Unser Wissen von der Existenz Gottes in der Alltagssprache

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Transkript:

Lieferung 2 Hilfsgerüst zum Thema: Unser Wissen von der Existenz Gottes in der Alltagssprache 1. Rechtfertigung didaktischer Entscheidungen Denkwege Zu Thomas von Aquin schreibt Reinhard Löw: «Zunächst fällt auf, daß im Text zwar immer wieder die Verben probare (erweisen) und demonstrare (beweisen) erscheinen, daß die einleitenden Sätze aber nie von einer demonstratio, also einem Beweis sprechen, sondern immer von einer via, einem Weg. Thomas ist sich dessen bewußt, daß in der Frage des Daseins Gottes der abstrakte Rang eines logischen oder geometrischen Beweises weder angezielt werden kann noch angezielt werden soll. Letzteres rückt den Denker mindestens in eine arrogante Gnosis oder [... ] in die Blasphemie.» 1 eine Wahrheitsfrage Anfang: eine eigene Stellungnahme Die Auseinandersetzung mit verschiedenen Positionen. Konfrontation mit folgenden Denkern: 1 Die neuen Gottesbeweise (Augsburg: Pattloch Verlag, 1994), 72.

2 Wissen von der Existenz Gottes in Alltagssprache Thomas von Aquin (von der Veränderung her) Anselm von Canterbury (vom Gottesbegriff her; ontologisch ) Descartes (vom Gottesbegriff her) Leibniz (Kosmologischer Beweis) Immanuel Kant (Kritik an allen Gottesbeweisen) Blaise Pascal und Hans Küng (Der Glaube als Antwort auf die Frage nach der Existenz Gottes) Karl Rahner (transzendental) (eventuell: Feuerbach, Marx, Freud) (Projektionskritik) Bertrand Russell A. J. Ayer (Positivistische Sprachanalytik) Jean Paul Sartre (Existentialismus) eine Selbstverständlichkeit 2. Das Wissen von Wirklichkeit A) Es gibt Wirklichkeiten. B) Ergo gibt es die Wirklichkeit. Keine Schlußfolgerung, sondern ein Perspektivenwechsel Doppeldeutigkeit des Begriffs Wirklichkeit 1. konkret (partikular) (a) Möglichkeit (Was ist das?) (b) Verwirklichung (Ob das ist?) 2. umfassend

Wissen von der Existenz Gottes in Alltagssprache 3 (a) nicht der abstrakteste Allgemeinbegriff (b) Bewirkt-heit Es ist bezeichnend, daß das Wort Wirklichkeit aus der mittelalterlichen Theologie stammt. Wirklichkeiten sind Ereignisse. Verwirklichung Wirklichkeit Sein ist nicht der Gegensatz zum Geschehen, sondern die Geschehen-heit des Geschehens. Licht ist nicht der abstrake Allgemeinbegriff für alle Farben, sondern die Wirklich-keit der Farben. Farben sind gleichsam Ereignisse. 3. Wir leben in der Wahrheit Philosophisches Wörterbuch, hrsg. von Klaus, Georg/Buhr, Manfred (Leipzig: VEB Bibliographisches Institut, 1974), Bd. 2, 1274: Wahrheit wird definiert als Eigenschaft der Aussagen, mit dem widergespiegelten Sachverhalt übereinzustimmen. die Übereinstimmung einer Aussage mit der Sache, über die sie gemacht wird 2 Veritas est adaequatio rei et intellectus. Übereinstimmung, Angleichung, Anpassung, Referenz, Intentionalität Carl Friedrich von Weizsäcker 3 : Nun übersetze ich adaequatio umdeutend durch Anpassung. [... ] Die Adäquation ist hier nicht die Ähnlichkeit von Photographie und Objekt, sondern das Passen des Schlüssels zum Schloß. 2 Duden. Das große Wörterbuch der deutschen Sprache. 3 Aufbau der Physik (München, 1985), 211 212.

