Lösung Fall 13 (Namenstreit) Problemkreise: Namensrecht; allgemeines Persönlichkeitsrecht; postmortaler Persönlichkeitsschutz. A. W gegen die Tölpel AG 1 1) Anspruch aus 12 S. 2 BGB auf Unterlassung der weiteren Ausstrahlung des Werbespots a) Lex Gildo = "Name"? Der Begriff des Namens in 12 wird gemeinhin weit verstanden. 2 Geschützt ist danach nicht nur der tatsächliche Namen einer Person, sondern auch der Künstlernamen, da dieser insb. bei Künstlern den bürgerlichen Namen vertritt, somit die gleiche Individualisierungsfunktion leistet. 3 Zudem ist die Annahme eines Künstlernamens alter Brauch und wird von der grundgesetzlichen Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) geschützt. Auch einfachrechtlich sind Pseudonyme vielfach anerkannt, z.b. ist mit ihrer Angabe der Schriftform oder der Bezeichnung einer Partei im Prozess genügt. All dies rechtfertigt die Gewährung des Schutzes von 12. b) Anspruchsberechtigung der W - Wäre gegeben, wenn der Name auch der W zustünde. Die Rspr. hat das zt bejaht, wenn die Witwe denselben Nachnamen trägt wie der Verstorbene. 4 Hier kommt es darauf nicht an, weil W nicht den Künstlernamen des Mannes trägt, daher (-) - Anspruchsberechtigung gem. 1922? Fraglich ist bereits, ob es sich beim Namensrecht überhaupt um ein vererbliches Vermögensrecht handelt. Der BGH geht davon aus, dass das Namensrecht mit dem Tod erlischt und schon deshalb nicht vererblich ist. 5 Dagegen soll das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (APR) postmortale Bedeutung haben (näher dazu unten, 2). Weil auch das Namensrecht letztlich Teil des APR ist, wird in der Literatur ein postmortaler Namensschutz zt befürwortet. 6 Folgt man dem BGH, scheidet 12 aus. Folgt man der Literaturstimme, ist weiter zu prüfen: c) Verletzungshandlung aa) Namensleugnung, 12 S. 1 Var. 1 ("bestritten") (-), da die Tölpel AG dem X nicht das Recht zum Gebrauch des Namens Lex Gildo abspricht bzw. einen Dritten mit diesem Namen bezeichnet (Nicht jede versehentliche Falschbezeichnung eines Dritten unterfällt 12; notwendig ist Vorsatz.) bb) Namensanmaßung, 12 S. 2 Var. 2 ("unbefugt... gebraucht") 1 Fall nach Marburger, Klausurenkurs BGB-Allgemeiner Teil, 8. Aufl. 2004 (Fall 1); Vorbild des Falles: BGHZ 30, 7 (Caterina Valente). 2 Vgl. nur Brox, BGB AT, Rn. 717: Firma, Geschäftsbezeichnung, bekannter Vorname etc. 3 Dagegen soll die Bezeichnung "Katholisch" kein Namensbestandteil (hier: der kath. Kirche) sein, so BGHZ 161, 216, 220 (Pro fide catholica). 4 Vgl. BGHZ 8, 318, 320; krit. MünchKommBGB/Bayreuther, 12 Rn. 94. 5 BGHZ 169, 193 (Klaus Kinski) = NJW 2007, 684; offen lassend noch BGHZ 143, 214, 223 (Marlene Dietrich) und BGHZ 107, 384, 390 (Emil Nolde). 6 So MünchKommBGB/Bayreuther, 12 Rn. 91.
