Juristische Fakultät Sommersemester 2017 Prof. Dr. Tilman Bezzenberger

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Transkript:

Universität Potsdam Sachenrecht Juristische Fakultät Sommersemester 2017 Prof. Dr. Tilman Bezzenberger Fall 3 (Besitz und Besitzschutz) E ist Eigentümer eines Gemäldes, das in seinem Haus hängt. Vor fünf Jahren hat E durch Testament seinen Sohn S zum Alleinerben bestimmt. Zwei Jahre später hat er es sich aber anders überlegt und durch ein neues Testament seine Tochter T als alleinige Erbin eingesetzt. Anschließend stirbt E. Nach seinem Tod wird das alte Testament gefunden (das neue liegt irgendwo unter einem Stapel Papiere). Sohn S nimmt den Nachlass und insbesondere das Gemälde an sich. Er verkauft dieses an D und übergibt es ihm, damit D Eigentümer werde, was beide wollen, und zwar in der Vorstellung, dass bislang S Eigentümer des Gemäldes sei. Jetzt kommt das spätere Testament zu Gunsten der Tochter T ans Licht. Kann diese kraft Eigentums von D die Herausgabe des Gemäldes verlangen? Abwandlung: Das Gemälde hat gar nicht E gehört, sondern dessen Bruder, der es dem E nur als Leihgabe überlassen hatte. Sonst liegt es wie im Grundfall. Kann T unter diesen Umständen von D die Herausgabe des Gemäldes verlangen? Lösung zum Grundfall I. Herausgabeanspruch der T gegen D nach 985 und 986 BGB T könnte von D nach 985, 986 BGB Herausgabe des Gemäldes verlangen. 1. Eigentümerstellung der T Dann müsste T Eigentümerin des Gemäldes sein, das heißt sie müsste das Eigentum durch den Erbfall erworben haben und dürfte es durch die spätere Transaktion zwischen S und D nicht wieder verloren haben. a) Eigentumserwerb durch den Erbfall ( 1922 BGB) Ein solcher Eigentumserwerb setzt voraus, dass T im Zeitpunkt des Erbfalls Alleinerbin war. Den Erben kann der Erblasser durch Testament bestimmen ( 1937 BGB). Ein späteres Testament hebt entgegen-

stehende frühere Testamente auf ( 2258 I BGB). Maßgebend ist daher das zeitlich letzte Testament, das T als Alleinerbin ausweist. Diese ist daher mit dem Erbfall nach 1922 BGB Eigentümerin des Gemäldes geworden. b) Kein Verlust des Eigentums an D nach 929 Satz 1, 932 BGB T könnte jedoch ihr Eigentum durch die spätere Transaktion zwischen S und D wieder verloren haben, weil D hierdurch möglicherweise das Eigentum an dem Gemälde nach 929 Satz 1 und 932 BGB gutgläubig aus den Händen des S erworben hat. aa) Einigung S und D haben sich darüber geeinigt, dass D das Eigentum an dem Gemälde erwerben sollte. bb) Übergabe Das Bild wurde dem D auch nach 929 Satz 1 BGB von D übergeben. cc) Rechtsverschaffungsmacht des Veräußerers S (1) Fehlende Berechtigung des S S war aber nicht Eigentümer des Gemäldes (das war T, siehe oben) und daher zur Übertragung des Eigentums nicht berechtigt. (2) Guter Glaube des D Die fehlende Eigentümerstellung des Veräußerers kann indessen grundsätzlich durch den auf dessen vermeintliches Eigentum bezogenen guten Glauben des Erwerbers überspielt werden ( 932 BGB). D glaubte, dass der Veräußerer S Eigentümer des Gemäldes sei, und es ist nicht ersichtlich, dass er hierbei grob fahrlässig handelte. D ist daher als gutgläubig anzusehen. 2

(3) Abhandenkommen des Gemäldes ( 935 BGB) Ein gutgläubiger Erwerb des Eigentums ist allerdings nach 935 I 1 BGB ausgeschlossen, wenn die Sache dem Eigentümer abhandengekommen ist, das heißt wenn der Eigentümer den unmittelbaren Besitz ohne seinen Willen verloren hat. Es kommt also zunächst darauf an, ob T unmittelbare Besitzerin des Gemäldes war. Unmittelbaren Besitz im klassischen Sinne einer "tatsächlichen Gewalt über die Sache" ( 854 I und 856 I BGB) hatte T zwar nicht. Nach 857 BGB geht jedoch beim Erbfall der Besitz auf den Erben über. Das bedeutet nicht Übergang der Sachherrschaft, sondern Nachfolge in die an die Sachherrschaft des Erblassers geknüpfte rechtlich geschützte Position. Diese geht so, wie sie zur Zeit des Erbfalls auf Seiten des Erblassers bestand, auf den Erben über. E hatte das Gemälde bis zu seinem Tode in seinem Hause und damit in unmittelbarem Besitz, und die hiernach geschützte Position ist mit dem Erbfall auf T übergegangen. Der Scheinerbe S hatte dagegen zunächst keinen Besitz und insbesondere auch keinen Erbenbesitz nach 857 BGB. Die Inbesitznahme des Gemäldes durch S und vor allem die anschließende Weggabe an D bewirkten daher ein Abhandenkommen des Gemäldes aus dem Besitz der T. dd) Zwischenergebnis T hat ihr ererbtes Eigentum an dem Gemälde nicht an D verloren, sondern ist weiterhin Eigentümerin. 2. Besitz des D D ist Besitzer des Gemäldes. 3

