keine exakte medizinische Beschreibung der Heilmaßnahme, sondern die Vermittlung eines allgemeinen Bildes von der Schwer und der Richtung der Risiken. Das Verschweigen von gravierenden Risiken bis hin zur Letalität aus ethischen Gründen oder therapeutischer Rücksichtnahme ist nicht angezeigt. Auch Risiken im Promillebereich sind aufklärungsbedürftig, wenn sie dem Patienten im Hinblick auf seine persönliche Lebensführung besonders belasten können. Der behandelnde Arzt ist grundsätzlich niemals befugt, dem Patienten auch einen noch so schlimmen Befund vorzuenthalten. Aufklärung über Behandlungsalternativen - allerdings nur über gleichwertige Alternativen Grundaufklärung über schlimmstes mögliches Risiko notwendig. Wie weit ist aufzuklären: Grundsätzlich ist Verzicht des Patienten auf vollständige oder auch teilweise Aufklärung möglich. Dokumentation ist dabei zwingend erforderlich

ff. Therapeutische Aufklärung Wie oben ausgeführt, geht es hier darum, dem Patienten Verhaltensmaßregeln an die Hand zu geben, um den Therapieerfolg zu sichern. Insbesondere: Aufklärung über Mitwirkungspflichten des Patienten Aufklärung auch über seltene bzw. schwere Nebenwirkungen eines Medikamentes. Ansonsten gelten die oben bezeichneten Grundsätze zu Art und Umfang der Aufklärung entsprechend (insbesondere Grundaufklärung/Dokumentation der Aufklärung).

d. Besonderheiten im Zivilprozessrecht unter besonderer Berücksichtigung der ärztlichen Dokumentationspflicht aa. Grundsatz: Beweislast für alle anspruchsbegründenden Tatsachen liegen beim Patienten, sowohl für Behandlungsfehler selbst, als auch seine Ursachlichkeit für den beim Patienten eingetretenen Schaden. Hat nichts mit der Frage zu tun, ob wirksame Einwilligung des Patienten aufgrund ordnungsgemäßer Aufklärung in Heilmaßnahme überhaupt vorliegt. Hierfür ist Arzt beweisbelastet. Darüber hinaus von der Rechtsprechung entwickelt: Beweiserleichterungen Beweislastumkehr bei grobem Behandlungsfehler Dieser liegt vor, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände des Behandlungsgeschehens ein solcher Fehler nicht mehr verständlich und nicht mehr verantwortbar erscheint, wenn er also einem sorgfältigen Arzt schlicht nicht unterlaufen darf.

bb. Entsprechend wichtig: Dokumentation des Behandlungsgeschehen. Die Pflicht hierzu ergibt sich aus Behandlungsvertrag sowie aus Berufsrecht. Dokumentationsversäumnisse führen ebenfalls zu Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr zugunsten des Patienten. Wenn Maßnahmen nicht dokumentiert sind, liegt die Beweislast beim Arzt. Sorgsame und lückenlose Dokumentation des gesamten Behandlungsgeschehens erforderlich. Zeitnahe Erstellung wichtig (auch in Stichpunkten möglich; Computerunterstützung ebenfalls sinnvoll und möglich) Entsprechendes gilt für die Pflicht zur Aufbewahrung entsprechender Unterlagen. cc. Unsorgfältige Dokumentation ist Behandlungsfehler!

II. Strafrechtliche Verantwortlichkeit des Arztes A. Allgemeines / Definition Grundbegriffe Behandlungsfehler: Nicht nur Auslöser zivilrechtlicher Haftung, sondern auch strafrechtliche Verantwortlichkeit wegen fahrlässiger Körperverletzung oder gar fahrlässiger Tötung. Allen Straftatbeständen ist gemein: Tatbestandsmäßige Erfüllung Rechtswidrigkeit des Handelns Verschulden des Arztes Fehlen der Rechtswidrigkeit bei Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes Rechtfertigung durch die Einwilligung des Patienten, basierend auf ordnungsgemäßer, dokumentierter Aufklärung.

B. Einzelne Straftatbestände 1. Fahrlässige Körperverletzung ( 223, 229 StGB) a. Seit reichsgerichtlicher Entscheidung vom 31.05.1894: Jeder ärztliche Heileingriff erfüllt den objektiven Tatbestand der Körperverletzung b. Lege artis ausgeführter ärztlicher Heileingriff: Rechtfertigung bei Einwilligung durch ordnungsgemäß aufgeklärten Patienten c. Nicht lege artis durchgeführter Heileingriff ist nicht nur tatbestandsmäßig, sondern auch rechtswidrig und schuldhafte fahrlässige Körperverletzung d. Ursachenzusammenhang zwischen pflichtwidrigem ärztlichen Handeln und eingetretener Schädigung e. Fahrlässige Körperverletzung auch durch Unterlassen. Dann strafrechtlich relevant, wenn Verpflichtung zum Handeln - bei Arzt immer gegeben f. Verfolgung der fahrlässigen Körperverletzung Grundsätzlich Voraussetzung: Strafantrag des Verletzten. Ohne Strafantrag nur wenn besonderes Öffentliches Interesse an der Strafverfolgung gegeben (in der Regel zu bejahen).

