Newsletter-Arbeitsrecht IV/2014

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Transkript:

Newsletter-Arbeitsrecht IV/2014 Sehr geehrte Mandanten, liebe Leser, die vierte Ausgabe des Newsletter Arbeitsrecht zum Ende des Jahres 2014 zeigt als Hauptthema die ab dem 01.01.2015 geltende neue gesetzliche Regelung zum Gesetzlichen Mindestlohn mit den Facetten auf, die für die tägliche Personalarbeit von Interesse sind. Gleichzeitig erhalten Sie einen Überblick über die neuen Tendenzen in der Arbeitsrechtsprechung. Aber bitte beachten Sie: Newsletter Arbeitsrecht ersetzt keine rechtliche Beratung im Einzelfall. Er soll nur Tendenzen aufzeigen und Sie sensibilisieren. Für die gewohnte Qualität in der Rechtsberatung durch meine Kanzlei ist der persönliche Kontakt der Weg der Wahl und kann durch nichts ersetzt werden. Ich wünsche Ihnen auch bei dieser Ausgabe eine interessante Lektüre und stehe für Gespräche, Beratung und Anregungen gerne zu Verfügung. Ihr In dieser Ausgabe: Neue gesetzliche Regelung 1. Gesetzlicher Mindestlohn Rechtsprechung 2. Anspruch auf Zeugnis zur vollen Zufriedenheit 3. Urteile zur Kündigung suchtkranker 4. Keine Verwirkung von Schmerzensgeldansprüchen 5. Einschlafen während der Arbeitszeit ist kein Kündigungsgrund 6. Auch nach fristloser Kündigung Recht auf freie Meinungsäußerung

Seite zwei Neue Regelung gesetzliche 1. Gesetzlicher Mindestlohn Zum 01.01.2015 kommt eine wichtige Neuerung im deutschen Arbeitsrecht, der gesetzliche Mindestlohn. Direkt aus dem Gesetz (Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (Mindestlohngesetz - MiLoG)) ergibt sich ab dem 1.1.2015 ein Mindestlohnanspruch von 8,50 pro Zeitstunde. Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn haben alle Beschäftigte, die in Deutschland arbeiten, auch wenn der Arbeitgeber seinen Sitz im Ausland hat. Einen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn haben also auch MinijobberInnen, RentnerInnen, TaxifahrerInnen etc., wenn sie in einem Arbeitsverhältnis tätig sind. Ehrenamtlich Tätige gelten nicht als Arbeitnehmer, da sie kein Arbeitsentgelt erhalten und keine Leistung schulden, sie haben daher auch keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn. Unterschreitungsverbot Grundsätzlich darf der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 pro Zeitstunde nicht unterschritten werden. Ein Ausnahme zu diesem Grundsatz ist nur für Tarifverträge nach dem Gesetz über zwingende Arbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und für regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen (Arbeitnehmer- Entsendegesetz - AEntG) möglich, die alle Arbeitnehmer und Arbeitgeber binden, die in der jeweiligen Branche in Deutschland tätig sind. Für diese Ausnahme ist eine Übergangsfrist bis zum 31.12.2017 vorgesehen. Für das Jahr 2017 ist in jedem Fall der gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 pro Zeitstunde zu zahlen. Eine weitere Ausnahme ist für Zeitungszusteller vorgesehen. Auszahlung Der gesetzliche Mindestlohn ist pro Zeitstunde zu zahlen, ein vereinbarter Stücklohn ist entsprechend umzurechnen. Der gesetzliche Mindestlohn wird gemäß der arbeitsvertraglichen Regelungen fällig, spätestens jedoch zum Ende des der Arbeitsleistung folgenden Kalendermonats. Eine wichtige Änderung erfahren auch vereinbarte Arbeitszeitkonten. Hier stellt das Gesetz klar, dass auf den Arbeitszeitkonten eingestellte Arbeitsstunden spätestens innerhalb von zwölf Kalendermonaten nach ihrer monatlichen Erfassung durch bezahlte Freizeitgewährung oder Zahlung des Mindestlohns auszugleichen sind. Dabei dürfen die auf das Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitsstunden monatlich jeweils 50 % der vertraglichen Arbeitszeit nicht übersteigen. Es ist nach den hier dargestellten Regelungen - im Rahmen des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) - auch weiterhin möglich, mehr zu arbeiten. Die hierdurch erwirtschafteten Beträge sind allerdings bereits nach 2 Abs. 1 Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (Mindestlohngesetz - MiLoG) spätestens am Ende des folgenden Kalendermonats fällig. Eine weitere und sehr wichtige Neuerung ergibt sich aus 3 des Gesetzes zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (Mindestlohngesetz - MiLoG), der Unabdingbarkeit des Mindestlohns. 3 des Gesetzes zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (Mindestlohngesetz - MiLoG) stellt insoweit klar, dass Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, unwirksam sind. Unwirksam sind demnach vertragliche Ausschlussfristen, da diese die Geltendmachung eines Anspruchs zeitlich begrenzen. Hieraus ergibt sich, dass der Anspruch auf Arbeitsvergütung bis zur Höhe des gesetzlichen Mindestlohns damit allein der Verjährung unterliegt. Da die überwiegende Zahl der Arbeitsverträge Ausschlussfristen enthält (meist 3 Monate), ohne den Anspruch auf Mindestlohn von dieser Regelung explizit auszunehmen, stellt sich nun die Frage, ob damit alleine auf den Mindestlohn abzielende, an sich verspätet geltend gemachte Vergütungsansprü-