3. Fehlendes Besitzrecht des D D dürfte "dem Eigentümer gegenüber" nicht zum Besitz berechtigt sein ( 986 I 1 BGB). Ein Recht zum Besitz kann D allenfalls aus dem Kaufvertrag mit S herleiten. Ein Kaufvertrag gibt dem Käufer einen Anspruch auf Besitzverschaffung ( 433 I BGB), und das schließt ein nachfolgendes Recht zum Behaltendürfen ein. Ein solches Recht hat D jedoch nur gegenüber seinem Vertragspartner S und nicht der T als Eigentümerin gegenüber. 4. Ergebnis T kann als Eigentümerin nach 985, 986 BGB von dem nicht berechtigten Besitzer D die Herausgabe des Gemäldes verlangen. II. Herausgabeanspruch der T gegen D nach 823 I und 249 I BGB T kann die Herausgabe des Gemäldes von D außerdem nach 823 I und 249 I BGB als Naturalrestitution im Wege des Schadensersatzes verlangen, wenn D gegenüber T eine deliktische Eigentumsverletzung begangen hat. 1. Eigentumsbeeinträchtigung durch D Mit der Entgegennahme des Gemäldes aus den Händen des S hat D das Eigentum der T beeinträchtigt, denn er hat wesentlich dazu beigetragen, dass ihr die im Zuweisungsgehalt des Eigentums liegende Nutzungsmöglichkeit vorenthalten wurde. 2. Rechtswidrigkeit Da Rechtfertigungsgründe nicht ersichtlich sind, war dies eine widerrechtliche Eigentumsverletzung. 3. Verschulden T müsste überdies schuldhaft gehandelt haben. Für eine Schadensersatzhaftung wegen widerrechtlicher Eigentumsverletzung genügt nach 823 normalerweise leichte Fahrlässigkeit. Soweit es jedoch um ein Verhalten des Täters geht, das auf einen rechtsgeschäftlichen Erwerb fremden Eigentums gerichtet ist, kann 4

erst grobe Fahrlässigkeit zur Haftung führen, weil sonst der Gutglaubensschutz unterlaufen würde, der bis zur Grenze der groben Fahrlässigkeit reicht ( 932 II BGB). Da D jedenfalls nicht grob fahrlässig gehandelt hat, haftet er der T nicht nach 823 I BGB Lösung zur Fallabwandlung I. Anspruch der T gegen D nach 861 I BGB auf Wiedereinräumung des Besitzes an dem Gemälde T könnte nach 861 I BGB einen Anspruch gegen D auf Wiedereinräumung des Besitzes an dem Gemälde haben. Dann müsste T der Besitz durch verbotene Eigenmacht entzogen worden sein, und D müsste ihr gegenüber fehlerhaft besitzen. 1. Ehemaliger unmittelbarer Besitz der T T war bis zur Weggabe des Gemäldes durch S wie eine unmittelbare Besitzerin zu behandeln ( 857 BGB) und kann deshalb Inhaberin eines Besitzschutzanspruchs nach 861 I BGB sein. 2. Besitzentziehung durch verbotene Eigenmacht Des Weiteren müsste T der Besitz durch verbotene Eigenmacht entzogen worden sein ( 861 I BGB), das heißt ohne Willen der T ( 858 I BGB). Mit der Ergreifung des Gemäldes und vor allem mit dessen Weggabe an D hat der Scheinerbe S der T ohne deren Willen und daher durch verbotene Eigenmacht den Besitz entzogen. 3. Fehlerhafter Besitz des D gegenüber T T richtet ihren Besitzschutzanspruch allerdings nicht gegen S, sondern gegen D. Gerade dieser müsste also nach 861 I BGB gegenüber T fehlerhaft besitzen. Fehlerhaft besitzt insbesondere derjenige, der selbst verbotene Eigenmacht geübt hat ( 858 II 1 BGB). Das hat D aber nicht getan, denn er hat nicht selbst in den Erbenbesitz der T an dem Gemälde eingegriffen, sondern den Besitz aus den Händen des S einvernehmlich erlangt (andere Ansicht vertretbar, denn S 5