Ergebnis: 12 (-) Liegt vor, wenn ein Unbefugter den gleichen Namen gebraucht, dadurch eine Zuordnungsverwirrung eintritt und schutzwürdige Interessen des Berechtigten verletzt werden. 7 Davon abzugrenzen ist die bloße Namensnennung (z.b. in der Werbung), die grds. keine Namensanmaßung darstellt. Nur wenn die Werbung den Eindruck erweckt, dass der beworbene Artikel ein Erzeugnis oder eine Leistung des Genannten darstellt oder dieser den Artikel angeblich befürwortet, wird eine Zuordnungsverwirrung bejaht. Ein solcher Eindruck entsteht hier nicht: Weder wird behauptet, dass Lex Gildo an der Entwicklung des Reifens beteiligt gewesen sei, noch, dass er diesen positiv beurteile. Vielmehr wird der Name nur verwendet, um die Aufmerksamkeit der Zuschauer zu erregen und auf das Produkt zu lenken. 2) Anspruch aus 1004 I 2 ivm 823 I analog auf Unterlassung weiterer Ausstrahlung (Die analoge Anwendung des 1004 auf weitere absolut geschützte Rechte ist unumstritten. Denn dadurch, dass das Recht in 823 I die Verletzung weiterer Rechte als das Eigentum mit Schadensersatz sanktioniert, verbietet es deren Verletzung überhaupt. Aus diesem Grund muss es auch möglich sein, noch vor Schadenseintritt (künftigen) Störungen durch Beseitigung (oder Unterlassen) zu begegnen.) a) Allgemeines Persönlichkeitsrecht (APR) als "sonstiges Recht" Unter dem APR versteht man das Recht des Einzelnen auf Achtung seiner Menschenwürde und Entfaltung seiner Persönlichkeit, das sich nicht nur gegen den Staat und seine Organe richtet, sondern im Privatrecht gegenüber jedermann gilt. 8 aa) Dogmatische Herleitung: Einzelne Persönlichkeitsrechte (wie 12) sind gesetzlich geregelt, ein allgemeines Persönlichkeitsrecht indes nicht. Seine Existenz ist jedoch von Verfassung wegen geboten (Art. 1 I ivm 2 I GG) und richterrechtlich anerkannt. 9 bb) Subsidiarität gegenüber speziellen Persönlichkeitsrechten Das APR ist gegenüber besonderen Ausprägungen des Schutzes der Persönlichkeit subsidiär. Dies hat allerdings nicht zur Folge, dass das Verhalten der Tölpel AG, nur weil es nicht durch 12 erfasst wird, nicht in anderer Weise in die Persönlichkeitssphäre des X eingreifen kann. b) Beeinträchtigung des APR Die ungefragte Verwendung eines fremden Namens oder Bildes in der Werbung stellt unstreitig einen Eingriff in das APR dar. 10 c) Anspruchsberechtigung der W? Es ist anerkannt, dass das APR postmortale Nachwirkungen zeitigt ("postmortales Persönlichkeitsrecht"). 11 Die Rechtsprechung unterscheidet dabei zwischen der ideellen Seite des APR, die zwar höchstpersönlich und damit nicht vererblich ist, deren Beeinträchtigung (zb durch Entstellung des Lebensbildes) die Angehörigen oder die dazu 7 St. Rspr., vgl. nur NJW 2007, 682 f. (solingen.info); s. auch BGHZ 161, 216, 220 (Pro fide catholica): Dort aber Anspruch aus 12 trotz Zuordnungsverwirrung verneint, weil "katholisch" kein Name isv 12 sei (s. Fn. 3). 8 BGHZ 24, 72, 76. 9 Vgl. nur BVerfGE 34, 269. 10 Grundsätzlich BGHZ 30, 7 (Caterina Valente). 11 Vgl. BGHZ 169, 193 (Klaus Kinski); BGHZ 143, 214 (Marlene Dietrich). 2
Ermächtigten aber im Wege der Unterlassungsklage abwehren können 12 und der vermögenswerten Seite, die von den Erben u.a. durch Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden kann. 13 Hier dürften beide Seiten des APR berührt sein. Fraglich ist jedoch, ob das APR erloschen ist. Der BGH bejaht das jedenfalls für die vermögenswerte Seite des APR mit dem Ablauf von 10 Jahren ( 22 KUG S. 3 analog). 14 Diese Frist ist hier noch nicht verstrichen. Für die ideelle Seite gibt es keine starre Frist, dort schwindet das Abwehrinteresse der Angehörigen in dem Maße, in dem die Erinnerung an den Verstorbenen verblasst. 