Kontaktperson für Sexuelle Vielfalt / Diversity. Was verbirgt sich hinter der neuen Aufgabe?

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Transkript:

Kontaktperson für Sexuelle Vielfalt / Diversity Was verbirgt sich hinter der neuen Aufgabe?

Politische Ausgangslage Berliner Abgeordnetenhaus beschließt Initiative Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt (2. April 2009) (Drs. Nr. 16/2291 April 2009: Initiative Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt ) Anlass: Zahlreiche Überfälle auf Lesben, Schwule und transgeschlechtliche Personen Berliner Senat beschließt zur Umsetzung Maßnahmenplan Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt (16. Februar 2010) 2

Beschlussinhalte Schule und Jugend Themenfeld Aufklärung und Bildung stärken AH 1: Evaluation der fächerübergreifenden Umsetzung der AV 27 (Sexualerziehung) AH 2: Weiterbildung/Qualifizierung von Schlüsselpersonen und pädagogischen Fachkräften zu Diversity AH 3: Befähigung von Lehrkräften zum pädagogischen Umgang mit sexueller Vielfalt im Rahmen der Ausbildung AH 4: Aufarbeitung von Materialien / Ansprechpersonen für den Bereich sexuelle Vielfalt und Diversity AH 5: Leitbilder, Konzeptionen, Standards in Schulen und Jugendfreizeiteinrichtungen (JFE) 3

Sexuelle Vielfalt L = lesbian, lesbisch G = gay, schwul B = bisexual, bisexuell T = transgender, transgeschlechtlich I = intersexual, intergeschlechtlich queer = Menschen mit LGBTI Lebensweisen (in diesem Kontext) 5-10 % aller Menschen sind queer in jeder Klasse und jedem Kollegium sind Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die selbst LGBTI sind oder werden oder LGBTI Personen in ihrem Umfeld erleben 4

Coming-out In einer Befragung zum Zeitpunkt ihres inneren Coming-outs antworten queere Jugendliche: Sie haben es schon immer gewusst: 10 % bis 10 Jahre: 26% bis 13 Jahre: 60 % bis 15 Jahre: 85 % Transgeschlechtliche Jugendliche: Fast 20 % haben es schon immer gewusst LGBT ist direkt und indirekt bereits in der Grundschule ein Thema (Lynne Hiller et al.: Writing themselves in 3, Melbourne 2010. Stichprobe 3134 Jugendliche, Alter 14-21 Jahre) 5

Reaktionen auf das Coming-out Zwei Drittel der in einer Berliner Studie befragten queeren Jugendlichen hatten negative Reaktionen von ihrem sozialen Umfeld erlebt, die von Beschimpfungen bis zu körperlicher Gewalt reichten. (Karin Schupp: Sie liebt sie. Er liebt ihn. Berlin, 1999. Stichprobe: 217 LGB Jugendliche zwischen 15 und 28 Jahren) 6

Mögliche Folgen aufgrund der negativen Reaktionen des Umfeldes LGB Jugendliche: - Lern- und Verhaltensprobleme, Schulverweigerung - Essstörungen, Drogenkonsum, (Auto-) Aggression - Suizidneigung (Gefährdung: 4-6 Mal höher) (Sie liebt sie. Er liebt ihn. Berlin 1999. Senatsverwaltung für Schule, Jugend Sport Stichprobe 217 LGB Jugendliche, 15-27 Jahre ) Alle Kinder und Jugendlichen: - Angst vor Ausgrenzung, Beschränkung des eigenen Handlungsspielraums, Abwertung von Vielfalt Pädagogische Fachkräfte: - Unsicherheit im Umgang mit LGBTI-Themen 7

Verhalten von Schüler_innen In den vergangenen 12 Monaten haben - mindestens ein Mal das Wort schwul oder Schwuchtel als Schimpfwort verwendet: 62% (6. Klasse) 54% (9.+10.Klasse) - über andere Personen gelästert, die für lesbisch oder schwul gehalten wurden: 49% (6. Klasse) 34% (9.+10. Klasse) (Klocke: Akzeptanz sexueller Vielfalt an Berliner Schulen. Berlin 2012. Stichprobe: 20 Schulen, 787 Schüler_innen, 27 Lehrkräfte, 12 Schulleitungen, 14 Elternvertreter_innen) 8

