H ± Das Higgs-Teilchen. Manuel Hohmann Universität Hamburg. 11. Januar 2005

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Transkript:

H 0 Das Higgs-Teilchen Manuel Hohmann Universität Hamburg 11. Januar 2005

H 0 Inhaltsverzeichnis 1 Der Higgs-Mechanismus 3 2 Das Higgs im Standardmodell 11 3 Das Higgs und die Neutrinos 19

H 0 1. Der Higgs-Mechanismus

1.1. Ein anschauliches Modell H 0 Ohne Higgs-Feld: Ein Masseloses Teilchen Mit Higgs-Feld: Ein massives Teilchen

1.2. Der falsche Weg H 0 Am Anfang steht ein masseloses Eichboson A µ, dessen Lagrangedichte gegeben ist durch L = 1 4 F µν F µν Dabei ist F µν = µ A ν ν A µ die Feldstärke. Die Lagrangedichte ist invariant unter der lokalen Eichtransformation A µ A µ µ χ(x) Addiert man einen Massenterm... L = 1 4 F µν F µν + M 2 2 A µa µ... so geht die Eichsymmetrie verloren

1.3. Der richtige Weg H 0 Am Anfang stehen ein masseloses Eichboson A µ und ein komplexes Skalarfeld φ, deren Lagrangedichte gegeben ist als L = (D µ φ) (D µ φ) + µ 2 φ φ λ(φ φ) 2 1 4 F µν F µν Dabei sind F µν = µ A ν ν A µ die Feldstärke des Eichfeldes und D µ = µ + iga µ die kovariante Ableitung, wobei g die Kopplungsstärke des Skalarfeldes an das Eichfeld ist. Die Lagrange-Dichte ist invariant unter der lokalen Eichtransformation φ e igχ(x) φ A µ A µ µ χ(x) Theorie mit lokaler Eichinvarianz - aber wo sind die Teilchenmassen?

1.4. Symmetriebrechung Wenn µ 2 > 0 und λ > 0 sind, hat das Potential V (φ) = λ(φ φ) 2 µ 2 φ φ ein Minimum bei µ 2 φ = 2λ =: v 2 Man entwickelt φ um dieses Minimum durch den Ansatz H 0 φ = v + h 2 Dabei ist h ein reelles Skalarfeld. Einsetzen in die Lagrangedichte liefert L = 1 2 (( µ iga µ )(v + h)( µ + iga µ )(v + h)) Bedeutung dieser Terme? + 1 2 v2 λ(v + h) 2 1 4 λ(v + h)4 1 4 F µν F µν

H 0 1.5. Bedeutung der neuen Terme 1 4 F µν F µν kinetische Energie des Eichfeldes 1 2 ( µh)( µ h) kinetische Energie des Higgs-Feldes v 4 λ 4 Nullpunktsenergie v 2 λh 2 Masse des Higgs-Feldes g 2 v 2 2 A µa µ Masse des Eichfeldes (!!!) Aber es gibt noch vier weitere Terme...

H 0 1.6. Die Wechselwirkungsterme g 2 va µ A µ g h 2 A 2 µa µ h 2 vλh 3 λ 4 h4 A µ h h h h A µ A µ h A µ h h h h h

H 0 1.7. Resultate Durch das Higgs erzeugte Masse g 2 Kopplung der Teilchen an das Higgs Higgs koppelt an massive Teilchen, Stärke der Kopplung folgt aus den Teilchenmassen. Masse des Higgs-Teilchens λ Selbstkopplung des Higgs Higgs-Masse und Selbstkopplung hängen vom unbekannten Parameter λ ab, der nicht aus den Massen der anderen Teilchen folgt.

H 0 2. Das Higgs im Standardmodell

2.1. Theoretische Grundlage ( Das Higgs-Feld bildet ein SU(2)-Duplett φ = H 0 ) φ + φ 0 und wechselwirkt mit den linkshändigen Quark- und Lepton-Dupletts q L = ( u L d L ) und l L = ( ν L el ) und den rechtshändigen Singletts u R, d R, e R einer Familie über die Lagrange-Dichte L = (D µ φ) (D µ φ) g d q L φd R g u q L φ c u R g l ll φe R mit der Ladungskonjugation φ c = iτ 2 φ und der kovarianten Ableitung D µ = µ + ig τ 2 W µ + ig Y 2 Bµ Dabei sind τ die Pauli-Matrizen, g, g die SU(2)-Kopplung und die U(1)- Kopplung des Standardmodells und Y = 1 die schwache Hyperladung des Higgs-Feldes. Die Vektorfelder W µ, B µ hängen mit den bekannten Eichfeldern zusammen über A µ = B µ cos θ W + W µ 3 sin θ W, Z µ = B µ sin θ W + W µ 3 cos θ W, W ±µ = 1 ) (W µ 1 iw µ 2 ) (θ W = arctan g ist der Weinberg-Winkel 2 g

