KONJUNKTUR AKTUELL. Berichte und Analysen zur wirtschaftlichen Lage. Oktober 201. Stabilität und Sicherheit. OESTERREICHISCHE NATIONALBANK



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Transkript:

OESTERREICHISCHE NATIONALBANK E U R O S Y S T E M KONJUNKTUR AKTUELL Berichte und Analysen zur wirtschaftlichen Lage Oktober 21 Stabilität und Sicherheit.

Bericht über die wirtschaftliche Lage

Medieninhaber und Herausgeber Redaktion Oesterreichische Nationalbank Otto-Wagner-Platz 3, 19 Wien Postfach 61, 111 Wien www.oenb.at oenb.info@oenb.at Tel. (+43-1) 442-6666 Fax (+43-1) 442-6698 Abteilung für volkswirtschaftliche Analysen Oesterreichische Nationalbank, 211 Alle Rechte vorbehalten. Reproduktionen für nicht kommerzielle Verwendung, wissenschaftliche Zwecke und Lehrtätigkeit sind unter Nennung der Quelle freigegeben. Auf geschlechtergerechte Formulierungen wird verzichtet, an ihrer Stelle verwendete Begriffe gelten im Sinn der Gleichbehandlung grundsätzlich für beide Geschlechter. Redaktionsschluss: 19. Oktober 211

Inhalt Bericht über die wirtschaftliche Lage... 4 Überblick... 5 Konjunkturentwicklung unter Berücksichtigung rezenter Prognosen... 6 EU-Mitgliedstaaten in Zentral-, Ost- und Südosteuropa... 12 Österreichs Wirtschaft stagniert in der zweiten Jahreshälfte 211... 16 Jüngste Entwicklungen an den Finanzmärkten... 22 Annex... 25 Chronik: Wirtschafts- und Währungspolitik EU und international Zeitraum 2. September bis 12. Oktober 211... 26 Grafiken und Tabellen... 33

Bericht über die wirtschaftliche Lage

Überblick 1 Bericht zur wirtschaftlichen Lage Oktober 211 Die Konjunkturaussichten für die Weltwirtschaft haben sich in jüngster Zeit weiter verschlechtert. Vor dem Hintergrund globaler Ungleichgewichte, der Schwäche der US-amerikanischen Wirtschaft und der weiterhin ungelösten Schuldenkrisen in einigen europäischen Ländern wurden die Wachstumsprognosen für die wichtigsten Wirtschaftsräume neuerlich nach unten revidiert. Nach massiven Datenrevisionen ist die Rezession 28/9 in den USA wesentlich stärker ausgefallen als ursprünglich geschätzt, die Erholung verläuft zögerlicher. Vorlaufindikatoren signalisieren, dass sich das schwache Wachstum auch im zweiten Halbjahr 211 fortsetzen wird. Bei weiterhin niedrigen Leitzinsen unterstützt die Geldpolitik die Wirtschaft durch neue unkonventionelle Maßnahmen. Die japanische Wirtschaft, die im ersten Halbjahr hart von den Folgen des Erdbebens im März 211 getroffen wurde, hat sich wieder weitgehend erholt. Der Wiederaufbau unterstützt die Konjunktur und die globalen Produktionsketten sind weitgehend wiederhergestellt. Das Wirtschaftswachstum dürfte bereits im zweiten Halbjahr 211 wieder positiv sein. Für das Gesamtjahr 211 rechnet der IWF mit einem BIP-Rückgang von,5%. Die starke Aufwertung des japanischen Yen bleibt ein Risikofaktor für die Exportentwicklung. Das Wachstum der chinesischen Wirtschaft schwächt sich etwas ab, wird 212 aber immer noch bei etwa 9% liegen. Im Euroraum hat sich die Konjunktur im Verlauf der ersten Jahreshälfte 211 merklich abgeschwächt. Im zweiten Quartal wuchs das reale BIP nur um,2% gegenüber dem Vorquartal. Der private Konsum war rückläufig, während der Außenhandel zur wichtigsten Stütze des Wachstums wurde. Auch für das dritte Quartal ist mit einem geringen Wachstum zu rechnen. Auf dem Arbeitsmarkt verbessert sich die Lage nur zögerlich. Für Unsicherheit sorgt weiterhin die angespannte Situation auf den Märkten für Staatsanleihen. Aufgrund der negativen Nachrichten aus dem gesamteuropäischen und globalen Umfeld wird sich das Wirtschaftswachstum in Zentral-, Ost- und Südosteuropa der aktuellen OeNB-BOFIT-Prognose zufolge verlangsamen. Der Wachstumsbeitrag der Auslandsnachfrage wird sich verringern, bleibt jedoch die treibende Kraft hinter dem Wirtschaftswachstum in der Region. Die Inlandsnachfrage wird in allen Ländern leicht anziehen, in Ungarn aber im negativen Bereich bleiben. Polen, die größte Volkswirtschaft der Region, bildet weiterhin sowohl hinsichtlich der Wachstumsrate als auch in Bezug auf die wichtigsten Wachstumsimpulse (die in Polen von der Inlandsnachfrage ausgehen) eine Ausnahme. Österreichs Wirtschaft expandierte in der ersten Jahreshälfte 211 noch sehr kräftig. Im zweiten Quartal war das Wirtschaftswachstum mit,7% auch deutlich stärker als im Euroraum und in Deutschland. inzwischen haben sich jedoch die Anzeichen vermehrt, dass der kräftige Konjunkturaufschwung zur Jahresmitte relativ abrupt zu Ende gegangen ist. Das schwächere außenwirtschaftliche Umfeld und die vor dem Hintergrund der Schuldenkrise hohe Verunsicherung der Unternehmen führen zu einer deutlichen Abkühlung der zuletzt lebhaften Export- und Investitionskonjunktur. In der zweiten Jahreshälfte wird die österreichische Wirtschaft stagnieren. Die Ergebnisse des OeNB-Konjunkturindikators zeigen für das dritte und vierte Quartal 211 ein Wachstum des realen BIP von,1% bzw.,% an (saison- und arbeitstägig bereinigt, im Vergleich zum Vorquartal). Aufgrund der starken Dynamik zu Jahresbeginn wird das Wirtschaftswachstum für das Gesamtjahr 211 aber noch knapp 3% betragen. Die Wachstumserwartungen für 212 liegen inzwischen deutlich darunter. Die HVPI-Inflationsrate erreichte in Österreich im September mit 4,% (August 3,7%) den höchsten Wert seit über drei Jahren. Die Kerninflationsrate stieg von 3,1% im August auf 3,3% im September. 1 Autor: Gerhard Fenz (Abteilung für volkswirtschaftliche Analysen). 5

Bericht zur wirtschaftlichen Lage Oktober 211 Konjunkturentwicklung unter Berücksichtigung rezenter Prognosen 2 Euroraum BIP-Wachstum schwächt sich im zweiten Quartal 211 auf,2 % ab Im zweiten Quartal war es zu einer spürbaren Abschwächung der Dynamik der Wirtschaftsentwicklung gekommen. Nachdem die Wachstumsrate (gegenüber dem Vorquartal) im ersten Quartal überraschend hoch bei,8% gelegen war, betrug sie im zweiten Quartal nur noch,2%. Die Abschwächung war allgemein erwartet worden, da das erste Quartal erheblich von Aufhol- und Nachholeffekten nach einem strengen Winter gekennzeichnet war. Der größte Beitrag zum Wachstum im zweiten Quartal kam vom Außenhandel. Es kam bereits das achte Quartal in Folge zu einem leichten Lageraufbau, der dazu beitrug, dass von den Bruttoanlageinvestitionen keine Wachstumsbeiträge mehr ausgingen. Negative Wachstumsbeiträge kamen im zweiten Quartal von den Konsumausgaben der privaten Haushalte, worauf bereits die Entwicklung der Einzelhandelsumsätze hingedeutet hatte. Einerseits stehen dahinter die erforderliche Entschuldung der privaten und öffentlichen Haushalte und der Rückgang der real verfügbaren Einkommen aufgrund hoher Rohstoffpreise. Andererseits dürfte die Unsicherheit im Zusammenhang mit der Schuldenkrise in einigen Peripherieländern des Euroraums die Konsumneigung belastet haben. Die Konjunkturentwicklung im Euroraum steht in einem engen Zusammenhang mit der Abschwächung des BIP-Wachstums in Deutschland. Im ersten Quartal war die deutsche Wirtschaft noch um 1,3% (gegenüber dem Vorquartal) gewachsen. Im zweiten Quartal 2 Autoren: Ingrid Haar-Stöhr, Paul Ramskogler (Abteilung für die Analyse wirtschaftlicher Entwicklungen im Ausland) 6

