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Transkript:

Prof. Dr. H. Brenner Osnabrück WS 2016/2017 Grundkurs Mathematik I Vorlesung 21 Ein guter Schüler lernt auch bei einem schlechten Lehrer... Kleinstes gemeinsames Vielfaches und größter gemeinsamer Teiler Zu einer ganzen Zahl a besteht Za aus allen Vielfachen von a. Zu zwei Zahlen a,b besteht somit der Durchschnitt Za Zb aus allen Zahlen, die sowohl von a als auch von b Vielfache sind, also aus allen gemeinsamen Vielfachen von a und b. In der Tat gilt die folgende Aussage. Lemma 21.1. Es seien a 1,...,a k ganze Zahlen. Dann ist Za 1 Za 2... Za k = Zu, wobei u das kleinste gemeinsame Vielfache der a 1,...,a k ist. Beweis. Nach Aufgabe 21.23 ist der Durchschnitt der Untergruppen Za i wieder eine Untergruppe von Z. Nach Satz 20.4 gibt es ein eindeutig bestimmtes c 0 mit Za 1... Za k = Zc. Wegen Zc Za i für alle i ist c ein Vielfaches von jedem a i, also ein gemeinsames Vielfaches der a 1,...,a k. Für jedes gemeinsame Vielfache v dieser Elemente gilt Zv Za 1... Za k. Die Zahl c besitzt also die Eigenschaft, dass jedes gemeinsame Vielfache der Elemente ein Vielfaches von c ist. Daher ist c das kleinste gemeinsame Vielfache. Für ganze Zahlen setzen wird den größten gemeinsamen Teiler und das kleinste gemeinsame Vielfache stets positiv an, um Eindeutigkeit zu erzielen. Grundsätzlich hat jeweils das Negative dazu die gleichen Eigenschaften. Lemma 21.2. Für natürliche Zahlen a, b, g gelten folgende Aussagen. (1) Für teilerfremde a,b ist kgv(a,b) = ab. (2) Es gibt c,d Z mit a = c ggt(a,b) und b = d ggt(a,b), wobei c, d teilerfremd sind. 1

2 Beweis. (3) Es ist kgv(ga,gb) = g kgv(a,b). (4) Es ist ggt(a,b) kgv(a,b) = ab. (1) Zunächst ist natürlich das Produkt ab ein gemeinsames Vielfaches von a und b. Sei also f irgendein gemeinsames Vielfaches, also f = ua und f = vb. Nach Satz 20.1 gibt es im teilerfremden Fall Zahlen r,s Z mit ra+sb = 1. Daher ist f = f 1 = f(ra+sb) = fra+fsb = vbra+uasb = (vr+us)ab ein Vielfaches von ab. (2) Die Existenz von c und d ist klar. Hätten c und d einen gemeinsamen Teiler e 1, 1, so ergäbe sich sofort der Widerspruch, dass e ggt(a, b) ein größerer gemeinsamer Teiler wäre. (3) Die rechte Seite ist offenbar ein gemeinsames Vielfaches von ga und gb. Sei n ein Vielfaches der linken Seite, also ein gemeinsames Vielfaches von ga und gb. Dann kann man schreiben n = uga und n = vgb. Damit ist uga = vgb und somit ist k := ua = vb (bei n 0 n = 0 ist erst recht ein Vielfaches der rechten Seite) ein gemeinsames Vielfaches von a und b. Also ist n = gk ein Vielfaches der rechten Seite. (4) Wir schreiben unter Verwendung der ersten Teile ggt(a,b) kgv(a,b) = ggt(a,b) kgv(c (ggt(a,b)),d (ggt(a,b))) = ggt(a,b) ggt(a,b) kgv(c,d) = ggt(a,b) ggt(a,b) cd = c ggt(a,b) d ggt(a,b) = ab. Der Teil (4) der vorstehenden Aussage erlaubt es, das kleinste gemeinsame Vielfache zu zwei Zahlen algorithmisch dadurch zu bestimmen, dass man ihren größten gemeinsamen Teiler mit Hilfe des euklidischen Algorithmus bestimmt und das Produkt durch diesen teilt. Der Hauptsatz der elementaren Zahlentheorie Wir möchten nun zur Primfaktorzerlegung, deren Existenz wir bereits in Satz 12.9 gezeigt haben, beweisen, dass sie eindeutig ist. Natürlich kann man 12 = 3 2 2 = 2 3 2 = 2 2 3 schreiben, mit eindeutig ist also eindeutig bis auf die Reihenfolge gemeint. Um dies zu zeigen brauchen wir zunächst das sogenannte Lemma von Euklid, das eine wichtige Eigenschaft einer Primzahl beschreibt. Satz 21.3. Es sei p eine Primzahl und p teile ein Produkt ab von natürlichen Zahlen a,b N. Dann teilt p einen der Faktoren.