Verhalten von Lehrkräften Schüler_innen sagen aus, dass sie in den letzten 12 Monaten mitbekommen haben, dass die Klassenlehrkraft - sich über geschlechtsrollenuntypisches Verhalten von Jungen bzw. Mädchen lustig gemacht hat (36% bzw. 34%) - gelacht hat, als Witze über Schwule oder Lesben gemacht wurden (25%) (Klocke: Akzeptanz sexueller Vielfalt an Berliner Schulen. Berlin 2012. Stichprobe: 20 Schulen, 787 Schüler_innen, 27 Lehrkräfte, 12 Schulleitungen, 14 Elternvertreter_innen) 9

Schulische Sexualerziehung Seit 2001 existieren Hinweise zu den Rahmenlehrplänen in denen eine ganzheitliche und fächerübergreifende Sexualerziehung angestrebt wird (A V 27). Themen: - Sprache - Geschlechterrollen - Gleichgeschlechtliche Lebensweisen - Verschiedene Kulturen - Behinderung - Körper und Sexualität - Sexuelle Gewalt (Allgemeine Hinweise zu den Rahmenplänen für Unterricht und Erziehung in der Berliner Schule A V 27: Sexualerziehung, 2001) 10

Thematisierung von sexueller Vielfalt Schüler_innen sagen aus, dass sie in den letzten 12 Monaten - nicht mitbekommen haben, dass die Klassenlehrkraft mit Unterrichtsmaterialien gearbeitet hat, in denen auch Lesben oder Schwule vorkommen (78 %) - nicht mitbekommen haben, dass die Klassenlehrkraft jemals gesprochen hat über - Lesben (64%) - Schwule (66%) - Bisexuelle (86%) - Transsexuelle (86%) (Klocke: Akzeptanz sexueller Vielfalt an Berliner Schulen. Berlin 2012. Stichprobe: 20 Schulen, 787 Schüler_innen, 27 Lehrkräfte, 12 Schulleitungen, 14 Elternvertreter_innen) 11

Einfluss der Lehrkräfte Schüler_innen verhalten sich umso diskriminierender je häufiger sich deren Klassenlehrer_in abwertend gegenüber LGBT verhält. Je häufiger Lehrkräfte sexuelle Vielfalt im Unterricht thematisiert hatten, desto positiver waren die expliziten Einstellungen gegenüber LGBT (6. und 9./10. Klassen). (Klocke: Akzeptanz sexueller Vielfalt an Berliner Schulen. Berlin 2012. Stichprobe: 20 Schulen, 787 Schüler_innen, 27 Lehrkräfte, 12 Schulleitungen, 14 Elternvertreter_innen) 12

Einfluss der Schule Je häufiger Lehrkräfte sexuelle Vielfalt im Unterricht thematisiert hatten, desto positiver waren die expliziten Einstellungen gegenüber LGBT Bekanntheit von LGBT Lehrkräften an der Schule geht einher mit unterstützendem Verhalten gegenüber Lesben und Schwulen Wenn die Schule Mobbing in ihrem Leitbild ächtet gibt es mehr unterstützendes Verhalten von Schüler_innen, denen dies bekannt war (Klocke: Akzeptanz sexueller Vielfalt an Berliner Schulen. Berlin 2012. Stichprobe: 20 Schulen, 787 Schüler_innen, 27 Lehrkräfte, 12 Schulleitungen, 14 Elternvertreter_innen) 13

Herausforderungen für die Schule Sichtbarkeit, Thematisierung, Wertschätzung von Verhaltensweisen / Aussehen / Vorlieben / jenseits von typisch Junge / Mädchen - verschiedene Geschlechtsidentitäten (Mann, Frau, trans- und intergeschlechtliche Menschen, ) - verschiedene sexuelle Orientierungen (lesbisch, bisexuell, schwul, heterosexuell, ) Prävention und Intervention bei Diskriminierungen 14

Mögliche Aufgaben der Kontaktperson Sichtbarkeit von LGBTI unterstützen im Unterricht: Materialien und Angebote zu sexueller Vielfalt / Diversity sammeln und bekannt machen; im Schulleben: Vielfalt in den Schulräumen und auf schulischen Veranstaltungen sichtbar machen Ansprechperson sein für Fragen zum Thema LGBTI ggf. Vermittlung an weitere Beratungsinstitutionen Institutionelle Verankerung von Diversity voranbringen Schulleitbild, Schulordnung etc. Schulcurriculum Einen Prozess mit initiieren, der eine Kontaktperson für sexuelle Vielfalt überflüssig macht 15

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit und Unterstützung! 16