9. Die Vergütung der Leistungsanbieter

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Transkript:

Ausgewählte Bereiche der Wirtschaftspolitik 9-1 Prof. Andreas Haufler (SoSe 2008) 9. Die Vergütung der Leistungsanbieter (vgl. Breyer/Zweifel/Kifmann, Kap. 10) bisher: Anreize der Leistungsempfänger (LE) im Vordergrund jetzt: Fokus auf Anreize der Leistungsanbieter (LA), also v.a. Ärzte und Krankenhäuser = Wahl eines geeigneten Vergütungssystems prospektive vs. retrospektive Vergütung: altes System: retrospektive Vergütung Erstattung des tatsächlichen Ressourcenverbrauchs = Kostenverantwortung liegt bei der vergütenden Institution (Krankenkasse), keine Anreize zur Ressourceneinsparung beim Leistungsanbieter neues System: prospektive Vergütung insbesondere Wechsel vom Tagessatz zur Fallpauschale im Krankenhaus seit 1984: Fallpauschalen in USA (bei Medicare: staatliche Krankenversicherung für Rentner) seit 2004: Fallpauschalen als grundsätzliches Prinzip der Krankenhausvergütung in Deutschland

Ausgewählte Bereiche der Wirtschaftspolitik 9-2 Prof. Andreas Haufler (SoSe 2008) 9.1 Theoretische Analyse 9.1.1. Das Grundmodell Patienten (LE): W = B P B: Nutzen aus Behandlung P : Vergütung des Leistungsanbieters (LA) Leistungsanbieter (LA): u(p, e) = P K(e) V (e) e 0: Anstrengung des Leistungsanbieters K(e): stochastischer Ressourcenverbrauch mit E[K(e)] C(e), C (e) < 0, C (e) > 0 V (e): Nutzenverlust durch Anstrengung mit V (0) = 0, V (e) > 0, V (e) > 0 Vergütung: P = G + np + γk G: Grundvergütung np: Zahl der Patienten Fallpauschale γk: erstatteter Anteil der Kosten γ = 0: volle Kostenverantwortung beim LA (prospektive Vergütung) γ = 1: volle Kostenerstattung (Verantwortung beim Sachwalter=Krankenkasse; retrospektive Vergütung)

Ausgewählte Bereiche der Wirtschaftspolitik 9-3 Prof. Andreas Haufler (SoSe 2008) Maximierungsproblem der Gesellschaft: risikoneutraler Sachwalter (SW) maximiert Nutzen des Leistungsempfängers; Einhaltung eines Reservationsnutzens des Leistungsanbieters als Nebenbedingung L = B P + λ[p C(e) V (e) ū] (9.1) determiniert endogene Variablen e, P : C (e) = V (e) (9.2) marginale Kostenersparnis = Grenzleid der Anstrengung Abb. 9.1: Optimale Anstrengung des Leistungsanbieters V (e) C (e) e

Ausgewählte Bereiche der Wirtschaftspolitik 9-4 Prof. Andreas Haufler (SoSe 2008) Optimales Vergütungssystem Allgemeine Vergütungssystem: P = G 0 + γc Maximierung des Leistungsanbieters: u(p, e) = P C(e) V (e) = G 0 (1 γ)c(e) V (e) optimale Wahl von e durch den Leistungsanbieter: (9.3) Wahl von e ist effizient, wenn das Niveau von e in (9.3) dem gesellschaftlich optimalen Niveau in (9.2) entspricht = impliziert γ = 0! rein prospektives Vergütungssystem: Entlohnung ausschließlich durch Grundvergütung in ausreichender Höhe alle positiven und negativen Effekte von e werden vom LA internalisiert jedes positive γ würde dazu führen, dass Nutzen aus Anstrengung (= materielle Kostenersparnis) nur teilweise internalisiert wird = im first-best Optimum gilt Prinzip der vollständigen Kostenverantwortung des Leistungsanbieters (γ = 0)

Ausgewählte Bereiche der Wirtschaftspolitik 9-5 Prof. Andreas Haufler (SoSe 2008) 9.1.2 Risikoaverser Leistungsanbieter da Kosten des LA stochastisch sind, die Entlohnung aber fixiert, trägt LA ein Risiko bei Risikoaversion muss ihm der SW daher eine Risikoprämie bezahlen, um ihn auf dem Reservationsnutzenniveau ū zu halten = in diesem Fall enthält die optimale Vergütung eine teilweise Kostenerstattung (γ > 0) Intuition: SW ist risikonautral (große Zahl von Versicherten), LA ist risikoavers = Risikoübernahme des SW bringt aggregierte Wohlfahrtsgewinne im second best Optimum sind die marginalen Wohlfahrtsgewinne durch Risikoumschichtung zum SW gleich den marginalen Wohlfahrtsverlusten durch eine verzerrte (zu geringe) Wahl des Anstrengungsniveaus e