2. Fahrlässige Tötung ( 222 StGB) Ist ärztliches Handeln ursächlich für den Tod eines Patienten, ist der äußere Tatbestand eines Tötungsdeliktes gegeben. Hauptproblem ist die Feststellung des Ursachenzusammenhanges zwischen der Sorgfaltspflichtverletzung des Arztes und dem Eintritt des Todes des Patienten. 3. Unterlassene Hilfeleistung ( 323 c StGB) Sogenanntes Jedermanndelikt; d.h. Arzt muss handeln, wenn auch Normalbürger handeln müsste. Wegen unterlassener Hilfeleistung wird bestraft, wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl sie erforderlich und ihm den Umständen nach auch zuzumuten ist. Wichtig: Unterlassene Hilfeleistung ist nur vorsätzlich begehbar, d.h.: Der Arzt muss also wissen, dass er tätig werden muss und tut es dennoch nicht.

4. Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht ( 203 Abs. l Nr. l, 204 StGB) Wer als Arzt ein Geheimnis, das ihm ein Patient anvertraut hat oder das dem Arzt sonst bekannt geworden ist, unbefugt offenbart, macht sich strafbar. a. Die ärztliche Schweigepflicht gilt umfassend b. Grundsätzlich auch unter Ärzten Selbst die Pflicht zur kollegialen Zusammenarbeit gestattet Weitergabe von Informationen nur, soweit dem nicht der Wille des Patienten entgegensteht. Unbedenklich daher Weitergabe von Patientendaten nur im Behandlungsteam oder im Rahmen der Nachoder Weiterbehandlung, soweit nicht der ausdrückliche Wille des Patienten entgegensteht. c. Weitergabe von Daten grundsätzlich nur bei ausdrücklicher Einwilligung des Patienten. Ausnahme: Weitergabe von Patientendaten an die gesetzliche Krankenkasse.

5. Sterbehilfe ( 216, 211, 212, 323 c StGB) Zweifellos sehr komplexe und schwierige Problematik sowohl in moralischer als auch in juristischer Hinsicht. Im wesentlichen handelt es sich um eine Abgrenzungsproblematik. a. Straflose Mitwirkung an Selbsttötung Beispiel: Arzt stellt auf Bitten des Patienten Gift bereit; dieser führt den Giftbecher ohne Hilfe Dritter zum Mund und trinkt das Gift, Straflose Beihilfe zur Selbsttötung, da der Patient bis zuletzt die freie Entscheidung darüber hat, ob er Gift trinkt. b. Aktive und passive, direkte und indirekte Sterbehilfe aa. Direkte aktive Sterbehilfe, also Sterbehilfe durch gezieltes Töten, auch bei aussichtsloser Prognose, ist eine Tötungshandlung, selbst bei Einwilligung des Patienten.

bb. Indirekte aktive Sterbehilfe Das heißt Lebensverkürzung bei begonnener Sterbephase als unbeabsichtigte, aber in Kauf genommene unvermeidbare Nebenfolge einer ärztlich gebotenen schmerzlindernden Medikation. Straflos, sofern kein Widerspruch zum geäußerten oder mutmaßlichen Willen des Betroffenen (z.b. Patientenverfügung). cc. Passive Sterbehilfe Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen, wenn Sterbephase bereits begonnen Straflos, wenn Behandlungsverbot durch Patienten (Patientenverfügung) oder wenn Fortsetzung medizinischer Behandlung wegen irreversiblem Bewusstseinsverlust zwecklos wäre oder gegen die Menschenwürde verstieße.

Verzicht auf lebenserhaltende Maßnahmen bei Todgeweihten, aber noch nicht Sterbenden Straflos nach Behandlungsverbot des Patienten (auch Patientenverfügung) bei irreversibel Bewusstlosen, wenn Behandlungsabbruch dem mutmaßlichen Willen des Patienten entspricht (wenn Patientenverfügung, grundsätzlich keine Feststellung durch Betreuer und Genehmigung durch Vormundschaftsgericht notwendig).