Seite drei che nicht verhindert werden können oder ob die dementsprechend allgemein gefasste Klausel in ihrer Gesamtheit unwirksam wird und damit überhaupt kein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis mehr nach entsprechenden Zeitablauf verfallen kann. So wird in Zukunft in neuen Arbeitsverträgen klarzustellen sein, dass die angeführten Ausschlussfristen gerade nicht für die Ansprüche nach dem Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns gelten sollen. Hier wird insbesondere darauf zu achten sein, dass eine solche Regelung grundsätzlich auch für solche Arbeitsverhältnisse gelten soll, die nicht dem Entgelt des Mindestlohns entsprechen, sondern darüber liegen. Denn diese Regelung gilt grundsätzlich für jeden Arbeitnehmer und jede Arbeitnehmerin. In der Zukunft wird somit die Rechtsprechung dazu berufen sein, Unklarheiten des Gesetzes klarzustellen und eine einheitliche Rechtsprechungslinie zu finden. In jedem Fall rate ich dringend an, bei neu abzuschließenden Arbeitsverträgen die entsprechenden Regelungen mit einzubeziehen. Sprechen Sie mich diesbezüglich jederzeit gerne an. Rechtsprechung 2. Anspruch auf Zeugnis zur vollen Zufriedenheit (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.11.2014, 9 AZR 584/13) Die Richter des Bundesarbeitsgerichts stellten in ihrer kürzlich ergangenen Entscheidung klar, dass der Richtwert für die Schlussbeurteilung in einem Arbeitszeugnis nicht die am häufigsten vergebene Note sein kann, sondern dass Ansatzpunkt die Note befriedigend als mittlere Note der Zufriedenheitsskala sein muss. Der Zeugnisanspruch aus 109 Abs. 1 Satz 3 Gewerbeordnung (GewO) richte sich auf ein inhaltlich wahres Zeugnis, dies beziehe sich insbesondere auch auf die Schlussbeurteilung. So habe das Zeugnis auch ausschließlich im Rahmen der Wahrheitspflicht wohlwollend zu sein, urteilten die Richter. So kann es eben für die Beurteilung nicht darauf ankommen, welche Note in der Praxis am häufigsten vergeben werde, denn es könne nicht ausgeschlossen werden, dass es sich dabei um Gefälligkeitszeugnisse handele. So ergebe sich aus der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast, dass die Schlussbeurteilung zur vollen Zufriedenheit als durchschnittliche Bewertung heranzuziehen sei. Begehrt der Arbeitnehmer eine Benotung im oberen Bereich des Skala, so habe dieser darzulegen und zu beweisen, dass er den Anforderungen gut oder sehr gut gerecht geworden sei, so die Richter. 3. Urteile zur Kündigung suchtkranker (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.08.2014, 7 Sa 852/14 und ArbG Düsseldorf, Urteil vom 21.10.2014, 2 Ca 3420/14) Die Richter des Landesarbeitsgerichtes Berlin-Brandenburg hatten kürzlich über eine Kündigung zu befinden, die der Arbeitgeber aussprach, nachdem der Arbeitnehmer, ein Berufskraftfahrer, alkoholisiert einen schweren Unfall verursachte. Die Richter urteilten, dass eine Kündigung nicht ohne weiteres möglich ist, wenn der Arbeitnehmer alkoholkrank ist und zu einer Therapie bereit ist. Zwar verletzte der Berufskraftfahrer seine arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten in einem erheblichem Maße, so die Richter, wenn der Arbeitnehmer das ihm überlassene Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss führe. Beruhe das Verhalten des Arbeitnehmers allerdings auf einer Alkoholabhängigkeit, sei dem Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Vertragspflichtverletzung kein Schuldvorwurf zu machen, so die Richter. So sei eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nur dann möglich, wenn anzunehmen sei, dass der Arbeitnehmer dauerhaft seiner Vertragspflicht nicht nachkommen könne.