Ausgewählte Bereiche der Wirtschaftspolitik 9-6 Prof. Andreas Haufler (SoSe 2008) 9.1.3 Die Qualität der medizinischen Leistung Erweiterung des Modells: Nutzen für LE steigt mit guter Behandlungsqualität (q): B(q) mit B q > 0 Kosten für LA steigen mit guter Behandlungsqualität: C(e, q) mit C q > 0; aber Eigeninteresse des LA an guter Behandlungsqualität: V (q, e) mit V q < 0 Kostenfaktor dominiert für LA: C q + V q > 0 Erweitertes Maximierungsproblem der Gesellschaft: (Vereinfachung: Maximierung der Nutzensumme) L = (B P ) + (P C V ) = B(q) C(q, e) V (q, e) (9.4) Bedingungen erster Ordnung: C e (e, q ) V e (e, q ) = 0 (9.5) B q (q ) C q (e, q ) V q (e, q ) = 0 (9.6) First-best Lösung: ist Qualität q oder Behandlungserfolg B(q) messbar, dann kann q über Qualitätsstandards vorgeschrieben werden und Grundvergütung ist bei risikoneutralem LA optimal (γ = 0)

Ausgewählte Bereiche der Wirtschaftspolitik 9-7 Prof. Andreas Haufler (SoSe 2008) Second-best Lösung: weder Qualität noch Behandlungserfolg ist messbar Vergütungsstruktur sei P = G + γ C 1. Stufe: Wahl von γ durch Sachwalter 2. Stufe: Wahl von q und e durch Leistungsanbieter 2. Stufe: Problem des Leistungsanbieters max q,e u = G (1 γ) C(q, e) V (q, e) Bedingungen erster Ordnung: u (1 γ)c q (q, e) V q (q, e) = 0 (9.7) q u (1 γ)c e (q, e) V e (q, e) = 0 (9.8) e Bedingungen (9.7) und (9.8) definieren implizit dq/dγ q γ und de/dγ e γ Plausible Hypothese: q γ > 0, e γ < 0, d.h. höhere Kostenübernahme durch SW führt zu höherer Qualität und verminderter Anstrengung zur Kostenvermeidung

Ausgewählte Bereiche der Wirtschaftspolitik 9-8 Prof. Andreas Haufler (SoSe 2008) 1. Stufe: Problem des Sachwalters max EW = B(q) [γc(q, e) + G] } {{ } P s.t. G (1 γ)c V = ū }{{} P C Einsetzen der Nebenbedingung (bindende Teilnahmerestriktion des LA) ergibt EW (γ) = B[q(γ)] C[q(γ), e(γ)] V [q(γ), e(γ)] ū alle Kosten der Behandlung (C, V) sind damit internalisiert optimale Wahl von γ: dew = B q q γ C q q γ C e e γ V q q γ V e e γ = 0 dγ Verwendung der Optimalbedingungen des LA [(9.7) und (9.8)] dew dγ = B q q γ γc q q γ γ C e e γ = 0 (9.9) Evaluation von (9.9) an der Stelle γ = 0 dew dγ γ=0 = B q q γ > 0 da q γ > 0 ist eine Kostenbeteilung des SW von γ = 0 zu niedrig, d.h. im Optimum sollte γ > 0 gewählt werden Intuition: ist weder q noch B(q) beobachtbar, dann hat LA einen Anreiz, q < q zu wählen. Durch teilweise Kostenübernahme des SW wird dieser Anreiz abgeschwächt.

Ausgewählte Bereiche der Wirtschaftspolitik 9-9 Prof. Andreas Haufler (SoSe 2008) Optimales γ > 0 ist erreicht, wenn marginaler Effizienzgewinn durch Annäherung von q an q dem marginalen Effizienzverlust durch e < e entspricht = wieder ein typisches second-best Resultat, analog zum optimalen Selbstbehalt des Versicherten (Kap. 8) 9.1.4 Selektion von Patienten unterschiedliche Behandlungskosten jedes Patienten Vergütung: Fallpauschale und anteilige Kostenübernahme First-best Fall: vollkommene oder symmetrische Information über den Kostentyp jedes Patienten = optimale Vergütung: differenzierte Fallpauschale, die an erwarteten Kosten jedes Patienten ausgerichtet ist Second-best Fall: asymmetrische Information: LA weiß mehr über Gesundheitszustand jedes Patienten als SW = auch bei Fallpauschale mit mehreren Fallgruppen: Anreiz zur Selektion von einfachen Fällen innerhalb der Fallgruppe