Bericht zur wirtschaftlichen Lage Oktober 211 schwächte sich das Wachstum auf,1% ab. Die Dynamik des Außenhandels nahm zwar zu Importe und Exporte stiegen allerdings übertraf das Wachstum der Importe dasjenige der Exporte. Dies führte zu einem deutlich negativen Beitrag des Außenhandels, der die Dynamik der deutschen Konjunktur dämpfte. Auch in anderen großen Euroraumländern fiel das Wachstum im zweiten Quartal schwach aus. In Frankreich gab es (gegenüber dem Vorquartal) ein Nullwachstum, in Spanien lag das Wachstum bei,2% und in Italien bei,3%. BIP-Prognosen für das dritte Quartal 211 liegen bei,2%; Stimmungsindikatoren deuten auf noch niedrigere Werte hin Die europäische Kommission rechnete in ihrer Interimsprognose von September mit einem BIP-Wachstum im dritten Quartal von,2%. Die jüngsten Vorlauf- und Stimmungsindikatoren sind aber zum größten Teil abwärts gerichtet und signalisieren eine weitere Verlangsamung des BIP-Wachstums im dritten Quartal. So ist der Einkaufsmanager-Index im September 211 auf 48,5 Punkte gefallen und damit wieder unter die 5-Punkte-Marke, die die Grenze zwischen Expansion und Kontraktion markiert. Der von der Europäischen Kommission veröffentlichte Economic Sentiment Indicator fiel auf den niedrigsten Stand seit mehr als einem Jahr. Auch wichtige nationale Indikatoren sind rückläufig. So sinkt beispielsweise der deutsche ifo Geschäftsklima-Index seit Februar kontinuierlich. Darüber hinaus haben sich die Aussichten für das Weltwirtschaftswachstum eingetrübt. Die Turbulenzen an den Finanzmärkten führen zu einer erhöhten Unsicherheit, die sich zunehmend auch in den Vorlaufindikatoren niederschlägt. Die im dritten Quartal sinkende Kapazitätsauslastung wird sich voraussichtlich dämpfend auf die Investitionsnachfrage auswirken. Die Prognoserevisionen im Herbst standen alle im Zeichen von Abwärtsrevisionen. Für das laufende Jahr rechnen die Experten der EZB (September-Prognose) mit einem Wirtschaftswachstum zwischen 1,4 und 1,8%. Dies entspricht einer Abwärtsrevision gegenüber der Frühjahrsprognose von etwa,3 Prozentpunkten. Im Jahr 212 soll die Wirtschaft um,4% bis 2,2% wachsen. Innerhalb dieser Intervalle liegen sowohl die September-Prognose des IWF als auch der September-Consensus Forecast, die mit einem BIP-Zuwachs von 1,6% bzw. 1,7% im laufenden Jahr und mit 1,1 bzw. 1,% im Jahr 212 rechnen. Statistisch bedingter Anstieg der Inflationsrate im September Nachdem die HVPI-Inflationsrate im August noch bei 2,5% gelegen hatte, stieg sie für den Euroraum im September dieses Jahres auf 3,%. Der Anstieg war teilweise erwartet worden und ist zu einem großen Teil auf statistisch-technische Effekte einer Umstellung der Erfassungsmethoden saisonaler Güter im HVPI (mit Auswirkungen in Deutschland, Italien, Griechenland, Luxemburg, Cypern und Portugal) sowie auf die Erhöhung der Mehrwertsteuer in Italien zurückzuführen. Die relativ hohen Inflationsraten der vergangenen Monate spiegeln vor allem einen starken Anstieg der Rohstoffpreise wider. Es ist von zentraler Bedeutung, dass es zu keinen Zweitrundeneffekten kommt. Bisher sind derartige Effekte aber nicht zu erkennen. Nach jüngsten Schätzungen der Europäischen Kommission wird die Jahresinflationsrate des HVPI 211 zwischen 2,5 und 2,7 % liegen. Für das kommende Jahr erwarten die Experten der EZB einen raschen Rückgang des Preisdrucks und eine Jahresinflationsrate zwischen 1,2 und 2,2 %. Anhaltende Turbulenzen auf den Märkten für Staatsanleihen Die Diskussion um die Solvenz Griechenlands sorgt weiterhin für Verunsicherung und erhöhte Volatilität an den Märkten für Staatsanleihen. Nachdem die Risikoaufschläge auf griechische Staatsanleihen im Vergleich zu deutschen Bundesanleihen Anfang September auf die 7

Bericht zur wirtschaftlichen Lage Oktober 211 neue Rekordmarke von über 2.2 Basispunkten gestiegen waren, stabilisierte sich die Entwicklung zuletzt auf hohem Niveau. Auch die Risikoaufschläge von Portugal und Irland sind einer erhöhten Volatilität ausgesetzt, allerdings sinkt ihre Korrelation mit der Entwicklung der Risikoaufschläge auf griechische Staatsanleihen deutlich. Dies lässt vermuten, dass die Situation in Griechenland an den Märkten zunehmend als isolierter Ausnahmefall interpretiert wird. Nach durchwegs positiven Nachrichten aus Irland sanken die Risikoaufschläge auf irische Staatsanleihen und pendelten Anfang Oktober um etwa 5 Basispunkte unter ihrem Rekordwert vom 14. Juli 211. Positive Nachrichten kamen auch aus Belgien, wo nach langen und zähen Verhandlungen eine Regierungskoalition in Aussicht ist, die in der Lage ist, dringend notwendige Strukturreformen in Angriff zu nehmen. Die zunehmenden Diskussionen um die italienische Regierung hatten allerdings zuletzt zu einem Ansteigen der Risikoaufschläge auf italienische Staatsanleihen geführt. Seit 24. August 211 sind die Risikoaufschläge auf italienische Staatsanleihen höher als jene auf spanische. Die Ratingagentur Fitch senkte am 7. Oktober 211 das Rating für Italien um eine Stufe auf A+. Zeitgleich wurde das Rating für Spanien sogar um zwei Stufen auf AAgesenkt. USA Die Konjunkturerholung schwächt sich ab; nachlassende Dynamik des Konsums Die wirtschaftliche Dynamik in den USA verlangsamte sich seit Anfang 211. Die BIP- Wachstumsraten fielen mit +,4% (geg. dem Vorquartal, annualisiert) im ersten Quartal 211 bzw. mit +1,3% im zweiten Quartal unerwartet schwach aus. Das Wachstum im zweiten Quartal wurde vor allem von den Investitionen und dem Export getragen. Der Wachstumsbeitrag des privaten Konsums fiel deutlich schwächer aus als im ersten Quartal, insbesondere als Folge der hohen Energiepreise. Die Entwicklung der Lagerbestände wirkte sich dämpfend auf das BIP-Wachstum aus. Angesichts dieser Entwicklung hat der IWF im September 211 seine BIP-Prognose für die USA im Vergleich zur Juni-Prognose deutlich nach unten revidiert (211: um 1, Prozentpunkt auf +1,5%, 212: um,9 Prozentpunkte auf +1,8%). Wachstumsbeitrag der Komponenten des realen BIP in den USA saisonbereinigt und annualisiert in %-Punkten 6 4 2-2 -4-6 -8-1 26q1 26q3 27q1 27q3 28q1 28q3 29q1 29q3 21q1 21q3 211q1 Quelle: BEA. private Konsumausgaben Lagerveränderungen Öff.Konsum-u.Invest.Ausgaben Anlageinvestitionen Nettoexporte Bruttoinlandsprodukt 8