H 0 2.2. Eigenschaften Ein Higgs-Teilchen φ 0 Unbekannte Masse m φ 0 1 Bekannter Vakuumerwartungswert v = 2GF Fermi-Kopplung) Bekannte Kopplungen ( ˆ= Teilchenmassen) = 246GeV (G F ist die W-Boson: m W = g v 2 Z-Boson: m Z = m W cos θ W Photon: m γ = 0 = g 2 + g 2 v 2 Fermionen: m f = g f v 2, insbesondere m ν = 0

2.3. Zerfälle, Teil 1 H 0 φ 0 f f φ 0 W + φ 0 W W + φ 0 W φ 0 Z 0 Z 0 φ 0 f f Z 0 f f = alle Fermionenpaare für die m φ 0 > 2m f > 0 ist. Zerfall in schwere Fermionen ist bevorzugt! wenn m φ 0 > 2m W wenn m φ 0 > 2m Z Z 0

2.4. Zerfälle, Teil 2 H 0 φ0 γγ φ 0 φ Z 0 γ φ 0 φ gg φ 0 γ γ g g γ Z 0 Loop besteht aus einem geladenen (Kopplung an γ), H massiven ± (Kopplung an φ 0 ) Teilchen, z.b. top-quark oder W -Boson Loop wie oben, erlaubt wenn m φ 0 > m Z Loop besteht aus einem schweren Quark, z.b. top-quark

2.5. Produktion aus e + e H 0 e + e Z 0 φ 0 e Z 0 e + Wirkungsquerschnitt steigt ab Z 0 der Schwelle stark an, Bestimmung von m φ 0 aus Viererimpulserhaltung (Unabhängig von der Zerfallsart), wurde bei LEP2 φ 0 untersucht (Resultat: m φ 0 > 114, 1GeV) e e Vektorboson-Fusion, Rate e + e e + e φ 0 W, Z e + W, Z e + φ 0 wächst bei hoher Schwerpunktsenergie

2.6. Produktion aus Hadronen, Teil 1 H 0 g gg φ 0 g φ 0 Gluon-Fusion, wichtigster Kanal bei LHC (Umkehr des Higgs- Zerfalls) q t q q t tφ 0 q t φ 0 erlaubt Messung der top-kopplung

2.7. Produktion aus Hadronen, Teil 2 H 0 q Z, W q q Z 0 φ 0, W ± φ 0 Z, W q φ 0 wird am Tevatron untersucht q q q q q qφ 0 W, Z q W, Z φ 0 q Vektorboson-Fusion, wie bei e + e -Collidern

H 0 3. Das Higgs und die Neutrinos

3.1. Theoretische Grundlage Damit das Higgs den Neutrinos eine Masse gibt, muss es an sie koppeln - diese Kopplung erfordert rechtshändige Neutrinos ν lr. Dann kann man einen Kopplungsterm zur Lagrangedichte hinzufügen (hier für eine Leptonfamile): L = g ν ll φ c ν lr +... H 0 Die so erzeugte Masse ist proportional zur Kopplung g ν. Da es aber (mindestens) drei Neutrinogenerationen gibt, geht es noch allgemeiner - statt einer Kopplung g ν nehme man eine hermitesche Kopplungsmatrix G: L = G ll ll φ c ν l R +... l,l =e,µ,τ Um die Masseneigenzustände zu erhalten, diagonalisiert man G durch eine unitäre Transformation G = UGU - die Transformationsmatrix U ist die Neutrino-Mischungsmatrix. Die Eigenwerte von G sind die Kopplungen zwischen Higgs-Feld und Masseneigenzuständen der Neutrinos, proportional zu den Neutrinomassen.

H 0 3.2. Resultate Higgs-Mechanismus eignet sich auch für Neutrinos, wenn man rechtshändige Neutrinos einführt Neutrino-Mischung ergibt sich direkt aus der Lagrange-Dichte Drei Massenzustände Kleine Massen - schwache Kopplung an das Higgs-Feld

H 0 Literatur [1] J.F. Gunion, H.E. Haber, G.L. Kane and S. Dawson, The Higgs Hunter s Guide (Addison-Wesley, Reading MA, 1990) [2] F. Mandl, G. Shaw, Quantenfeldtheorie (AULA, Wiesbaden, 1993) [3] P.W. Higgs, Phys. Rev. Lett. 13, 508 (1964) [4] S. Weinberg, Phys. Rev. Lett. 19, 1264 (1967) Die Folien und Videos zum Vortrag gibt es unter: http://www.manuelhohmann.de/mhohmann/download/pub/index.html