Ausgewählte Bereiche der Wirtschaftspolitik 9-10 Prof. Andreas Haufler (SoSe 2008) optimales Vergütungssystem kombiniert Fallpauschale mit anteiliger Kostenübernahme (γ > 0) Intuition: trade-off zwischen zwei Verzerrungen, analog zu Abschnitten 9.1.2 und 9.1.3 Zusammenfassung zumindest teilweise prospektive Vergütung von Leistungsanbietern sichert, dass diese im Vergleich zu einer rein retrospektiven Vergütung ein höheres Anstrengungsniveau wählen und dadurch Kosteneinsparungen ermöglichen eine teilweise Kostenbeteiligung durch den Sachwalter (Krankenkasse) ist second-best effizient, wenn (a) die Kosten unsicher sind und der Leistungsanbieter risikoavers ist; (b) die Qualität und der Behandlungserfolg nicht beobachtbar sind und höhere Ausgaben mit einer größeren Behandlungsqualität verbunden sind; (c) unterschiedliche Information über den Kostentyp des Patienten vorliegt und die Behandlung schwierigerer Krankheitsbilder mit höheren Kosten verbunden ist (Patientenselektion).

Ausgewählte Bereiche der Wirtschaftspolitik 9-11 Prof. Andreas Haufler (SoSe 2008) Tabelle 9.1: Übersicht über die Zielkonflikte pro Kosten- contra Kosten- Agent erstattung erstattung Versicherter Risiko- ex-ante oder ex-post (Kap. 8) aversion moral hazard Arzt Risiko- zu geringer Effort (Kap. 9.1.2) aversion (moral hazard) Arzt höhere Behand- zu geringer Effort (Kap. 9.1.3) lungsqualität (moral hazard) Arzt weniger Patienten- zu geringer Effort (Kap. 9.1.4) selektion (moral hazard) Manager Risiko- zu geringer Effort (Mikroökonomie) aversion (moral hazard) 9.2 Vergütung von Ärzten 1. Vergütung nach eingesetzten Faktormengen (Arbeitszeit, Geräte) oder nach bewerteten Einzelleistungen. Beide Fälle entsprechen i.w. dem Kostenerstattungsprinzip. 2. Vergütung nach Zahl der Behandlungsepisoden (Zahl der Patienten Zahl/Intensität der durchschnittlich notwendigen Arztkontakte). Entspricht i.w. Fallpauschale. 3. Festgehalt pro Periode (Arzt als Angestellter). Anwendung z.b. in England (National Health Service).

Ausgewählte Bereiche der Wirtschaftspolitik 9-12 Prof. Andreas Haufler (SoSe 2008) Probleme bei der Vergütung von Ärzten Ärzte sind risikoavers und sehen sich unsicheren Behandlungskosten gegenüber. Die Streuung unterschiedlicher Krankheitsfälle ist begrenzt, da Patienten mit gravierenden Krankheiten ins Krankenhaus überwiesen werden. Kontrolle des Behandlungserfolges schwierig, aber Mundzu-Mund-Propaganda der Patienten. Patientenselektion ist relativ einfach, da in den meisten Regionen mehrere Ärzte zur Verfügung stehen. Schlussfolgerungen für optimale Vergütung alle Vergütungsformen haben gewisse Vorteile: 1. Kostenerstattung verhindert Risikoprämien für den Arzt und reduziert Patientenselektion 2. differenzierte Fallpauschalen erhöhen Anstrengungsniveau 3. festes Honorar bietet Einkommenssicherheit, ohne Anreize zur Überbehandlung zu geben = Mischung aus Festgehalt, Fallpauschale und partieller Kostenerstattung sollte optimal sein

Ausgewählte Bereiche der Wirtschaftspolitik 9-13 Prof. Andreas Haufler (SoSe 2008) Vergütungsformen in Deutschland ca. 1960-1977: reine Einzelleistungsvergütung Konsequenz: angebotsinduzierte Überversorgung der Patienten und hohe Kostensteigerungen 1977-1996: fixes Gesamtbudget und Punktwerte ergibt Kostensicherheit für Krankenkassen, aber Anreize für Ärzte sind wie bei Einzelleistungsvergütung (Arzt nimmt Punktwert als gegeben an) = führt zu ständig sinkenden Punktwerten und Selbstausbeutung der Ärzte ( Hamsterradeffekt ) seit 1996: modifiziertes Punktwertsystem Tendenz zu vielen Einzelleistungen wird abgeschwächt Beschränkung der maximalen Fallpunktzahl pro Patient Fallpunktzahlen sinken mit der Zahl der Patienten ist bei einem Patienten die maximale Fallpunktzahl erreicht, trägt der Arzt alle weiteren Behandlungskosten selbst = Entwicklung in Richtung eines Mischsystems aus Kostenerstattung und Fallpauschale (in Bezug auf Anreize für Ärzte)