Beweis. Wir setzen voraus, dass a kein Vielfaches von p ist (andernfalls sind wir fertig). Dann müssen wir zeigen, dass b ein Vielfaches von p ist. Unter der gegebenen Voraussetzung sind a und p teilerfremd. Nach dem Lemma von Bezout gibt es ganze Zahlen r,s mit ra+sp = 1 Da ab ein Vielfaches von p ist, gibt es ein t mit Daher ist ab = tp. b = b 1 = b(ra+sp) = abr+bsp = tpr+bsp = p(tr+bs). Also ist b ein Vielfaches von p. Aus dem Lemma von Euklid folgt sofort die etwas stärkere Aussage: Wenn eineprimzahlpeinbeliebigesprodukta 1 a 2 a n teilt,dannteiltpmindestens einenfaktor.manwendetdaslemmaeinfachauf(a 1 a 2 a n 1 ) a n an(formal ist das eine Induktion über die Anzahl der Faktoren). Dies wird im Beweis des folgenden Hauptsatzes der elementaren Zahlentheorie verwendet. Satz 21.4. Jede natürliche Zahl n N, n 2, besitzt eine eindeutige Zerlegung in Primfaktoren. D.h. es gibt eine Darstellung n = p 1 p r mit Primzahlen p i, und dabei sind die Primfaktoren bis auf ihre Reihenfolge eindeutig bestimmt. Beweis. Die Existenz der Primfaktorzerlegung wurde bereits in Satz 12.9 gezeigt. Die Eindeutigkeit wird durch Induktion über n gezeigt. Für n = 2 liegt eine Primzahl vor. Sei nun n 3 und seien zwei Zerlegungen in Primfaktoren gegeben, sagen wir n = p 1 p r = q 1 q s. Wir müssen zeigen, dass nach Umordnung die Primfaktorzerlegungen übereinstimmen. Die Gleichheit bedeutet insbesondere, dass die Primzahl p 1 das Produkt rechts teilt. Nach Satz 20.7 muss dann p 1 einen der Faktoren rechts teilen. Nach Umordnung können wir annehmen, dass q 1 von p 1 geteilt wird. Da q 1 selbst eine Primzahl ist, folgt, dass p 1 = q 1 sein muss. Daraus ergibt sich durch Kürzen, dass p 2 p r = q 2 q s ist. Nennen wir diese Zahl n. Da n < n ist, können wir die Induktionsvoraussetzung auf n anwenden und erhalten, dass links und rechts die gleichen Primzahlen stehen. 3

4 In der kanonischen Primfaktorzerlegung schreibt man die beteiligten Primzahlen in aufsteigender Reihenfolge mit ihrem jeweiligen Exponenten, also beispielsweise 840 = 2 3 3 5 7. Damit ist insbesondere zu jeder ganzen Zahl n 0 und jeder Primzahl p eindeutig bestimmt, ob p in der Primfaktorzerlegung überhaupt vorkommt und wenn ja mit welchem Exponenten. Definition 21.5. Zu einer ganzen Zahl n 0 und einer Primzahl p nennt man den Exponenten, mit dem p in der Primfaktorzerlegung von n vorkommt, den p-exponenten von n. Er wird mit ν p (n) bezeichnet. Statt Exponent spricht man auch von der Vielfachheit oder der Ordnung von p in n. Wenn p in der Primfaktorzerlegung nicht vorkommt, so ist ν p (n) = 0. Die Primfaktorzerlegung einer Zahl n 0 kann man damit abstrakt und kompakt als n = ± p νp(n) p schreiben. Da in jeder Primfaktorzerlegung nur endlich viele Primzahlen wirklich vorkommen, ist dies ein endliches Produkt. Zu n = 14000 ist die Primfaktorzerlegung gleich und somit gilt 14000 = 2 4 5 3 7 ν 2 (14000) = 4, ν 5 (14000) = 3, ν 7 (14000) = 1 und ν p (14000) = 0 für alle weiteren Primzahlen p. Lemma 21.6. Es sei p eine Primzahl und ν p : Z\{0} N, n ν p (n), der zugehörige p-exponent. Dann gelten folgende Aussagen. (1) Die Zahl p νp(n) ist die größte Potenz von p, die n teilt. (2) Es ist ν p (m n) = ν p (m)+ν p (n). (3) Es ist ν p (m+n) = min(ν p (m),ν p (n)) (es sei m+n 0 vorausgesetzt).

Beweis. Siehe Aufgabe 21.14. Korollar 21.7. Es seien n und k positive natürliche Zahlen. Dann wird n von k genau dann geteilt, wenn für jede Primzahl p die Beziehung gilt. ν p (n) ν p (k) Beweis. (1) (2). Aus der Beziehung n = kt folgt in Verbindung mit der eindeutigen Primfaktorzerlegung, dass die Primfaktoren von k mit mindestens ihrer Vielfachheit auch in n vorkommen müssen. (2) (1). Wenn die Exponentenbedingung erfüllt ist, so ist t = p pνp(n) νp(k) eine natürliche Zahl mit n = kt. Aus diesem Kriterium ergibt sich, dass man zu einer gegebenen Zahl, deren Primfaktorzerlegung vorliegt, einfach alle Teiler angeben kann. Bei n = p r 1 1 p r 2 2 p r k k sind die (positiven) Teiler genau die Zahlen p s 1 1 p s 2 2 p s k 2 mit 0 s 1 r 1, 0 s 2 r 2,...,0 s k r k. Davon gibt es (r 1 +1)(r 2 +1) (r k +1) Stück. Korollar 21.8. Es seien n und m positive natürliche Zahlen mit den Primfaktorzerlegungen n = p pνp(n) und m = p pνp(m). Dann ist 5 und kgv(n,m) = p ggt(n,m) = p p max(νp(n),νp(m)) p min(νp(n),νp(m)). Beweis. Dies folgt direkt aus Korollar 20.7. FürdiebeidenZahlenm = 2 3 3 2 7 2 11undm = 2 2 3 3 5 11istbeispielsweise der größte gemeinsame Teiler gleich 2 2 3 2 11 und das kleinste gemeinsame Vielfache gleich 2 3 3 3 5 7 2 11.