Seite vier Hieran fehle es allerdings, wenn der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung ernsthaft zu einer Alkoholtherapie bereit sei, so die Richter. Auch sei vom Arbeitgeber zunächst bei fehlender Therapiebereitschaft zu erwarten, das Fehlverhalten einschlägig abzumahnen, und den Arbeitnehmer weiterzubeschäftigen. Hieran ändere auch ein generelles absolutes Alkoholverbot im Betrieb des Arbeitgebers nichts. Im Gegensatz zu der ersten Entscheidung haben die Richter des Arbeitsgerichtes Düsseldorf über einen spielsüchtigen Mitarbeiter des Ordnungsamtes und eine gegen ihn ausgesprochene Kündigung zu befinden. Dieser hatte zur Finanzierung seiner Sucht Gebühren in Höhe von mehr als 100.000 unterschlagen. Der Arbeitnehmer räumt die ihm zur Last gelegten Taten zwar ein, vertrat aber die Ansicht, der Arbeitgeber hätte ihm nicht ohne weiteres kündigen dürfen, da ihm aufgrund seiner Spielsucht die Impuls- und Steuerungsfähigkeit fehle. Somit seien seine Handlungen nicht vorwerfbar. Im übrigen berief sich der Mitarbeiter auf die Dienstvereinbarung Sucht, die ein mehrstufiges Verfahren bis zur Kündigung vorschreibe, dass der Arbeitnehmer nicht durchlaufen habe. Die Richter des Arbeitsgerichtes Düsseldorf erklärten die Kündigung für wirksam und stellten fest, dass das Verfahren der Dienstanweisung Sucht nicht bei strafbaren Handlungen einschlägig sei. So habe der Arbeitnehmer auch seine angebliche Steuerungsunfähigkeit nicht hinreichend konkretisiert. Insbesondere stellten die Richter klar, dass eine fristlose Kündigung auch auf eine nicht schuldhaft begangene, schwere Pflichtverletzung gestützt werden könne. 4. Keine Verwirkung von Schmerzensgeldansprüchen (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.12.2014, 8 AZR 838/13) Weil ein Arbeitnehmer wegen Mobbingvorgängen aus den Jahren 2006 bis 2008 erst im Jahre 2010 gegen seinen Vorgesetzten Schadensersatzansprüche geltend machte, wies das Landesarbeitsgericht Nürnberg die Klage mit der Begründung ab, der Anspruch sei verwirkt. Die Richter des Landesarbeitsgerichts Nürnberg begründeten ihre Entscheidung damit, dass der Vorgetzte zwei Jahre nach dem letzten behaupteten Vorfall hätte darauf vertrauen können, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Dass der Arbeitnehmer zwei Jahre mit der Geltendmachung der Ansprüche gewartet habe, sei als treuwidrig anzusehen, so die Richter. Die Richter des Bundesarbeitsgerichtes beurteilten die Angelegenheit jedoch anders, und hoben das Urteil auf. So urteilten die Richter, dass die besonderen Voraussetzungen für die Verwirkung in vorliegenden Fall nicht gegeben seien. Die Einrede der Verwirkung können nur erhoben werden, wenn ein Recht über längere Zeit nicht ausgeübt werde (Zeitmoment) und der Anspruchsgegner aufgrund besonderer Umstände darauf vertrauen dürfe, nicht mehr Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Im vorliegenden Fall habe allerdings im Rahmen des Umstandsmomentes keine besondere Pflicht zur zeitnahen Geltendmachung bestanden. So sei die Einrede der Verwirkung so genanntes Richterrecht, das von der Rechtsprechung aus dem Grundsatz von Treu und Glauben, 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), entwickelt wurde. Die Richter stellten in der Entscheidung noch einmal ausdrücklich klar, dass die Verwirkung nicht dazu führen dürfe, dass die gesetzliche Verjährung dadurch unterlaufen werde. Ein Verweis auf eventuell vorliegende Beweisschwierigkeiten auf Seiten des Anspruchsgegners genüge insbesondere nicht für die Annahme der Verwirkung.