Ausgewählte Bereiche der Wirtschaftspolitik 9-14 Prof. Andreas Haufler (SoSe 2008) 9.3 Vergütung von Krankenhausleistungen Möglichkeiten zur Honorierung von Krankenhäusern 1. Vergütung nach eingesetzten Faktormengen (Arbeitszeit, Geräte) oder nach bewerteten Einzelleistungen. 2. Vergütung nach Zahl der Pflegetage. 3. Vergütung nach Zahl der Patienten, evtl. differenziert nach Diagnose oder Behandlungsart (Fallpauschale). 4. Vergütung nach festem Budget pro Periode. Probleme bei der Vergütung von Krankenhäusern Unsicherheit der Behandlungskosten bei kleinen Krankenhäusern (weniger stark bei großen KKH) potenziell große Streuung unterschiedlicher Krankheitsfälle Kontrolle des Behandlungserfolges und Durchführung von Qualitätssicherungsprogrammen grundsätzlich möglich Patientenselektion ist im Krankenhaus grundsätzlich möglich (Abweisung teurer Patienten durch Hinweis auf belegte Betten ), aber in ländlichen Regionen oder bei Spezialisierung schwierig

Ausgewählte Bereiche der Wirtschaftspolitik 9-15 Prof. Andreas Haufler (SoSe 2008) Schlussfolgerungen für optimale Vergütung im Vergleich zur Arztvergütung weniger Argumente für Kostenerstattung (geringere Risikoaversion des Krankenhauses, mögliche Kontrolle von Qualitätsstandards) Patientenselektion ist ein größeres Problem, da Kosten sehr hoch werden können = differenzierte Fallpauschale als dominierende Vergütungsform für Krankenhäuser Vergütungsformen in Deutschland bis 2004: Tagespflegesätze ergibt Anreize zu unnötig langer Verweildauer im Krankenhaus (vgl. Kap. 7, Tabelle 7.2) wirkt kostensteigernd für das Gesundheitssystem kombiniert mit starrem Budget zur Vermeidung von hohen Kostensteigerungen seit 2004: Übergang zu Fallpauschalen als generellem Vergütungssystem Verwendung eines Patientenklassifikationssystems (DRG = Diagnosis Related Groups) nach australischem Vorbild

Ausgewählte Bereiche der Wirtschaftspolitik 9-16 Prof. Andreas Haufler (SoSe 2008) Fallpauschalenvergütung in Deutschland (a) Bildung von DRGs Bildung von ca. 600-800 DRGs (Abrechnungskategorien), die v.a. nach medizinischen Diagnosen (Haupt- und Nebendiagnosen) gebildet werden, aber auch Zuschläge für Operationen und teure Prozeduren enthalten (Element der Einzelleistungsvergütung bleibt erhalten) grundsätzliche Übernahme des australischen Klassifikationssystems; alle quantitativen Werte werden aber den deutschen Verhältnissen angepasst entscheidend ist die relative Gewichtung der verschiedenen DRG-Gruppen zueinander; diese relative Gewichtung wurde Anfang 2002 bei einer umfangreichen Erhebung in deutschen Krankenhäusern ermittelt die gemeinsame Einheit aller DRGs ist der Basisfallwert. Dieser Wert wird im Zeitablauf angepasst, die relative Vergütung der Fälle ist davon unberührt. (b) Qualitätssicherung und Kontrolle Fallpauschalenvergütung ist begleitet von Maßnahmen zur Qualitätssicherung (vgl. Kap. 9.1.3) Haftungsregeln bleiben von Vergütungswechsel unberührt

Ausgewählte Bereiche der Wirtschaftspolitik 9-17 Prof. Andreas Haufler (SoSe 2008) Festlegung bundesweiter Mindeststandards (z.b. Verweildauer); Vergütungsabschläge und -zuschläge bei sehr kurzen bzw. sehr langen Verweildauern (Restelement der Tagespauschale) Veröffentlichung jährlicher Qualitätsberichte stichprobenartige Überprüfung der Abrechnungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Prüfung auf richtige Einordnung (Kodierung) der Fälle im DRG-System Überprüfung der Gründe bei vorzeitiger Verlegung oder Entlassung im Konfliktfall stellt Schlichtungsausschuss zu hohe Abrechnungen des Krankenhauses fest. Dann doppelte Rückzahlung des Differenzbetrages (100 % Strafsteuer ) (c) Ausbau und Kostenentwicklung des DRG-Systems Umstellung in 2003/04: Basisfallwert [siehe unter (a)] wird durch Erfordernis der Budgetneutralität gegenüber altem System festgelegt Anpassung des Basisfallwertes in Folgejahren auf Basis von Verhandlungen: sowohl Kostenerhöhungen als auch Kostensenkungsmöglichkeiten werden berücksichtigt