und D haben den Vorgang ja gemeinsam ins Werk gesetzt). Auch ein Nachfolger im Besitz - wie vorliegend D - muss allerdings die Fehlerhaftigkeit des Besitzes gegen sich gelten lassen, wenn er beim Besitzerwerb die verbotene Eigenmacht seines Vorgängers kennt ( 858 II 1 BGB). Hierfür ist vorliegend nichts ersichtlich; D hielt den S vielmehr für den Eigentümer und rechtmäßigen Besitzer des Gemäldes. 4. Ergebnis T hat nach 861 BGB gegen D keinen Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes. II. Herausgabeanspruch der T gegen G nach 1007 BGB T könnte sich ferner auf 1007 BGB berufen, wonach derjenige, der eine bewegliche Sache im Besitz gehabt hat, von einem gegenwärtigen und schlechter berechtigten Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen kann. 1. Früherer Besitz der T T war früher Erbenbesitzerin des Gemäldes und stand damit einer unmittelbaren Besitzerin gleich ( 857, siehe oben zum Grundfall I. 1. b) cc) (3)). 2. Anspruch nach 1007 I BGB gegen den unberechtigten und bösgläubigen Besitzer Als frühere Besitzerin kann T die Herausgabe der Sache nach 1007 I BGB von einem gegenwärtigen Besitzer verlangen, der "bei dem Erwerb des Besitzes nicht in gutem Glauben war", also kein Besitzrecht hatte und dies gewusst oder grob fahrlässig verkannt hat. Vorliegend hatte D bei Übergabe des Gemäldes zwar kein Besitzrecht gegenüber T (siehe oben zum Grundfall I. 3.), aber er war gutgläubig und muss daher das Gemälde nicht nach 1007 I BGB herausgeben. 3. Anspruch nach 1007 II 1 BGB wegen Abhandenkommens der Sache Nach 1007 II 1 BGB ist indessen auch ein gutgläubiger gegenwärtiger Besitzer wie D dem früheren Besitzer zur Herausgabe der Sache verpflichtet, wenn diese dem früheren Besitzer abhandengekommen ist, was vorliegend bejaht 6

werden muss (siehe oben zum Grundfall I. 1. b) cc) (3)). 4. Ergebnis T kann von D nach 1007 II 1 BGB die Herausgabe des Gemäldes verlangen. III. Herausgabeanspruch der T gegen D nach 823 I, 249 I BGB Ein solcher Anspruch besteht nicht. Der berechtigte Besitz und auch der Erbenbesitz ist zwar nach 823 I BGB wie ein sonstiges Recht geschützt, und D hat diesen Besitz der T durch die Entgegennahme des Gemäldes aus den Händen des S rechtswidrig verletzt. Er handelte hierbei jedoch nicht schuldhaft und jedenfalls nicht grob fahrlässig, denn beim widerrechtlichen Erwerb fremden Besitzes führt ebenso wie beim Eigentumserwerb aus den Händen eines Nichtberechtigten nur grobe Fahrlässigkeit zur Schadensersatzhaftung des Erwerbers nach 823 I BGB, weil das Gesetz auch beim Besitz auf den guten Glauben abstellt ( 1007 II 1 BGB; vgl. zum Grundfall II. 3.). IV. Herausgabeanspruch der T gegen D nach 812 I 1 BGB 1. Leistungskondiktion ( 812 I 1 Fall 1 BGB) Ein Anspruch der T gegen D auf Herausgabe des Besitzes nach 812 I 1 Fall 1 BGB (Leistungskondiktion) besteht nicht, weil T den Besitz an dem Gemälde nicht durch Leistung der T, nämlich nicht durch eine bewusste und zweckgerichtete Zuwendung, erlangt hat. 2. Eingriffskondiktion ( 812 I 1 Fall 2 BGB) T könnte jedoch gegen D einen Herausgabeanspruch nach 812 I 1 Fall 2 BGB haben (Nichtleistungskondiktion in Gestalt der Eingriffskondiktion). D hat in der Tat den Besitz an dem Gemälde entgegen dem Zuweisungsgehalt des Rechts und somit im Sinne des 812 I 1 Fall 2 BGB ohne rechtlichen Grund erlangt. Die geschah jedoch im Wege einer Leistung von Seiten des S. Und nach dem Grundsatz des Vorrangs der Leistungskondiktion scheidet eine Eingriffskondiktion auf Geleistetes aus. 3. Ergebnis 7

Aus 812 BGB kann T keine Ansprüche auf Herausgabe des Besitzes gegen D herleiten. V. Gesamtergebnis zur Abwandlung T kann von D nach 1007 II 1 BGB Herausgabe des Gemäldes verlangen. Einen Besitzschutzanspruch nach 861 I BGB hat sie jedoch nicht und auch keine delikts- und bereicherungsrechtlichen Ansprüche. 8