15 Jedenfalls wenige Jahre nach dem Ableben wird ein schutzwürdiges Interesse aber anzuerkennen sein. c) Güter- und Interessenabwägung Wegen der tatbestandlichen Weite des APR erfolgt die Eingriffsprüfung im Wege einer umfassenden Abwägung der involvierten Güter und Interessen. 16 Einzig Eingriffe in die Intimsphäre des Betroffenen sind nicht der Abwägung fähig und somit unmittelbar rechtswidrig. Im Fall streitet das Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 I GG) für das Verhalten der Tölpel AG. Die Nennung fremder Namen ist grundsätzlich erlaubt. Umso mehr gilt dies für Personen des öffentlichen Interesses wie X. Jedoch findet dieses Recht seine Grenze, wenn der fremde gute Ruf zu eigenen materiellen Zwecken instrumentalisiert wird. Ob die Werbung sogar im Einzelfall für den Genannten schmeichelhaft ist, ist nicht entscheidend. Denn niemand muss gegen seinen Willen für fremde Werbung seinen Namen hergeben. 17 Im konkreten Fall kommt noch hinzu, dass beim Betrachter der Eindruck entsteht, dass die Angehörigen in die Vermarktung des tragischen Todes des X eingewilligt hätten - ein Umstand, der geeignet ist, auch nachträglich das Ansehen des X selber noch zu beschädigen. Der Schutz der Persönlichkeit überwiegt hier das Recht auf freie Meinungsäußerung der Tölpel AG. Somit liegt hier eine rechtswidrige Beeinträchtigung eines sonstigen Rechts vor. c) Wiederholungsgefahr, 1004 I 2 (+) d) Duldungspflicht ( 1004 II) (-) e) Der Anspruch aus 1004 ivm 823 I analog ist als negatorischer Anspruch verschuldensunabhängig. Ergebnis: 1004 I 2 ivm 823 I analog (+) 12 Vgl. BGHZ 143, 214, 223 f.; BGHZ 50, 133, 136 ff. (Mephisto). 13 Vgl. BGHZ 169, 193, 196 Rz. 11 f.; BGHZ 143, 214, 218 f. 14 BGHZ 169, 193, 198 Rz. 16. (Kinski). 15 BGHZ 50, 133, 140 (Mephisto). 16 Die Rechtswidrigkeit wird also nicht durch den Erfolg der Verletzungshandlung indiziert. 17 BGHZ 81, 75, 80; 143, 214, 219; eingehend Sack WRP 1984, 521, 523 ff. 3
B. Die Tölpel AG gegen O 18 Anspruch aus 12 S. 2 auf Unterlassung des weiteren Gebrauchs der Domain a) Anwendbarkeit des Namenschutzes auf juristische Personen 12 schützt auch die Firma einer Gesellschaft oder eines Einzelkaufmanns. 19 Allerdings ist der Schutz hier nur gegen solche Namensverletzungen gewährleistet, die geschäftliche Beeinträchtigungen nach sich ziehen können. Jedoch kann auch die Registrierung einer Internetdomain zu rein privaten Zwecken eine solche Beeinträchtigung darstellen, da eine Domain immer nur einmal vergeben werden kann, mithin das Unternehmen gehindert wird, den Namen für sich selber zu verwenden. Dies beraubt es der Möglichkeit, interessierten Nutzern auf einfache Weise Informationen über die eigene Tätigkeit bereitzustellen, berührt also auf diesem Wege auch geschäftliche Belange. b) Dass der Domain-Name nicht exakt der Firma (kein Umlaut) entspricht, hindert das Eingreifen von 12 nicht. Zum einen ist die Verwendung von Umlauten im (internationalen) Internet unüblich, zum anderen fordert 12 keine buchstabengetreue Übereinstimmung. c) Tatbestandliche Verletzungshandlung aa) S. 1 Var. 1 (-), da die Registrierung trotz des Umstandes, dass der Name für den Namenträger nicht mehr verfügbar ist, keine Namensleugnung darstellt. Denn dessen Recht zur Führung des Namens wird auf diesem Wege nicht - auch nicht konkludent - bestritten. 20 bb) S. 1 Var. 2: Der O müsste den Namen der Tölpel AG unbefugt gebraucht haben (Namensanmaßung). Ein solcher Gebrauch liegt dann vor, wenn durch die Verwendung eines fremden Namens eine sog. Zuordnungsverwirrung ausgelöst wird und schutzwürdige Interessen des Berechtigten verletzt werden. 