III. Sozialrecht A. Definitionen der vertragsärztlichen Versorgung Begrifflichkeiten niedergelegt in 69 ff SGB V 1. Vertragsärzte a. Ambulante ärztliche Versorgung durch Vertragsärzte b. Freie Arztwahl der Versicherten c. Anspruch des Versicherten auf Krankenbehandlung entsprechende Verpflichtung des Vertragsarzte auf Übernahme der Behandlung d. Bei Übernahme der Behandlung Sorgfalt nach bürgerlichrechtlichem Vertragsrecht (Kassenpatient = Privatpatient) e. Zulassung durch Zulassungsausschüsse der kassenärztlichen Vereinigung aa. Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung - Bedarfspläne - bb. Ermächtigung zur Teilnahme an vertragsärztlicher Versorgung an Krankenhausärzte, wenn die Versorgung nicht durch niedergelassene Ärzte sichergestellt f. Vertragsarzt: Zwangsmitglied der kassenärztlichen Vereinigung

2. Kassenärztliche Vereinigung a. Organe: Vertreterversammlung und Vorstand b. Aufgaben: aa. Interessenvertretung gegenüber Kassen In diesem Rahmen Vereinbarung der allgemeinen Grundsätze der Vergütung und der vertragsärztlichen Pflichten mit den Bundesverbänden der Krankenkassen im Bundesmantelvertrag bb. Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung In diesem Rahmen Bildung von Bundes- und Landesausschüssen, die paritätisch besetzt sind mit Vertretern der Kassen; Insbesondere Beschlussfassung Richtlinien zur Sicherung der ärztlichen Versorgung, Aufstellung von Bedarfsplanen, Anordnung von Zulassungsbeschränkungen.

3. Gesundheitsmodernisierungsgesetz (weitreichende Änderungen für Vertragsärzte) a. Einführung der so genannten Praxisgebühr Bezeichnung irreführend, da es eich um Gelder für die Krankenkassen und nicht für die Praxis handelt. b. Neue Finanzierungs- und Zuzahlungsrichtlinien Verpflichtung zur Zuzahlung bis zu einer Belastungsgrenze von 2 % des Bruttojahreseinkommens. Erst darüber hinaus Zuzahlungsbefreiung. c. Verpflichtung zur Erstellung einer Quittung über erbrachte Leistungen auf Verlangen des Patienten, und zwar in verständlicher Form d. Zulassung von medizinischen Versorgungszentren. Zusammenschluss von Ärzten und Nichtärzten, die allerdings im Gesundheitswesen als Leistungserbringer tätig sind, unter einem Dach zum Zwecke der fachübergreifenden Tätigkeit. Fachliche Leitung ausschließlich durch Ärzte. Zulassung durch Zulassungsausschuss der KV, soweit es um die vertragsärztliche Versorgung gesetzlich Krankenversicherter geht. Möglichkeit der Integrierung frei werdender Arztpraxen. Vergütungsprivileg EBM 2000 plus um bis zu 30 % höhere Vergütung bei mehr als 3 Vertragsärzten.

4. Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (weitere Änderungen für Vertragsärzte): a. Erweiterung der Möglichkeiten, Ärzte und Psychotherapeuten in Praxen anzustellen b. Möglichkeit der Eröffnung von Zweigpraxen - im eigenen KV-Bezirk - außerhalb des eigenen Heimat-KV-Bezirkes c. Gründung von überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaften, auch in Form von Teil-Berufsausübungsgemeinschaften, das heißt Gründung von Berufsausübungsgemeinschaften, die nur bestimmte Leistungen anbieten d. Möglichkeiten zur Teilzulassung. Bislang: Zulassung als Vertragsarzt oder -psychotherapeut in Form der vollzeitigen Patientenbetreuung. Nunmehr Möglichkeit der Teilzulassung - Verminderung des Versorgungsauftrages bis auf die Hälfte. e. Neue Altersgrenzen für Vertragsärzte Flexiblere Altersregelungen zur Vermeidung von Unterversorgung: Aufhebung der bisherigen Altersgrenze von 55 Jahren für die Erstzulassung als Vertragsarzt

Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (weitere Änderungen für Vertragsärzte): e. Neue Altersgrenzen für Vertragsärzte Flexiblere Altersregelungen zur Vermeidung von Unterversorgung: Aufhebung der bisherigen Altersgrenze von 55 Jahren für die Erstzulassung als Vertragsarzt f. Neuregelungen für medizinische Versorgungszentren Klarstellung des Begriffes "Fachübergreifende, ärztlich geleitete Einrichtung": Gegeben, wenn Ärzte mit verschiedenen Facharzt- oder Schwerpunktbezeichnungen tätig sind Klarstellung, dass Angehörige unterschiedlicher Heilberufe sich Leitung eines medizinischen Versorgungszentrums teilen können, sogenannte kooporative Leitung Möglichkeit der Mitarbeit von Krankenhausärzten in Versorgungszentren Entfall von Regelungen, die das medizinische Versorgungszentrum bislang privilegiert haben

Vielen Dank für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit!