Fachgespräch Cannabis , Stuttgart Cannabis: Führerscheinfragen und der Begriff der geringen Menge ( 31a BtMG) aus toxikologischer Sicht

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Transkript:

Fachgespräch Cannabis 26.04.2017, Stuttgart Cannabis: Führerscheinfragen und der Begriff der geringen Menge ( 31a BtMG) aus toxikologischer Sicht Prof. Dr. Volker Auwärter Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Freiburg

Das Endocannabinoid-System Entwicklungsbiologisch sehr altes Signalübertragungssystem (vorhanden in Säugetieren, Fischen, Wirbellosen) CB 1 -Rezeptoren CB 2 -Rezeptoren ZNS (Kleinhirn, Basalganglien, Zellen des Hippocampus, Cortex) Immunsystems Endocannabinoide, Enzyme (zum Auf- und Abbau der Endocannabinoide) -> Homöostase (Herz-Kreislauf-System, Körpertemperatur, Schlaf-Wach- Rhythmus, Immunsystem ) CB 1 : Gedächtnis, Motorik, Schmerz, (psychotrope Wirkung) CB 2 : Schmerz, Entzündung?, Arteriosklerose?

Typische Cannabiswirkungen (akut) Körperlich - Tachykardie (Herzfrequenz ) - Gefäßerweiterung (Blutdruck, rote Augen) - Mund-/Augentrockenheit (anticholinerg) - Appetitsteigerung ( Fressflash ) - Analgesie - Muskelrelaxierung (auch Erweiterung der Bronchien) - Antiemesis - Senkung des Augeninnendrucks (Glaukom) - Senkung der Körpertemperatur (Maus!)

Typische Cannabiswirkungen (akut) Psychisch - Euphorie/Wohlbefinden/Angstlösung/Entspannung ( High ) - verändertes Zeitgefühl - intensivierte Wahrnehmung - gesteigerte Kreativität - kognitive Störungen (Gedächtnis, Aufmerksamkeit, assoziativ gelockertes Denken Lachattacken) - Dysphorie/Angstzustände/Panikattacken/Depersonalisation - Sedierung - (Pseudo-)Halluzinationen - Reaktionsfähigkeit, Feinmotorik (Auto fahren!) - Bewegungskoordination (+/-, -> ADHS)

Typische Cannabiswirkungen/-risiken Langzeitwirkungen - kognitive Fähigkeiten bei starkem, chronischem Konsum reduziert - ca. 10 % der Konsumenten erfüllen die ICD 10-Kriterien für Abhängigkeit - chronische Bronchitis, Krebs (Rauchkonsum) - Psyche: beschleunigte Auslösung/Verschlechterung schizophrener Psychosen (Schutzeffekt von CBD?) - fötale Entwicklungsstörungen des Gehirns -> Verhaltensauffälligkeiten im Kindesalter - Entwicklungsstörungen bei Kindern/Jugendlichen (multifaktoriell)

Problematik Cannabis im Straßenverkehr - Als Folge der wirkungsbedingten Defizite kann es zu schweren Unfällen kommen, diese sind aber relativ selten - Cannabiskonsumenten nehmen ihre Beeinträchtigung meist selbstkritischer wahr als alkoholisierte Personen - Ausreichender Zeitabstand zwischen Konsum und Straßenverkehrsteilnahme ( Trennungsvermögen )! Sanktionen: - OWi ( 24a StVG), Grenzwert 1,0 ng/ml THC im Blutserum - Straftat ( 315c/316 StGB), Nachweis + wirkungsbedingte Ausfallerscheinungen Sofortentzug der Fahrerlaubnis bei Kraftfahrern bereits bei OWi-Tatbestand Vergleich zu Alkohol in dieser Hinsicht??? Gleichbehandlung medizinische Anwendung / Freizeitkonsum???

Nachweis von THC und Metaboliten - Messung im Blutserum seit Langem etabliert und eher unproblematisch - Interpretation konkreter Wertekonstellationen kann schwierig sein (Verhältnis THC / THC-COOH, 11-OH-THC) - Unterscheidung verschiedener Konsummuster ( gelegentlicher vs. regelmäßiger Konsum) anhand analytischer Werte? Mögliche Grenzwerte (Serum) THC-COOH 75 / 150 ng/ml (für regelmäßigen Konsum) THC 1 / 3 ng/ml (für fehlendes Trennungsvermögen ) 7 15. Mai 2017

Metabolismus von THC CH 3 OH OH H 3 C O C 5 H H 11 3 C 9 -Tetrahydrocannabinol (THC) primär aktiv O OH OH OH H 3 C H 3 C O C 5 H 11 H 3 C H 3 C O C 5 H 11 THC-COOHglucuronid inaktiver Metabolit 11-Hydroxy- 9 -THC (11-OH-THC) aktiver Metabolit 11-nor-9-carboxy- 9 -THC (THC-COOH, THC-Carbonsäure) inaktiver Metabolit

THC Plasmaspiegelverlauf - Rauchen P.X. Iten Fahren unter Drogen- und Medikamenteneinfluß (1994)

THC Verlauf des High - Rauchen Selbsteinschätzung (%) P.X. Iten Fahren unter Drogen- und Medikamenteneinfluß (1994)

Umstieg auf synthetische Cannabinoide: 500 Urinproben aus MPU-Abstinenzkontrollen 120 100 6,25 % der Proben positiv! Positiv Negativ 80 Anzahl Urinproben 60 40 20 0

Notaufnahmen (Global Drug Survey) Welcher Anteil in % der Teilnehmer hat in den letzten 12 Monaten notfall-medizinische Hilfe in Anspruch genommen? Quelle: www.globaldrugsurvey.com

Akute Toxizität synthetischer Cannabinoide Meist ähnliche Symptomatik wie nach Cannabiskonsum - Rote Augen -Effekt - Sedierung/Verlangsamung - Panikattacken/psychotisches Erleben - Herzrasen - reduzierte Merkfähigkeit Zusätzlich auftretende Symptome (hohe Dosis) - Generalisierte Krampfanfälle - Hypokaliämie - Hypertonie - Übelkeit/heftiges Erbrechen - Extreme Unruhe, aggressives Verhalten - Koma - Relativ schnelle Toleranzentwicklung

Geringe Menge nach 31a BtMG Hypothetische Konsumeinheit für nicht geringe Menge ( 29a): 15 mg (Gesamt-)THC Dies entspricht bei einem Durchschnittsgehalt von 10 % THC ca. 150 mg Marihuana (brutto); 3 Konsumeinheiten (KE) entsprechen 0,45 g In der Praxis (z.b. BayObLG): Bei 3 bis 6 g Bruttogewicht ist Analyse entbehrlich, da 3 KE erkennbar nicht überschritten sind. Teilweise werden auch 10 (bis 15) g noch als geringe Menge bewertet.