21 Bei Internetadressen, die einen fremden Namen führen ist das im Allgemeinen der Fall. Dass die Verwirrung bei Betrachten der Seite schnell aufgeklärt wird, ändert hieran nichts. Zu berücksichtigen sind auch die Interessen, die diese Verwirrung beeinträchtigt: Die Tölpel AG kann als Träger eines unterscheidungskräftigen Namen nicht die im Inland übliche Top- Level-Domain ".de" für ihren Auftritt verwenden. Dies kann in Sachen Vermarktung ihrer Produkte durchaus einen wirtschaftlichen Nachteil begründen. Fraglich ist indes, ob es sich um einen unbefugten Gebrauch des fremden Namens durch den O handelt. Nur dann ließe sich von einer Namensanmaßung sprechen. Grundsätzlich kann der Gebrauch dann nicht unbefugt sein, wenn der Anspruchsgegner selber Träger dieses Namens ist, wie dies bei O der Fall ist. Bezüglich der Inanspruchnahme von Internetdomains gilt unter mehreren Trägern des gleichen Namens der Prioritätsgrundsatz. Hierfür streiten einerseits Praktikabilitätserwägungen als auch die Fairness der überkommenen Regel "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst". Hiernach würde der O die Domain berechtigt nutzen. 18 Sachverhalt in Anlehnung an Lindacher/Hau, Fälle zum Allgemeinen Teil des BGB, 4. Aufl. 2005 (Fall 1); Vorbild des Falles: BGHZ 149, 198 (shell.de). 19 S.o. (Fn. 2). Hier auch 37 II HGB beachten: Dieser schützt nur vor der "Firmenanmaßung", nicht der "Firmenleugnung" und hat neben dem auf die Firma anwendbaren 12 BGB kaum praktische Bedeutung, vgl. Canaris, Handelsrecht, 11 Rn. 44 ff. S. ferner für Geschäftsbezeichnungen 14, 15 MarkenG. S. ferner die Normen des UWG (Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb). 20 BGHZ 149, 198f. 21 BGH NJW 2007, 682, 683. 4
Jedoch wird von diesem Grundsatz dann eine Ausnahme gemacht, wenn auf diese Weise eine Verwechselung mit einer ungleich prominenteren Person provoziert wird. Dann kann es auch im privaten Verkehr geboten sein, den eigenen Namen nur derart zu verwenden, dass Verwechslungen möglichst ausgeschlossen sind 22, mithin einen unterscheidungskräftigen Zusatz zu führen. Hierzu bedarf es einer Abwägung. 23 Im Fall spricht zugunsten der Tölpel AG, dass sie landesweit der führende Hersteller von Autoreifen ist und eine entsprechend hohe Bekanntheit genießt. Dies hat zur Folge, dass Internetnutzer erwarten können, bei Eingabe von "toelpel.de" auf der Unternehmensseite zu landen. Auch scheint es der Tölpel AG nur schwer zumutbar, ihren großen und heterogenen Interessentenkreis über eine von der Firma abweichende Domain zu informieren. Auf der anderen Seite wird O durch das Ansinnen, einen unterscheidungskräftigen Zusatz zu führen, nicht schlechthin das Recht am eigenen Namen abgesprochen, schließlich geht es "nur" um dessen Internetdomain. Hinzu kommt, dass Internetnutzer, die die ornithologische Seite von O betrachten wollen, angesichts der Bekanntheit der Tölpel AG nicht erwarten, diese unter "toelpel.de" zu finden. Angesichts der Tatsache, dass der Interessentenkreis eher klein und homogen ist, kann auch zugemutet werden, diesen über eine Adressänderung zu informieren. d) 12 ist - als besonderer negatorischer Anspruch - verschuldensunabhängig. e) Rechtsfolge: O schuldet die Unterlassung (S. 2) des weiteren Gebrauchs. Die nach S. 1 außerdem geschuldete Beseitigung der Beeinträchtigung umfasst nach h.m. eine Verzichterklärung gegenüber der DENIC hinsichtlich der Nutzung der Domain. Nicht gefordert werden kann das weitergehende Recht einer Umschreibung der existierenden Domain, da auf diesem Wege Rangpositionen Dritter, die sich ebenfalls um die Domain bemüht haben, umgangen werden könnten. 24 Ergebnis: 12 S. 2 (+) 22 BGHZ 149, 199 ff. - shell.de.; BGHZ 155, 273 (maxem.de); die damit verbundene Einschränkung des Namensrechts des Zurücktretenden ist verfassungsgemäß, s. BVerfG NJW 2007, 671 (maxem). 23 Vgl. zuletzt BGH NJW 2007, 682, 684 Rz. 24. 24 BAG NZA 2005, 107 und BGHZ 149, 204 ff. - shell.de. 5