Bericht zur wirtschaftlichen Lage Oktober 211 Der Großteil der Vorlaufindikatoren signalisiert eine Fortsetzung der schwachen Konjunkturerholung Vorlaufende Konjunkturindikatoren signalisieren, dass sich die Wachstumsschwäche im zweiten Halbjahr 211 fortsetzen wird. Der Einkaufsmanagerindex für die Industrie stieg zwar im September geringfügig nach einem Rückgang im August, der Anstieg zählt jedoch zu den schwächsten in den vergangenen beiden Jahren und das Niveau des Index (51,6%) deutet auf einen nur mäßig wachsenden Industriesektor. Die Stimmung im Dienstleistungssektor verschlechterte sich zuletzt. Das Konsumentenvertrauen war über den Sommer stark rückläufig, erholte sich im September 211 leicht und fiel Anfang Oktober erneut. Positiv entwickelte sich im August der Index der leading indicators des Conference Board (+,3%). Die Einzelhandelsumsätze stiegen im September unerwartet kräftig (+1,1%), dennoch lagen sie im dritten Quartal angesichts der Schwäche im Juli und im August unter dem Wert im zweiten Quartal. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt bleibt angespannt Die Wachstumsschwäche belastet auch den Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenquote liegt seit Mai 211 knapp über 9% und fiel damit von ihrem Höhepunkt von 1,1% (Oktober 29) erst um etwa 1 Prozentpunkt. Im September kam es zu einem unerwartet kräftigen Zuwachs der Beschäftigten außerhalb der Landwirtschaft. Dafür verantwortlich war unter anderem das Ende des Streiks bei einer großen US-Firma. Der Stellenaufbau von durchschnittlich 96. Personen pro Monat in den vergangenen sechs Monaten liegt deutlich unter dem in einer wirtschaftlichen Erholungsphase üblichen Niveau und reicht nicht aus, die Arbeitslosenquote zu senken. Zur Belebung des Arbeitsmarktes hat Präsident Obama am 8. September ein neues Konjunkturpaket über 447 Mrd USD (rd. 3% des US-BIP; das erste Paket aus dem Jahr 29 belief sich auf rd. 8 MRD USD) vorgestellt, das grossteils 212 wirksam werden soll. Kernstücke sind die Verlängerungen des Lohnsteuernachlasses und der Arbeitslosenhilfe sowie Steuernachlässe für Arbeitgeber, die neue Arbeitsplätze schaffen. Eine überparteilich besetzte Kommission soll die Gegenfinanzierung dieser Mehrausgaben und Steuerentlastungen sicherstellen. Die Zustimmung der Republikaner ist noch ungewiss. Der IWF unterstützt Obamas Plan, kurzfristig die Konjunktur zu stimulieren und erst mittelfristig den Staatshaushalt zu sanieren. Weiterhin problematische Lage auf dem Markt für Wohnimmobilien Die Lage auf dem Immobilienmarkt ist unverändert schwierig. Die Immobilienpreise (gemessen am S&P/Case-Shiller-Index) waren im Juli 211 wie bereits in den Monaten davor - unverändert. Für die kommenden Monate bestehen weiterhin Abwärtsrisiken, vor allem als Folge der niedrigen Zahl an Hausverkäufen, der immer noch hohen Anzahl der Zwangsvollstreckungen, strikter Vergabebedingungen für Hypothekarkredite, der sinkenden verfügbaren Einkommen und der gestiegenen Sparquote. Anstieg der Inflation; US-Notenbank belässt Leitzinssatz unverändert, beschließt jedoch weitere unkonventionelle Maßnahmen Getrieben von höheren Energiepreisen, stieg die jährliche VPI-Inflationsrate im August 211 auf 3,8%. Die Kerninflation weist seit Anfang 211 eine steigende Tendenz auf, zuletzt belief sie sich auf 2,% (August). Dennoch beließ die US-Notenbank die Federal Funds Rate auch bei ihrer jüngsten Sitzung am 21. September 211 unverändert bei -,25%. Sie befindet sich nunmehr seit bald drei Jahren auf diesem Niveau. Zur Unterstützung der Konjunktur hat die Fed bereits im August 211 angekündigt, die Nullzinspolitik bis mindestens Mitte 213 9

Bericht zur wirtschaftlichen Lage Oktober 211 fortzusetzen. Da die US-Notenbank die konventionellen Instrumente weitgehend ausgeschöpft hat, verwendet sie diese ungewöhnliche Festlegung, um die Erwartungen zu steuern. Bei ihrem Treffen am 2. und 21. September 211 entschloss sich die Fed zu einer weiteren unkonventionellen Maßnahme. Bis Ende Juni 212 wird die Fed langfristige Anleihen im Wert von 4 Mrd USD kaufen und gleichzeitig kurzfristige Anleihen im gleichen Ausmaß verkaufen, sodass die Notenbankbilanz unverändert bleibt. Ziel dieser in den 196er-Jahren unter dem Begriff Operation Twist erstmals erprobten Maßnahme ist es, die langfristigen Zinsen zu senken. Die Wirksamkeit könnte in etwa jener des inzwischen ausgelaufenen zweiten Anleiheankaufprogramms (QE2) in Höhe von 6 Mrd USD entsprechen. Beide Maßnahmen die langfristige Festlegung der Zinspolitik und der Operation Twist sind nicht unumstritten. In beiden Fällen sprachen sich bei der FOMC-Sitzung drei der zehn stimmberechtigten Mitglieder gegen die Maßnahme aus. Einen derart großen Dissens hat es seit 1992 nicht mehr gegeben. Asien Japans Wirtschaft wächst schwächer als erwartet In Japan schrumpfte die Wirtschaft im 2. Quartal 211 deutlich stärker als von der ersten offiziellen Schätzung erwartet (-2,1% statt -1,3% im Vergleich zum Vorjahresquartal, bzw. -,5% statt -,3% im Vergleich zum Vorquartal). Dieser Einbruch ist mit der Erdbebenkatastrophe zu erklären. Die Ausfuhren gingen zurück, da die Exporteure aufgrund unterbrochener Lieferketten - insbesondere in der Autoindustrie eingeschränkt wurden. Im August 211 war das Exportwachstum das erste Mal seit dem Erdbeben wieder positiv (+2,8%), lag jedoch deutlich hinter den Erwartungen. Für das Gesamtjahr 211 rechnet der IWF in seiner Herbstprognose mit einem Rückgang des BIP um,5%, 212 könnte die japanische Wirtschaft bereits um 2,3% wachsen. Wechselkurs des Yen 3.1.211 bis 7.1.211 86 125 84 82 12 8 115 78 82,88 76 11 74 15 72 117,1 7 1 3.1.211 3.2.211 3.3.211 3.4.211 3.5.211 3.6.211 3.7.211 3.8.211 3.9.211 3.1.211 JPY / USD JPY / EUR (rechte Achse) Quelle: Thomson Reuters. Zur Finanzierung der Wiederaufbaumaßnahmen hat die neue Regierung ein drittes, zusätzliches Budget vorgelegt. Gleichzeitig berücksichtigt der Budgetentwurf Mittel zur 1

Bericht zur wirtschaftlichen Lage Oktober 211 Abfederung der negativen Effekte der Yen-Aufwertung sowie Mittel für die Pensionskasse. Mit einer Staatsverschuldung von über 2% ist der fiskalische Spielraum jedoch gering. Es sind umfassende Steuererhöhungen ab 213 vorgesehen. Gleichzeitig sollen auch Einnahmen durch den Verkauf von Staatsanteilen an Unternehmen generiert werden. Der IWF rät zu einer Erhöhung der Konsumsteuer, was von der Regierung jedoch ausgeschlossen wird. Als erster Schritt muss nun für dieses Zusatzbudget eine politische Mehrheit gefunden werden. Als Sofortmaßnahme gegen die starke Währung hat die japanische Regierung den Fonds für Währungsinterventionen aufgestockt. Die Mittel sollen verwendet werden, um gegen Spekulanten vorzugehen. Gleichzeitig müssen Banken und Handelshäuser bis Dezember 211 mehr Daten über ihre Devisen-Positionen bereitstellen. China: Leichter Wachstums- und Inflationsrückgang Chinas Wirtschaftswachstum hat sich im 2. Quartal 211 leicht auf 9,5% abgekühlt. Für 211 rechnet der IWF mit einem Wachstum von 9,5%, 212 mit 9,%. Die Wachstumsabschwächung ist auf die restriktivere Geldpolitik und eine schwächere Exportnachfrage zurückzuführen. Die Wirtschaftsentwicklung wird getrieben von der starken Investitionstätigkeit (über 4% des BIP) und könnte zum Aufbau von großen Überkapazitäten führen. Die Inflation ist im August 211 geringfügig auf 6,2% zurückgegangen (Juli 211: 6,5%). Seit Herbst 21 wurde mit Leitzinserhöhungen und Anhebungen der Mindestreservesätze versucht, die Preissteigerung einzudämmen. Die privaten Haushalte erwarten nach wie vor stark steigende Preise. Laut Umfrage der People s Bank könnte sich das mit sinkender Kapazitätsausnutzung, nachlassender Nachfrage und steigenden Lagerbeständen jedoch bald ändern. 11

Bericht zur wirtschaftlichen Lage Oktober 211 EU-Mitgliedstaaten in Zentral-, Ost- und Südosteuropa 3 OeNB-BOFIT-Prognose für ausgewählte Länder Zentral-, Ost- und Südosteuropas: Nachlassende Auslandsnachfrage dämpft Wachstum 4 Mit der Verschlechterung des außenwirtschaftlichen Umfelds wird sich das Wirtschaftswachstum in der CEE-7-Region 5 den aktuellen Projektionen zufolge verlangsamen (Redaktionsschluss 29. September 211). Die Wachstumsraten von 2,8% im Jahr 211 und 2,5% im Jahr 212 bedeuten zwar bereits eine Abwärtskorrektur gegenüber der Märzprognose, beruhen jedoch nach wie vor auf einer aus heutiger Sicht eventuell noch zu optimistischer Annahme über das Euroraumwachstum von etwas über 1,5% 211 und leicht darunter im Jahr 212. Würde man das Wachstum im Euroraum im Jahr 212 um 1 Prozentpunkt niedriger annehmen, so ergäbe sich für die CEE-7 Region ein moderateres Wachstum des BIP von 1,9% im Jahr 212. Der Wachstumsbeitrag der Auslandsnachfrage wird sich über den Prognosehorizont verringern, bleibt jedoch die treibende Kraft hinter dem Wirtschaftswachstum in der Region. Die Inlandsnachfrage wird in allen Ländern leicht anziehen, in Ungarn aber im negativen Bereich bleiben. Polen, die größte Volkswirtschaft der Region, bildet weiterhin sowohl hinsichtlich der Wachstumsrate als auch in Bezug auf die wichtigsten Wachstumsimpulse (die in Polen von der Inlandsnachfrage ausgehen) eine Ausnahme. In Russland war das Wirtschaftswachstum in der ersten Jahreshälfte 211 schwächer als prognostiziert. Aus diesem Grund wurde die Prognose für das BIP-Wachstum nach unten korrigiert, und zwar auf 4,4% sowohl für 211 als auch für 212. In Kroatien wird der moderate Aufschwung in der zweiten Jahreshälfte 211 für ein BIP-Wachstum von lediglich,4% für das Gesamtjahr sorgen; 212 wird dank einer stärkeren Binnennachfrage mit einer leichten Beschleunigung auf 1,3% gerechnet. Im Jahr 211 ist wieder in allen Ländern der CEE-7-Region mit positiven und einheitlicheren Wachstumsraten zwischen 1,5% (Ungarn und Rumänien) und knapp 4% (Polen) zu rechnen. Lediglich in Litauen wird das Wachstum mit 6% dynamischer ausfallen. Das Wachstum wird 211 breiter fundiert sein und im Großteil der Länder weiterhin von der Auslandsnachfrage getragen werden. Die positive Entwicklung der Investitionen und die vorsichtige Belebung des privaten Konsums in allen Volkswirtschaften außer Ungarn sind ein Anzeichen für eine Trendumkehr bei der Wachstumsstruktur. Ab 212 wird die Binnennachfrage der wichtigste Wachstumsmotor in der gesamten Region (mit Ausnahme Ungarns) sein, wobei die wichtigsten Komponenten der Inlandsnachfrage allerdings ihre Wachstumsspitze bereits 211 erreichen. Die Risiken für das Wirtschaftswachstum sind eindeutig nach unten gerichtet. So könnte das Wachstum im Euroraum deutlich schwächer als angenommen ausfallen, und über den Bankenund den Finanzmarktkanal könnten sich zusätzliche erhebliche Ansteckungsrisiken ergeben. 3 Autor: Julia Wörz (Abteilung für die Analyse wirtschaftlicher Entwicklungen im Ausland) 4 Die OeNB und das Bank of Finland Institute for Economies in Transition (BOFIT) erstellen halbjährlich eine Prognose über die Wirtschaftsaussichten ausgewählter zentral-, ost- und südosteuropäischer (CESEE) Länder (Bulgarien, Polen, Rumänien, die Tschechische Republik und Ungarn sowie Russland und Kroatien; CEE-7). Diese Prognose basiert auf einer breiten Palette verfügbarer Informationen, einschließlich länderspezifischer Zeitreihenmodelle für Bulgarien, Kroatien, Polen, Rumänien, die Tschechische Republik und Ungarn (technische Einzelheiten der Modelle sind folgender Studie zu entnehmen: Crespo Cuaresma, Feldkircher, Slacík und Wörz, 29. Simple but Effective: The OeNB s Forecasting Model for Selected CESEE Countries. Focus on European Economic Integration Q4/9. 84 95). Die Projektionen für Russland wurden vom BOFIT auf Basis eines SVAR- Modells erstellt. Redaktionsschluss für alle Projektionen ist der 29. September 211. 5 Bulgarien, die Tschechische Republik, Lettland, Litauen, Ungarn, Polen und Rumänien. 12