4 Wissen von der Existenz Gottes in Alltagssprache conformitas (Thomas von Aquin) (a) Die Wahrheit des Aussagesatzes Carl Friedrich von Weizsäcker: Eine Aussage ist erklärt als eine Rede, die wahr oder falsch sein kann. 4 C. F. von Weizsäcker: Warum gibt es überhaupt die prädikative Satzform? [... ] Was macht ihre logisch so fundamentale Bedeutung aus? Warum gibt es überhaupt Sätze, Begriffe, Eigennamen? 5 C. F. von Weizsäcker: Was macht eigentlich die Einheit der Satzintention aus? Beim Aussagesatz sollte uns dies am meisten wundern. 6 Die Einheit besteht nicht darin, daß Begriffe miteinander vereinigt werden. C. F. von Weizsäcker: Der Verdacht liegt heute nahe, daß umgekehrt die Eidosstruktur eine spezielle Variante der Prädikationsstruktur ist, daß z. B. Eide zeitlos gewordene Prädikate sind. 7 4 Aufbau der Physik, 212. Vgl. ders., Der Garten des Menschlichen. Beiträge zur geschichtlichen Anthropologie (München, 1977), 203. Bei der Bestimmung des Wahrheitsbegriffs ist wesentlich zu sehen, daß Wahrheit und Falschheit üblicherweise nicht einer Verhaltensnorm, sondern einer Aussage zugeschrieben werden. Ebd. Vgl. ebd., 299: Das Grundfaktum der Logik und der Grammatik ist der Satz. Er ist eine, oft in sich komplexe, Einheit. Als Einheit ist er, insoferne er Aussagesatz ist, dadurch charakterisiert, daß er als Ganzer genau einen Wahrheitswert, Wahr oder Falsch, haben kann. 5 Ebd., 295. 6 Ebd., 299. 7 Ebd., 307.

Wissen von der Existenz Gottes in Alltagssprache 5 (b) Wirklichkeitserfahrung ist selbst prädikativ, satzhaft. C. F. von Weizsäcker: Die Wahrnehmung hat selbst eine prädikative Struktur. 8 Mitwahrnehmung C. F. von Weizsäcker: Es ist die Mitwahrnehmung des Begriffs in dem, was unter den Begriff fällt, im einfachsten Beispiel also im Einzelfall. 9 Möglichkeit Wirklichkeit Duden-Grammatik: Spannung zwischen Möglichkeit und Wirklichkeit, die allen Sätzen eigentümlich ist. 10 Duden-Grammatik: Diese Aufspaltung einer zunächst nur komplexhaft wahrgenommenen besonderen Wirklichkeit in ein Etwas und in eine verhaltensmäßig geprägte Aussage über dieses Etwas ist allen unseren Sätzen eigentümlich. Erst durch die Gestaltung der Aussage schafft sich die Sprache die Möglichkeit, das gesamte Sein und Geschehen unter bestimmten Sehweisen zu bewältigen. [... ] [An den Aussagen] erkennen wir am deutlichsten den geistigen Zugriff unserer Muttersprache gegenüber dem Sein und Geschehen in der Welt. 11 Duden-Grammatik: Da durch das erste Satzglied zunächst nur das Seiende hingestellt wird, über dessen Verhalten das zweite Satzglied etwas aussagt, nennt man das erste Glied SUBJEKT [... ], das zweite Satzglied PRÄDIKAT. Das Subjekt stellt aus der Fülle der benannten wirklichen oder gedachten Dinge der 8 Ebd., 203. Die Trennung der Momente geschieht erst in der Reflexion. Eigentlich ist die Wahrnehmung prädikativ; ich sehe nicht rot, sondern das rote Auto, und sehe ich nur rot, so frage ich spontan: was ist das Rote C. F. von Weizsäcker, Zeit und Wissen, Offene Systeme II Logik und Zeit, hrsg. K. Maurin (Stuttgart, 1981), 33. Schon die sinnliche Wahrnehmung orientiert uns im Ganzen des jeweiligen Zusammenhanges. Ich sehe nicht Rot im Grünen, sondern eine Rose im Garten, oder ein Auto unter einem Baum. Insofern ist die Wahrnehmung selbst schon prädikativ, sie ist partiell begrifflich aussprechbar. Ders., Bewußtseinswandel (München, 1988), 174. 9 Ebd., 312. 10 Duden Grammatik der deutschen Gegenwartssprache (Mannheim, 1966), 471. 11 Ebd., 468.

6 Wissen von der Existenz Gottes in Alltagssprache Welt, ein Etwas im unabhängigen Kasus des Nominativs hin, wobei offen bleibt, was über dieses Etwas ausgesagt werden soll. 12 C. F. von Weizsäcker: Die Zweiwertigkeit, die Zerlegbarkeit der Wirklichkeit in Alternativen ist nicht eine Eigenschaft, die uns die Welt ohne unser Zutun zeigt; sie ist die Weise, wie wir auf die Wirklichkeit erfolgreich zugreifen. Der Verstand ist machtförmig. Die zweiwertige Logik gilt aber nur für reflektierte Aussagen; durch den Zugriff des Zweifels (des Sehens zweier Möglichkeiten, Zwiefalt = Zweifel) werden jeweils isolierte schlichte Aussagen zu reflektierten Aussagen. 13 4. Stichwortartige Zusammenfassung Wirklichkeiten gut böse Aufmerksamkeit Staunen über die Wirklichkeit (daß es das gibt!) (eröffnet die reale Gottesbeziehung) Glaube Liebe Hoffnung Die Wirklichkeit 12 Ebd., 471. 13 Garten, 303.