Seite fünf 5. Einschlafen während der Arbeitszeit ist kein Kündigungsgrund (ArbG Köln, Urteil vom 19.11.2014, 7 Ca 2114/14) Weil eine Arbeitnehmerin, eine Zugbegleiterin, nach Dienstbeginn eingeschlafen war, kündigte der Arbeitgeber ihr. Die Arbeitnehmerin hatte bei Dienstbeginn über Unwohlsein geklagt, sich jedoch nicht förmlich krank gemeldet. So war Sie in der Folge in einem Zugabteil eingeschlafen und hatte de Arbeit erst nach mehreren Stunden aufgenommen. Die Arbeitgeberin hatte das Einschlafen während der Arbeitszeit als Arbeitsverweigerung bewertet und wies darauf hin, dass die Arbeitnehmerin bereits wegen Verschlafens abgemahnt worden sei. Die Richter des Arbeitsgerichts Köln wiesen die Klage ab, ließen dabei aber offen, ob in der nicht erfolgten Krankmeldung eine Pflichtverletzung der Arbeitnehmerin zu sehen sei. So hätte es jedenfalls im Falle einer weiteren Pflichtverletzung durch die Arbeitnehmerin einer erneuten Abmahnung bedurft. Denn das Einschlafen während der Arbeitszeit sei nicht eine gleichwertige Pflichtverletzung wie das Verschlafen vor Arbeitsbeginn, so die Richter. Die bereits erteilte Abmahnung sei im vorliegenden Fall nicht einschlägig. 6. Auch nach fristloser Kündigung Recht auf freie Meinungsäußerung (ArbG Berlin, Beschluss vom 02.09.2014, 31 Ga 11742/14) Arbeitgeber können Arbeitnehmern, die als Whistleblower Missstände im Betrieb des Arbeitgebers anprangern, nicht grundsätzlich den Mund verbieten, entschied kürzlich das Arbeitsgericht Berlin. Der Arbeitgeber, eine private Krankentransportfirma, hatte seinem Arbeitnehmer fristlos gekündigt, nachdem er in den Medien über angebliche Missstände bei seinem Arbeitgeber berichtet hatte. Die Kündigung, so entschieden die Richter des Arbeitsgerichtes Berlin, sei zurecht erfolgt, denn der Arbeitnehmer habe nicht vorher versucht, intern und ohne Veröffentlichung nach außen auf die Beseitigung der Missstände hinzuwirken. Über die Berufung im Kündigungsrechtsstreit ist allerdings noch nicht entschieden. Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes versuchte der Arbeitgeber, den Arbeitnehmer dazu zu verpflichten, diese Äußerung auch zukünftig zu unterlassen. Die Richter des Arbeitsgerichts Berlin wiesen den Eilantrag jedoch zurück. Es sei nicht von der Hand zu weisen, dass der Mitarbeiter mit seinen Äußerungen gegen seine arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen habe. Jedoch seien diese Äußerungen, die generell eine Kündigung rechtfertigen würden, allerdings von dem Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt, und somit nicht zu untersagen, so die Richter. Als Whistleblowing wird generell die Offenbarung von Missständen oder rechtswidrigen Vorgängen innerhalb von Organisationen bzw. bei Arbeitgebern verstanden. Dabei beabsichtigt die handelnde Person, mit ihrer Handlung einer Änderung der Zustände herbeizuführen und zu bewirken. Jedoch stellt diese Handlung ein sehr großes Risiko für die handelnde Person dar. Nicht selten zieht die Handlung Schikane bis hin zu Mobbing oder arbeitsbeziehungsweise dienstrechtliche Konsequenzen nach sich. HAFTUNGSAUSSCHLUSS: Dieser Newsletter Arbeitsrecht ersetzt keine rechtliche Beratung im Einzelfall, er dient als allgemeine Information über aktuelle Rechtsentwicklungen. Eine Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Ausführungen im Einzelfall übernehme ich mit der Herausgabe des Newsletter Arbeitsrecht nicht. Verantwortlich für den Inhalt:, Ehringshausen. Wenn Sie diese Informationen nicht länger erhalten möchten, senden Sie bitte eine Email an info@d-h-p.de. Copyright 2013. All rights reserved.

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