Bericht zur wirtschaftlichen Lage Oktober 211 CEE-7: Wachstumsimpulse der Auslandsnachfrage schwinden Im ersten Quartal 211 zog das Wirtschaftswachstum in der CEE-7-Region mit,8% (saisonbereinigt) stärker als im Vorquartal (,5%) an, um sich im zweiten Quartal 211 wieder abzuschwächen (,6% im Vergleich zum Vorquartal). In den letzten Monaten haben sich die Unsicherheiten im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung in der CEE-7-Region deutlich verstärkt. Auf Basis der Euroraumprognose des IWF vom September 211 wird für die Region mit einem Wachstum von 2,8% im Gesamtjahr 211 gerechnet, d.h. die Prognose von März wurde zurückgenommen. Obwohl Polen die größte Volkswirtschaft der Region 211 im Vergleich zum Vorjahr keine Steigerung der Wachstumsdynamik verzeichnen wird, bleibt es der Wachstumsmotor der Region. In allen CEE-7-Ländern mit Ausnahme Polens und der Tschechischen Republik wird sich das Wachstum 211 beschleunigen. In der Tschechischen Republik bremst das Sparpaket die Wachstumsdynamik, während in Polen das Investitionswachstum nach dem Boom an öffentlichen Investitionen vor den letzten Wahlen nachlassen wird. Aufgrund des sich rasch verschlechternden außenwirtschaftlichen Umfelds und der steigenden Unsicherheit hinsichtlich bestimmter Entwicklungen im Euroraum ist damit zu rechnen, dass die Wachstumsraten in CEE-7 weit unter den vor der Krise verzeichneten Werten bleiben werden und der Aufholprozess nur langsam wieder in Gang kommen wird. 212 wird sich das Wirtschaftswachstum in der Region unter den gegebenen Annahmen auf 2,5% abschwächen. Verantwortlich dafür werden in erster Linie die zentraleuropäischen Länder sein; Bulgarien und Rumänien werden hingegen weiterhin BIP-Zuwächse verzeichnen, wobei die entscheidenden Wachstumsimpulse von der Binnennachfrage und dabei wiederum vom privaten Konsum ausgehen werden. In Ungarn wird einzig die Auslandsnachfrage für Wachstumsimpulse sorgen, doch auch diese wird 212 im Vergleich zu 211 nachlassen. Der Wachstumsbeitrag der Nettoexporte verringert sich in der gesamten Region mit Ausnahme Polens. Gleichzeitig erhöht sich der Anteil der Inlandsnachfrage am BIP-Wachstum in allen Ländern außer in Polen, wo diese Komponente auf einem relativ hohen Niveau verharrt. In Ungarn bleiben die Binnennachfrage und insbesondere der private Konsum gedämpft, sodass ihr Gesamtbeitrag zum Wachstum weiterhin leicht negativ sein wird. Die restriktiven und unsicheren Finanzierungsbedingungen, verhaltene Investitionstätigkeit und Unsicherheiten in Bezug auf Kapitalzuflüsse werden 212 in der gesamten Region die Konjunktur zusätzlich zum sich abschwächenden externen Umfeld belasten. 13

Bericht zur wirtschaftlichen Lage Oktober 211 Die Risiken für die aktuellen Projektionen sind eindeutig nach unten gerichtet. Eine weitere und möglicherweise beträchtliche Abschwächung der Auslandsnachfrage infolge der zunehmenden wirtschaftlichen und finanziellen Spannungen im Euroraum wurde bei den Berechnungen nicht berücksichtigt. Sollte das Wirtschaftswachstum im Euroraum geringer ausfallen oder gar stagnieren würden sich stark negative Auswirkungen auf die CEE-7 über Handels- und Wertschöpfungsketten zusätzlich zu Ansteckungsrisiken über den Finanzsektor und das Bankensystem ergeben. Darüber hinaus besteht weiterhin Unsicherheit dahingehend, wie am besten auf den bestehenden und möglicherweise zusätzlichen Budgetkonsolidierungsbedarf in der Region reagiert werden sollte. Die Stimmung der Investoren hinsichtlich der CEE-7-Region blieb auch im Zuge der Staatsschuldenkrisen in Südeuropa eher positiv. Die jüngste Hinaufstufung von Bulgarien, Rumänien und der Tschechischen Republik im Juli und August 211 (in Bezug auf das Rating ihrer langfristigen auf Fremdwährung lautenden Staatsanleihen) sowie die Verbesserung der Rating-Aussichten für Ungarn, Lettland und Litauen zwischen Mai und August stellen zwar gewisse Aufwärtsrisiken dar, sind allerdings auch ein Zeichen für die eher rückwärts gerichtete Perspektive dieser Ratings und könnten daher nicht schlagend werden. Russland: Vergleichsweise starkes Wachstum lässt nach Mit einem Wirtschaftswachstum von 3,7% im ersten Halbjahr 211 verlor in Russland der Aufschwung gegenüber dem Vorjahr an Dynamik. Nach einem schwachen zweiten Quartal wird das Wachstum im zweiten Halbjahr 211 auch dank der nachlassenden Inflation wieder anziehen. Das für das Gesamtjahr 211 prognostizierte BIP-Wachstum von 4,4% wird auch durch die Investitionstätigkeit gestützt. Diese sollte mit der Schließung der Produktionslücke an Dynamik gewinnen. Die Aufstockung der Lager dürfte sich 211 fortsetzen. Das BIP-Wachstum dürfte sich unter der Annahme, dass der Ölpreis im Prognosezeitraum nicht weiter ansteigt, allerdings voraussichtlich bald abschwächen. Die BIP-Jahreswachstumsrate wird auch 212 bei 4,4% liegen. Die bestimmenden Faktoren sind hierbei das 211 zum Teil niedrige BIP (ein weiterer Basiseffekt), die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge im Jahr 212 und die Erhöhung der öffentlichen Ausgaben im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen. Der private Konsum dürfte markant anziehen und der wichtigste Wachstumstreiber bleiben. Mit dem schrittweisen Rückgang der Arbeitslosigkeit von einem bereits relativ niedrigen Niveau sollten die Löhne im privaten Sektor kräftig ansteigen. Auch bei den Konsumentenkrediten ist ein weiteres Anziehen zu erwarten. Da die Regierung im Vorfeld der Wahlen bereits eine Anhebung der Ausgaben des Gesamtstaates um rund 6% (real) plant, wird auch der öffentliche Konsum 212 ansteigen. Bei den Anlageinvestitionen wird 212 mit dem Erreichen von Kapazitätsauslastungsraten wie vor dem Einbruch eine Erholung erwartet. Die Aufstockung der Lagerbestände sollte 212 weitgehend abgeschlossen sein, und das Exportwachstum eher verhalten ausfallen. Die vorliegende Prognose beruht auf der Erwartung, dass die Weltwirtschaft und der Welthandel in den nächsten Jahren weiterhin kräftig wachsen werden und der Ölpreis (Brent) nur leicht unter sein derzeitiges Niveau von durchschnittlich rund 11 USD fallen wird. Eine Reihe verschiedener hauptsächlich nach unten gerichteter Risiken belasten diese Prognose. Verwerfungen und Wachstumsrückschläge auf globaler Ebene könnten den Preis von Öl und anderen russischen Exportrohstoffen drücken und damit auch einen Rückgang der Exporte auslösen. Neuerlich aufkeimende Risikoaversion könnte umgehend die Kapitalflüsse nach und aus Russland beeinträchtigen. Darüber hinaus könnten sich Unsicherheiten in den 14

Bericht zur wirtschaftlichen Lage Oktober 211 fortgeschrittenen Volkswirtschaften negativ auf das Konsumentenvertrauen in Russland auswirken. Eine neuerliche Teuerungswelle bei Lebensmitteln würde die Konsumentennachfrage deutlich bremsen (der VPI setzt sich zu fast 4% aus Nahrungsmittelpreisen zusammen). Allfällige Unsicherheiten im In- oder Ausland (u.a. im Vorfeld der Wahlen) könnten die Belebung der Investitionstätigkeit weiter verzögern. Das Importwachstum könnte stärker als prognostiziert ausfallen, z.b. wenn die reale Aufwertung des Rubels die Erwartungen übersteigt. Kroatien: Anhaltende Erholung der Inlandsnachfrage Die langsame Erholung der wirtschaftlichen Entwicklung lässt für Kroatien 211 ein Gesamtjahreswachstum von,4% erwarten. Das bereits 29 und 21 verzeichnete Wachstumsmuster wird sich auch 211 fortsetzen: Die Inlandsnachfrage liefert einen negativen, die Nettoexporte einen positiven (wenngleich etwas niedrigeren als in den letzten Jahren) Wachstumsbeitrag. Der private und der öffentliche Konsum sollten in der zweiten Jahreshälfte im Zuge der im Dezember 211 stattfindenden Parlamentswahlen etwas an Dynamik gewinnen. Gleichzeitig dürfte die Lageraufstockung die schwache Investitionstätigkeit etwas wettmachen. Eine recht gute Sommersaison im Tourismus wird im dritten Quartal 211 voraussichtlich die Exportentwicklung stützen; angesichts des durch Basiseffekte verursachten Einbruchs der Exporte im ersten Quartal 211 wird das Exportwachstum 211 insgesamt aber negativ ausfallen. Aufgrund des noch stärkeren Rückgangs der Importe wird der Wachstumsbeitrag der Nettoexporte dennoch positiv bleiben. Das BIP-Wachstum wird sich 212 vor allem dank einer Belebung der Binnennachfrage auf 1,3% beschleunigen. Der Konsum wird sich jedoch weiterhin verhalten entwickeln. Die öffentlichen Ausgaben werden vor allem durch den nach dem Wahljahr 211 zu erwartenden steigenden Budgetkonsolidierungsbedarf zurückgefahren werden. Gleichzeitig dürfte der private Konsum etwas anziehen. Dies ist einerseits der sich abzeichnenden Verbesserung der Arbeitsmarktlage zuzuschreiben und andererseits auf staatliche Unterstützung für Schuldner mit aushaftenden Schweizer Frankenkrediten zurückzuführen, die sich positiv auf die finanzielle Lage der Haushalte auswirken wird. Die Bruttoanlageinvestitionen werden 212 zunehmen, nachdem in den vergangenen drei Jahren ein beträchtlicher Rückgang verzeichnet worden war. Der Anstieg ist in erster Linie im Zusammenhang mit den allmählich zunehmenden Direktinvestitionszuflüssen im Vorfeld des EU-Beitritts 213 zu sehen. Angesichts eines schwächeren globalen Umfelds wird 212 voraussichtlich nur ein sehr schwaches Exportwachstum zu verzeichnen sein. Gleichzeitig wird die vom Investitionswachstum getragene Erholung der Inlandsnachfrage auch zu einem Anziehen des Importwachstums beitragen, sodass der positive Beitrag der Nettoexporte zum BIP-Wachstum weiter sinken wird. 15

Bericht zur wirtschaftlichen Lage Oktober 211 Österreichs Wirtschaft stagniert in der zweiten Jahreshälfte 211 6 Erste vollständige Veröffentlichung der VGR-Daten für das zweite Quartal 211 Die österreichische Wirtschaft ist laut erster Veröffentlichung der Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) im zweiten Quartal 211 um,7% gegenüber dem Vorquartal gewachsen (real, saison- und arbeitstätig bereinigt). Damit verzeichnete die österreichische Wirtschaft ein deutlich stärkeres Wachstum als der Euroraum (+,2%) und Österreichs wichtigster Handelspartner Deutschland (+,1%). Tabelle 1: Wachstumsraten für das BIP und die Nachfragekomponenten (real, saison- und arbeitstägig bereinigt, im Vergleich zur Vorperiode) BIP Privater Konsum Öffentlicher Konsum Bruttoanlageinvestitionen Exporte Importe Inländische Nachfrage (ohne Lager) Nettoexporte Lager Statistische Diskrepanz Veränderung zur Vorperiode in % Wachstumsbeiträge zum BIP in Prozentpunkten 21Q1 -.9 2..5..4.8 1.2 -.2-1.6 -.3 21Q2 1.4 -.8 -.5.6 5.6 5.1 -.4.6 1.3 -.1 21Q3 1.4 1.7 -.1 2.1 2.1 3.2 1.3 -.4.4.1 21Q4.6 -.4 -.2 1.8.7 -.3.1.6.4 -.4 211Q1.8 -.4.6 1.3 3.1 3.6.2. -.5 1.2 211Q2.7.4.8.9.1.3.5 -.1 1. -.8 28 1.4.8 4.4.6 1.3. 1.4.8 -.5 -.3 29-3.8 -.2.4-8.3-14.3-13.9-1.8-1.2 -.9.1 21 2.3 2.2 -.2.1 8.3 8. 1.2.7.5. Quelle: WIFO, eigene Berechnungen OeNB. Die Analyse der aktuellen VGR-Daten wird durch methodische Umstellungen erschwert. Aufgrund dieser Umstellungen sind die aktuellen VGR-Daten nun deutlich volatiler als in der Vergangenheit. Eine Betrachtung der Nachfragekomponenten für das zweite Quartal 211 zeigt, dass im Gegensatz zur ersten VGR-Schnellschätzung laut aktueller Veröffentlichung die Außenhandelstätigkeit nicht mehr die wichtigste Konjunkturstütze war. Die Exporte sind infolge der globalen Wachstumsabschwächung beinahe stagniert. Die Investitionstätigkeit blieb hingegen lebhaft, auch wenn sich die Dynamik etwas abgeschwächt hat. Das Wachstum des privaten Konsums drehte nach zwei negativen Quartalen wieder ins Plus. Angesichts des volatilen Musters einzelner Nachfragekomponenten und der hohen statistischen Diskrepanz sollten aber einzelne Quartalswerte nicht überinterpretiert werden. Markante Konjunkturabkühlung zur Jahresmitte Ergebnisse des OeNB- Konjunkturindikators vom Oktober 211 Der kräftige Konjunkturaufschwung ist zur Jahresmitte relativ abrupt zu Ende gegangen; in der zweiten Jahreshälfte wird die österreichische Wirtschaft stagnieren. Die Ergebnisse des OeNB-Konjunkturindikators zeigen für das dritte und vierte Quartal 211 ein Wachstum des realen BIP von,1% bzw.,% an (saison- und arbeitstägig bereinigt, im Vergleich zum Vorquartal). Zu den Gründen für die erwartete Wachstumsabschwächung zählen 6 Autor: Gerhard Fenz (Abteilung für volkswirtschaftliche Analysen) 16

Bericht zur wirtschaftlichen Lage Oktober 211 Vertrauensverluste aufgrund der ungelösten Schuldenkrise, die globale Wachstumseintrübung, eine schwache Binnenkonjunktur und das Auslaufen zyklischer Wachstumsimpulse. Die Unsicherheit über die weitere globale Entwicklung hat zu einem Vertrauensverlust der Unternehmen und Konsumenten geführt. In Österreich signalisiert beispielsweise der BA Einkaufsmanager-Index eine Stagnation der Industrie ab der Jahresmitte 211. Auch die Auftragseingänge sowohl aus dem In- als auch aus dem Ausland werden von den österreichischen Unternehmen deutlich schlechter eingestuft als noch zuletzt und liegen inzwischen wieder unter dem langjährigen Durchschnitt. Tabelle 2 Kurzfristprognose für das reale BIP in Österreich für das dritte und vierte Quartal 211 (saison- und arbeitstägig bereinigt) 29 21 211 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Veränderung zum Vorjahresquartal in % -5. -5.6-3.9 -.7.4 2.8 3.6 2.5 4.3 3.5 2.2 1.6 Veränderung zum Vorquartal in % -1.9 -.9.6 1.6 -.9 1.4 1.4.6.8.7.1. Veränderung zum Vorjahr in % -3.8 2.3 2.9 Quelle: OeNB - Ergebnisse des OeNB-Konjunk turindik ators vom Ok tober 211, Eurostat. In der Exportwirtschaft ist die Wachstumsabschwächung bereits spürbar. Das Wachstum der nominellen Güterexporte ist bereits im zweiten Quartal deutlich zurückgegangen und ist gemäß den aktuellen Ergebnissen des OeNB-Exportindikators vom Oktober 211 im dritten Quartal 211 bei nur mehr,8% (saisonbereinigt, im Vergleich zum Vorquartal) gelegen (siehe unten für Details). Auch für die Inlandsnachfrage haben sich die Wachstumsaussichten deutlich eingetrübt. Angesichts des tiefen Einbruchs im Zuge der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise ist die Erholung der Investitionstätigkeit während des Aufschwungs viel zu schwach geblieben, um zu einer nachhaltigen Konjunkturstütze zu werden. Das niedrige Investitionsniveau lässt vielmehr vermuten, dass die Mehrzahl der getätigten Investitionen keine Kapazitätserweiterung zum Ziel hatte, sondern nur dem Erhalt vorhandener Produktionsmöglichkeit gedient hat. Das schwächere außenwirtschaftliche Umfeld und die vor dem Hintergrund der Schuldenkrise hohe Verunsicherung der Unternehmen führen nun zu einem neuerlichen Aufschieben von Investitionsplänen. Damit werden von den beiden wichtigsten Wachstumsträgern der letzten Monate der starken Investitionskonjunktur und der regen Exporttätigkeit in der zweiten Jahreshälfte deutlich schwächere Konjunkturimpulse ausgehen; etwas aufgehellt haben sich hingegen zuletzt die Aussichten für den Hochbau. Mit dem Auslaufen des sehr ausgeprägten Lagerzyklus geht in der zweiten Jahreshälfte 211 eine wichtige zyklische Konjunkturstütze verloren. Das Verhältnis der Einschätzung Neuaufträge zu Verkaufslager ist seit drei Monaten unter dem kritischen Wert von 1 und signalisiert ein Ende des Lageraufbaus im zweiten Halbjahr 211. Vom privaten Konsum werden in den nächsten Monaten ebenfalls keine nennenswerten Konjunkturimpulse ausgehen. Trotz der erfreulichen Arbeitsmarktentwicklung im September wurde mit knapp unter 3,5 Millionen unselbstständig Beschäftigten ein neuer Beschäftigungsrekord für diesen Monat verzeichnet werden die real 17

Bericht zur wirtschaftlichen Lage Oktober 211 verfügbaren Haushaltseinkommen nur geringfügig steigen. Die erforderlichen Konsolidierungsmaßnahmen und die zuletzt hohe Inflation lassen wenig Spielraum für zusätzliche Ausgaben. Für das Gesamtjahr 211 ergibt sich aufgrund der starken wirtschaftlichen Dynamik zu Jahresbeginn aber noch ein sehr kräftiges Wachstum von 2,9%. Für das Jahr 212 müssen die Wachstumserwartungen hingegen deutlich nach unten revidiert werden. Zuletzt haben das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) und das Institut für Höhere Studien und Wissenschaftliche Forschung (IHS) ihre Prognosen für das Jahr 212 auf,8% bzw. 1,3% zurückgenommen. Die Prognoserisiken für die weitere konjunkturelle Entwicklung in Österreich sind mehrheitlich nach unten gerichtet. Dazu zählen neben globalen Ungleichgewichten die Schwäche der US-amerikanischen Wirtschaft und die weiterhin ungelösten Schuldenkrisen in einigen europäischen Peripherieländern. OeNB-Exportindikators vom Oktober 211: Trotz leichter Erholung im September nur sehr schwaches Wachstum der Güterexporte im dritten Quartal Nach dem außergewöhnlich starken Wachstum der nominellen Güterexporte im ersten Quartal 211 (5,%, saisonbereinigt, zum Vorquartal) hat sich das Wachstum im zweiten Quartal deutlich abgekühlt (1,1%). Gemäß den aktuellen Ergebnissen des OeNB- Exportindikators vom Oktober fand diese Entwicklung im dritten Quartal 211 mit einer Wachstumsrate von nur,8% eine Fortsetzung. Real bedeutet das sowohl für das zweite als auch das dritte Quartal ein geringfügig negatives Wachstum. Im Jahresabstand blieb das Wachstum der nominellen Güterexporte im dritten Quartal mit +8,1% jedoch noch deutlich im Plus, entsprach aber nur mehr dem langjährigen Vorkrisendurchschnitt von rund 8%. Tabelle 3 Ergebnisse des OeNB-Exportindikators vom Oktober 211 LKW- Fahrleistung Güterexporte, nominell LKW- Fahrleistung Güterexporte, nominell LKW- Fahrleistung Güterexporte, nominell Veränderung im Dreimonatsabstand in % Veränderung zum Vorjahr in % Saison- und arbeitstägig bereinigt Nicht arbeitstägig bereinigt 211M3 3. 7.8 6.5 21.9 4.2 2. 211M4 2.4 4.4 3. 15.1 1.6 12.4 211M5 7.4 4.1 11.1 18.2 14.6 21.9 211M6-2.7-4.8.5 5.2-2.7 2.4 211M7.9 -.5 3.3 7.6 -.3 4.5 211M8-3. -.6 5.6 9.7 6. 9.7 211M9 1.9 3.4 2.3 6.9 2.4 6.9 21Q4.5 1. 5.2 19.3 5.4 18.9 211Q1 1. 5. 5.6 21.8 6.3 23.7 211Q2 2.3 1.1 4.8 12.7 4.3 12. 211Q3 -.1.8 3.7 8.1 2.6 6.9 29-12.8-2.3-12.9-2.2 21 5. 16.4 5.1 16.7 Anm.: Fett markierte Werte sind Prognosewerte. Quelle: ASFINAG -Maut Service GmbH, Statistik Austria und OeNB 18

Bericht zur wirtschaftlichen Lage Oktober 211 Bei der Betrachtung der einzelnen Monatswerte sorgt die Entwicklung im September für einen kleinen Hoffnungsschimmer. Nach drei negativen Quartalen drehte das Wachstum im September wieder ins Plus (3,4%, saisonbereinigt, zum Vorquartal). Diese positive Entwicklung ist jedoch zum Teil dem niedrigen Vergleichswert im Juni geschuldet. Auch wenn aufgrund des volatilen Musters einzelne Monatswerte nicht überinterpretiert werden sollten, könnte die Entwicklung im September eine leichte Erholung der Exporttätigkeit im vierten Quartal signalisieren. Zum derzeitigen Zeitpunkt kann noch nicht seriös abgeschätzt werden, zu welchem Teil die Exportabschwächung eine Korrektur für das zuvor überdurchschnittliche Wachstum ist und zu welchem Teil sie bereits Folge einer neuen Krisenphase ist. Preisauftrieb in Österreich erreicht im September Dreijahreshoch Die im Jahresabstand gemessene österreichische HVPI-Inflationsrate erreichte im September 4,% (August: 3,7%) und damit den höchsten Wert seit Juni 28. Die Kerninflationsrate beschleunigte sich von 3,1% im August auf 3,3% im September. Für den Anstieg der Gesamtinflation gegenüber August waren zu etwa 2/3 Industriegüter ohne Energie (insbesondere Bekleidung und Schuhe) verantwortlich. Aber auch Energie und Nahrungsmittel wurden teurer, während sich die Inflationsentwicklung im Dienstleistungssektor etwas abschwächte. Ausgewählte Inflationsindikatoren für Österreich Veränderung zum Vorjahr in Prozent 14, 12, 1, 8, 6, 4, 2,, -2, -4, -6, -8, -1, -12, 1998 1999 2 21 22 23 24 25 26 27 28 29 21 211 Harmonisierter Verbraucherpreisindex Großhandelspreisindex Tariflohnindex Erzeugerpreisindex Großhandelspreisindex ohne Energie Verbraucherpreisindex Quelle: Statistik Austria, OeNB. Die HVPI-Jahresinflationsrate bei Industriegütern ohne Energie lag mit 2,% im September deutlich über ihrem Augustniveau (1,4%). Innerhalb des Sektors war die Teuerungsentwicklung bei Bekleidung und Schuhen am stärksten. Aber auch bei Möbel und Haushaltsgeräten wurden aufwärtsgerichtete Teuerungsraten verzeichnet, wenngleich mit einem wesentlich geringeren Effekt auf die Teuerung im Industriegütersektor ohne Energie. Im Energiesektor stieg die Inflationsrate von 1,9% im August auf 11,4% im September an. Ausschlaggebend dafür waren die zuletzt angestiegenen Rohölpreise, die sich vor allem auf die Preisentwicklung bei 19

Bericht zur wirtschaftlichen Lage Oktober 211 Treibstoffen und Heizöl auswirkten. Die Teuerung von Wärmeenergie stieg zuletzt ebenfalls aber weit moderater an, während Elektrizität und Gas in den letzten beiden Monaten stabile Teuerungsraten verzeichneten. Die Inflationsrate für Nahrungsmittel (einschließlich Alkohol und Tabak) betrug im September 211 4,3% und war damit etwas höher als im August (4,%). Vor allem bei verarbeiteten Nahrungsmitteln (insbesondere Milchprodukte) war die Inflationsentwicklung aufwärtsgerichtet. Die Preise von alkoholfreien Getränken (insbesondere Kaffee, Tee und Kakao) verzeichnen weiter zweistellige Jahreswachstumsraten, die sich zuletzt allerdings etwas abgeschwächt haben. Die Teuerungsrate im Dienstleistungssektor hat sich zuletzt etwas verringert (September: 3,7%; August: 3,9%). Wesentlichen Anteil daran hatten Pauschalreisen und Beherbergungsdienstleistungen. Beide COICOP-Gruppen waren in den ersten Monaten dieses Jahres für die rasante Aufwärtsentwicklung der Teuerung im Dienstleistungssektor verantwortlich. Entwicklung der öffentlichen Finanzen in Österreich 7 Im Herbst 211 notifizierte Österreich für 21 mit 4,4% des BIP eine etwas niedrigere Defizitquote als im März 211 (der Wert der Frühjahrs-Notifikation lag bei 4,6%). Dank einer Aufwärtsrevision des BIP liegt auch der Wert der Schuldenquote mit 71,8% des BIP etwas unter der Schätzung vom Frühjahr. Die Planwerte für 211 von 3,6% des BIP (Defizit) und 72,4% des BIP (Schuldenstand) sind optimistischer als die im Frühjahr bekannt gegebenen Werte. Im Vergleich zur Frühjahrsprognose der OeNB sind jedoch nach wie vor etwas pessimistischer. Ein Vergleich der Entwicklung der Cash-Daten des Bundes in den ersten acht Monaten dieses Jahres gegenüber dem gleichen Zeitraum des Jahres 211 signalisiert eine bessere Entwicklung im Gesamtjahr 211 als im Bundesvoranschlag (BVA) erwartet. Auf der Einnahmenseite entwickelten sich insbesondere die in den Loipersdorfer Beschlüssen erhöhte Mineralölsteuer (+11,1%), die Lohnsteuer (+7,6%) 8 und die Körperschaftsteuer (+13,3%) sehr gut. Aufgrund der derzeitigen Abkühlung der Realwirtschaft muss aber davon ausgegangen werden, dass die Jahreswachstumsraten etwas unter diesen Werten liegen werden. Gleichzeitig sind die Ausgaben des Entwicklung der Cash-Daten im Vergleich zum BVA Steuereinnahmen Cash-Daten 1 BVA 2 Lohnsteuer 3 7.6 5.7 Veranlagte Einkommensteuer 5. -6.3 Körperschaftsteuer 13.3-2.9 KeSt Dividenden 3.5 3.9 KeSt Zinsen 1.9 32.5 Mehrwertsteuer 4 3.1 5. Mineralölsteuer, Energieabgabe 1.6 1.9 Sonstige Verbrauch- und Verkehrsteuern 6.1 3. Ausgaben Kapitel 22 (Sozialversicherung) -.3 4. Kapitel 23 (Pensionen) 2.3 2.7 Sonstige Personalausgaben.8.9 Sonstige Sachausgaben (Kapitel 1-43).7 2. 1 Beobachtetete relative Veränderung in 1/211-8/211 gegenüber 1/21-8/21 2 Prognostizierte relative Veränderung in 211 gegenüber 21 3 Beobachtetete relative Veränderung in 2/211-8/211 gegenüber 2/21-8/21 4 Beobachtetete relative Veränderung in 3/211-8/211 gegenüber 3/21-8/21 Quelle: BMF. Wachstum in % 7 Autor: Lukas Reiss (Abteilung für volkswirtschaftliche Analysen) 8 Für die Berechnung des Maastricht-Defizits werden die Einnahmen aus Lohnsteuer, Normverbrauchsabgabe und Mehrwertsteuer um ein bzw. zwei Monate verschoben; deshalb verweist diese Zahl auf den relativen Unterschied zwischen Februar bis August 211 und Februar bis August 21. 2

Bericht zur wirtschaftlichen Lage Oktober 211 Bundes in den Kapiteln 1 bis 43 9 in den ersten acht Monaten von 211 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um nur,8% gestiegen; die Ausgaben im Kapitel 22 Sozialversicherung (umfasst den Großteil der Zuschüsse des Bundes an die Pensionsversicherung) gingen über diesen Zeitraum sogar um,3% zurück. 9 Die Kapitel 44 46 (Finanzausgleich, Bundesvermögen, Finanzmarktstabilität) werden exkludiert, da ein großer Teil der dort getätigten Ausgaben defizitneutral sind. Die Kapitel 51 und 58 (Kassenverwaltung und Finanzierungen, SWAP) werden hier nicht betrachtet, da aufgrund der zeitlichen Abgrenzung ( Accrual Adjustment ) sehr große Unterschiede zu den Zinsausgaben laut Maastricht bestehen können. 21

Bericht zur wirtschaftlichen Lage Oktober 211 Jüngste Entwicklungen an den Finanzmärkten 1 EZB unterstützt Liquiditätsversorgung der Banken Die Spannungen auf den Finanzmärkten bestehen zwar weiterhin, die jüngsten Maßnahmen der EZB haben jedoch zu einer spürbaren Erleichterung an den Geld- und Finanzmärkten geführt. Der dreimonatige EUR-Interbankenzinssatz stieg seit Jahresbeginn um +57 Bp. auf 157 Bp., der Übernachtzinssatz um +23 Bp. ytd auf 83 Bp. Der Spread zwischen dem Drei-Monats- Euribor und dem Drei-Monats-Übernachtzinssatz weitete sich somit auf 75 Bp. aus (+34 Bp. ytd). Der Spread zwischen dem Drei-Monats-Euribor und dem Drei-Monats-Übernachtzinssatz erreichte am 26. September 211 kurzfristig einen Höchstwert von 91 Bp. Die Einlagefazilität im Eurosystem stieg am 1. Oktober 211 auf den für dieses Jahr höchsten Wert von knapp 27 Mrd EUR an, ist zuletzt (14. Oktober 211) jedoch aufgrund der Maßnahmen der EZB auf etwa 136 Mrd EUR gesunken. Interbankenzinssätze und -spreads Einlagefazilität im Eurosystem 18 in Bp. in Bp. 1 4 in Mrd EUR 16 9 35 14 12 1 8 6 4 8 7 6 5 4 3 2 3 25 2 15 1 2 1 5 Jän.1 Apr.1 Jul.1 Okt.1 Jän.11 Apr.11 Jul.11 Okt.11 Jän.1 Apr.1 Jul.1 Okt.1 Jän.11 Apr.11 Jul.11 Okt.11 EUR 3M-OIS-Spread (rhs) EUR 3M EUR OIS Quelle: Datastream, EZB. Die EZB setzte im September und Oktober 211 mehrere Maßnahmen, um den Spannungen auf den Finanzmärkten entgegenzuwirken: Am 15. September 211 verlautbarte die EZB in Koordination mit dem Federal Reserve System, der Bank of England, der Bank of Japan und der Schweizerischen Notenbank, den europäischen Banken zusätzliche Liquidität zur Refinanzierung in US-Dollar zur Verfügung zu stellen. Diese Refinanzierungsgeschäfte haben eine Laufzeit von etwa drei Monaten und werden bis Ende dieses Jahres durchgeführt. Die Refinanzierung europäischer Banken in US-Dollar war zuletzt vor allem aufgrund der Schuldenproblematik im Euroraum erschwert gewesen. 1 Autorin: Tina Wittenberger (Abteilung für Finanzmarktanalyse). Letzte Aktualisierung am 14. Oktober 211. 22